Sprengel Stade, KK Verden | Patrozinium: Maria Magdalena | KO: Keine Kirchenordnung

Orts- und Kirchengeschichte

Das Dorf Thedinghausen wuchs aus drei Siedlungen in der Umgebung der Burg Thedinghausen zusammen: Aus Dettenhausen (Ersterwähnung 11981, seit dem 17. Jh. als Bürgerei bezeichnet), aus der Burgmannensiedlung Hagen und aus dem Wohnplatz Ullenstede (seit dem 16. Jh. als Westerwisch bezeichnet). Dettenhusen und Ullenstede zählen zu jenen Orten im Bremer Umland, die um 1250 zum Unterhalt der dortigen Weserbrücke beizutragen hatten.2 1908/09 wurden Bürgerei, Hagen und Westerwisch zur Gemeinde Thedinghausen zusammengeschlossen. Der Name Tettinghusen ist urkundlich erstmals um 1260 in den ältesten Hoyer Lehnregistern belegt; 1282 ist die Zollstätte Thedighusen nachgewiesen (theloneum in Thedighusen).3 Das Gebiet war seit der zweiten Hälfte des 11. Jh. im Besitz der Ebf. von Bremen (Erzstift Bremen), die im 12. Jh. Niederländer zur Urbarmachung der sumpfigen Weserniederung ansiedelten.4 Die Burg ließen die Bremer Erzbischöfe zur Sicherung gegen die Gf. von Hoya zwischen 1273 und 1285 errichten; sie war umkämpft und wechselte mehrfach den Besitzer (auch verpfändet). Zeitweise kontrollierten die Gf. von Hoya die Befestigung, zeitweise die Stadt Bremen. Seit 1560 war sie wieder in der Hand der Erzbischöfe. Sie verlor in der Folgezeit an Bedeutung und wurde im 17. Jh. durch ein Amtshaus ersetzt. Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges wurde das Erzstift Bremen säkularisiert und kam zusammen mit dem ebenfalls säkularisierten Hochstift Verden unter schwedische Herrschaft (vereinigte Herzogtümer Bremen-Verden). 1679 fiel das Amt Thedinghausen an die Hzg. von Braunschweig-Lüneburg (Nordischer Krieg, Frieden von Celle). Nach der 1681 erfolgten Teilung des Amtes zwischen den welfischen Hzg. kam Thedinghausen mit dem westlichen Teil des Amtes an das Fsm. Braunschweig-Wolfenbüttel und bildete so bis hinein ins 20. Jh. eine braunschweigische Exklave im kurhannoverschen Gebiet. In französischer Zeit war Thedinghausen von 1807 bis 1810 Hauptort des gleichnamigen Kantons im Distrikt Rinteln des Departements der Weser im Kgr. Westphalen und dann bis 1813 Sitz des Kantons Thedinghausen im Arrondissement Bremen des Departements Wesermündung im Kaiserreich Frankreich. Danach war Thedinghausen wieder Amtssitz, nun im Hzm. Braunschweig. Die Ämterstruktur bestand bis 1850, ihre Verwaltungsaufgaben gingen auf die 1833 eingerichteten Landkreise über; Thedinghausen gehörte zunächst zum Kr. Holzminden, seit 1850 zum Lkr. Braunschweig des Hzm Braunschweig (1918: Freistaat Braunschweig). 1972 wechselte Thedinghausen zum Lkr. Verden. Im gleichen Jahr wurden Dibbersen-Donnerstedt, Eißel, Holtorf-Lunsen, Horstedt und Werder eingemeindet. Ebenfalls seit 1972 ist Thedinghausen Sitz der gleichnamigen Samtgemeinde, die sich aus den Gemeinden Blender, Emtinghausen, Morsum (2006 nach Thedinghausen eingemeindet), Riede und Thedinghausen gebildet hatte. Um 1810 lebten in Thedinghausen (Bürgerei, Hagen, Westerwisch) rund 1.415 Menschen, 1939 etwa 1.710, 1950 knapp 2.820 und 1961 etwa 2.300.

