Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hameln-Pyrmont | Patrozinium: Georg | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Afferde (seit 1973 Stadtteil von Hameln) wird 1042/43 in einer Urkunde des Bf. Bruno zugunsten des Moritzklosters in Minden erstmals erwähnt.1 Auf dem klösterlichen Besitz entstand ein Hof, der bis ins 14. Jh. Sitz des Ministerialengeschlechts von Afferde war. Mit dem Erlöschen der Familie (nach 1381) fiel der Hof an die Mindener Kirche zurück. Zu den mittelalterlichen Grundbesitzern in Afferde zählte auch das Bonifatiusstift in Hameln. Um 1560/80 waren die grundherrlichen Rechte an Hilmar von Münchhausen verpfändet, der den Gutshof seinerseits an das Hamelner Ackerbürgergeschlecht Mügge vergab. Die Landesherrschaft zogen die Welfen an sich (Fsm. Calenberg, Amt Springe, ab 1852 Amt Hameln).

Kirche, Ansicht von Nordosten, 1936

Kirche, Ansicht von Nordosten, 1936

Die Kirche in Afferde ist Filial von Groß Hilligsfeld und wurde um 1200 wohl auf Veranlassung der Herren von Afferde zur Pfarrkirche erhoben. Vermutlich wurde im Zusammenhang mit dieser Aufwertung ein älteres KapGb Anfang des 13. Jh. durch eine romanische Saalkirche ersetzt. 1356 stiftete der Hamelner Kanonikus Jordan Hoed der Kirche mit Zustimmung seiner Brüder Johannes und Amelung Hoed einen Altar zu Ehren der Jungfrau Maria, Johannes des Täufers, der Apostel Petrus und Paulus sowie des Evangelisten Johannes und übertrug das Beneficium dem Geistlichen Florinus Wilhelmi.2 Seine Vikarie wurde 1419 bestätigt und 1458 an das Moritzkloster zu Minden verlegt.3 Bf. Heinrich von Minden bestätigte 1478 die Stiftung einer Kommende in der Kirche zu Afferde durch den Kanonikus Gerhard Hemering, dessen Bruder und Mutter.4
Außerhalb der Landwehr von Hameln befand sich seit 1494 in der Feldmark von Klein Afferde eine der Parochie Afferde zugehörige Kapelle5, für deren Neubau Bf. Heinrich von Minden 1502 einen vierzigtägigen Ablass verkündete.6 1507 stiftete Johann Stoss, Pfarrer in Dunkelberg, an dieser Kapelle eine Kommende unter dem Patronat des Rats der Stadt Hameln. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.7

