Sprengel Hannover, KK Nienburg | Patrozinium: Gangolf | KO: Lüneburger KO von 1643
Orts- und Kirchengeschichte
In der Zeugenliste einer um 1140 ausgestellten Urkunde des Bf. Adalbero von Bremen (amt. 1123–1148) ist ein Ecbertus de Widdessem genannt.1 Um 1250 erscheint villa Widessen unter jenen Orten, die zum Unterhalt der Bremer Weserbrücke beitrugen.2 Im Jahr 1274 übertrug Gf. Burchard von Wölpe († 1284) die villam in Widesen cum ecclesia, die er den Gf. von Blankenburg-Regenstein abgekauft hatte, an Bf. Otto I. von Minden (amt. 1266–1275) und erhielt beides als Lehen zurück.3 Nachdem der welfische Hzg. Otto II. von Braunschweig-Lüneburg die Gft. Wölpe erworben hatte, verlehnte er 1302 curiam widessen cum suis attinentiis hoc est Regenstene gut (Hof Wietzen mit Zubehör, das ist Regensteiner Gut) an die Gf. Gerhard II. und Otto II. von Hoya, die 1301 zudem Güter in Wietzen von Gf. Heinrich von Regenstein geschenkt bekommen hatten.4 Die Hoyaer Grafen waren überdies im Besitz der nahe Wietzen gelegenen Burg Stumpenhusen (Motte, Turmhügelburg), Stammsitz der gleichnamigen Familie, die mit Gerhardus filius Gerberti de Stumpenhusin 1091 erstmals urkundlich belegt ist und von denen die Gf. von Hoya um 1200 Grafentitel und -rechte sowie Wappen erworben hatten.5 1380 zählte die Streusiedlung Wydeszhon (vielleicht nur teilweise) zur Vogtei Liebenau in der Gft. Hoya, 1515/21 zum Amt Drakenburg, 1530 zum Amt Nienburg.6 Mit dem Aussterben der Gf. von Hoya in männlicher Linie fiel ihre Gft. 1582 an die welfischen Hzg. zu Braunschweig-Lüneburg (größtenteils an das Fsm. Calenberg-Göttingen, seit 1692 Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. „Kurhannover“).7 In französischer Zeit war Wietzen 1810 zunächst kurzzeitig Teil des Kgr. Westphalen und dann des Kantons Liebenau im Arrondissement Nienburg des Departements Wesermündung im Kaiserreich Frankreich. Danach gehörte Wietzen, nun im Kgr. Hannover, wieder zum Amt Nienburg. Mit der Annexion des Kgr. Hannovers fiel der Ort 1866 an das Kgr. Preußen. Seit Einführung der Kreisverfassung zählt Wietzen zum Kr. Nienburg (1932 Lkr. Nienburg/Weser). 1974 wurde Holte eingemeindet. Um 1810 lebten insgesamt 870 Menschen in Wietzen, 1905 rund 1.130, 1950 gut 2.600, 1960 etwa 1.800 und 2020 gut 2.140 (mit dem eingemeindeten Holte).
