KapG der KG Börry | Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hameln-Pyrmont | Patrozinium: kein mittelalterliches Patrozinium bekannt1 | KO: Calenberger KO von 1569
Orts- und Kirchengeschichte
Urkundlich ist der Ort erstmals im Jahr 1222 als Latforde nachgewiesen.2 Das Dorf zählte vermutlich zum Herrschaftsgebiet der Edelherren von Homburg, das 1409 bzw. 1421 mit der Eroberung der Burg Grohnde an die welfischen Hzg. zu Braunschweig-Lüneburg kam. Latferde gehörte zur Burg bzw. zum Amt Grohnde (1428 Fsm. Lüneburg, 1495 Fsm. Calenberg-Göttingen, 1692 Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover), das den Welfen lange als Pfandobjekt diente (verpfändet u. a. an die Bf. von Hildesheim und die Familie von Münchhausen). Erst ab 1619 standen Burg und Amt Grohnde unter direkter landesherrlicher Verwaltung.3 In französischer Zeit zählte Latferde von 1810 bis 1813/14 zum Kanton Börry im Distrikt Rinteln des Leinedepartements im Kgr. Westphalen. Danach war Latferde, nun im Kgr. Hannover, Teil des neuen Amtes Grohnde-Ohsen (1852: Amt Grohnde), das 1859 im Amt Hameln aufging. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel Latferde 1866 an das Kgr. Preußen. Bei Einführung der Kreisverfassung kam der Ort 1885 zum Kr. Hameln, der 1922 im Lkr. Hameln-Pyrmont aufging. Seit 1973 gehört Latferde zur neugegründeten Gemeinde Emmerthal. Um 1810 lebten gut 270 Menschen in Latferde, 1939 knapp 230, 1946 fast 510 und um 2015 etwa 200.
Kirchlich gehörte Latferde zunächst zum großen Kirchspiel Börry, das sich etwa im 13. Jh. in die Kirchspiele Oberbörry und Niederbörry teilte. Latferde besitzt eine eigene Kapelle, deren älteste Mauerteile wohl aus der Zeit um 1300 stammen. Namen etwaiger vorref. Geistlicher sind nicht überliefert.
In nachref. Zeit gehörte der größere Teil Latferdes seit 1590 zum Kirchspiel Oberbörry („4 Meier, 16 Kötner und 3 Beibauern“), einige Häuser des Dorfes jedoch zum Kirchspiel Niederbörry („2 Meier, 5 Kötner, 1 Beibauer“).4 Im Lagerbuch des Amtes Grohnde heißt es 1669: „In Latferde ist ein kleine Kapelle, ist vor 100 Jahren erbaut, vom Fundator weiß die Dorfschaft nichts, gehört an die obere Kirche zu Börry“.5 Ein Lehrer – und damit eine Schule – lässt sich in Latferde erstmals 1685 nachweisen.6
Bis zur Vereinigung der KG Nieder- und Oberbörry zur KG Börry im Jahr 1949 blieb die Bevölkerung Latferdes aufgeteilt zwischen diesen beiden Gemeinden, wobei die KapG Latferde, wie 1669, zur KG Oberbörry zählte. Traditionell fanden in der Kapelle Latferde pro Jahr vier Gottesdienste statt. Nach der Visitation 1958 schlug der Sup. des KK Bodenwerder dem KV Börry vor, zukünftig auf die Gottesdienste in der Kirche in Niederbörry zu verzichten, nicht zuletzt damit in den beiden KapG Brockensen und Latferde jeweils alle zwei Wochen ein Gottesdienst gefeiert werden könne.7 Der KV folgte dem Vorschlag zunächst jedoch nicht. Erst 1970 gab die Gemeinde die Kirche in Niederbörry auf (heute Museumskirche) und in den Unterlagen zur Visitation 1976 ist die Anzahl der jährlichen Gottesdienste in Latferde mit 23 angegeben.8
Ab 1997 gehörten die KapG Latferde und ihre Muttergemeinde Börry zur Arbeitsgemeinschaft Ilsetal und ab 2013 zum Verbundenen Pfarramt Ohsen. Zum 1. Januar 2022 schließlich gründete sich das Verbundene Pfarramt Emmer-Wesertal, zu dem alle Kirchen- und Kapellengemeinden der Region 5 des KK Hameln-Pyrmont gehören: Afferde, Börry (mit Brockensen und Latferde), Esperde, Frenke, Grohnde, Hajen, Hämelschenburg, Hastenbeck-Voremberg, Lüntorf, Ohsen und Tündern.9
Kapellenbau
Kleiner Rechteckbau, erbaut in der zweiten Hälfte des 16. Jh. unter Einbeziehung gotischen Mauerwerks der Vorgängerkapelle (um 1300). Satteldach, gedeckt mit Sandsteinplatten. Verputztes Bruchsteinmauerwerk. An der Nordseite zwei rechteckige Sprossenfenster sowie kleine Rechtecköffnungen unterhalb der Traufe; Südseite mit Rechteckfenster und vermauertem Portal; westliche Giebelseite mit Rechteckportal (im Sturz Inschrift: „Anno 1806“) und zwei kleinen Rechtecköffnungen im Giebeldreieck. Im Innern flache, holzverschalte Decke; Westempore. Wohl in der zweiten Hälfte des 16. Jh. gotische Kapelle um Obergeschoss erhöht, Giebelfenster vermauert.10 Wohl Mitte oder zweite Hälfte 17. Jh. Balkendecke entfernt, somit Erd- und Obergeschoss vereinigt. 1770 Veränderungen im Innenraum.11 1806 Südportal vermauert, neues Westportal. 1908 Renovierung. 1956 Innenrenovierung. 1969/70 Renovierung. 1997–98 Sanierung (Innenraum, Dach, Turm).
