Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hildesheimer Land-Alfeld, Amtsbereich: Alfeld | Patrozinium: Pankratius | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Bockenem ist das Zentrum des Ambergaus, den Heinrich II. als Kg. 1009 dem Reichsstift Gandersheim übereignete. Schon vor der Entstehung der heutigen Stadt bestand eine ältere Siedlung, die in Lehnsbriefen und Urkunden als Oledorp bezeichnet wird. Bockenem wird Anfang des 12. Jh. in einer Schrift über den Hildesheimer Bf. Bernward erstmals erwähnt. 1154 bestätigte Bf. Bruno dem Kloster Riechenberg u. a. seinen Besitz in Bukenem.1 Die Herrschaftsrechte lagen bei den Gf. von Wohldenberg, die durch das Stift Gandersheim mit dem Ambergau belehnt worden sind. Bis 1290 war Bockenem gemeinschaftliches Besitztum der beiden wohldenbergischen Linien. 1290 verkaufte Gf. Heinrich V. der Jüngere die ihm gehörende Hälfte seinem Vetter von der jüngeren Linie. Die Lage an der Nette und der Kreuzung zweier für den überregionalen Verkehr bedeutsamer Straßen begünstigte den Aufstieg zum Verwaltungsmittelpunkt der Gft. Wohldenberg. Zur Konsolidierung ihrer Herrschaft statteten die Gf. Konrad und Johannes Bockenem zwischen 1290 und 1300 mit städtischen Rechten aus. Eine formale Stadtrechtsverleihung ist nicht überliefert. Mit dem Verkauf der Stadt an den Bf. von Hildesheim (1313) endet die wohldenbergische Herrschaft. Nach der Hildesheimer Stiftsfehde kam Bockenem als Teil des Großen Stifts in den Besitz der Welfen (Quedlinburger Rezess, 1523), wurde aber am 17. April 1643 an das Stift Hildesheim zurückgegeben. 1802 kam es an Preußen, 1815 an Hannover. Bockenem war amtsfreie Stadt und wurde 1852 dem Amt Bockenem eingegliedert.

Kirche, Ansicht von Nordosten, Luftbild

Kirche, Ansicht von Nordosten, Luftbild

Wohl schon seit dem 11. Jh. war Bockenem Sitz eines Archidiakonats für den mittleren Ambergau. Ihm unterstanden die Pfarrkirchen Bornum, (Königs-)Dahlum, Hachum, Hary, Bönnien, Bültum, Jerze, Nette, Schlewecke und Upstedt sowie die Kapellen in Volkersheim, Mahlum, Ortshausen und Störy (1338, 1352). Die Archidiakone waren zugleich Domherren zu Hildesheim. Als Inhaber des Archidiakonats erscheinen 1275 der Archidiakon Magister Johannes, 1307 Lippold von Stockem, 1363 Berthold, 1365 Dietrich von Stockem, 1414 Johann von Soltau und 1452 Dietrich von Berge.2
Der erste Kirchenbau entstand im 11. Jh. auf dem Papenberg und war dem heiligen Mauritius geweiht. Vor 1403 muss die heutige St.-Pankratius-Kirche als dreischiffige, spätgotische Hallenkirche aus Bruchstein errichtet worden sein. Sie wurde teilweise durch die Bürgerschaft, teilweise durch Ablässe finanziert und am 9. September 1403 von Hilmar von Salder, Bf. von Tortosa und Suffragan des Bf. von Hildesheim geweiht.3 Der querrechteckige Westturm mit tonnengewölbtem Untergeschoss ist älter als das Schiff. Der Zugang erfolgt durch zwei Barockportale, von denen das nördliche auf 1755 datiert ist. Der Sakristeianbau im Süden stammt wohl aus der gotischen Neubauzeit um 1400. Anfang des 15. Jh. verfügte die Kirche über sieben Altäre, zu denen bis zur Reformation zwei weitere traten: Neben dem Hauptaltar des heilige Pankratius der Altar St. Johannis (1341 durch Achilles, Rektor der Kapelle zu Volkersheim dotiert4), St. Michaelis (1403 gestiftet und 1508 durch den Pfarrer Johann Mundeken in Ilde mit Gütern ausgestattet); St. Nicolai (1421 gestiftet; dotiert aus dem Erlös des auf Abbruch verkauften Kirchturms zu Hachum); St. Catharinae (1452 belegt); St. Annae (1496 durch die Priester Johann Lovemann und Jacob Sezen dotiert); Altar des heilige Sakraments Jesu Christi (dotiert 1498 durch Pfarrer Henning Oldendorp zu Bültum); Altar St. Crucis (1506 dotiert von Bürgermeister Bertram Heyße); St. Michaelis et omnium angelorum (dotiert 1508 von Pfarrer Johann Mundeken zu Ilde); Altar des heilige Andreas (1510, dotiert durch den Altaristen Hermann Richenberch zu Bockenem und Moritz Eldesten, Vikar am Stift St. Simon und Judas in Goslar).
Bf. Otto I. von Hildesheim beurkundet unter dem 24. April 1275, dass der Vorsitzende, Domdekan und Archidiakon von Bockenem Johann, Dompropst Volkwin, Kellermeister Heidenreich, Scholaster Hoyer und Kantor Lippold den Streit zwischen der Bockenemer Pfarrkirche und einigen Kapellen ihrer Pfarrei um das Parochialrecht beigelegt haben.5 1283 und 1284 gewährten die Bf. Volkwin von Minden bzw. Volrad von Halberstadt einen Ablass für den Besuch der Pankratiuskirche in Bockenem oder für einen Beitrag zum Bau der Kirche.6 1308 gewährten die Bf. Friedrich von Brandenburg, Albrecht I. von Halberstadt und Ludwig von Osnabrück vorbehaltlich der Zustimmung durch den Bf. von Hildesheim einen Ablass für den Besuch der Kirche in Bockenem an bestimmten Tagen. Durch Bf. Siegfried II. von Hildesheim wurden die Ablässe bestätigt.7 1355 inkorporierte Bf. Heinrich die Pankratiuskirche mit Genehmigung des Domkapitels dem Kloster Marienrode8, das seither auch die Patronatsrechte ausübte. Unter dem 5. Mai 1404 erteilte Bf. Hilmar von Tortosa einen weiteren Ablass von 40 Tagen und eine Karena, all denen, die in der Pfarrkirche vor dem Bild der Geißelung Christi andächtig beten.9