Bei Ausgrabungen im Bereich des Querhauses der St. Gangolf-Kirche konnte 1958 ein kleiner, wohl um 1000 errichteter Vorgängerbau nachgewiesen werden.8 Diese Kirche, ein kleiner Saalbau mit Apsis, bildete zusammen mit dem Burgsitz Stumpenhusen „mindestens vom späten 11. Jahrhundert an ein Ensemble von überörtlichem Rang“.9 Allerdings lässt sich anhand der urkundlichen Überlieferung kein Zusammenhang zwischen Burg- und Kirchengründung erkennen.10 In der Kirche befand sich ein Epitaph, dessen Text wohl im 14. Jh. in das Wietzener Missale (Messbuch) eingetragen wurde, aus dem ihn P. Alexander Achemius (amt. 1557–1609) abschrieb und den Ernst Ludwig Rathlef 1752 in den Hannoverischen gelehrten Anzeigen veröffentlichte.11 Das Epitaph erinnert an Gf. Bardo, der als Gründer der Kirche St. Gangolf bezeichnet wird, in der er begraben liegt. Erwähnt werden zudem seine Frau Oda, sein Sohn Ecbert und eine Verwandte (socia) Alheidis. Die Genannten lebten etwa in der Zeit nach der Mitte des 10. und vor Ende des 11. Jh.; verwandtschaftliche Beziehungen zu den Gf. von Stumpenhusen oder den Gf. von Blankenburg-Regenstein lassen sich nicht herstellen.12 Aus dem gleichen Missale schrieb P. Achemius auch die Gründungserzählung (fundatio) der Wietzener Kirche ab, die dort wohl Mitte des 14. Jh. notiert worden war.13 Dort heißt es, die fundatores venerabiles dominum Bardonem et ejus legitimam dominam Odam (Gründer, der ehrenwerte Herr Bardo und seine rechtmäßige Ehefrau Oda) hätten eine Holzkirche errichten lassen und mit Besitz ausgestattet. Eorum successores venerabiles, dominus Ecbertus, et domina Gertrudis sua legitima (Deren ehrenwerte Nachfolger, Herr Egbert und seine rechtmäßige Frau Gertrud) hätten dann eine Steinkirche errichten lassen. Es folgt eine Liste der Kirchengüter.14 Diese schriftliche Überlieferung passt zum archäologischen Befund einer um 1000 errichteten kleinen Saalkirche, die anscheinend eine adlige Eigenkirche war. Etwa im 12. Jh. wurde der Bau erweitert und damit wohl zur Pfarrkirche umgebaut: Nach Abbruch des westlichen Teils entstand das bis heute erhaltene Kirchenschiff, dem der Ostteil der alten Kirche als Chorraum diente.15 Mit Hermannus plebanus Ecclesie in Videssen ist 1276 erstmals der Name eines Ortsgeistlichen überliefert.16 Pleban Hermann bezeichnet in der Urkunde Gf. Burchard von Wölpe als patroni dicte Ecclesie mee (Patron meiner genannten Kirche). In diesem Zeitraum – etwa um 1280 – ist auch die älteste erhaltene Glocke Wietzens gegossen worden. Aus vorref. Zeit hat sich zudem, wiederum abschriftlich, ein Güterverzeichnis der Kirche aus dem Jahr 1428 erhalten. 1526 bestand eine Marienbruderschaft in Wietzen.17
Details zum Verlauf der Reformation in Wietzen sind nicht bekannt. Während der Reformationszeit regierte Gf. Jobst II. den größten Teil der Gft. Hoya; sein Bruder Gf. Erich IV. regierte in den Ämtern Stolzenau und Steyerberg. Etwa gleichzeitig führten die Brüder die luth. Lehre ein: Um 1527 holte Jobst II. den Lutherschüler Adrian Buxschott an seinen Hof, später Pastor in Hoya und erster Sup. der Gft. sowie um 1533 vermutlich Mitautor der ersten Hoyaer KO (Cristlike ordeninghe, yn der karken unser hersschup gestellt). Auch Erich IV. stellte um 1528 mit Nikolaus Krage einen Lutherschüler als Hofprediger an.18 Als erster ev. Prediger in der Wietzener Kirche gilt P. Hermann Groningius (amt. etwa ab 1525), der vermutlich zusammen mit seiner Gemeinde zur luth. Lehre wechselte. Während der Amtszeit von P. Justus Andreas Rhodius (amt. 1651–1686) zerstörte 1656 ein Blitzeinschlag den Turmhelm und die Gemeinde ersetzte ihn durch ein Walmdach.19 Die ältesten Einträge im Wietzener Kirchenbuch stammen aus dem Jahr 1684 (Taufen).
