Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Peine | Patrozinium: Peter und Paul (1506)1, Peter (1971)2 | KO: Lüneburger KO von 1643

Orts- und Kirchengeschichte

Schriftlich erwähnt wird das Dorf erstmals als Stederdorppe in einer undatierten Urkunde, die vermutlich zwischen 1260 und 1280 entstanden ist.3 Der Ort lag im Grenzbereich zwischen den stiftshildesheimischen und den braunschweigischen Gebieten. Im Chronicon Hildesheimense ist vermerkt, dass Hzg. Heinrich I. von Braunschweig-Grubenhagen, genannt der Wunderliche, in einer Fehde gegen Bf. Siegfried II. von Hildesheim um die Wende vom 13. zum 14. Jh. zwei steinerne Türme (turres lapideas) in Oberg und Stederdorf zerstören ließ.4 Stederdorf blieb unter braunschweigischer Herrschaft und war später Teil des Amtes Meinersen im Hzm. Lüneburg. In der ersten Hälfte des 14. Jh. besaßen die Herren von Oberg die Vogteirechte über Pfarrgut und Ort als Lehen der Grafen von Wunstorf, 1360 und 1387 nachweislich als Lehen der Hzg. von Lüneburg. Die niedere Gerichtsbarkeit lag bei den Herren von Oberg, nach 1815 bis 1846 beim Gut Schwicheldt. Von 1810 bis 1813 gehörte der Ort zum Kanton Uetze im Distrikt Celle des Departements Aller im Kgr. Westphalen. Danach war er wieder Teil des Amtes Meinersen, zunächst im Kgr. Hannover und nach der Annexion von 1866 im Kgr. Preußen. 1885 kam das Dorf zum neugegründeten Lkr. Peine. 1964 bildete sich die Samtgemeinde Stederdorf-Wendesse und zehn Jahre später wurden beide Orte in die Stadt Peine eingemeindet. Das Haufendorf Stederdorf hatte 1781 gut 350 Einwohner, 1848 knapp 700 und 1905 bereits gut 1.700. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs stieg die Einwohnerzahl aufgrund von Flüchtlingen auf über 3.200 an und sank auch in den folgenden Jahren nicht wesentlich ab: 1974 lag sie bei knapp 4.000, 2017 bei rund 5.500. In der Kirchenchronik nannte P. von Lintig (amt. 1930–1948) Stederdorf eine „Wohngemeinde des Peiner Walzwerkes“5 (gegründet 1872), zudem ließen die Öhlbohrungen im benachbarten Ölheim6 die Bevölkerung wachsen. Mehrere Neubaugebiete ließen die Einwohnerzahl der Stadtrandgemeinde Stederdorf weiter steigen.

Kirche, Ansicht von Südosten, 1933 oder 1936

Kirche, Ansicht von Südosten, 1933 oder 1936

Die Urkunde mit der ersten schriftlichen Erwähnung des Dorfes überliefert auch den ersten Namen eines Geistlichen: dominus Wolterus plebanus in Stederdorppe.7 Der Turm der Kirche geht in seinem ältesten Teil auf das 14. Jh. zurück. Ernst der Bekenner, seit 1521 Fs. von Lüneburg, betrieb seit 1527 die Einführung der Reformation in seinem Fsm. Das in diesem Jahr gedruckte Artikelbuch diente dabei, obwohl die Landstände es abgelehnt hatten, als Leitfaden.8 Die Pfarren des Fsm. ließ Ernst bis 1543 planmäßig visitieren, 1564 erschien die erste KO für das Fsm. Lüneburg im Druck.9 Im Lüneburgischen Pfründenregister von 1534 wird mit Pastor Her Bartelth10 der erste luth. Geistliche in Stederdorf genannt, im Bericht über die Visitation 1543 ist lediglich vermerkt, dass der Pfarrer nicht erschienen sei.11 In der zweiten Hälfte des 16. Jh. errichtete die Gemeinde das heutige Langhaus der Kirche, einen schlichten, einschiffigen Bruchsteinbau mit geradem Chorschluss.