Kirche, Blick von Nordwesten

Kirche, Blick von Nordwesten

Wie wohl alle Gemeinden im Gebiet des Amtes Thedinghausen zählten Dettenhausen, Hagen und Ullenstede zunächst zum Kirchspiel Lunsen und wurde von der dortigen Pfarr- und Konventskirche versorgt.5 Urkundliche Nachrichten über die vorref. Kirchengeschichte Thedinghausens sind spärlich. In den Hoyer Lehnregistern sind Güter des plebani in Dettenhusen erwähnt.6 Eine Kapelle ist 1447 belegt: Die Burgmannenfamilien von Klencke und von Spade übertrugen ihr seinerzeit Zinseinnahmen.7 Details zur Gründung der Kapelle sind nicht zeitgenössisch überliefert, sondern finden sich erst in einer Chronik aus der zweiten Hälfte des 17. Jh. Der Lunser P. Johannes Schmuttenius (amt. 1662–1678), von 1650 bis 1655 Kaplan und Lehrer in Thedinghausen, legte 1663 das Lunser Kirchenbuch an und fügte auch ein Kapitel ein mit der Überschrift: „Vollkommener Nachricht von der Capellen zu Thedinghausen Uhrsprung, Gebäw, Auffnehmen, Wachstumb, und drüber geführten processen“.8 Dort schrieb er: „in Anno 1214 ohngefähr hat man weil das Kirchspiel Lunsen noch sehr groß, dahin gestimmet, daß man einige Capellen (die doch der Häuptkirch zu Lünsen nicht schädlich, sondern zum schulhalten N[ota] B[ene] bloß und allein sollten gebrauchet werden) so wol zu Schwarne 1 Capelle, und zu Thedinghausen ebenmessig 1 Capelle auß hiesiger Lünser Kirche Mittel gebawet worden“. Die Kapelle sei ein viereckiger Steinbau gewesen, habe auch dem Lehrer als Wohnung gedient und „ist anfangs eine Klueß [Klause] genand worden“. Dreimal im Jahr habe der Lunser Pfarrer hier einen Gottesdienst gefeiert: „1. am grünen Donnerstag, 2. am tage Mariae Magdalenae, und am Fasselabends [Faslam] Sonntage“; an diesen Gottesdienstterminen änderte die Reformation nichts: Sie galten auch in den 1660er Jahren noch.
Die Reformation hatte sich im bremischen Kirchspiel Lunsen erst in der zweiten Hälfte des 16. Jh. durchgesetzt. Mit Ebf. Christoph von Braunschweig-Lüneburg (amt. 1502–1558) regierte zunächst ein entschiedener Gegner der luth. Lehre im Erzstift Bremen und im Hochstift Verden.9 Sein Bruder und Nachfolger in beiden Bistümern, Ebf. Georg (amt. 1558–1566), duldete den neuen Glauben. Der Bremer Ebf. Heinrich III. von Sachsen-Lauenburg (amt. 1567–1585) schließlich war Protestant; zur Einführung einer ev. Kirchenordnung im Hochstift Bremen kam es während seiner Amtszeit jedoch nicht. Möglicherweise predigte P. Adrian von Rosendal (amt. bis mindestens 1567) bereits luth., sicher sein Nachfolger, Vicepastor Johannes Wildekind (amt. frühestens 1567–1609).10
Im Jahr 1583, so berichtet P. Schmuttenius weiter, sei die Kapelle in Thedinghausen eingestürzt – „ohn Zweifel von dem schweren Steindach“. Erst um 1610 begann die Gemeinde mit dem Wiederaufbau; gleichzeitig erwarb sie ein Haus für den Lehrer. 1630 stürzte die Kapelle wieder ein und das Schulhaus „ward in der Kriegerzeit [im Dreißigjährigen Krieg] herunter gerissen und totaliter ruiniret“. P. Schmuttenius überliefert auch die Hintergründe, die zur Anstellung eines eigenen ordinierten Pfarrers für Thedinghausen führten: „Alß der Sel. Drost Hermeling todes verblichen in Anno 1614, hat der damalige Ertzbischoff Johann Friedrich sich in die Nachgelassene Wittibe verliebet, und dahero sich offte, so Zwey, 3, ja fünff woche lang daselbst auffgehalten, und mit Ihr seine lüste gebüsset, Da nun solches der p[ro] t[empore] pastor ungern gesehen, und Amtshalber solche offentliche Ergerniß gestraffet, Hat die Wittibe dem damaligen Fürsten so viel angelegen, daß Er einen Am andern ort Ordinirten Pastoren Ihr hergesand, der in der Capelle gepredigt, und Sacra administriret“. P. Diricus Flege übernahm die Predigerstelle 1618, blieb jedoch nicht lang. Ihm