Frühere Gemeinde | Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hameln-Pyrmont | Patrozinium: Paul Gerhardt | KO: Calenberger KO von 1569
Orts- und Kirchengeschichte
Einzelne Wohnviertel im Osten der Stadt Hameln entstanden bereits in den 1930er Jahren; nach der Währungsreform 1948 wuchsen sie zu einem neuen Stadtteil zusammen.1 Zur Sozialstruktur schrieb der Ortspastor 1955: „Die Gemeinde besteht aus zwei Hauptstadtteilen, deren einer im wesentlichen Kleinbürgertum (viele kleine Eisenbahnerbeamtenfamilien mit bürgerlichem Selbstbewusstsein) umfasst, während der andere Teil – der Name ‚Freiheit‘ ist bezeichnend! – eine im wesentlichen [von] Sozialisten bewohnte Kriegsopfer- und Arbeitersiedlung darstellt.“2
Das Gebiet der späteren Paul-Gerhardt-Gemeinde gehörte zunächst zur KG Hameln und bildete dort seit April 1949 den Pfarrbezirk Südost, den P. Konrad von Vietinghoff übernahm (amt. 1949–1966). Die Gottesdienste fanden zunächst im Saal des ev. Vereinshauses außerhalb des Gemeindegebiets statt, der Konfirmandenunterricht im Vereinshaus eines Kleingartenvereins (Libertihaus).3 Hier versammelten sich auch die Gemeindegruppen: 1949 hatte sich ein Frauenkreis gegründet und der Stamm „Kreuzfähnlein“ der Christlichen Pfadfinder. Seit 1951 zählte zudem der Jungmädchenkreis als Paul-Gerhardt-Schar zum Ev. Mädchenpfadfinderbund.
Im Jahr 1950 rief P. Vietinghoff den Beraterkreis „Quer durch die Gemeinde“ zusammen, der das Pfarramt bei Bauplanung und Namensfindung für die neue Gemeinde unterstützen sollte.4 Auf dem zukünftigen Bauplatz am Basberg, den der Ev. Verein Hameln bereits 1925 erworben hatte, versammelte sich die Gemeinde des Pfarrbezirks Südost an Neujahr 1951 zu einem ersten Gottesdienst. Ab Mai fanden hier wöchentliche Abendandachten unter freiem Himmel statt. Zur Mitfinanzierung der geplanten kirchlichen Gebäude verkaufte die Gemeinde seit Herbst 1951 Keramikmedaillen.5
Zum 1. April 1952 teilte sich die KG Hameln in drei Gemeinden auf: die Münstergemeinde, die Marktkirchengemeinde und die Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde. Letztere übernahm die fünfte Pfarrstelle Muttergemeinde. Gleichzeitig gründeten die drei neuen Kirchengemeinden den Gesamtverband Hameln.6 Zum Zeitpunkt ihrer Gründung besaß die Paul-Gerhardt-Gemeinde, die etwa 7.000 Gemeindeglieder zählte, noch immer keine eigenen Räumlichkeiten. Als erstes kirchliches Gebäude konnte im Sommer 1952 der kleine Holzturm für die beiden Patenglocken aus Ostpreußen errichtet werden. Die Gesamtplanung sah ein Gemeindehaus, eine Kirche mit Turm, ein Pfarrhaus und einen Kindergarten vor.
Priorität räumte die Paul-Gerhardt-Gemeinde dem Bau des Gemeindehauses ein, zum einen aus finanziellen Gründen und zum anderen, da die Gemeinde zunächst einen Raum benötige, der „möglichst vielseitig, möglichst dauernd und vielfach gleichzeitig ausgenutzt werden kann“, wie es 1952 heißt. Bei einer Kirche hingegen würde es sich „nur um ein ‚Sonntagsgebäude‘ handeln“.7 Das Gemeindehaus sollte zudem anderen Gruppen für „Kurse und Freizeiten“ offenstehen; die Gemeinde erhoffte sich davon „eine wechselseitige Belebung von Gastgeber und Gästen“ und hielt es zudem „für eine aus dem Glauben erwachsende Notwendigkeit, bei allen eigenen Dingen auch immer den Blick bewusst auf die weitere Umgebung zu richten“.8 Am Basberg sollte „eine Art ‚evangelischer Klosterhof‘ in ganz gelockerter Form“ entstehen.