Turm
Über dem Westgiebel vierseitiger, verschieferter Dachreiter mit vierseitigem Pyramidendach, bekrönt mit Kreuz; Auslegestuhl für Uhrschlagglocke nach Westen. Schmale Schallfenster nach Norden und Süden, Uhrziffernblatt nach Norden.
Vorgängerbau
Rechteckiger Bruchsteinbau mit zwei Staffelgiebeln, erbaut etwa um 1300.12 Mauerwerk im heutigen Bau teilweise erhalten.
Ausstattung
Schlichter, hölzerner Blockaltar (1998/99) mit zweistöckigem, architektonisch gestalteten Holzretabel (1696), korinthische Säulen, verkröpftes Gebälk, Engelsköpfe, seitliches Schnitzwerk; im Hauptfeld geschnitztes Abendmahlsrelief (wohl älter), oberes Feld leer, darüber Inschriftenmedaillon: „Gott zu ehren gestiftet 1696“; Abendmahlsrelief bei Renovierung 1956 „unter dem Altar aufgefunden“ und in das Retabel eingesetzt (vorher Christus mit Dornenkrone, nach Guido Reni); bei Renovierung 1998/99 Backsteinaltar von 1956 abgebrochen und durch Holzaltar ersetzt.13 – Erhöhte, farbig gefasste Holzkanzel mit polygonalem Kanzelkorb (Mitte 17. Jh.), an den Wandungen Rundbogenarkaden und Rechteckfelder; Schalldeckel in den 1950er Jahren entfernt.
Orgel
1916 Harmonium erworben.14
Geläut
Eine LG, g’’ (Bronze, Gj. 1352, Hinrik Kuad), Inschriften: „ave maria gracia“, „anno d[o]m[ini] milesmo ccclii“ und „hinrih kuad“ (?); Bilder: verschiedene Reliefs (Pilgerzeichen), u. a. Engel, heiliger Georg, Geißelung, Kreuzigung; die Glocke wurde „seit altersher […] durch einen Konfirmanden geläutet“, bis 1957 „in der Schule kein Konfirmand vorhanden“ war; dann Einbau einer elektrischen Läuteanlage.15 Eine SG, h’’ (Bronze, Gj. um 1920).
Friedhof
Anfänglich Beerdigungen bei der Kapelle. Kommunaler (ursprünglich kirchlicher) Friedhof südlich außerhalb des Ortes, angelegt 1833, einige Grabdenkmale und gusseiserne Grabkreuze des 19. Jh. erhalten, FKap (Bj. 2000/01).16
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
D 25 (EphA Bodenwerder); S 2 Witt Nr. 04 (Fotosammlung); S 11a Nr. 7913 (Findbuch PfA).
Literatur & Links
A: Bühring, KD Lkr. Hameln-Pyrmont, S. 351–356; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 829; Hölscher, Leben, S. 146–151; Köhler & Gelderblom, Dorfkirchen, S. 138–139.
B: Ludwig Fricke: Latferde [1938/39], hrsg. von Wilhelm Hölscher [1985], bes. S. 35–38.
Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Kapelle; Friedhof.
Website der Kirchengemeinde (11.07.2022)
Weitere Bilder
Fußnoten
- Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien I, S. 206.
- Dürre, Regesten Homburg, Nr. 46. Weitere urkundliche Nennungen des Ortes zusammengestellt bei Fricke, S. 52 ff. Die u. a. bei Fricke, S. 8, bei Berner, Amt Grohnde, S. 23 und bei Hölscher, Lebens, S. 146, angeführten älteren Nennungen als Loferdi bzw. Loffurdi in den Verzeichnissen der Schenkungen an das Kloster Corvey aus dem 9. Jh. (Mönchslisten I, § 24 und § 253) sind auf Groß oder Klein Lafferde im Lkr. Peine zu beziehen, nicht auf Latferde, vgl. Mönchslisten II, S. 84 und S. 213; Casemir/Ohainski, Niedersächsische Orte, S. 100.
- Berner, Amt Grohnde, S. 9 ff. Siehe auch Fricke, S. 55 ff.
- Berner, Amt Grohnde, S. 29.
- Zit. bei Fricke, S. 36. NLA HA Hann. 74 Hameln Nr. 8.
- Fricke, S. 38.
- LkAH, L 5h, unverz., Börry, Visitationen 1958.
- LkAH, L 5h, unverz., Börry, Visitationen 1976.
- Siehe: https://region5.kirche-hameln-pyrmont.de/, 28.06.2022.
- Zur Baugeschichte: Bühring, KD Lkr. Hameln-Pyrmont, S. 353.
- Mithoff, Kunstdenkmale I, S. 113.
- Rekonstruktionszeichnung: Bühring, KD Lkr. Hameln-Pyrmont, S. 352.
- Bühring, KD Lkr. Hameln-Pyrmont, S. 353.
- Hölscher, Leben, S. 149.
- LKA, G 9 B, Latferde, Bl. 7 ff.; Bühring, KD Lkr. Hameln-Pyrmont, S. 354.
- Hölscher, Leben, S. 151.