folgte P. Diricus von der Lith, der 1625 aus Thedinghausen wegging und „ließ alles in Unordnung hinter sich“. Der Lunser P. Schmuttenius betont, dass „alles De Facto vorgangen, dahero kein Jus daraus zu behaupten“ sei. Wenige Jahre nachdem Schwarme sich vom Kirchspiel Lunsen getrennt hatte, dient Schmuttenius Darstellung und Argumentation also nicht zuletzt dazu, einer weiteren Verkleinerung des Kirchspiels Lunsen vorzubeugen und dem Thedinghäuser Bemühen um die Anstellung eines eigenen Pfarrers und der Erhebung zu eigenständigen Parochie entgegenzutreten.
Im Jahre 1643 begann der Neubau der Kapelle, länger und breiter als der Vorgängerbau. 1650 entstand das neue Schulhaus. Nachdem P. Schmuttenius 1678 gestorben war, ordinierte das Konsistorium den Thedinghäuser Kaplan Schrader (amt. etwa 1671–1694) zum Pastor, damit dieser das Kirchspiel Lunsen bis zur Wiederbesetzung der Pfarrstelle betreuen konnte.11 Unter P. Hermann Buntjer (amt. 1678–1703) setzte sich das Thedinghäuser Streben nach kirchlicher Unabhängigkeit fort; Kaplan Schrader bezeichnete sich selbst als „Prediger an der Thedinghäuser Kapellenkirche“.12 Das letzte Jahrzehnt des 17. Jh. brachte Veränderungen in den kirchlichen Verhältnissen, der Zusammenhang beider Orte blieb jedoch bestehen. Seit 1691 lud der Kaplan, nun Diaconus genannt, sonntäglich zum Gottesdienst in die Thedinghäuser Kapelle ein. 1698 richtete das braunschweigische Konsistorium in Thedinghausen ein Kompastorat ein; die Bezeichnung des Lunser Pastors als senior bzw. der Lunser Pfarre als Primariatpfarre betont die Hierarchie zwischen beiden Pfarrstellen. Im Gegensatz zu den früheren Kaplänen und Diakonen, war der Kompastor nicht mehr für den Schuldienst zuständig. Er betreute die Dörfer links der Eiter und predigte jeweils am zweiten Feiertag der kirchlichen Feste in Lunsen. Abendmahl und Konfirmation fanden auch für die Thedinghauser Bevölkerung in Lunsen statt. Der Kompastor hatte keine eigenen Einkünfte sondern erhielt einen Teil der Einkünfte der Lunser Pfarre. Als erster übernahm P. Johann Christoph Lasdorff (amt. 1698–1701) das Kompastorat in Thedinghausen.
Um 1700 ließ die Gemeinde Thedinghausen ihre Kirche vergrößern. Gleichzeitig wurde auch der Neubau eines Pfarrhauses beschlossen. Die folgende Auseinandersetzung über die Frage der Finanzierung – sollte nur die Bevölkerung Thedinghausens dafür aufkommen oder die des ganzen Kirchspiels – beschäftigte die juristischen Fakultäten acht verschiedener Universitäten.13 Nach der Entscheidung, dass alle Einwohner des Kirchspiels die Neubaukosten zu tragen hätten, folgten weitere Prozesse, um die genaue Aufteilung der Kosten zu klären. Der Streit zog sich bis 1740 hin.
Seit Mitte des 18. Jh. lassen sich jüd. Familien im Amt Thedinghausen nachweisen.14 Mit etwa 40 Gemeindegliedern in den 1850er und 1860er Jahren ihren zahlenmäßig höchsten Stand; die Gemeinde gehört zum Landrabbinat Braunschweig. Zum Bau einer Synagoge kam es nicht, einen eigenen Friedhof weihte die Gemeinde 1854 ein (vorher jüd. Friedhof bei Hoyerhagen genutzt). 1931 lebte noch eine jüd. Familie in Thedinghausen, deren Mitglieder den Ort bis 1936 verließen.15
Das konfliktvolle Miteinander der Kirchengemeinde Lunsen-Thedinghausen setzte sich auch im 19. Jh. fort. Wie auch regelmäßig in anderen Parochien mit mehreren Pfarrstellen zu beobachten, rückte der Kompastor nach dem Freiwerden der Primariatpfarre in die Position des seniors auf. Das ging mit einem Sinneswandel einher; es ist auffällig, dass „die Geistlichen, solange sie Kompastor in Thedinghausen waren, nach Selbständigkeit strebten, sobald sie aber die Stellung des Primarius in Lunsen erlangten, bald zur entgegengesetzten Ansicht kamen und leidenschaftlich die Vorrechte der