Frühere Gemeinde | Sprengel Lüneburg, KK Lüchow-Dannenberg | Patrozinium: kein mittelalterliches Patrozinium bekannt1 | KO: Lüneburger KO von 1643

Orts- und Kirchengeschichte

Urkundlich ist der Ort erstmals im Lüneburger Lehnregister aus der Zeit zwischen 1330 und 1352 als Wibeze erwähnt.2 Wibbese zählte zum Amt Dannenberg (vormals Gft. Dannenberg, 1303 an die Hzg. zu Braunschweig-Lüneburg gekommen), das zum welfischen Teilfsm. Lüneburg gehörte, seit 1569 zur Herrschaft Dannenberg (die 1636 an das Fsm. Wolfenbüttel kam)3, ab 1671 erneut zum Fsm. Lüneburg und ab 1705 zum Kfsm. Braunschweig-Lüneburg (Kurhannover). In französischer Zeit war Wibbese von 1810 bis 1813 Teil des Kgr. Westphalen (Kanton Dannenberg im Distrikt Lüneburg des Departements Niederelbe, ab 1811 im Distrikt Uelzen des Departements Aller). Danach zählte das Dorf, nun im Kgr. Hannover, wieder zum Amt Dannenberg. Nach der Annexion des Kgr. Hannover fiel Wibbese 1866 an das Kgr. Preußen. Mit Einführung der Kreisverfassung 1885 kam der Ort zum Kr. Dannenberg (1951: Lkr. Lüchow-Dannenberg). 1972 wurde Wibbese nach Jameln eingemeindet (Samtgemeinde Dannenberg, 2006 Samtgemeinde Elbtalaue). Zu Struktur der KG Wibbese (und der KG Breselenz) schrieb der Ortsgeistliche 1955: „Die Gemeinde ist rein ländlich.“4 Um 1813 lebten etwa 60 Menschen in Wibbese, 1905 ungefähr 70, 1946 insgesamt 120 und 2004 rund 95.
Kirchlich gehörte Wibbese in vorref. Zeit zum großen Kirchspiel Hitzacker. Seit wann das Dorf eine eigene Kapelle besaß, ist nicht bekannt. Erstmals erwähnt ist sie 1534 im Lüneburger Pfründenregister: „1 Capelle tho Wibbesteden“.5 Das Dorf war noch Teil des Kirchspiels Hitzacker, hatte mit P. Clemens Wendel (amt. seit 1533, zuvor predicant in Hitzacker6) jedoch bereits einen eigenen Geistlichen; er war gleichzeitig für die Kapelle in Gülden zuständig. P. Wendel war vermutlich der erste luth. Prediger in Wibbese: Ab 1527 hatte Hzg. Ernst I. († 1546), später der Bekenner genannt, die Einführung der Reformation im Fsm. Lüneburg vorangetrieben.7 Im Jahr 1540 ist P. Jakob Ale (amt. 1540, 1543) als Pfarrer in Wibbeßede urkundlich belegt. Nach den Angaben im Protokoll der Kirchenvisitation 1543 betreute er nicht nur die „Wibbesen capella“, sondern auch Gülden und Riebrau.8 Auf Empfehlung der Visitatoren kam die Kapelle Wibbese später zur Parochie Breselenz und erhielt, wie mehrere andere ehemalige Kapellen des Kirchspiels Hitzacker, den Rang einer eigenständigen Mutterkirche.9 Die pfarramtliche Verbindung mit Breselenz (und Breese im Bruch) bestand bis hinein in die zweite Hälfte des 20. Jh. (mater combinata), Pfarrsitz war Breselenz.
Die 1534 erwähnte Kapelle ließ die Gemeinde 1775 durch einen neuen Fachwerkbau ersetzen. Sie diente der Gemeinde gut anderthalb Jahrhunderte als Gotteshaus. Anfang des 20. Jh. fand in Wibbese alle zwei Wochen ein Predigtgottesdienst statt.10 1926 wurde die Fachwerkkirche als baufällig eingestuft und ab 1927 beschäftigte sich der KV mit der Frage eines Neubaus.11 Um den Planungsprozess zu beschleunigen, ließ P. Walther Kühnert (amt. 1919–1937) den alten Fachwerkbau im November 1930 ohne Genehmigung abbrechen. Danach entstand der heutige Ziegelbau mit Turm im Osten, den die Gemeinde zusammen mit dem Stader GSup. Rudolf Steinmetz (amt. 1925–1933) am dritten Advent 1931 einweihte. Zu den beiden monatlichen Gottesdiensten hatte sich die Gemeinde während der Bauzeit in der Schule versammelt. Die Zahl der Gemeindeglieder im Kirchspiel Wibbese lag 1936 bei 335.12
Während der NS-Zeit blieb die Pfarrstelle Breselenz-Wibbese nach der Emeritierung von P. Kühnert im Jahr 1937 vakant und wurde von Prädikant Werner Grevemeyer und Missionskandidat Heinz Tomczak versehen. Im „Fragebogen zur Geschichte der Landeskirche von 1933 bis Kriegsende“ heißt es zu den drei Geistlichen: „Der N.S.D.A.P., den D.C. und der B.K. gehörte keiner an“.13 Der 1933 neu gewählte KV war, anscheinend sowohl in Breselenz als auch in Wibbese, „unter der Sammelbezeichnung ‚Liste Deutsche Christen‘“ angetreten; er habe sich „tadellos bewährt“ und die Kirchenvorsteher wurden in der Nachkriegszeit im Amt bestätigt.
Aufgrund des Zuzugs Geflüchteter nach Ende des Zweiten Weltkriegs stieg die Zahl der Gemeindeglieder in Wibbese stark an und lag 1949 bei rund 700, mehr als doppelt so viele wie 1936.14 Mit dem Ostgeistlichen P. Richard Kneifel (amt. 1948–1972, ab 1947 Versehungsauftrag) wurde die Pfarrstelle Breselenz-Wibbese wieder regulär besetzt. Zum 1. Januar 1974 hob das LKA Hannover die KG Wibbese auf und pfarrte ihre Gemeindeglieder in die KG Breselenz ein.15