Da das mittelalterliche Kirchengebäude in der ersten Hälfte des 19. Jh. zu klein geworden war für die Gemeinde, wurde sie 1830 nach Plänen des Oberlandbaumeisters Johann Friedrich Paulsen umgestaltet: Der Chorraum – der älteste Teil der Kirche – musste weichen und Platz machen für einen klassizistischen Querbau mit hohem Tonnengewölbe und einer tempelartigen Kanzelaltarwand. Das Urteil über diesen Umbau fiel in der zweiten Hälfte des 20. Jh. überwiegend negativ aus.20 In der zweiten Hälfte des 19. Jh., während der kurzen Amtszeit von P. Georg Wilhelm Schaer (amt. 1877–1879), fanden in Wietzen zwei Missionsfeste statt (1877, 1878).21
In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg gründete P. Gottfried Schmidt (amt. 1906–1914) in der KG Wietzen einen Posaunenchor, einen Turnverein, einen Jungfrauenverein sowie lokale Gruppen der Landeskirchlichen Gemeinschaft, des Jugendbundes EC und des Blauen Kreuzes. Einige dieser Gruppen haben noch im 21. Jh. prägende Bedeutung für das Leben der KG.22 1907 ließ P. Schmidt ein Gemeindehaus erbauen, in dem auch Turngeräte aufgestellt waren. Während der NS-Zeit hatte P. Karl Emil Hermann Schädla (amt. 1929–1948) das Pfarramt in Wietzen inne; kirchenpolitisch stand er aufseiten der Hannoverschen Bekenntnisgemeinschaft.23 Nach der Visitation 1958 zog der Nienburger Sup. ein positives Fazit: Die KG Wietzen sei „die opferwilligste im ganzen Kirchenkreise“ und dies sei ein „Zeichen für die Lebendigkeit des Gemeindelebens“.24 Noch 1970 pflegte die Gemeinde die Tradition der Chorpflicht: Im Jahr nach der Konfirmation mussten die Jugendlichen mindestens zwölf Gottesdienste besuchen; am Ende dieses Jahres gab es eine Chorentlassungsfeier.25 Im Rahmen der Partnerschaft zwischen den Landeskirchen Sachsens und Hannovers knüpfte die KG Wietzen Anfang der 1970er Jahre Kontakte mit der sächsischen Kirchgemeinde Tautenhain (nordwestlich von Gera).26
Regelmäßig betonen die Visitationsberichte der zweiten Hälfte des 20. Jh. das Erbe der Erweckungsbewegung und die große Zahl der Gruppen und Kreise in der KG Wietzen. 1976 heißt es, Wietzen sei die einzige Gemeinde im KK Nienburg, die eine „ausgeprägte, noch lebendige ‚Erweckungstradition‘ hat“; zudem trügen Landeskirchliche Gemeinschaft und Jugendbund EC „zu einem wesentlichen Teil die Arbeit der Kirchengemeinde“, in der die Zahl der ehrenamtlich Mitarbeitenden überdurchschnittlich hoch sei.27 Der zahlenmäßig größere Teil der Gemeinde allerdings stünde nicht in dieser Tradition. LSup. Günter Linnenbrink (amt. 1976–1984) betonte 1982, es sei wichtig für Pfarramt und Gemeinde, dass „beide ‚Gruppierungen‘ in eine fruchtbare Beziehung zueinander gebracht werden und sich so wechselseitig ergänzen und auch bereichern“.28
Aus dem 1996 eröffneten ev. Kinderspielkreis ging später der ev. Kindergarten hervor, seit 2006 „Ev.-luth. Naturkindergarten St. Gangolf“. Im Jahr 2010 übernahm der KK Nienburg die Trägerschaft der Einrichtung. Im Jahr 2002 gründete sich die Stiftung St. Gangolf Wietzen, die laut Satzung „der Förderung der gemeindlichen Arbeit der Kirchengemeinde“ dienen soll.29 Auf regionaler Ebene kooperiert die Gangolfgemeinde mit ihren Nachbarinnen Balge, Binnen, Borstel-Pennigsehl, Liebenau, Marklohe und Staffhorst in der „Arbeitsgemeinschaft links der Weser“ (u. a. Gottesdienstprojekt „Licht in Sicht“30); 2021 beschlossen die sieben Gemeinden, ihre Zusammenarbeit zu vertiefen und gemeinsam den „Kirchengemeindeverband links der Weser“ zu gründen.