alten Lunser Kirche verfochten“.16 Die erstmalige Feier einer Konfirmation in Thedinghausen im Jahr 1839, die Wahl von Kirchenvorständen 1851 sowohl in Lunsen als auch in Thedinghausen sowie der großzügige Neubau der Kirche waren weitere Schritte auf dem Weg zur kirchlichen Eigenständigkeit. Den Neubau hatte die Gemeinde schon 1843 beantragt, die Arbeiten begannen 1867, am 16. Juli 1868 war Grundsteinlegung und am 6. November 1870 konnte die Einweihung gefeiert werden. Der neugotische Bau ist das Erstlingswerk des Braunschweiger Architekten Ernst Wiehe.17 Im Jahr 1912 schließlich erreichte Thedinghausen seine kirchliche Eigenständigkeit und der 1897 als Kompastor berufene P. Karl Wasmus (amt. 1897/1912–1928) wurde der erste Pfarrer der neuen KG. In zwei Raten zahlte die Gemeinde Thedinghausen insgesamt 30.000 Mark als Ablöse an die KG Lunsen.18
Am Pfingstsonntag nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in der Thedinghäuser Kirche nacheinander drei Gottesdienste gefeiert: ein evangelischer, ein katholischer und einer für die britischen Truppen.19 Im Jahre 1951 gründete sich ein Kirchenchor und 1956 ein Posaunenchor. Mit dem Bau der Friedhofskapelle in Emtinghausen erhielt die Gemeinde eine zweite Predigtstätte; hier fand ein monatlicher Gottesdienst statt.20 Zum 1. Januar 1976 verließen die beiden KG Thedinghausen und Lunsen die Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig und wechselten zur Ev.-luth. Landeskirche Hannovers (KK Verden).21
Während der Visitation brachte die Gemeinde 1979 zwei Anliegen vor: Für die wachsende Gemeinde sei eine zweite Pfarrstelle nötig und für den Gemeindebereich Emtinghausen und Bahlum solle geprüft werden, ob irgendeine Form der Selbständigkeit möglich sei.22 Damit griff die KG Überlegungen aus den Anfangsjahren des 20. Jh. wieder auf; die Landessynode hatte 1908 über die Gründung einer KG Emtinghausen-Bahlum verhandelt, die Pläne scheiterten jedoch an den Kosten.23 Eine zweite Pfarrstelle mit Schwerpunkt in Emtinghausen-Bahlum erhielt Thedinghausen schließlich 1987; erster Inhaber war, P. Ulrich Haar (amt. 1988–1989).24
Nach der Visitation 1979 hatte sich der Sup. des KK Verden kritisch über das kirchliche Leben geäußert: Bislang gäbe es hier „keine Gemeindekreise […] Auch Bibelstunden und ähnliche Veranstaltungen sind in den zurückliegenden Jahren in Thedinghausen nicht durchgeführt worden“.25 U. a. mit Kindergottesdienst, Jungschararbeit und Junger Gemeinde habe nun der Aufbau des gemeindlichen Lebens begonnen. Bei der Visitation 1986 stellte der KV resümierend fest, dass sich der Wechsel zur hannoverschen Landeskirche positiv ausgewirkt habe. Die KG Thedinghausen sei nun „eingebettet in den Kontakt zu den Nachbargemeinden und in den Kontakt zum Kirchenkreis“; überdies habe sich das Gemeindeleben intensiviert.26
Seit Januar 2002 ist Thedinghausen pfarramtlich verbunden mit der KG Lunsen, wobei die zweite Pfarrstelle der Gemeinde mit der Lunser Pfarrstelle zu einer vereinigt wurde.27 Im November 2002 schloss sich Riede als dritte Gemeinde dem Pfarrverbund an.28 Zunächst aus drei vollen Pfarrstellen bestehend, setzt sich das verbundene Pfarramt seit 2012 aus einer vollen Stelle in Thedinghausen und zwei halben Stellen in Riede und Lunsen zusammen. Im Jahr 2007 gründeten die KG Blender, Intschede, Lunsen, Oiste, Riede und Thedinghausen die regionale Kirchenstiftung „Aus Liebe zum Ort“ (sechs buchhalterisch getrennte Fonds für die einzelnen KG und ein gemeinsamer Fonds für regionale Aufgaben). Seit 2013 betreibt die KG Thedinghausen zusammen mit den KG Lunsen und Riede das diakonische Warenhaus „Kramerei“, über das u. a. gespendete Haushaltswaren und Kleidungsstücke gegen eine kleine Kostenbeteiligung weitergegeben werden.

