Sprengel Hannover, KK Nienburg | Patrozinium: Nikolaus1 | KO: Lüneburger KO von 1643

Orts- und Kirchengeschichte

Das Dorf Borstel soll von Anbauern auf dem sogenannten Sudfeld gegründet und erst später an den heutigen, höher gelegenen Platz am Geestrand verlegt worden sein. 1302 belehnte Hzg. Otto von Braunschweig und Lüneburg die Gf. Gerhard und Otto von Hoya u. a. mit der domus in borstolde (urkundliche Ersterwähnung).2 1441 erfolgte dieselbe Belehnung für den Gf. Johann.3 1528 verpfändeten die Gf. Schloss Siedenburg und das Dorf Borstel an Franz von Halle. Nach dem Erlöschen des Hoyaer Grafenhauses (1582) fiel Borstel an Braunschweig-Lüneburg zurück (Vogtei Liebenau). – 1633 bestand das Dorf aus 25 Höfen; dem gesamten Ksp. gehören 1682 ungefähr 400 Personen an.

Kirche, Ansicht von Südwesten

Kirche, Ansicht von Südwesten

Ein erstes hölzernes Bethaus stand vielleicht auf dem später „Hilligenkampsgrund“ genannten Platz. Nach einer Überlieferung des ausgehenden 17. Jh. ließen Mitte des 13. Jh. der in Sieden ansässige Adelige Sothwer/Sweder von der Wisch und seine Gemahlin Wünke die Kirche in Borstel auf eigenem Grundstück neu erbauen. Die Reformation wurde vermutlich um 1525 mit der Gft. Hoya eingeführt. Erster ev. Geistlicher. soll Johann von Melle gewesen sein, sein Nachfolger Lubbertus Bohne/Bonigk († 1555). Dritter Pfarrer war Christian Warnecke (Warneking, Wernerus), der 1562 wegen Lehrstreitigkeiten aus seiner Heimatstadt Bremen ausgewiesen worden war daraufhin in Borstel angestellt wurde. Bei einer Brandstiftung des Pfarrhauses kam er 1583 ums Leben.
Eine Schule ist seit dem Ende des 16. Jh. belegt. Während des Dreißigjährigen Krieges war die Pfarre zeitweilig unbesetzt. Da die Dorfbewohner nach dem Krieg die Stelle nicht mehr voll finanzieren konnten, erbaten sie die Wiederbesetzung mit einem auch in der Landwirtschaft erfahrenen Geistlichen, der sich selbst versorgen konnte.

Kirche, Ansicht von Nordosten, Luftbild, um 1960

Kirche, Ansicht von Nordosten, Luftbild, um 1960

1943 wurde ein Teil des Erziehungsheims des Stephansstifts in Hannover nach Borstel evakuiert und in dortigen Familien untergebracht. Die Beziehungen kamen über P. Wilhelm Ernst Rudolf Lenthe (amt. 1938–1949) zustande, der vorher P. coll. am Stephansstift gewesen war. Das Konzept der Heimpflegestellen wurde auch nach dem Krieg zunächst beibehalten und die pädagogische Arbeit im Jugendhilfestützunkt Borstel, später auch in modifizierter Form, fortgeführt. 1947 bildete sich – unter Beteiligung von Diakonen des Stephansstifts und Angehörigen der aus Sachsen geflüchteten Herrnhuter Brüdergemeine – ein Posaunenchor. Der Kirchenchor folgte 1949. Von 1963 bis 1973 oblag dem Pfarrer von Borstel auch die seelsorgerliche Betreuung der durch das Torfwerk Borstel beschäftigten Strafgefangenen.
Der heutige Gemeindeteil Pennigsehl gehörte ursprünglich zur St.-Laurentius-KG Liebenau. Seine Umpfarrung wurde seit den 1950er Jahren betrieben und mit dem 1. Juli 1966 vollzogen. Zugleich wurden die in der politische Gemeinde Pennigsehl wohnhaften Gemeindeglieder zur Lebuin-KapG Pennigsehl zusammengeschlossen.4 Mit dem 1. September 2011 wurde die KapG Pennigsehl aufgehoben und mit der KG Borstel, die seit September 2012 den Namen Borstel-Pennigsehl trägt, zusammengelegt.5 Seit dem 12. Februar 2004 besteht eine pfarramtliche Verbindung der KG Borstel und Staffhorst.6

Umfang

Die Orte Borstel, Bockhop, Brockhof, Campen, Schamwege und Sieden.7 Seit 1966 Pennigsehl (bis 2011 KapG).

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat Lohe der Diözese Minden. – Nach der Reformation zur Insp. der Gft. Hoya; bei deren Teilung in den 1580er Jahren zur Insp. (1924: KK) Nienburg.

Patronat

Ursprünglich die von der Wische als Stifter der Kirche. Später der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau
Kirche, Blick zur Empore; Foto: Ernst Witt, Hannover, nach 1957, vor 1971

Kirche, Blick zur Empore; Foto: Ernst Witt, Hannover, nach 1957, vor 1971

Dreijochige spätromanische/frühgotische Saalkirche aus Feldsteinmauerwerk und Backstein mit geradem Ostschluss (Mitte 13. Jh.). Grundlegende Sanierungen 1660, 1714, 1837/38, 1958 und 2001. Die Fenster wurden 1837/38 vergrößert und an der Südseite ein neuer Zugang geschaffen. Bei der Erneuerung des Kirchenraums nach Vorgaben von Prof. Witt und Dr. Sommer wurde u. a. das 1837/38 beseitigte dreiteilige Fenster in der Ostwand wiederhergestellt. Windfang vor dem Westeingang 1959. Erhalten hat sich eine ornamentale Gewölbemalerei (wohl noch 13. Jh.), die 1957/58 durch Hermann Oetken restauriert und ergänzt wurde. An der östlichen Chorwand befindet sich eine gemalte Kreuzigungsgruppe vom Anfang des 15. Jh.