Umfang
Wietzen und Langeln. 1890 zwei Anbauerstellen in Holte-Langeln von Lohe (Marklohe) nach Wietzen umgepfarrt.31 „In alter Zeit soll die Pfarre einen großen Umfang gehabt haben, bis nach Vilsen hin; eine nun zu einem Fenster umgewandelte Thür wurde die Vilser Thür genannt.“32
Aufsichtsbezirk
Archidiakonat Lohe (Marklohe) der Diözese Minden.33 – Nach der Reformation Suptur. der Gft. Hoya. Seit 1581/82 Insp. Nienburg (1924: KK).
Patronat
Die Gf. von Blankenburg-Regenstein. In der zweiten Hälfte des 13. Jh. (etwa zwischen 1257 und 1274) verkauft an die Gf. von Wölpe, die Dorf und Patronatsrechte an der Kirche den Bf. von Minden zu Lehen auftrugen. Später der Landesherr (bis 1871).
Kirchenbau
Einschiffiger Bau mit kreuzförmigem Grundriss und Polygonchor, Schiff erbaut in der Mitte des 12. Jh., Querhaus 1830, Chor 1958.34 Satteldach, nach Osten abgewalmt, Querhaus mit Walmdach. Quadermauerwerk aus Portasandstein (Schiff), Bruchsteinmauerwerk (Querhaus und Chor). Langhauswände mit Lisenen, im Obergaden rundbogige Blendarkaden mit Säulchen (Würfel- und Zungenblattkapitelle), kleines Rundbogenfenster in jeder zweiten Arkade; teilweise vermauertes Rundbogenportal nach Süden, oberer Teil zu Sprossenfenster umgestaltet; nach Norden Rundbogenblende mit Rechteckportal. Je ein großes, fast quadratisches Fenster an den Stirnseiten der Querhausarme; je ein hochrechteckiges Fenster an Nord- und Südseite des Chors. Am nördlichen Querhausarm Nebenportal nach Westen, darüber Bauinschrift: „H[ic] aed[es] e[x] lign[is] post[ea] lap[idibus] exstr[uctam] c[irca] a[nno] M renov[atur] et amplif[icatur] a[nno] MDCCCXXX“ (Dieser Tempel, erbaut um das Jahr 1000 aus Hölzern, später aus Steinen, wurde im Jahr 1830 renoviert und erweitert). Bauinschrift am Chor: „Soli Deo Gloria A[nno] Do[omini] MCMLVIII“ (Gott allein die Ehre. Im Jahr des Herrn 1958). Im Innern flache Balkendecke, Westempore, Nord- und Südempore in den Querhausarmen. 1579 Arbeiten an der Balkendecke (Bauinschrift). 1750 Neue Decke (unterputzte Tannendielen). 1830 Umbau (Planung: Oberlandbaumeister Johann Friedrich Paulsen, Hoya; u. a. Chor abgerissen und Querhaus mit hohem Satteldach errichtet, kleiner Sakristeianbau mit Pultdach vor Ostwand errichtet, einige Obergadenfenster schlitzartig nach unten verlängert). 1957/58 Sanierung und Umgestaltung (Architektengemeinschaft: Peter Hübotter, Rolf Romero, Bert Ledeboer, Hannover; u. a. Sakristei abgerissen und Chorraum angebaut, Querhaus verändert: Nord- und Südgiebel abgetragen, Dach nach Norden und Süden abgewalmt, dreigeschossige Rundbogenfenster an den Stirnseiten durch Rechteckfenster ersetzt, Tonnengewölbe durch flache Decke ersetzt; Schiff verändert: verlängerte Obergadenfenster zurückgebaut, Nordeingang geöffnet („Vilser Tür“); Innenraum umgestaltet: Balkendecke freigelegt, Kanzelaltarwand entfernt, Orgel auf Westempore abgebaut, Westempore verkleinert, neue Orgel auf Nordempore). 1965 Dachneudeckung.
Fenster
Zwei Buntglasfenster im Chorraum (1962). Zwei großflächige Buntglasfenster an den Stirnseiten des Querhauses (2010, Entwurf: Pablo Holger Hirndorf, Warpe; Ausführung: Aleksandra Szafiejew, Berlin), nach Norden: „Wasser als Quelle der Kraft“, nach Süden: „Licht der Welt“.