Kirche, Blick nach Westen, Foto: Ernst Witt, Hannover, Juni 1951

Kirche, Blick nach Westen, Foto: Ernst Witt, Hannover, Juni 1951

Die Pfarrer von Stederdorf waren auch für das 1375 erstmals genannte Nachbardorf Wendesse zuständig.12 Im 16. Jh. lag der Ort jedoch wüst und erst im 17. Jh. siedelten sich hier wieder Menschen an.13 Das älteste Kirchenbuch der Gemeinde beginnt 1678 und die ältesten Ausstattungsstücke der Kirche stammen aus dem späten 17. Jh.: der Taufengel, die Altarleuchter und der Altar selbst. Den Sakristeianbau an der Südseite der Kirche ließ die Gemeinde 1698 errichten, in die gleiche Zeit gehören die Fenster im Langhaus und das Fachwerkglockengeschoss des Turms. im Jahre 1865 erwarb die KG mit finanzieller Hilfe des Hannoveraner Kg. eine neue Orgel, die bis 1980 hinter dem Altar auf der früheren Ostempore stand.14
Bei der Kirchenwahl im Juli 1933 trat lediglich eine DC-Liste an und P. Otto von Lintig (amt. 1930–1948), seit 1931 Mitglied der NSDAP, gehörte neben Sup. Felix Rahn (Sievershausen (Lehrte), später DC-Gegenbischof der Landeskirche Hannovers) und P. Philipp Hartwig (Edemissen) zu den maßgeblichen Akteuren der DC im KK Sievershausen.15 P. von Lintig saß für die DC im Landeskirchentag und war Gauobmann der DC-Bewegung für den Gau Südhannover-Braunschweig (bis Ende 1934). Im November 1934 legte der KV von Stederdorf gegenüber dem LKA Einspruch gegen die Absetzung des Sup. Felix Rahn16 ein und weigerte sich 1936 die übliche Straßen- und Haussammlung für die Innere Mission durchzuführen, da Sup. Rahn noch nicht wieder im Amt sei. Seit 1938 zog sich P. von Lintig zunehmend aus der Glaubensbewegung zurück und bekämpfte den Nationalsozialismus nach eigener Aussage in „Wort und Tat“17, blieb jedoch Mitglied der NSDAP und der DC. Das Außerordentliche Kirchengericht18 verurteilte ihn 1947 zu einer Geldbuße von 250 RM und im November 1948 bat er aus gesundheitlichen Gründen um Versetzung in den Ruhestand.19

Kirche, Blick zum Altar, vermutlich 1978

Kirche, Blick zum Altar, vermutlich 1978

Bei der Visitation 1950 fiel das Fazit über den Zustand der KG weitgehend negativ aus: „Eine Gemeinde, in der seit Jahren das kirchliche Leben sich erschöpft im Abhalten des sonntäglichen Gottesdienstes und des Konfirmandenunterrichtes der beiden Jahrgänge – das ist Stederdorf. Keine Bibelstunde, kein Missionsfest, keine Chorpflicht, keine Kinderlehre, kein Ansatz der sog. Werke, keine Sammlung der Konfirmierten.“20 In den Folgejahren besserte sich das Urteil und 1986 schrieb der LSup des Sprengels Hildesheim, er habe sich „herzlich gefreut“ über den Visitationsbericht.21 Das aktivere Gemeindeleben des wachsenden Ortes ist in den 1960er und 1970er Jahren nicht zuletzt an der Bautätigkeit abzulesen: 1967 Gemeindesaal, 1969 Pfarrhaus, 1971 Kindergarten. 1969 gründete sich zudem der CVJM Stederdorf und Umgebung e. V., der 1975 auch die Jugendarbeit in der KG übernahm.22 Seit 1971 unterhält die KG den St.-Petrus-KiGa, dessen Arbeit mittlerweile ein Förderverein unterstützt. Zusammen mit den KG Peine, Frieden, Peine, St. Jakobi, Peine, St. Johannis, Peine, Martin Luther, Vöhrum und Eixe bildet die KG Stederdorf seit 2009 die Region Stadt des KK Peine. Um bei der Erfüllung ihrer gemeindlichen Aufgaben in Zukunft stärker zu kooperieren, gründeten diese Gemeinden zum 1. Juli 2018 gemeinsam den „Ev.-luth. Kirchengemeindeverband Peine“.23

Umfang

Die Dörfer Stederdorf und Wendesse.

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat Sievershausen der Diözese Hildesheim. – 1575 zur neuen Insp. Burgdorf, ab 1723 Insp. (1924 KK) Sievershausen. Bei Auflösung des KK Sievershausen zum 1. Oktober 1965 in den KK Peine umgegliedert.24

Patronat

Herren von Oberg, 1344/51 als Lehen der Gf. von Wunstorf und 1360, 1574, 1755 sowie 1821/23 als Lehen der Hzg. von Braunschweig-Lüneburg.25 1861 in männlicher Linie ausgestorben, dann der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau
Kirche, Grundriss, 1938

Kirche, Grundriss, 1938

Einschiffige Bruchsteinkirche mit geradem Chorschluss und Satteldach, erbaut in der zweiten Hälfte des 16. Jh.; Sakristeianbau an Südseite (1698), Emporenaufgang und Heizungsanbau an Nordseite, hohe, flachbogige Fenster am Langhaus (um 1700), Tür in Ostseite (19. Jh.). Im Innern flache, holzverschalte Tonne mit aufgemalter Kassettierung, Emporen im Westen (17. Jh.) und Norden (1865). Neuausmalung 1920. Instandsetzung 1980 (Orgel nach Westen versetzt, zuvor auf Ostempore hinter dem Altar). Innenrenovierung 2012 (Ostempore von 1865 entfernt).