Kirche, Blick zum Altar, 1936

Kirche, Blick zum Altar, 1936

Als vorref. Geistliche in Afferde sind bekannt: Johannes (plebanus in Afforde, 1304)8; Albertus (plebanus […] ecclesie in Afforde, 1356); Helmolt (kerchere to Afferde, 1412)9; Helmold de Rordessen (1416)10; Johann Gotwoldes (1458)11; Hermann Bartoldeken (ordnet die kirchlichen Verhältnisse der zu Klein Afferde gestifteten Kapelle außerhalb der Landwehr von Hameln, 1494)12; Heinrich Danchardi (Vizepfarrer, 1337)13; Floreke (Vikar, 1457)14; Amelunges (Vikar, um 1500).15
Die Einführung der Reformation dürfte unter Elisabeth von Calenberg 1542 vollzogen worden sein. Flecken und Amt Springe wurden am 20. April 1543 visitiert.16 Nähere Angaben liegen nicht vor. Als ersten luth. P. nennt Kayser Johann Löding (amt. bis 1556, † nach 1562)17, der die Pfarre aus Altersgründen mit Zustimmung Hzg. Erichs II. dem Laien Christoph Welthusen, Hausschreiber zur Neustadt, übertrug. Welthusen verkaufte die Pfründe 1562 an Christoph Kese (vorher Kaplan/Schulmeister in Springe), der zwar die herzogliche Belehnung erhielt, aber erst 1567 das theologische Examen ablegte und ordiniert wurde. Kese wurde 1588 als mercenarius abgesetzt. Sein Nachfolger Johann Schulrabe (amt. 1588–1591), „dem Trunke ergeben“, musste nach einer Gewalttätigkeit flüchten. P. Henning Rosenhagen (amt. 1592–1612) brachte die Finanzen der Pfarre in Ordnung und setzte u. a. deren Ansprüche gegenüber dem Moritzkloster zu Minden durch. Er erreichte die Herausgabe der von seinem Vorgänger mitgenommenen Kirchenregister, Siegel und Urkunden und sicherte mit deren Hilfe der Pfarre den ihr zustehenden Zehnten. Dennoch blieb die Pfarre in Afferde wenig einträglich. 1612 wurde wegen Vernachlässigung seines Amtes auch P. Rosenhagen entlassen.18 Von 1612 bis 1641 war Joachim Lohoff P. in Afferde. In seine Amtszeit fällt der Beginn des Dreißigjährigen Krieges. 1632 oder 1633 wurde die am Nordrand des Dorfs auf dem ehemaligen Kirchhof gelegene Kirche verwüstet und geplündert. 1734 wird das KGb als alt und baufällig bezeichnet19 und 1773 unter P. Dietrich Ambrosius Eckstein (amt. 1771–1777) durch einen Neubau ersetzt.
Zum 1. Januar 2022 gründete sich das Verbundene Pfarramt Emmer-Wesertal, zu dem alle Gemeinden der Region 5 des KK Hameln-Pyrmont gehören: Afferde, Börry, Esperde, Frenke, Grohnde, Hajen, Hämelschenburg, Hastenbeck-Voremberg, Lüntorf, Ohsen und Tündern. Die Gemeinden wollen inhaltlich und personell zusammenarbeiten; der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus 14 Delegierten der Gemeinden und drei Pastor*innen, leitet den Pfarrverbund.20

Umfang

Das Dorf Afferde und die Papiermühle zur Lust (Stand: 1823). Ursprünglich gehörte zur Parochie auch das Filial Hastenbeck, vielleicht auch Diedersen und Rohrsen. Hastenbeck wurde 1681/82 durch Sibille von Reden, geb. von Bennigsen, für 1.200 Taler losgekauft und zur selbständigen Pfarre erhoben.21

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat Ohsen der Diözese Minden. – 1589 an die Insp. Münder. 1. Juni 1867 zur Insp. (ab 1924: KK) Groß Berkel; nach Auflösung des KK Groß Berkel zum 1. Oktober 1934 an den KK Groß Berkel-Hameln (ab 1938: KK Hameln-Pyrmont).

Patronat

Der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau
Kirche, Grundriss, 1936

Kirche, Grundriss, 1936

Die heutige Kirche entstand 1772/73 auf den Fundamenten des Vorgängerbaus. Das schlichte, saalartige Schiff zu drei Achsen besteht aus teilweise steinsichtig geputztem Bruchsteinmauerwerk und vom Vorgängerbau übernommenen Quadern (1773). Segmentbogige Sprossenfenster. Im Innern hölzerner Kassettendecke auf umlaufendem, farbigen Fries, u-förmige Emporenanlage von 1776, deren Westteil 1873 unter der Orgel vorgezogen wurde. Renovierungen 1873 (Einsetzen der kassettierten Balkendecke), 1964 (u. a. Rückbau der Emporen) und 1991–95.

Turm

Gedrungener Westturm aus Bruchsteinmauerwerk, das Turmuntergeschoss mittelalterlich; darauf aufgesetzt ein verschiefertes Glockengeschoss aus Fachwerk. Vierseitiger Pyramidenhelm, an der Südseite ein Ausleger für die Uhrschlagglocke. Bekrönung: Kugel, Wetterfahne, Kreuz. Turmbekrönung erneuert 1928 und 2009.