Turm
Etwa quadratischer Westturm mit Walmdach, bekrönt mit zwei Schlagglocken sowie Kugel und Hahn, erbaut Mitte des 12. Jh. Uhrerker nach Norden, Süden und Westen. Quadermauerwerk aus Portasandstein, zwei Mauerrücksprünge. Im Glockengeschoss je zwei rundbogige, gekuppelte Schallarkaden nach Norden und Süden. Nach Westen Rundbogennische mit Rechteckportal und Halbkreisfenster, darüber Relief mit Kreuzigungsgruppe (12. Jh.), ursprünglich wohl am Nordportal. Zwischen 1651 und 1686 Turmhelm nach Blitzeinschlag abgebrannt, durch Walmdach ersetzt. 2005/06 neues Walmdach.
Vorgängerbauten
Um 1000 kleine Saalkirche mit eingezogener Apsis (oder eine wohl hölzerne Vorgängerkirche) errichtet (Fundamente 1958 ergraben).35 Westteil der Saalkirche im 12. Jh. abgebrochen, heutiges Kirchenschiff erbaut und Ostteil der Saalkirche zu Chor umfunktioniert (dieser 1830 vor Bau des Querhauses abgebrochen).
Ausstattung
Schlichter Blockaltar (1958) mit Mensa aus Sandstein (Mittelstück romanisch, bei Ausgrabungen im Kircheninnern entdeckt), Stipes aus Sandsteinquadern. – Bemaltes Flügelretabel an der Ostwand (1960, Ruth Margraf, Hannover), Mittelteil und vier hochrechteckige Flügel, die äußeren innen und außen bemalt; im Mittelfeld Christus Pantokrator auf Regenbogen vor Goldgrund, im aufgeschlagenen Buch in der linken Hand: „Jetzt ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus“ (Offb 12,10); auf den Außenseiten der Außenflügel sechs Szenen des AT: Vertreibung aus dem Paradies ()1 Mos 3,23–24), Durchzug durch das Rote Meer (2 Mos 14,15–31), Moses erhält Gesetzestafeln (2 Mos 19,16–20,2), Mannaregen (2 Mos 16,1–36), Überführung der Bundeslade in den Tempel (1 Kön 8,1–9), Verheißungen Jesajas (Jes 11,1 und Jes 53,2); auf den Innenseiten der Außenflügel und auf den Innenflügeln insgesamt zwölf Szenen des NT: Anbetung der Hirten und Weisen (Mt 2,11, Lk 2,16), zwölfjähriger Jesus im Tempel (Lk 2,41–51), Taufe Jesu (Mt 3,13–17), Sturmstillung (Mt 8,23–27), Speisung der 5.000 (Mt 14,13–21), Verklärung Christi (Mt 17,1–8), Blindenheilung (Mk 8,22–26), Auferstehung des Lazarus (Joh 11,38–44), Kreuzigung und Tod Christi (Mt 27,33–56), Missionsbefehl und Himmelfahrt (Mt 38,16–20), Pfingsten (Apg 2,1–13) und das Himmlische Jerusalem (Offb 21,1–22,5).36 – Schlichte, erhöhte Kanzel (1958), rechts vor dem Chorraum. – Taufstein mit rundem Becken, „Wietzer Döpe“ (13. Jh.), am Beckenrand Rankenfries, darunter Bogenfries mit Kopfkonsolen, etwa quadratischer Fuß mit Kopfmasken an den Ecken. – Abendmahlsgemälde (1917, nach Eduard von Gebhardt, Düsseldorf; Kopie von B. Thomas). – Porträtgemälde P. Georg August Daniel Willmann (amt. 1847–1857). – Vier Architekturfragmente (wohl 12. Jh.), unter der Kanzel. – Alte Turmuhr (1906, J. F. Weule, Bockenem). – Ehemalige Ausstattung: Tempelartige, klassizistische Kanzelaltarwand (1830), vier Pilaster mit ionischen Kapitellen, darüber Gebälk und Dreiecksgiebel, unterhalb des Kanzelkorbs Gemälde, links und rechts je ein große, gemalte Engelsfigur, am Gebälk Inschrift: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, im Giebeldreieck Christusantlitz; Altarwand 1957 abgebaut („Der für das Empfinden der Gemeinde unerträglich gewordene Kanzelaltar, von einer überdimensionierten, kulissenartig aufgestellten hölzernen Tempelfassade umrahmt, zerschlug die Maßstäbe des Raumes und nahm ihm jede kultische Würde“ 37).