1323 verkauften Gf. Johann I. von Wohldenberg und sein Sohn Johann IV. das südwestlich von Bockenem links der (alten) Nette gelegene Dorf Hachum, einst Sitz eins wohldenbergischen Dienstmannengeschlechts, samt Gf.- und Vogtgericht an den Ritter Basilius Bock. Die Gf. behielten sich lediglich das Kirchenpatronat und das Besitzrecht für den auch zu Verteidigungszwecken genutzten Kirchturm vor. Unter dem Druck des Stadtrats von Bockenem, der sich dem ritterschaftlichen Besitz unmittelbar vor der Stadt widersetzte, wurde das Dorf 1349 den Wohldenberger Gf. zurückgegeben und durch die Söhne Johanns I. samt Kirchlehen der Stadt Bockenem übereignet. Die Einwohner von Hachum ließen sich nach und nach in der Stadt selbst als Bürger nieder und gaben die Dorfstelle auf.10 Der Widerspruch der Äbtissin von Gandersheim, die den Besitzwechsel als Oberlehnsherrin nicht anerkannte und Hachum nach dem Absterben des Wohldenberger Grafenhauses anderweitig als Lehen vergab, wurde in einem Schiedsverfahren zurückgewiesen.
1396 stiftete der frühere Bürgermeister Claus Witte auf der Hachumer Gemarkung vor dem Bönniertor eine Marienkapelle (Unser Lieben Frauen), deren Patronat nach seinem Tod auf den Rat der Stadt übergehen sollte.11 Die Kirche wurde noch im gleichen Jahr geweiht und von der Pfarre in Hachum eximiert. 1397 und 1398 gewährte Bf. Gerhard von Hildesheim je einen Ablass zugunsten der Kapelle.12 Der Hachumer Pfarrer Heinrich Varenbeke wurde zum Kapellan derselben ernannt. 1400 wurde die Stiftung durch Papst Bonifatius bestätigt und die Kirche zur Kollegiatkirche erhoben.13 1401 war Ernst Saldermann Rektor des Altars der heilige Trinität und der Jungfrau Maria in der Kapelle und vermachte ihm eine Rente.14 1411 wurde die Kirche durch Bf. Johann III. zu einem Kollegiatstift mit sieben Präbenden erhoben.15 Die Hachumer Pfarre wurde dem Stift inkorporiert und Pfarrer Heinrich von Holthusen zum Stiftsdechanten ernannt. Angesichts des Widerstands in Bürgerschaft und Rat (der das Patronat sowohl über die Kollegiatkirche als auch über Pfarre und Kirche in Hachum inne hatte) die Umwidmung aber im folgenden Jahr widerrufen. 1421 wurde die Pfarre in Hachum in ein geistliches Lehen am Altar St. Nicolai in der Pankratiuskirche umgewandelt. Die Mühle, die vom ehemaligen Dorf allein verblieben war, wurde nach Dahlum umgepfarrt.16 Der Kirchturm in Hachum wurde niedergelegt und die beiden größeren Glocken nach Bockenem überführt.17 Das ursprünglich mit Hachum verbundene geistliche Lehen ist mit Einführung der Reformation untergegangen. Die daraus bezogenen Einkünfte wurden der Diakonatspfarre von Bockenem zugelegt.