Pfarrstellen

I: 1618 Kaplanei, ab 1698 Kompastorat, ab 1912 Pfarrstelle. – II: 1987–2002, dann mit der Pfarrstelle der KG Lunsen zur zweiten Pfarrstelle des verbundenen Pfarramtes Thedinghausen-Lunsen zusammengelegt.29

Umfang

Thedinghausen sowie die Ortschaften Bahlum, Dibbersen, Donnerstedt, Eissel, Emtinghausen und Horstedt. 1870 lauteten die Einwohnerzahlen folgendermaßen: Hagen: 726, Bürgerei: 597, Westerwisch: etwa 500, Emtinghausen: 800, Bahlum: 407, Dibbersen und Donnerstedt: etwa 400 bis 450, Eissel: etwa 140, Horstedt: etwa 140.30

Aufsichtsbezirk

Seit Gründung der KG unterstand Thedinghausen (wie auch die KG Lunsen) direkt dem Konsistorium in Wolfenbüttel bzw. dem Landeskirchenamt. Mit dem Wechsel zur Landeskirche Hannovers 1976 zum KK Verden.31

Patronat

Der Ebf. von Bremen als Landesherr. 1670 übertrug die schwedische Regierung dem Inhaber des Amtes Thedinghausen das Patronatsrecht über die Kirchen in Lunsen und Schwarme sowie die Kapelle in Thedinghausen.32 Ab 1679 die Hzg. von Braunschweig-Lüneburg.

Kirchenbau

Neugotischer, rechteckiger Backsteinbau mit eingezogenem, niedrigerem Polygonalchor und Sakristeianbau an der Südseite des Chors, errichtet 1867–70 (Architekt: Ernst Wiehe, Braunschweig). Satteldach, Dach des Chors nach Osten abgewalmt. Strebepfeiler an Schiff und Chor; an den fünfachsigen Längsseiten des Schiffs zweigeschossige Fenstergestaltung: oben breite Spitzbogenfenster mit Sandsteinrippen, darunter je drei kleine Spitzbogenfenster; nach Süden Vorbau mit Portal im mittleren Joch; am Westende des Schiffs leicht hervortretende, standerkerartige Querbauten nach Norden und Süden; am Chor hochliegende, schmale Spitzbogenfenster, unter dem Ostfenster Inschriftentafel: „Dem allmächtigen Gotte zur Ehre wurde dieser Bau errichtet i[n] d[en] J[ahren] 1867 bis 1870“. Im Innern Kreuzgratgewölbe, Quertonnengewölbe über den Seitenemporen, spitzer Triumphbogen zwischen Schiff und Chor; zaunhohes, schmiedeeisernes Gitter zwischen Chor und Schiff; U-förmige Emporenanlage auf weit auskragenden Wandpfeilern. 1937 Neuausmalung. 1956 Neuausmalung. 2007 Außensanierung. 2014 Innensanierung.