Orgel
1897 Orgelneubau, ausgeführt von Friedrich Becker (Hannover), 15 II/P, pneumatische Traktur; aufgestellt auf der Westempore; bei Renovierung der Kirche 1957 abgebaut. Orgelneubau 1959, ausgeführt von Firma Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen), 18 II/P (RP, HW), mechanische Traktur, Schleifladen; aufgestellt auf der Nordempore.
Geläut
Vier LG, I: eʼ (Bronze, Gj. 1927, Gebrüder Radler, Hildesheim), Inschrift: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Luc. 2,14“; Bilde: Weihnachtsszene und der gute Hirte; II: gisʼ (Bronze, Gj. 1526), Inschrift: „anno d[omi]ni m ccccc xx iiiiii“ (Im Jahr des Herrn 1526), Verzierung: Blattfriese; III: hʼ (Bronze, Gj. 1927, Gebrüder Radler, Hildesheim), Inschrift: „O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort – Dienet dem Herrn mit Freuden“, Bilder: Kreuzigungsgruppe und auferstandener Christus; IV: cʼʼʼ (Bronze, Gj. um 1280), ohne Inschrift, Zuckerhutform. – Zwei SG, I: aʼʼ; II: cʼʼʼ (beide Bronze, Gj. 1965, Wilhelmshütte, Bockenem). – Früherer Bestand: Zwei SG (Gussstahl, Gj. 1906), 1965 ersetzt.
Weitere kirchliche Gebäude
Pfarrhaus (Bj. 1883). – Organistenhaus (Bj. 1847). – Kirchendienerhaus (Bj. 1845). – Gemeindehaus (Bj. 1907, abgerissen 1968).
Friedhof
Ursprünglich kirchlicher Friedhof bei der Kirche. Neuer kirchlicher Friedhof südlich der Kirche, angelegt 1895, FKap.
Liste der Pastoren (bis 1940)
1525–15.. Hermann Groningius. – 1557–1609 Alexander Achemius. – 1609–1627 Johannes Schrader. – 1626 Henricus Haccius. – 1628–1639 Michael Rhacerus. – 1639–1651 Johann Meyer. – 1651–1686 Justus Andreas Rhodius. – 1686–1700 Henrich Leopold Weidemann. – 1700–1760 Petrus Köhler. – 1760–1767 Johann Friedrich Brunottho. – 1768–1774 Heinrich Gottfried Leisewitz. – 1775–1789 Ernst Friedrich Julius Loschen. – 1789–1794 Friedrich Christian Ehrhard. – 1794–1802 Heinrich August Mirow (Mirau). – 1802–1814 Gottfried Samuel Christian Krako. – 1814–1822 Friedrich Julius Ernst Liepe. – 1822–1827 Georg Heinrich Victor Strauß. – 1827–1846 Heinrich Christian Wilhelm Grussendorf. – 1847–1857 Georg August Daniel Willmann. – 1858–1876 Johann Ludwig Balthasar Konrad Dannemann. – 1877–1879 Georg Wilhelm Schaer. – 1881–1885 Johann Karl Heinrich Röbbelen. – 1887–1896 Hermann Karl Adolf Müller. – 1897–1906 Louis Friedrich Mohrmann. – 1906–1913 Dr. phil. Karl Heinrich Emil Gottfried Schmidt. – 1914–1920 Erwin Ernst Georg Sehlbrede. – 1921–1928 Rudolf Hermann Detering. – 1929–1948 Karl Emil Hermann Schädla.