Heilig-Geist-Kapelle, Grundriss, 1910

Heilig-Geist-Kapelle, Grundriss, 1910

Auf dem Dorfplatz von Alt- Bockenem ließ der Rat der Stadt 1351 der Stelle eines älteren Vorgängerbaus eine Heilig-Geist-Kapelle errichten, deren Chor noch aus der ersten Hälfte des 13. Jh. stammt. Das Patronat über die Kapelle lag beim Rat der Stadt. Der Pfarrer von Bockenem erhielt als Entschädigung für die in der Kapelle darzubringen Opfer jährlich drei Fertonen reinen Silbers. Regelmäßige Messfeiern hielt ursprünglich ein angestellter Kapellan. Nach der Reformation fanden dort nur noch Kinderlehre und GD an den Aposteltagen statt. Mit der Kapelle war ein Hospital verbunden, das wohl Mitte des 15. Jh. in ein Beginenhaus umgewandelt wurde und nach dem Dreißigjährigen Krieg nur noch als Wohnhaus für alleinstehende und bedürftige Frauen diente. Im 19. Jh. wurde die Kapelle profaniert. Sie diente zeitweilig als Spritzenhaus und Lagerraum einer Lebensmittelgroßhandlung. Der letzte Privateigentümer übereignete sie 1940 der KG Bockenem, die sie 1951 wieder für kleinere GD und Andachten herrichtete (seit 1998 nicht mehr genutzt, 2012 verkauft).
Als Geistliche an der Pankratiuskirche erscheinen der Priester (sacerdos) Theodolfus in Bukenem (1234, 1285 als Vizepleban); Theodericus (plebanus, 1269); Henricus (1311); Bartoldus (plebanus, 1343/48)18; Gerhard von Mahlum (Vizepleban, 1360, 1375)19; Conrad (Vikar, 1383); Conrad Greve (rector parochialis ecclesie, 1412); Ludovicus (1425); Johannes (plebanus, 142820); Hinrik Rogghenduye (perner, 1444)21; Bernhard Volkerding (1455); Hermann Noßelungh (1517).22
Schon 1323 soll auf Anregung der Pfarrer zu Hary, Bönnien, Nette, Henneckenrode, Mahlum und Jerze sowie der Kapellane in Volkersheim und Störy ein Kaland zu Bockenem gestiftet worden sein. Erstmals genannt wird er am 4. Oktober 1374, als der Hildesheim Bf. Gerhard die Satzung bestätigte.23 1386 besaß er bereits ein eigenes Haus. 1405 genehmigt das Kloster Marienrode der Bruderschaft das Abhalten seiner Gedächtnisfeiern in der Pfarrkirche zu Bockenem.24 Der Kaland besoldete einen eigenen Priester, der die Messe für die Bruderschaft las.
Die Reformation wurde im Fsm. Braunschweig-Wolfenbüttel nach der Okkupation des Landes durch die Schmalkaldischen Bundestruppen eingeführt (Landtagsbeschluss vom 27. August 1542) und in der Stadt relativ zügig umgesetzt. Noch im August meldete der Rat, dass er „dass heylwertige, allein seligmachende, ware gottes worth angenohmen vnnd dapey festigklich zu pleyben vnd zu halten […] bedacht sey“.25 Am 19. Oktober 1542 wurde die Gemeinde durch Johannes Bugenhagen visitiert.26 Der amtierende Geistliche Johann Engelhusen wurde bestätigt. 1544 wird er auch als Sup. bezeichnet.27 Mit der Wiedereinsetzung Heinrichs des Jüngeren wurde er 1547 vertrieben und die Gemeinde vorübergehend rekatholisiert. Erst nach der Regierungsübernahme des Hzg. Julius 1568 setzte sich das luth. Bekenntnis endgültig durch. Noch im gleichen Jahr wurde Bockenem erneut visitiert und eine zweite Pfarrstelle errichtet, deren Inhaber zeitweilig zugleich Pfarrer der Filia Störy war. Werder, ab 1573 Filia von Schlewecke (Braunschweig) war ab 1542 nach Bockenem eingepfarrt.