Ausstattung

Freistehender Kanzelaltar vor der Sakristei (1776). Stipes aus verputztem Ziegelmauerwerk. Kanzelwand aus Holz, polygonaler Kanzelkorb. Über der Mensa ein Abendmahlsgemälde (1776, gestiftet von Cathrine Hedewig Bruns). Eine vorref. Altarplatte mit Weihekreuzen und Reliquiengrube ist jetzt an der Turmsüdseite angebracht. – Kelchförmiger Taufstein mit romanisierendem Dekor, gestiftet 1888 von P. i. R Johann Bartels (amt. 1851–1887). Ein älterer romanischer Taufkessel (12./13. Jh.) wurde nach dem Abbruch der alten Kirche weggegeben, zeitweilig als Regentraufe auf einem Hof in Afferde benutzt und 1937 neben dem Haupteingang aufgestellt (seit 2009 wieder für Taufen in Gebrauch). – Epitaph für den Hamelner Kaufmann und Bürgermeister Gerhard Georgius Leist († 1598 an der Pest).

Orgel

Orgel

Orgel

Die erste Orgel mit acht klingenden Stimmen, erbaut von Johann David Heeren (Höxter), beschaffte die Gemeinde 1797. 1878/79 Neubau durch P. Furtwängler (Elze), 12 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen. 1950/51 und 1964 Umbauten. 1992–95 durch die Orgelbauwerkstatt Franz Rietzsch (Hemmingen) in den Ursprungszustand zurückversetzt. Denkmalorgel.

Geläut

Zwei LG, I: a’ (Bronze, Gj. 1649, Christoph Kleimann, Lemgo); II: d’’ (Bronze, Gj. 1955, Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg), Inschrift: „Im Gedenken an unseren Sohn Ludwig 1910–1945, allen gefallenen Söhnen der Gemeinde zum Gedächtnis“; Glocke gestiftet von der Familie Runge. – Eine SG g’’ (Bronze, Gj. 1855, Friedrich Dreyer, Linden/Hannover). – Früherer Bestand: Eine Turmglocke wurde im Dreißigjährigen Krieg 1632 zerschlagen und aus den Resten der beiden (beschädigten) anderen Glocken 1649 bei Christoph Kleimann (Lemgo) eine neue gegossen (jetzt LG I). Eine 1793 beschaffte zweite Glocke, gegossen von Heinrich Albrecht Bock (Einbeck), wurde im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen, ebenso 1942 die 1925 gegossene Ersatzglocke der Firma J. J. Radler (Hildesheim).

Weitere kirchliche Gebäude

Der Pfarrhof brannte 1632/33 nieder, wurde zunächst nur durch einen Notbehelf und 1684 durch ein neues Pfarrhaus ersetzt. Heutiges Pfarrhaus von 1831 (zweigeschossiger, fünfachsiger Fachwerkbau unter Krüppelwalmdach). – Das Pfarrwitwenhaus (erbaut 1672) wurde 1828 durch Brand zerstört, das Grundstück anschließend veräußert. – 1954 erwarb die KG das 1898 erbaute Schulgebäude zur Nutzung als Gemeindehaus von der politischen Gemeinde. – Der KiGa, früher Am Vogelsang, zog 1986 in das Gebäude der 1982 aufgegebenen Hauptschule um.

Friedhof

Eigentum der KG. Der Kirche wird seit 1885 nicht mehr für Bestattungen genutzt (einige Grabsteine des 19. Jh. sind erhalten). Neuanlage im gleichen Jahr am Hastenbecker Kirchweg (Bahnhofstraße, jetzt Cumberlandstraße) vor dem Dorf; 1968 geschlossen und 2010 als reiner Urnenfriedhof wieder in Betrieb genommen. Ein kommunaler Friedhof (Stadt Hameln) besteht seit 1965 am Scheckfeldweg. FKap (Bj. 1979).