Angaben nach: Meyer, Pastoren II, S. 508–509
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 1 Nr. 11661–11679 (Pfarroffizialsachen); A 5 Nr. 676 (Spec. Landeskons.); A 6 8648–8660 (Pfarrbestallungsakten); A 9 2433, 2434, 2435, 2436, 2437 (Visitationen); A 12e Nr. 6(GSuptur. Hannover); D 60 (EphA Nienburg); L 5a Nr. 400–401, 1442–1444, 1493 (LSuptur. Calenberg-Hoya mit Verden-Hoya und Celle); S 09 rep Nr. 2271 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 7745 (Findbuch PfA).
Kirchenbücher
Taufen: ab 1684
Trauungen: ab 1691
Begräbnisse: ab 1685
Kommunikanten: ab 1774
Konfirmationen: ab 1823
Literatur
A: Amt, Dorfkirchen, S. 50–51; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S., S. 1367–1368; Dienwiebel, Ortsverzeichnis Hoya/Diepholz II, S. 554–555; Gade, Hoya und Diepholz II, S. 375–382; Heckmann, Kirchen und Kapellen, S. 58–59; Meyer, Pastoren II, S. 508–509; Müller, Orgeldenkmalpflege, S. 196–197.
B: Sebastian Heim: Der Fluegelaltar der ev.-luth. St.-Gangolf-Kirche in Wietzen [um 2010]; Heinrich Lüdeke & Hermann Claus: Wietzen wie es früher war, Stolzenau [1992], bes. S. 47–58 und 225–243; Martin Last: Wietzen als Zentrum adliger Herrschaft des hohen Mittelalters. Burg/Hof – Eigenkirche/Grablege, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 55 (1983), S. 139–180; Heinrich Meyerholz Wietzen. Siedlungsgeschichte der alten Hofstellen, Nienburg-Langendamm 1981; Ernst Ludwig Rathlef: Nachrichten von den alten Herren von Stumpenhausen und ihrer Kirche zu Wietzen, in der Grafschaft Hoya, aus alten Urkunden, in: Hannoverische gelehrte Anzeigen 3 (1752), Sp. 1273–1274 [online].
GND
2112260-X, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Sankt Gangolf (Wietzen); 7689774-6, Sankt Gangolf (Wietzen)
Weitere Bilder
Website der Kirchengemeinde (21.09.2021)
Fußnoten
- UB Hamburg, Nr. 162. Vgl. zu Geschichte und Bedeutung Wietzens im hohen Mittelalter Last, S. 139 ff.
- Bremisches UB I, Nr. 247.
- Cal. UB IV, Marienrode, Nr. 51; NLA HA Cal. Or. 100 Marienrode Nr. 39/1, 23.09.2021.
- Hoyer UB I, Nr. 40 und 41 (1302) sowie 37 und 38 (1301)
- Hoyer UB VIII, Nr. 14; Paravicini, Residenzen IV,1, S. 688.
- Hoyer UB I, Heft V, S. 30 und ebd., S. 41; Dienwiebel, Ortsverzeichnis Hoya/Diepholz II, S. 554.
- Detailliert: Gade, Hoya und Diepholz I, S. 114 ff.
- Zum Folgenden: Last, S. 142 ff. Siehe auch Lüdeke & Claus, S. 53 ff.
- Last, S. 146.
- Last, S. 172: „Die Grafen von Blankenburg-Regenstein verfügten mindestens seit der Mitte des 13. Jahrhunderts, wahrscheinlich aber schon fast zwei Jahrhunderte zuvor, über die Kirche St. Gangolf und umfangreichen Besitz in Wietzen, während die Burg bzw. der adlige Wohnsitz Stumpenhusen vom späten 11. Jahrhundert bis in das späte 13. Jahrhundert und weit darüber hinaus im Besitz der Edelherren/Grafen von Stumpenhusen/Hoya blieb.
- Hoyer UB VIII, Nr. 11; Rathlef, Sp. 1275 f. Epitaph, Missale und Abschrift von Achemius sind nicht erhalten. Vgl. zum Epitaph und zum folgenden: Last, S. 147 ff.