Nach dem Tod des P. Eberhard Mesomylius (amt. 1622–1630), der zuvor Prof. an der Universität Rinteln gewesen war und von dort vor dem Dreißigjährigen Krieg flüchtete28, blieb die Pfarre vorerst vakant. Die Stadt war 1630 bis 1632 von hildesheimischen Söldnern besetzt. Nach dem schwedischen Sieg bei Sarstedt wurde 1636 der frühere schwedische Feldprediger Christian Finke Geistlicher an der Pankratiuskirche, jedoch 1642 auf Betreiben des Rats der Stadt durch das Konsistorium abgesetzt. Sein Nachfolger wurde D. Achatius Mylius (amt. 1642–1649), der dann als GSup. und Konsistorialrat nach Alfeld berufen wurde. Die Rückkehr der Stadt unter stiftshildesheimische Landesherrschaft (1643) hatte auf den Konfessionsstand keine Auswirkungen mehr.
Bockenem wurde nicht nur Mittelpunkt einer Insp., sondern bei der Einführung der neuen KO 1569 auch Sitz einer GSuptur. Erster GSup. war M. Christoph Jacobi, der 1576 wohl unfreiwillig aus dem Amt schied.29 Unter den nachfolgenden Pastoren und GSup. machten sich einige auch über Bockenem hinaus einen Namen, darunter Konrad Daniel Schumacher (amt. 1772–1806) als Mitherausgeber des „Neuen Gesangbuchs für die evangelisch Einwohner des Fürstentums Hildesheim“ (1792). 1806 wurde die GSuptur. aufgehoben und mit der GSuptur. Alfeld vereinigt.
Die Stadt wurde 1685 und 1785 durch Feuersbrünste schwer geschädigt. Bei einem weiteren Stadtbrand wurde die Kirche am 9. April 1847 zerstört und anschließend weitgehend originalgetreu wieder aufgebaut.
Nach dem Erwerb des bisher braunschweigischen Patronats über die Kirche in Dahlum (Königsdahlum) durch die Landesherrschaft wurde die dortige Pfarrstelle 1833 mit der zweiten Pfarre in Bockenem verbunden und ein Teil der Einkünfte zur Aufbesserung des Pfarrgehalts der Oberpfarre verwendet. Inhaber der zweiten Pfarrstelle war von 1868 bis 1880 Dr. Karl Theodor Brackebusch, der sich Verdienste um das Bildungswesen in Bockenem erwarb. Er setzte sich 1869 für die Gründung einer Fortbildungsschule (Gewerbeschule) ein und gründete selbst im gleichen Jahr eine „Höhere Privat-Lehranstalt“, die später als Teil der Volksschule von der Kommune übernommen wurde und 1925 in der staatlichen Mittelschule aufging. Von den Pfarrern nach dem Zweiten Weltkrieg war P. Gerhard Grotjahn (amt. 1946–1961, zuvor schon seit 1942 Hauptvertreter für die beiden vakanten Pfarrstellen) Mitglied der Landessynode und dort Mitglied des Schulausschusses sowie Leiter des Ausschusses für Gemeindefragen. Unter seiner Ägide gelang eine starke Aktivierung des kirchlichen Lebens. Dr. Hans-Christian Drömann (amt. 1971–1988) wurde später LSup. in Lüneburg (bis 1997), war von 1996 bis 2002 Abt des Klosters Amelungsborn und legte zahlreiche Veröffentlichungen zu Hymnologie und Liturgik vor.
Zum 1. Januar 1997 wurden die KG Hary und Königsdahlum mit der Pankratius-KG pfarramtlich verbunden.30 Die KG Hary schied mit dem 1. März 2001 aus dem Verbund aus.31 Mit der Fusion der KK Bockenem-Hoheneggelsen und Elze-Coppenbrügge verlor Bockenem das Ephoralamt. Nach dem Tod des letzten Sup., P. Peter Klaus Lüdtke (2005) wurde die erste Pfarrstelle nicht wieder besetzt. Die verbliebene zweite Pfarrstelle ist seither einzige Pfarrstelle der Gemeinde.