Turm

Westturm mit querrechteckigem Grundriss; unterer Teil Bruchsteinmauerwerk (14. Jh.), Portal mit Rechteckfenster darüber im Westen (19. Jh.); Glockengeschoss aus Fachwerk (um 1700), leicht zurückgesetzt, rechteckige Schallöffnungen, Uhrziffernblatt nach Westen; Turmhelm mit rechteckigem Ansatz und achteckig ausgezogener Spitze (1828), Auslegestuhl für Uhrschlagglocke nach Westen. Durchgang zum Schiff seit 1980 mittig, vorher spitzbogige Tür nahe der Nordostecke. Turmsanierung 1993/94.

Ausstattung

Altarmensa auf gemauertem Stipes, seitliche Altarschranken. – Altarretabel, zweigeschossiger Aufbau mit zwei Bildfeldern, jeweils flankiert von drei gedrehten Säulen, oberes Bildfeld überstrichen, davor Christusfigur (Gips), unteres Bildfeld mit Gethsemaneszene, Sockelzone mit Abendmahlsbild (Altar um 1690, anscheinend aus gleicher Werkstatt wie Altar in Dedenhausen, vermutlich alt gekauft und nicht für Stederdorf angefertigt, Bekrönung 1978/79 ergänzt). – Taufengel mit muschelförmiger Taufschale in der rechten Hand (Ende 17. Jh., 1980 restauriert). – Taufbecken (1920, Heinrich Gahre, Stiftung der Familie Frieling). – Holzkanzel (etwa 1720).

Kirche, Blick zur Orgel, vermutlich 1980

Kirche, Blick zur Orgel, vermutlich 1980

Orgel

Die Kirche besaß in der ersten Hälfte des 19. Jh. eine Orgel, deren Baujahr nicht bekannt ist, 9 I, mechanische Traktur, Schleifladen. An dieser Orgel nahm B. Berger 1832 Reparaturen und Dispositionsänderungen vor.26 1865 erwarb die KG eine neue Orgel von E. Meyer (Hannover), 13 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen, die auf der neuen Ostempore als Bekrönung des Altars aufgestellt wurde. Prospektpfeifen 1917 zu Kriegszwecken abgegeben, 1923 erneuert. 1961 Umdisponierung durch Orgelbaumeister Lothar Wetzel (Hannover). 1979/80 weitgehender Neubau und Dispositionsänderung durch Emil Hammer (Arnum, Opus 1802), bei dem nur wenige Pfeifen von 1865 erhalten blieben, Pfeifenmaterial hauptsächlich aus der ehemaligen Orgel der KG Celle-Neustadt.27 Instrument gleichzeitig auf Westempore versetzt. Orgelsanierung 2014.

Geläut

Zwei LG, I: dis’, II: fis’ (beide Stahl, Gj. 1921, Bochumer Verein). Eine SG (Bronze, Gj. etwa 1698). – Früherer Bestand: Eine LG (Bronze, Gj. 1849, Dreyer, Linden), 1917 zu Kriegszwecken abgegeben. Eine LG (Bronze, Gj. 1754, Johann Meyer, Celle), 1921 zur Finanzierung der LG I und II verkauft nach Kirchbauna bei Kassel.

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 2002). Gemeindehaus (Bj. 1967 und 1969, ursprünglich Gemeindesaal mit Pfarrhaus, 1999/2000 Umbau zu Gemeindehaus mit Pfarrdiensträumen, Dachsanierung 2017). Kindergarten (Bj. 1971).

Friedhof

Am Nordostrand des Ortes, im Eigentum der KG. FKap (Bj. 1976) mit kleiner Orgel, 3 I, mechanische Traktur, Schleifladen, erbaut 1976 von Emil Hammer (Arnum, Opus 1745). Alter Friedhof rund um die Kirche eingeebnet.