- Last, S. 172. Die oft wiederholte Zuschreibung „Eigenkirche der Grafen von Stumpenhausen“ lässt sich quellenmäßig nicht bestätigen, vgl. auch ebd., S. 146.
- Hoyer UB VIII, Nr. 10 (dort auf um 1025 datiert, vgl. ebd., Register, S. 152, was auf den Vorgang der Gründung, nicht auf die Entstehung des Berichts darüber zu beziehen ist). Zur Fundatio und zum Folgenden: Last, S. 155 ff.
- Last, S. 157: „Eine Besitzausstattung von der Art, wie sie die Fundatio in ihrem zweiten Teil bietet, paßt nach allem, was man überhaupt weiß, nicht zu einer ‚normalen‘ Pfarrkirche bzw. Kapelle. Sie läßt sich am ehesten damit erklären, daß ein adeliger Besitzkomplex, insgesamt oder zu Teilen, in geistliche Hände gelangte. Hatten die in Epitaphium und Fundatio genannten fundatores die Absicht verfolgt, in Wietzen ein Stift oder Kloster zu gründen?“
- Last, S. 145.
- Hoyer UB V, Nr. 27.
- Lüdeke & Claus, S. 241; NLA HA Celle Br. 72 Nr. 788: Dat Papen-Register im Ambt tho Nienborch.
- Vgl. zur Reformation in der Gft. Hoya zuletzt Bösche, Holste, S. 75 ff., zu Stolzenau, S. 91 f., zur KO, S. 115 f. Vgl. zudem Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,2, S. 1122 ff. Zeitgenössische Quellen zur Reformation in der Gft. Hoya fehlen weitgehend; die Kenntnisse stammen überwiegend aus historischen Arbeiten der zweiten Hälfte des 18. Jh., die „urkundlich und archivalisch nicht mehr belegt werden“ können (ebd., S. 1122).
- Lüdeke & Claus, S. 225.
- Vgl. etwa LkAH, B 2 G 9/Wietzen Bd. I, Denkschrift über die Wiederherstellung der Kirche in Wietzen Krs. Nienburg von Peter Hübotter, Bert Ledeboer und Rolf Romero, 1957: „Ein großer klassizistischer Chor wurde 1830 als Querhaus anstelle des abgebrochenen kleinen romanischen Chores angebaut. Dieser Umbau sowie Einbauten im 18. und 19. Jahrhundert zerstörten völlig die guten Proportionen des alten romanischen Kirchenraumes, nahmen ihm jede kultische Würde und sind nach der Auffassung unserer Zeit auch liturgisch äußerst ungünstig.“
- Gade, Hoya und Diepholz, S. 381.
- Lüdeke & Claus, S. 232 ff.; Helmut Rode: „Unsere Kirchengemeinde – so alt und doch so quicklebendig … und wir wollen, dass das so bleibt“, in: Gemeindebrief Wietzen April/Mai 2012.
- LkAH, S 1 H III Nr. 712, Bl. 7.
- LkAH, L 5a, Nr. 1442 (Visitation 1958).
- LkAH, L 5a, Nr. 400 (Visitation 1970): „Diese Chorpflicht wird von den meisten Kindern gern wahrgenommen“.
- Allgemein: Cordes, Gemeindepartnerschaften, S. 38 ff.
- LkAH, L 5a, Nr. 400 (Visitation 1976).
- LkAH, L 5a, Nr. 401 (Visitation 1982).
- Siehe: https://stiftung-st-gangolf.wir-e.de, 23.09.2021.
- Siehe: http://www.licht-in-sicht.net/, 23.09.2021.
- KABl. 1889, S. 176
- Gade, Hoya und Diepholz, S. 376.
- Holscher, Bisthum Minden, S. 283 und S. 305.
- Besonders zu den ältesten Teilen der Kirche: Last, S. 141 ff.
- Last, S. 142 ff.
- Beschreibung und Erläuterung der dargestellten Szenen: Heim, S. 6 ff.
- LKA, G 9 B/Wietzen Bd. I, Bl. 23. Abb.: Lüdeke & Claus, S. 228.