Pfarrstellen

I: Vorref., 1. Januar 2005 aufgehoben. – II: Vorref., ab 1929 zeitweilig vakant. Seit 1. Januar 2005 I.32

Umfang

Ende des 13. Jh. waren die Dörfer Störy, Ortshausen und Volkersheim nach Bockenem eingepfarrt. 1823 umfasste die Parochie noch die Stadt Bockenem mit dem Dahlumer Turm, dem Dalsenkrug und der Ziegelhütte.

Aufsichtsbezirk

Bockenem war spätestens Ende des 13. Jh. Sitz eines Archidiakonats der Diözese Hildesheim, das wohl später im Archidiakonat Goslar aufging.33 – Ab 1543/44 Insp. Bockenem mit zeitweise wechselndem Sitz. Der Aufsichtsbezirk erstreckte sich ursprünglich über die Gerichte Wohldenberg, Lutter am Barenberge und Steinbrück sowie über verschiedene Junkerdörfer (Binder, Oelber u. a.) mit insgesamt 32 Pfarreien mit 13 Filialdörfern.34 1679–1690 war Salzgitter Sitz des GSup. Ende des 18. Jh. umfasste die Insp. die Ämter Wohldenberg, Bilderlahe und Liebenburg. Obwohl formal weiter unter der Bezeichnung „Inspektion Bockenem“ geführt, befand sich der Suptur.-Sitz 1794–1817 in Nette, 1817–1832 in Sehlde. 1807 wurden die Pfarren des Amts Liebenburg (ohne das Dorf Alt Wallmoden) abgetrennt und zu einer Insp. Salzgitter vereinigt. In Bockenem verblieb die Insp. für die Ämter Wohldenberg und Bilderlahe. Bei einer grundlegenden Neuorganisation des Aufsichtsbezirks wurde die Insp. Bockenem 1833 in veränderter Zusammensetzung neu errichtet und umfasste jetzt die KG Bockenem I und II (mit Königsdahlum), Groß Ilde mit Bültum, Hary mit Bönnien und Störy, Nette mit Upstedt, Mechtshausen, Breinum, Salzdetfurth, Wehrstedt und Evensen. 1924 wurde die Kirchenkreisverfassung eingeführt, KK Bockenem. Mit dem 1. April 1976 wurde der KK Bockenem mit dem KK Hoheneggelsen zum neuen KK Bockenem zusammengeschlossen35 und mit dem 1. Januar 1978 in KK Bockenem-Hoheneggelsen umbenannt.36 Zum 1. Januar 2005 wurden die KK Bockenem-Hoheneggelsen und Elze-Coppenbrügge zum KK Hildesheimer Land vereinigt37 (seit 1. Januar 2011 KK Hildesheimer Land-Alfeld, Amtsbereich Elze).

Patronat

Das Patronat über die erste Pfarrstelle lag seit 1314 beim Bf. von Hildesheim und wurde 1355 durch Bf. Heinrich III. dem Abt des Klosters Marienrode übertragen. 1379 bestätigte der Kardinallegat Pileus de Prata dem Kloster Marienrode die Inkorporierung der Pfarrkirche in Bockenem.38 Nach Einführung der Reformation trat das Kloster das Patronatsrecht am 12. Mai 1570 an den Landesherrn ab39 (bis 1871). – Das Patronat über die zweite Pfarrstelle (Diakonatspfarre) lag ab 1570 ebenfalls beim Landesherrn und wurde bald darauf dem Rat der Stadt übertragen.40 Durch die Stadtverfassung von 1815 wurden die Befugnisse des Magistrats dahingehend beschränkt, dass er in Gemeinschaft mit der Bürgervertretung bei Besetzung der zweiten Pfarr- und der Schulstelle nur die Wahl zwischen zwei ihm vom Konsistorium vorgeschlagenen Kandidaten erhielt.41 In den 1920er Jahren kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem KV und der Stadt um die Entsendung von städtischen Vertretern in den KV, ohne dass es zu einer abschließenden Regelung kam. Die Stadt hat sich seither nicht mehr an der Besetzung beteiligt und keinen Vertreter mehr entsandt.42 Das LKA betrachtete das Patronat 1997 als erloschen.

Kirchenbau
Kirche, Grundriss, 1910

Kirche, Grundriss, 1910

Dreischiffige, vierjochige, spätgotische Hallenkirche aus Bruchstein. Fenster- und Türgewände aus Werkstein. Zweijochiger, gerade geschlossener Chor. Die Gewölbe wurden nach dem Brand von 1847 teilweise erneuert. Gotischer Sakristeianbau an der Südseite (mit Portal aus der Barockzeit). Umfangreiche Sanierung 1880 und 1939–1949 (Beseitigung der Seitenemporen), weitere Innenrenovierung 1962/69 und 2013/14, Fassadensanierung 1964/66 (Rekonstruktion des spätmittelalterlichen Fenstermaßwerks). Letzte Sanierung 2013/14.