Der Bau des Gemeindehauses begann im März 1953. Zur Mitfinanzierung der Inneneinrichtung gründete sich der „Paul-Gerhardt-Kirchenbau-Verein“. Am 9. Mai 1954 weihte Lbf. Hanns Lilje (amt. 1947–1971) das Paul-Gerhardt-Haus ein. Im gleichen Jahr gründete sich ein Posaunenchor. Nach der ersten Visitation der neuen Kirchengemeinde im Jahr 1955 schrieb der Hamelner Sup. Pellens (amt. 1935–1961): „Die Gemeindeglieder steigen zu dieser sehr schönen Saalkirche hinauf und haben dadurch das Gefühl herausgelöst zu sein aus dem Leben des Alltags und weite Blicke tun zu können über die Stadt und die Waldungen rings um Hameln. Im Verhältnis zu den grossen Kirchen in Hameln hat dieser gottesdienstliche Raum etwas sehr persönliches.“9
Im Jahr 1957 weihte die Gemeinde ein Jugendheim ein (1968 ausgebrannt, 1970 neu errichtet). Nachdem bereits seit 1960 ein Hilfsgeistlicher die Arbeit des Ortspastors unterstützt hatte, richtete das LKA Hannover zum 1. Januar 1962 eine zweite Pfarrstelle ein, die als erster P. Johannes Plate (amt. 1963–1967) übernahm.10 Den geplanten Bau einer Kirche stellte die Gemeinde zugunsten des Kindergartens zurück, der 1967 eröffnet werden konnte. Zeitweise fasste die Gemeinde zudem den Bau eines kleinen Gemeindezentrums im südlichen Pfarrbezirk ins Auge.11 Ende der 1960er Jahre setzte eine Diskussion über die Notwendigkeit des lange geplanten Kirchenbaus ein und schließlich wurde das Vorhaben aufgegeben.12 Seit Anfang der 1970er Jahre stellte die Gemeinde Überlegungen an, wie der Kirchsaal des Paul-Gerhardt-Hauses „für den ständigen Gebrauch“ umgestaltet und erweitert werden könnte; ausgeführt wurden die Arbeiten 1980/81.13 In seinem Bericht über die Visitation 1981 äußerte sich der Sup. anerkennend über die Entwicklung der Gemeinde: „Im Gottesdienst und in den Veranstaltungen kann man spüren, was manche zu Recht die ‚Paul-Gerhardt-Familie‘ nennen“.14
Seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre gehört die Paul-Gerhardt-Gemeinde zur Region 3 des KK Hameln-Pyrmont, zu der überdies die KG Hilligsfeld-Rohrsen, Holtensen und die Hamelner Gemeinde Martin Luther zählen. Das Pfarramt Paul Gerhardt übernahm auch die Versorgung der vakanten Gemeinde Hilligsfeld-Rohrsen.15 Ab Januar 2013 waren die Gemeinden Paul-Gerhardt, Hilligsfeld-Rohrsen und St. Annen in Wangelist pfarramtlich verbunden; 2017 schied letztere aus dem Pfarrverbund aus. Die Trägerschaft des ev. Kindergartens der KG Paul Gerhardt ging 2010 auf den neugegründeten Verband der ev.-luth. Kindertagesstätten im KK Hameln-Pyrmont über.16
Zum 1. Januar 2023 schlossen sich die Paul-Gerhardt-Gemeinde und die KG Hilligsfeld-Rohrsen zusammen und gründeten gemeinsam die Ev.-luth. KG An der Hamel.17
Pfarrstellen
I: 1952–2017. – II: 1962. Seit 2017 einzige Pfarrstelle.18
Umfang
Der östliche Teil der Stadt Hameln, im Westen begrenzt durch die Basbergstraße und die Bahntrasse nach Altenbecken. 1983 ein westlicher Gemeindeteil umgepfarrt in die Martin-Luther-KG.19 1963 Gebiet nordwestlich der Süntelstraße und Am Schöt umgepfarrt in die Martin-Luther-KG.20
Aufsichtsbezirk
Mit Gründung der KG 1952 zum KK Hameln-Pyrmont.
Gemeindehausbau
Schlichter, verputzter Bau aus zwei rechteckigen Baukörpern, ausgerichtet nach Nordwesten, erbaut 1954 (Architekt: Stadtbaurat i. R. Albert Schäfer, Hameln). Satteldächer. An der Südwestseite große Sonnenuhr mit Inschrift „Alles vergehet, Gott aber stehet“. Kirchsaal im Obergeschoss des Nordwesttrakts: flachbogige Fenster nach Nordosten und flachbogige, bodentiefe Fenster nach Südwesten. Im Innern holzverschalte Deckenflächen, Wände verklinkert, Altarwand mit dunkler Vertäfelung. 1979–81 Umbau und Neugestaltung, u. a. neuer Eingangsbereich, im Kirchsaal Deckenform verändert (Decke war ursprünglich in der Mitte flach gewölbt) und Altarwand umgestaltet. 2007 Photovoltaikanlage auch südlicher Dachfläche. 2015 Sanierung.
Turm
Nordwestlich des Gemeindehauses freistehender, hölzerner Glockenträger mit vierseitigem Pyramidendach, erbaut 1952.
Ausstattung
Schlichter, hölzerner Altartisch. – Hölzerne, lesepultartige Kanzel. – Keramiktaufe (1954, Töpferei Delius, Hameln), flache Schale auf säulenartigem Schaft mit Inschrift „Freuet euch“. – Schmaler Wandteppich an der Altarwand (1992, Elisabeth Müller-Bryanlund, Hannover), Motive aus Ps 104; Teppich hergestellt in der Paramentenwerkstatt des Henriettenstifts Hannover.21 – Ehemalige Ausstattung: Darstellung der Sturmstillung an der Altarwand.