Fenster

Fünf schlanke, spitzbogige Chorfenster mit farbigen Glasmalereien (1990, Heinz Lilienthal, Bremen), ein figürliches Medaillon erstreckt sich über die drei mittleren Fenster (links Judaskuss, rechts Maria Magdalena, in der Mitte der auferstandene Christus).

Turm

Schlanker Turm aus Backsteinmauerwerk. Verschieferter Turmhelm mit quadratischem Ansatz und achteckig ausgezogener Spitze, bekrönt mit Kugel, Kreuz und Wetterhahn. Im Glockengeschoss in jede Richtung je zwei schmal, spitzbogige Schallöffnungen, darunter Uhrziffernblätter (nicht nach Osten); nach Westen Spitzbogennische mit rechteckigem Hauptportal, im Bogenfeld Sandsteinfüllung mit Fenster in Form eines Dreipass mit Dreiecksspitzen, im Sturz des Portals Inschrift: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken“. 1969 Turmdach repariert. 1970 neue Turmuhr.

Vorgängerbauten

Wohl in der ersten Hälfte des 13. Jh. Kapelle erbaut, 1583 eingestürzt.33 1610 Neubau, 1630 eingestürzt. 1643 Neue Kirche, Rechteckbau mit dachreiterartigem Turm, 1656 um Chor erweitert, um 1700 erneut vergrößert. Um 1855 Turmspitze abgenommen, 1870 Gebäude abgetragen; die Kirche stand östlich der heutigen Kirche.34

Ausstattung

Altar mit vier korinthischen Säulen an der Frontseite des gemauerten Stipes; Sandsteinmensa; seitliche, schmiedeeiserne Schranken; Eichenholzretabel, Mittelteil überhöht (Wimperg und Mandorla mit Christusmonogramm und Umschrift: „O Du Lamm Gottes, das Du trägts der Welt Sünden, erbarme dich unser“), darüber Kreuz, außen hohe Kerzenleuchter. – Neugotischen Kanzel mit Schalldeckel, dunkles Eichenholz. – Säulenartige Taufe (Sandstein), viereckiger Fuß, runder Schaft, achtseitiges Becken. – Außen an der Südwand Denkmal für die Opfer des Zweiten Weltkriegs, Skulptur „Trauernde Mutter“ (Ernst Gorsemann, Bremen), eingefügt in einen der Strebepfeiler, links und rechts an der Wand 159 Namen Getöteter und Vermisster.

Orgel

1710 Kollektensammlung für Orgelbau, nicht ertragreich genug.35 1767 Neubau, ausgeführt von Johann Andreas Zuberbier (Obernkirchen), 14 I/P, mechanische Traktur (zwei weitere Reg. vakant). 1851 Reparatur und Änderung der Disposition, vorgenommen von August Boden (Helmstedt), 15 I/P, mechanische Traktur. 1870 Orgelneubau für die neue Kirche, ausgeführt von Firma Gebrüder Euler, 20 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen; neugotischer Prospekt, entworfen von Baukondukteur Ernst Wiehe, Braunschweig. 1938 Änderung der Disposition, ausgeführt von Firma Gebrüder Dutkowski (Braunschweig). Während des Zweiten Weltkriegs zinnerne Orgelpfeifen zu Rüstungszwecken abgegeben. 1969 Neubau des Orgelwerks hinter dem neugotischen Prospekt, ausgeführt von Firma Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen), 23 II/P (HW, OW), mechanische Traktur, Schleifladen.