Liste der Pastoren (bis 1940)

1534 Bartelth … – 1556–1584 Andreas Brandes. – 1… Samson Schmieding. – 1614–1636 Ambrosius Eckstein. – 1636–1678 Petrus Steinmeyer. – 1678–1684 Johann Kanne (Cannius). – 1684–1689 Anthonius Johann Rhode. – 1690–1709 Daniel Casper Theune. – 1709–1720 Bodo Vogel. – 1721–1737 Gustav Leopold Hornbostel. – 1738–1794 Martin Christoph von Roden. – 1795–1804 Friedrich August Ludwig Timäus. – 1805–1813 Johann Philipp Hartwig Grußenberg. – 1816–1832 Johann Christian Ludwig Morstadt. – 1832–1883 Ernst Diedrich Hübotter. – 1884–1901 Wilhelm Heinrich August Philipp Parisius. – 1902–1912 Heinrich Julius Karl Ludwig Schmalstieg. – 1913–1929 Otto Julius Ocker. – 1930– Otto Friedrich von Lintig.
Angaben nach: Meyer, Pastoren II, S. 401

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 6 Nr. 7779–7787 (Pfarrbestallungsakten); A 9 Nr. 2193Digitalisat, 2194Digitalisat, 2195Digitalisat, 2196Digitalisat (Visitationen); D 14 (EphA Sievershausen); D 52 (EphA Burgdorf); D 97 (EphA Peine); N 39 Nr. 12 und 22 (Nachlass Karl Lange); S 11a Nr. 7561 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1678
Trauungen: ab 1678
Begräbnisse: ab 1678
Kommunikanten: ab 1831
Konfirmationen: ab 1794 (Lücken: 1814–1818)

Literatur

A: Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 273, Nr. 81; Boetticher, Ortsverzeichnis Lkr. Peine, S. 216–219; Buchholz, Amt Meinersen, bes. S. 114–128; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 1244; Jürgens u. a., KD Kr. Peine, S. 183–187; Kirchen KK Peine, S. 56 f.; Meyer, Pastoren II, S. 401; Pape/Schloetmann, Hammer, S. 189; Rose, Kirchenkampf.
B: Theo Gensrich: Notizen über die Stederdorfer Kirche, in: Der Heimatspiegel 103 (1975), S. 11; Theo Gensrich: Häufige Stiftungen für die Stederdorfer Kirche. Heinrich Gahre war ein Meister der Schnitzkunst, in: Der Heimatspiegel 114 (1976), S. 9–10; Friedrich Giere: Wie alt ist die Stederdorfer Pfarre? in: Der Heimatspiegel 55 (1971), S. 4–5; Fritz Rehbein: Stederdorf – Wendesse. Vom Werden und Wesen zweier Dörfer, Peine 1978.


Fußnoten

  1. Boetticher, Ortsverzeichnis Lkr. Peine, S. 217.
  2. Rehbein, S. 302, Anm. 1.
  3. UB HS Hildesheim III, Nr. 272. Die häufig als Erstbeleg genannte Erwähnung in einer Urkunde von 1148 bezieht sich auf Stederdorf bei Wrestedt im Lkr. Uelzen, Boetticher, Ortsverzeichnis Lkr. Peine, S. 216.
  4. MGH SS 7, S. 866 [Digitalisat].
  5. LkAH, S 1 H III Nr. 317 Anhang, S. 1407.
  6. Rehbein, S. 101 f.
  7. UB HS Hildesheim III, Nr. 272.
  8. Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 484 und 492 ff.
  9. Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 533 ff.
  10. Salfeld, Pfründenregister, S. 95.
  11. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 505.
  12. Boetticher, Ortsverzeichnis Lkr. Peine, S. 246.
  13. Rehbein, S. 158; Boetticher, Ortsverzeichnis Lkr. Peine, S. 246.
  14. Gensrich, Notizen.
  15. Rose, Kirchenkampf, S. 155.
  16. LkAH, S 1 H III Nr. 317 Anhang, S. 1410 f.
  17. LkAH, B 7 Nr. 969.
  18. KABl. 1946, S. 5 f.
  19. LkAH, B 7 Nr. 969.
  20. LkAH, L 5h, unverz., Stederdorf, Visitation 1950.
  21. LkAH, L 5h, unverz., Stederdorf, Visitation 1986.
  22. LkAH, L 5h, unverz., Stederdorf, Visitation 1980.
  23. KABl. 2018, S. 64 ff.
  24. KABl. 1965, S. 258.
  25. Boetticher, Ortsverzeichnis Lkr. Peine, S. 217.
  26. Pape, Orgeln Kr. Peine, S. 54.
  27. LkAH, L 5h, unverz., Stederdorf, Visitation 1992.