Liste der Pastoren (bis 1942)

Bis 1556 Johann Löding. – 1567–1588 Christoph Kese. – 1588–1591 Johann Schulrabe. –1592–1612 Henning Rosenhagen. – 1612–1641 Joachim Lohoff. – 1641–1655 Simon Ģrene. – 1655–1657 Samuel Rosenhagen. – 1657–1672 Hermann Schröter (Schröder). – 1672–1695 Martin Blumenberg. – 1696–1697 Heinrich Philipp Tappen. – 1697–1720 Johann Arnold Winter. – 1720–1747 Christoph Nölting. – 1748–1756 Eberhard Julius Hirschfeld. – 1757–1760 Johann Michael Andreae. – 1761 Johann Friedrich Bone. – 1762–1771 Konrad August Andreas Cordes. – 1771–1777 Dietrich Ambrosius Eckstein. – 1777–1791 Johann Friedrich Kolbe. – 1792–1800 Johann Justus Jatho. – 1800–1805 Franz Jakob Kutscher. – 1805–1822 Gottfried Heinrich August Dedekind. – 1822–1830 Dietrich Christian Friedrich Stisser. – 1830–1841 August Wilhelm Ehrhard. – 1841–1851 Friedrich Heinrich Wilhelm Schreiber. – 1851–1887 Johann Gottfried Albert Wilhelm Bartels. – 1888–1928 Gustav Ludwig William Dorsch. – 1930–1942 (?) Lic. Heinrich Ludwig Wilhelm Kayser.

Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 7–8

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 107–123 (Pfarroffizialsachen); A 6 Nr. 70–78 (Pfarrbestallungsakten); A 8 Nr. 4Digitalisat (CB); A 9 Nr. 21Digitalisat (Visitationen); D 9 (EphA Hameln-Pyrmont).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1720
Trauungen: ab 1720
Begräbnisse: ab 1720 (Lücken: 1778, 1779)
Kommunikanten: ab 1771
Konfirmationen: ab 1721

Literatur

A: Bühring, KD Lkr. Hameln-Pyrmont I, S. 17–19; Kayser, Inspektion Groß-Berkel, S. 38–49; Köhler & Gelderblom, Dorfkirchen, S. 100–101; Mithoff, Kunstdenkmale I, S. 7.
B: C. Brandt: Geschichte des Dorfes Afferde, Göttingen 1943; Hannelore Fließ: Kennen Sie Afferde?, o. O. [2003]; E. F. Mooyer: Ueber die Stiftung und die Aebte des Klosters Oldenstadt, in: Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen 19 (1853), S. 249–257; Birgit Sterner & Edelgard Schlagmann: Evangelisch-lutherische St.-Georg-Kirche Afferde, [Afferde] 2016 [Faltblatt].


Fußnoten

  1. Mithoff, Kunstdenkmale I, S. 7.
  2. UB Hameln I, Nr. 465.
  3. Mooyer, S. 257.
  4. UB Hameln II, Nr. 500.
  5. UB Hameln II, Nr. 616. Vgl. auch Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien I, S. 174.
  6. UB Hameln II, Nr. 662.
  7. Brandt.
  8. UB Rinteln, Nr. 68.
  9. UB Hameln II, Nr. 33.
  10. UB Hameln II, Nr. 51.
  11. UB Hameln II, Nr. 54.
  12. UB Hameln II, Nr. 616.
  13. UB Hameln I, Nr. 335.
  14. UB Hameln II, Nr. 338.
  15. UB Hameln II, Nr. 657.
  16. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 250.
  17. Kayser, Inspektion Groß-Berkel, S. 40.
  18. Kayser, Inspektion Groß-Berkel, S. 43.
  19. LkAH, A 8/Afferde (Corpus bonorum 1734).
  20. Siehe: https://region5.kirche-hameln-pyrmont.de/, 28.06.2022.
  21. Kayser, Inspektion Groß-Berkel, S. 39.