Geläut

Vier LG, I: eʼ (Bronze, Gj. 1954, F. Otto, Bremen-Hemelingen); II: gʼ (Bronze, Gj. 1926, F. Otto, Bremen-Hemelingen), Inschrift: „Friede auf Erden“; III: aʼ (Bronze, Gj. 1953, F. Otto, Bremen-Hemelingen), Inschrift: „Ehre sei Gott in der Höhe“; IV: cʼʼ (Bronze, Gj. 1953, F. Otto, Bremen-Hemelingen), Inschrift: „Den Menschen ein Wohlgefallen“.36 – Früherer Bestand: Eine LG (Bronze, Gj. 1704), Inschrift: „In honorum Die et satutem christianorum sua cura et sumptibus hauc campanam conficiendam curabant: Illustres et Nobil. Dni. Castellani, cum h. t. duo praefecto pastore, juratis, omnibus huic tempto ex animo addictis parochianis. Ao 1704“ (Zur Ehre Gottes und zum Heil der Christen ließen diese Glocke durch ihre Fürsorge und auf ihre Kosten herstellen die edlen und adligen Herren Burgmänner, zusammen mit dem derzeitigen Amtmann, Pastor, Juraten und allen dieser Kirche von Herzen zugetanen Gemeindegliedern. Im Jahr 1704).37 Möglicherweise eine LG (Bronze, Gj. 1756, Johann Georg Ziegner, Lüneburg), Inschrift: „Soli Deo Gloria. Me fecit Johann Georg Ziegner Lüneburg 1756“ (Allein Gott die Ehre. Mich fertigte Johann Georg Ziegner Lüneburg 1756), heute im Dachreiter des Packhauses beim Rathaus, vor 1842 vielleicht in der alten Kirche Thedinghausen. 1870 für die neu errichtete Kirche vier LG gegossen (Bronze, Gj. 1870, Braunschweig).38 Im Ersten Weltkrieg Glocken zu Rüstungszwecken abgegeben. Vier neue Bronzeglocken e’-g’-a’-c’’ (Bronze, Gj. 1926, F. Otto, Hemelingen); im Zweiten Weltkrieg drei dieser Glocken zu Rüstungszwecken abgegeben, eine blieb erhalten (heutige LG II).39

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarr- und Gemeindehaus (Bj. 1840).

Friedhof

Kirchlicher Friedhof in Thedinghausen rund um die Kirche. Friedhof in Emtinghausen, FKap (Bj. 1965, Architekt: Walter Ravens, Thedinghausen) mit einer LG.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

L 5g Nr. 309 (LSuptur. Stade); S 09, rep Nr. 2176 (Presseausschnittsammlung); 11 Nr. 81 (Findbuch); S 11a Nr. 7951 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1703
Trauungen: ab 1703
Begräbnisse: ab 1703
Konfirmationen: ab 1703

Literatur

A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 1270–1271; Dienwiebel, Ortsverzeichnis Hoya/Diepholz II, S. 525–527; Meier, BKD Kr. Braunschweig, S. 347–348; Osmers, Kirchen, S. 84–89; Topp, Orgelbau Lkr. Verden III, S. 91–96; Rödiger, Kirchen Thedinghausen, S. 52–63; Seebaß/Freist, Pastoren, S. 185.

B: Kurt Asendorf: Thedinghausen, die älteste Dokumentation. Neue Beiträge zur Heimatgeschichte, Thedinghausen 1988; Wilhelm Bornstedt, Zum Abschied von Thedinghausen, 300 Jahre braunschweigische Geschichte, in: Braunschweigisches Jahrbuch 53 (1972), S. 333–338; Herbert Brückner: 800 Jahre Kirchengemeinde Schwarme. Eine kurzgefasste Schwarmer Kirchengeschichte, Bremen 2015; Bernd Ulrich Hucker: Ein mittelalterliches Kloster in Lunsen-Thedinghausen, in: Heimatkalender für den Landkreis Verden 2006, S. 95–106; Bruno Knake: Die ev.-luth. Kirchengemeinde Thedinghausen, in: Heimatkalender für den Landkreis Verden 1986, S. 203–212; Klaus-Dieter Schneider: Überraschender Fund in 42 Meter Höhe: Dokumente zum Neubau der Kirche in Thedinghausen von 1869, in: Heimatkalender für den Landkreis Verden 2008, S. 199–212; Karsten Wilkens: 125 Jahre Maria-Magdalenen-Kirche zu Thedinghausen. Ein Gang durch die Geschichte unserer Kirche, Thedinghausen [um 1995].