Turm

Querrechteckiger Westturm (1784 nach Brandzerstörung erneuert). Massiver Unterbau aus Werkstein. Das obere Stockwerk mit geschweifter Haube und achtseitiger offener Laterne entstand nach dem Brand von 1847.

Fenster

Drei Buntglasfenster im Altarraum (1888): links die Beweinung Jesu, rechts die Auferstehung, in der Mitte der thronende Christus, darunter die Reformatoren Luther und Bugenhagen. Porträtmedaillon Ks. Wilhelms I. Zwei weitere Fenster von 1891 wurden bei der Renovierung von 1968 entfernt.

Kirche, Blick zum Altar, Foto: Ernst Witt, Hannover, Oktober 1968

Kirche, Blick zum Altar, Foto: Ernst Witt, Hannover, Oktober 1968

Ausstattung

Schlichter, aus Quadern gemauerter Blockaltar (1968). Reste eines ehemaligen neugotische Altarretabels (Gemälde mit der Einsetzung des Abendmahls, darunter Passahfest und Mannalese in Grisaille-Malerei; Aaron und Melchisedek als Holzskulpturen; um 1851), 1949 abgebaut und jetzt über der Tür zur Sakristei. Von 1949 bis 1968 befand sich auf dem Altartisch ein sieben Meter hohes Stahlkreuz. – Kanzel in Schnitz- und Intarsienarbeit aus braunen Hölzern. – Rundes Taufbecken aus Messing (1703), gegossen von Christoph Nitsche aus Hildesheim (Inschrift auf dem Deckel), Geschenk des Bürgermeisters Heinrich Philippi und dessen Ehefrau Anna Tietgen. – An der Wand des nördlichen Seitenschiffs ein Ölgemälde mit der Kreuzabnahme (Kopie nach Rembrandt, 19. Jh.). – Triumphkreuz (14. Jh.). – An den Pfeilern des Mittelschiffs zehn spätgotische hölzerne Halbfiguren der Apostel (um 1460/70, im 19. Jh. durch F. Küsthardt, Hildesheim, restauriert). – Im Altarraum links eine Marienstatue von M. Donato Diez (1999).

Kirche, Blick zur Orgel, Foto: Ernst Witt, Hannover, Oktober 1968

Kirche, Blick zur Orgel, Foto: Ernst Witt, Hannover, Oktober 1968

Orgel

1515 nahmen Hermann Bonlandt und Heinrich Tyman, Älterleute der Pankratiuskirche, für die Orgel der Kirche 100 Pfund Pfennige Hildesheimer Währung auf beim Hildesheimer Bürger Johann Vischer und dessen Frau Gertrud auf.43 Weiterer Bestand unklar. 1693 Instandsetzung durch Andreas Schweimb (Einbeck).44 1705 wurde die Orgel durch einen Blitzschlag45, 1847 durch den Brand der Kirche zerstört. 1854 Neubau durch den Orgelbauer Johann Andreas Engelhardt (Herzberg), 33 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen. 1968/69 Renovierung. 1975 durch Firma Schmidt & Thiemann (Hannover) um ein Rückpositiv auf jetzt 40 III/P ergänzt. 2007 erneute Renovierung durch die Firma W. Sauer (Frankfurt (Oder)). – In der Heilig-Geist-Kapelle: Um 1950 Neubau eines Positivs durch Firma Emanuel Kemper & Söhn (Lübeck), ursprünglich 5 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen, Baß/Diskantteilung. Das Pedal war zuletzt stillgelegt. Die Orgel wurde nach dem Verkauf der Kapelle an eine schlesische Gemeinde verschenkt.