Fenster

Mittleres Ostfenster um 1959 nach Entwurf von Dr. Sommer (Auferstehung, Pfingsten, Jüngster Tag).

Turm

Spätmittelalterlicher querrechteckiger Turm über dem Westjoch, 1660 renoviert und 1714 in Backstein erneuert. Zur Sicherung wurde 1725/27 eine Doppelarkade mit achteckiger Mittelstütze eingebaut. Erneute Sanierung 1997.

Grablege

Die Kirche war Grablege ihres Stifters Sothwer von der Wisch.

Kirche, Blick zum Altar, um 1960 (nach 1958)

Kirche, Blick zum Altar, um 1960 (nach 1958)

Ausstattung

Blockaltar aus Sandstein. Ein 1673 von Katharina von Klencke gestiftetes Retabel wurde bei der Renovierung der Kirche 1837 entfernt und durch einen Kanzelaltar ersetzt. 1958 wurde der Kanzelaltar wieder abgebaut. – Hölzerne Kanzel mit den Bildern der vier Evangelisten und der großen Propheten von Kirchenmaler Hermann Oetken (Delmenhorst). – Achteckige barocke Sandsteintaufe mit Messingdeckel (1728, gestiftet von P. Henning Reupke. Neufassung 1959 durch Prof. Oetken). Eine weitere kelchförmige Sandsteintaufe (1461 gestiftet) wird nicht mehr genutzt. – Gedenktafel für die Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges. – Die sogenannte Borsteler Madonna (thronende Muttergottes aus Eichenholz, um 1200/10, Braunschweiger Werkstatt) wurde 1925 dem Museum in Nienburg übergeben.

Kirche, Blick zum Altar, vor 1958

Kirche, Blick zum Altar, vor 1958

Orgel

1857 Bau der ersten Orgel auf einer Orgelprieche an der Nordseite des Schiffs durch Carl Heyder (Heiligenstadt). 1960 Neubau durch Paul Ott (Göttingen), 10 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen.

Geläut

Eine LG in as’ (Bronze, Gj. 1815, von Johann Philipp Bartels, Bremen). – Eine SG in ges’’ (Gj. 1887). – Früherer Bestand: Vermutlich wurden bei der Belagerung durch kaiserliche Truppen unter Tilly (1625) zwei Glocken aus dem Turm geraubt. Eine im Dreißigjährigen Krieg entfernte SG war 1753 noch nicht ersetzt.

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarr- und Gemeindehaus (Bj. 1803/04; 1979/80 Umbau der Diele zu einem größeren Gemeindesaal). – Pfarrwitwenhaus, an der Landwehr, erbaut 1693, 1872 verkauft. – Küsterhaus, wurde bei einem Großbrand 1707 zerstört. Wiederaufbau noch im gleichen Jahr. Nach einem neuen Brand 1912 Neubau mit Schulraum.

Friedhof

Ursprünglich auf dem Kirchhof. Neuanlage am östlichen Ortsausgang, 1872 eingeweiht. In kirchlicher Trägerschaft. Die FKap wurde 1970 durch die Kommune errichtet.

Liste der Pastoren (bis 1940)

1526–15.. Johann von Melle. – 15..–1555 Lubbertus Bohne (Bonigk). – 15..–1583 Christianus Wernerus (Warneking). – 1583–1626 Gerhardus Hoysenius (Heise). – 1627–1675 Anthonius Fabius (Bohne). – 1675–1692 Edgar Johannes Plenge. – 1692–1710 Johannes Dithmer. – 1710–1757 Henning Reupke. – 1757–1758 Samuel Bernhard Dedekind. – 1758–1797 Johann Ernst Lüdemann. – 1797–1837 Johann Gottfried Hagemann. – 1839–1855 Johann Georg Bühler. – 1855–1878 Johann Heinrich Moritz Karl Klippel. – 1880–1902 Wilhelm Heinrich Ernst Lindemann. – 1902–1937 Heinrich Friedrich Karl Seehausen. – 1938–1949 Wilhelm Ernst Rudolf Lenthe.

Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 116

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 1355–1369 (Pfarroffizialsachen); A 6 Nr. 1061–1067 (Pfarrbestallungsakten); A 9 Nr. 293Digitalisat, 294Digitalisat, 295Digitalisat (Visitationen); D 60 (EphA Nienburg).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1673
Trauungen: ab 1673
Begräbnisse: ab 1673
Kommunikanten: ab 1692 (Lücken: 1702–1757)
Konfirmationen: ab 1710 (Lücken: 1758–1837)

Literatur

A: Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 84, Nr. 61; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 245; Dienwiebel, Ortsverzeichnis Hoya/Diepholz I, S. 65; Gade, Hoya und Diepholz I, S. 221–225; Grote/van der Ploeg/Kellner, Wandmalerei, Katalogband, Nr. 35; Heckmann, Kirchen und Kapellen, S 14 f.; Amt, Dorfkirchen, S. 12.
B: Heimatverein Borstel (Hg.): Geschichte des Kirchspiels Borstel, [Borstel 1990].


Fußnoten

  1. Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien I, S. 177.
  2. Hoyer UB I, Nr. 40.
  3. Hoyer UB I, Nr. 469.
  4. KABl. 1966, S. 108.
  5. KABl. 2011, S. 187.
  6. KABl. 2004, S. 17.
  7. Dienwiebel, Ortsverzeichnis Hoya/Diepholz I, S. 65.