GND

4786244-0, Sankt Maria Magdalena (Thedinghausen)


Fußnoten

  1. Register Ebf. Bremen I, Nr. 572; Dienwiebel, Ortsverzeichnis Hoya/Diepholz I, S. 122.
  2. Bremisches UB I, Nr. 247.
  3. Um 1260: Hoyer UB I, Heft IV, S. 11, vgl. auch Hucker S. 95, Anm. 3. 1282: Cal. UB V, Mariensee, Nr. 88.
  4. Vgl. Bornstedt, S. 333 ff. für einen knappen Überblick zur Geschichte von Amt und Burg Thedinghausen.
  5. Müller, Amt Thedinghausen, S. 271.
  6. Hoyer UB I, Heft IV, S. 60. Hucker, S. 100, datiert den Eintrag auf „um 1227“.
  7. Müller, Amt Thedinghausen, S. 272.
  8. Gedruckt bei Ompteda, Thedinghausen, S. 334 ff. (die folgenden Zitate ebd.).
  9. Zu Bf. Christoph vgl. den Beitrag von Matthias Nistal in Dannenberg/Otte, Reformation, S. 39 ff. Zur Reformation in Bremen und Verden insgesamt vgl. die Beiträge in Dannenberg/Otte, Reformation.
  10. Bösche, S. 286 f. P. Rosendal war nicht Inhaber der Pfarrpfründe, sondern versah den Pfarrdienst in Lunsen. Die Pfründe war in der Hand von Eberhard von Varendorff und ging 1568 auf dessen Neffen Cord über; noch 1588 wird P. Wildekind als Vicepastor bezeichnet.
  11. Müller, Amt Thedinghausen, S. 287.
  12. Zit. bei Müller, Amt Thedinghausen, S. 288. Vgl. zum Folgenden ebd.
  13. Müller, Amt Thedinghausen, S. 294 f.
  14. Zum Folgenden: Obenaus, Handbuch II, S. 1470 ff.
  15. Zu ihrem weiteren Schicksal vgl. Obenaus, Handbuch II, S. 1473.
  16. Müller, Amt Thedinghausen, S. 306.
  17. Zum Neubau: Müller, Amt Thedinghausen, S. 303 f.; Schneider, S. 199 ff.; Osmers, Kirchen, S. 85.
  18. Knake, S. 209.
  19. Wilkens, S. 10 f.
  20. Wilkens, S. 12.
  21. KABl. 1975, S. 231 f.; LkAH, L 5g, Nr. 842.
  22. LkAH, L 5g, Nr. 309 (Visitation 1979).
  23. Müller, Amt Thedinghausen, S. 307.
  24. KABl. 1987, S. 52 f.
  25. LkAH, L 5g, Nr. 309 (Visitation 1979).
  26. LkAH, L 5g, Nr. 309 (Visitation 1986).
  27. KABl. 2002, S. 23 f.
  28. KABl. 2002, S. 264.
  29. KABl. 1987, S. 52 f.; KABl. 2002, S. 23 f.
  30. Schneider, S. 205 und 210.
  31. KABl. 1975, S. 231 f.
  32. Müller, Amt Thedinghausen, S. 285.
  33. Zum Folgenden: Müller, Amt Thedinghausen, S. 279 f.
  34. Riss und Grundriss bei Asendorf, Kirchen II, S. 82.
  35. Zum Folgenden: Topp, Orgelbau Lkr. Verden III, S. 91 ff.
  36. Reinhold, Kirchenglocken, S. 507 f.
  37. Müller, Amt Thedinghausen, S. 293.
  38. Schneider, S. 204.
  39. Reinhold, Kirchenglocken, S. 490.