Geläut

Vier LG, I: b (Bronze, Gj. 1948, Schilling, Apolda, Umguss aus dem Material einer im Zweiten Weltkrieg abgelieferten und stark beschädigt zurückgegebenen Glocke); II: des’ (Eisenhartguss, Gj. 1921, Ulrich & Weule, Apolda-Bockenem); III: es’ (Eisenhartguss, Gj. 1921, Ulrich & Weule); IV: ges’ (Eisenhartguss, Gj. 1949, J. F. Weule, Bockenem). – Zwei SG, I: f’’’; II: as’’’ (beide Bronze, Gj. 1970) – Früherer Bestand: 1421 wurden zwei Glocken aus der abgängigen Kollegiatkirche zu Hachum übernommen46 (Verbleib unbekannt). Eine größere LG wurde 1508 durch Harmen Koster neu gegossen, die kleinere 1698 von Eggert und Christoph Becker (Hildesheim). 1755 erhielt die Kirche eine zweite Glocke. Beim Turmbrand von 1783 wurde das gesamte Geläut zerstört und im darauf folgenden Jahr durch neue Glocken von Becker (Hildesheim) ersetzt. Zwei weitere Glocken erhielt die Kirche 1850. Zwei Glocken wurden im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen. Als Ersatz erhielt die Gemeinde 1921 zwei Eisenhartgussglocken der Firma Weule (Bockenem). – In der Heilig-Geist-Kapelle: Eine Lg in c’’’ (Bronze, Gj. 1951, Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg).

Weitere kirchliche Gebäude

Suptur. (zweigeschossiges Fachwerkgebäude, Bj. 1527/84). Ältester Profanbau der Stadt. – Pfarrwitwenhaus (zweigeschossiges Fachwerkgebäude). – Pfarrhaus II, Bürgermeister-Sander-Str. 2 (Bj. um 1880, später Haus der Diakonie) – Jugend- und Gemeindehaus (Bj. um 1850). – KiGa (Bj. 1936, 1959 in Eigentum der KG übergegangen. Erweiterungen 1975 und 1991/92).

Friedhof

Eigentum der KG; nordöstlich der historischen Altstadt (Jägerhausstraße). 1927 und 1956 erweitert. FKap (Bj. um 1890).

Liste der Pastoren (bis 1940)

Erste Pfarrstelle (Die erste Pfarrstelle war 1542–1547 und seit 1833 mit einer Superintendentur, 1568–1678 und 1690–1806 mit einer Generalsuperintendentur verbunden): 1542–1547 Johannes Engelhusen. – 1547 (?)–1568 Johann Christophori. – 1569–1576 51. Christoph Jacobi. – 1576–1592 Magister Johann Schaber. – 1592–1622 Magister Johannes Strube (Straube). – 1622–1630 Dr. Eberhard Mesomylius (Mittelmüller). – 1636–1642 Magister Christian (von) Fincke (Finck). – 1642–1649 Dr. Achatius Mylius. – 1649–1678 Magister Otto Rabanus Georg Scriba. – 1679–1721 Petrus Philipp Guben. – 1721–1733 Johann Heinrich Wedderkamp. – 1733–1772 Friedrich Daniel Lambrecht. – 1772–1806 Konrad Daniel Schumacher. – 1807–1831 Georg Friedrich Hannig. – 1833–1839 Heinrich Wilhelm Bronner. – 1839–1854 Konrad Ernst Köchy. – 1854–1860 David Heinrich Wilhelm Jesse. – 1860–1867 Karl Johann Mollenhauer. – 1869–1872 Dr. Heinrich Gottfried Eduard Hahn. – 1872–1877 Theodor Christian Karl Ludwig Block. – 1878–1913 Heinrich Christoph Dietrich Rotermund. – 1913–1920 Jakob Ernst Theodor Meyer. – 1921–1928 Wilhelm Berthold Ludwig Johannes van Nes.
Zweite Pfarrstelle: 1568 Curdt Woldenbrock. – 1568–15.. Johann Brüggen (Brücken). – 1565 (?)–1621 Johann Schimler. – 1621–1642 Magister Konrad Winter. – 1642–1676 Daniel Schrader. – 1676–1696 Johann Joachim Doven. – 1696–1745 Justus Joachim Steinhausen. – 1745–1762 Rudolf Heinrich Steinhausen. – 1762–1805 Georg Ludwig Hallensleben. – 1805–1819 Johann Heinrich August Wendebourg. – 1820–1868 Johann Friedrich Beatus Held. – 1868–1880 Dr. Karl Theodor Brackebusch. – 1895–1921 Georg Ernst August Haeseler. – 1923–1929 Wilhelm Hermann Franz Kuno Kruse.
Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 105–106

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 1218–1245 (Pfarroffizialsachen); A 5 Nr. 91 (Spec. Landeskons.); A 6 Nr. 922–951 (Pfarrbestallungsakten); A 9 Nr. 249Digitalisat, 250Digitalisat, 251Digitalisat, 252Digitalisat, 253Digitalisat, 254Digitalisat, 255Digitalisat, 256Digitalisat, 257Digitalisat, 258Digitalisat (Visitationen); D 10 Nr. 312–450; D 44 (EphA Bockenem).