Orgel
Orgelneubau 1954–60, ausgeführt in mehreren Bauabschnitten von Hermann Hillebrand (Altwarmbüchen), Einweihung im August 1955 mit 9 Registern, Fertigstellung 1960, 19 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen; Instrument 1980 wegen Umbau des Kirchensaals abgebaut. Orgelneubau 1981/82, ausgeführt von Firma Muhleisen (Strasbourg), 9 (davon ein Vorabzug) II/aP, mechanische Traktur, Schleifladen. 1987/88 Instrument um einen Subbaß 16’ erweitert auf 10 (davon ein Vorabzug) II/P, mechanische Traktur, Schleifladen; aufgestellt in der Nordostecke des Kirchsaals.
Geläut
Zwei LG, I: h’ (Bronze, Gj. 1767, Gottlieb Abraham Siefert, Hirschberg), Inschriften: „Gottlib Abraham Sievert Anno 1767“ und „Dvrch meinen Thon vnd Klang rvf ich den Menschen zu komt hort avf Gottes Wort der Seelen Heil vnd Rvh“, Patenglocke aus Piele (Województwo warmiÑsko-mazurskie; ehemals Pellen, Kr. Heiligenbeil, Ostpreußen)22; II: cis’’ (Bronze, Gj. 1650, Michael Dornmann, Elbing), Inschriften: „Dvrchs Fevr flos ich, Michael Dornmann gos mich 1650“ und „Dvrch das Fevr bin ich geflossen, Michell Dornmann von Elbing hat mich gegossen“, Patenglocke aus Lipowina (Województwo warmiÑsko-mazurskie; ehemals Lindenau, Kr. Heiligenbeil, Ostpreußen).23
Weitere kirchliche Gebäude
Pfarrhaus I (Bj. 1964, um 2014 verkauft). – Pfarrhaus II (Bj. 1963, um 2014 verkauft). – Jugendheim (Bj. 1970, Vorgängerbau Bj. 1957, 1968 ausgebrannt, um 2014 verkauft). – Kindergarten (Bj. 1965/66, 2010/11 Umbau, 2020/21 Anbau).
Friedhof
Städtische Friedhöfe der Stadt Hameln (Deisterstraße, Am Wehl).
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
L 5a Nr. 151–153, 1261–1263, 1638, 1675, 1805–1807 (LSuptur. Calenberg-Hoya mit Verden-Hoya und Celle); S 09, rep Nr. 1213 (Presseausschnittsammlung); S 11a, Nr. 8138 (Findbuch PfA).
Literatur
B: 50 Jahre Paul-Gerhardt-Gemeinde Hameln. 1952–2002, hrsg. vom Kirchenvorstand der Paul-Gerhardt-Gemeinde Hameln, Barntrup 2002; 70 Jahre Paul-Gerhardt-Gemeinde Hameln. 1952–2022, hrsg. vom Kirchenvorstand der ev.-luth. Paul-Gerhardt-Gemeinde Hameln, Hameln 2022 [.pdf online].
Weitere Bilder
Fußnoten
- Zum Folgenden: 50 Jahre, S. 17 ff., 70 Jahre, [S. 4 ff.].
- LkAH, L 5a, Nr. 151 (Visitation 1951).
- LkAH, B 2 G 9, Nr. 1144, Bl. 26 (Erläuterungsbericht der Paul Gerhardt-Gemeinde zu Hameln zu dem Antrag auf Genehmigung zum Bau eines Gemeindehauses…, 27. August 1952).
- 50 Jahre, S. 19.
- 50 Jahre, S. 21.
- KABl. 1952, S. 33 ff.
- LkAH, B 2 G 9, Nr. 1144, Bl. 26b (Erläuterungsbericht der Paul Gerhardt-Gemeinde zu Hameln zu dem Antrag auf Genehmigung zum Bau eines Gemeindehauses…, 27. August 1952).
- LkAH, B 2 G 9, Nr. 1144, Bl. 26b f. (Erläuterungsbericht der Paul Gerhardt-Gemeinde zu Hameln zu dem Antrag auf Genehmigung zum Bau eines Gemeindehauses…, 27. August 1952).
- LkAH, L 5a, Nr. 151 (Visitation 1951). Zu den Anfangsjahren der Gemeinde vgl. zudem ebd. den „Zusätzlichen Bericht zu der Beantwortung der Visitationsfragen der Paul Gerhardt-Gemeinde zu Hameln“, verfasst von P. Vietinghoff.
- KABl. 1962, S. 6.
- LkAH, L 5a, Nr. 152 (Visitation 1969).
- 50 Jahre, S. 45.
- Zitat: LKA, G 9 B/Hameln, Paul Gerhardt, Bd. 1, Bl. 23.
- LkAH, L 5a, Nr. 152 (Visitation 1981).
- 50 Jahre, S. 72.
- KABl. 2010, S. 116 ff.
- KABl. 2022, S. 167 ff.
- KABl. 1962, S. 6.
- KABl. 1983, S. 24 f.
- KABl. 1963, S. 137.
- 50 Jahre, S. 52 f.
- Poettgen, Glockengießer, S. 61.
- Poettgen, Glockengießer, S. 12.