Kirchenbücher
Kirchenbücher

Taufen: ab 1599 (Lücken: Dez. 1604–1634, 1656–1669)
Trauungen: ab 1696
Begräbnisse: ab 1705
Kommunikanten: ab 1820 (Lücken: 1833–1853)
Konfirmationen: ab 1817

Literatur & Links

A: Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 78, Nr. 49; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 232; Günther, Ambergau, S. 308–367.
B: Daniel Aldag (Hg.): 600 Jahre St. Pankratius 1403–2003, [Bockenem 2003]; Friedrich Buchholz: Geschichte von Bockenem, Hildesheim 1843 (ND Hildesheim 1975); Ursula-Barbara Dittrich: Urkundenbuch der Stadt Bockenem 1275–1539, Hannover 2000 (Einleitung); Richard Doebner: Aus Bockenems Vergangenheit, Hildesheim 1894; Fritz Garbe: Kirche und Gemeinde St. Pancratius in Bockenem im Wandel der Zeit, Hildesheim 1964; Manfred Klaube: 700 Jahre Stadt Bockenem. Ein Rückblick auf den Abschnitt der Stadtwerdung und der frühen Stadtentwicklung im 13. und 14. Jahrhundert, in: Hildesheimer Jahrbuch 72/73 (2000/01), S. 31–49; Manfred Klaube: Bockenem im Ambergau. Eine Neufassung und Aktualisierung der Geschichte der Stadt, Bockenem 2010; Rudolf Steinmetz: Die Generalsuperintendenten von Hildesheim, II: Die Generalsuperintendenten von Bockenem, in: ZGNK 44 (1939), S. 101–168; [Ernst-Georg] Wolters: Zu M. Christoph Jacobi, Generalsuperintendent in Bockenem, in: ZGNK 45 (1940), S. 299–300.
Internet: Familienkunde Niedersachsen: Pastorenliste (.pdf)


Fußnoten

  1. UB HS Hildesheim I, Nr. 283.
  2. Garbe, S. 13.
  3. UB Bockenem, Nr. 78.
  4. UB Bockenem, Nr. 18.
  5. UB Bockenem, Nr. 1.
  6. UB Bockenem, Nr. 2 und 3.
  7. UB Bockenem, Nr. 5–8.
  8. Cal. UB IV, Marienrode, Nr. 341.
  9. UB Bockenem, Nr. 82.
  10. Günther, Ambergau, S. 471–475.
  11. UB Bockenem, Nr. 60.
  12. UB Bockenem, Nr. 62 u. 65.
  13. UB Bockenem, Nr. 69.
  14. UB Bockenem, Nr. 73.
  15. UB Bockenem, Nr. 96.
  16. UB Bockenem, Nr. 118.
  17. UB Bockenem, Nr. 118.
  18. UB S Hildesheim I, Nr. 933; UB S Hildesheim II, Nr. 18.
  19. Schwarz, Papsturkunden, Nr. 1028.
  20. UB Zeven, Nr. 147.
  21. UB Hilwartshausen, Nr. 288.
  22. Buchholz, Bockenem, S. 42.
  23. UB Bockenem, Nr. 44.
  24. UB Bockenem, Nr. 84. Vgl. auch UB Bockenem, Nr. 108.
  25. Günther, Ambergau, S. 99.
  26. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 69–74.
  27. Reller, Kirchenverfassung, S. 104, Anm. 54.
  28. Steinmetz, GSup. Hildesheim II, S. 106–111.
  29. Steinmetz, GSup. Hildesheim II, S. 102.
  30. KABl. 1997, S. 138.
  31. KABl. 2001, S. 64.
  32. KABl. 2005, S. 203.
  33. Machens, Archidiakonate, S. 108.
  34. Reller, Kirchenverfassung, S. 111.
  35. KABl. 1977, S. 36.
  36. KABl. 1977, S. 145.
  37. KABl. 2005, S. 5–7.
  38. Schwarz, Papsturkunden, Nr. 1064.
  39. Günther, Ambergau, S. 107.
  40. Günther, Ambergau, S. 108.
  41. Buchholz, Bockenem, S. 115.
  42. LkAH, B 2 K 1/Bockenem-Hoheneggelsen II, Bl. 82 (Leenders an Koslowski, 26.06.1981).
  43. UB Bockenem, Nr. 208.
  44. Ihlemann, Orgelbauer Einbeck, S. 94.
  45. Steinmetz, GSup. Hildesheim II, S. 124.
  46. UB Bockenem, Nr. 117 und 118.