Umfang

Wibbese sowie Bellahn, Fließau, Mehlfien und Mützingen.

Aufsichtsbezirk

Nach Gründung des eigenständigen Kirchspiels wohl in den 1540er Jahren zunächst vermutlich Propstei Lüchow, seit 1569 Insp. Dannenberg. 1924 KK Dannenberg.

Patronat

Der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau

Rechteckiger Saalbau mit Rechteckapsis und Sakristei im Westen, erbaut 1930/31 (Architekt: Kurt Kofahl, Lüchow; Entwurf überarbeitet von Wilhelm Matthies, Bardowick). Satteldach, Dach des Anbaus nach Westen abgewalmt. Steinsichtiges Ziegelmauerwerk. An den Längsseiten je drei rundbogige Sprossenfenster; am Anbau ein Rechteckfenster nach Osten, Rechteckeingang nach Süden. Im Innern runder Triumphbogen zwischen Altarraum und Schiff; Tonnengewölbe im Altarraum; an der Ostwand hinter dem Altar Lünettengemälde (1939, Arnold Weber, Bellahn; Frauen am leeren Grab, nach 1945 übermalt, 1993 restauriert, Umschrift: „Ev. Marci: Ihr suchet Jesum von Nazareth den Gekreuzigten, er ist auferstanden, und ist nicht hier! Cap. 16 V. 6“). 1952 Renovierung. 1966 Renovierung und Neugestaltung Altarraum (Ferdy Horrmeyer, Hannover). 1992/93 Restaurierung.

Turm

Gedrungener, vierseitiger Ostturm mit vierseitigem Pyramidenhelm, bekrönt mit Kugel und Kreuz. Steinsichtiges Ziegelmauerwerk, kreuzförmige Maueranker. Im Glockengeschoss je zwei rundbogige Schallöffnungen nach Norden, Süden und Osten, in den übrigen Geschossen Schlitzfenster. Rundbogiges Hauptportal nach Osten, links und rechts Maueranker mit Jahreszahl „1931“.

Vorgängerbauten

1534 Kapelle belegt. 1775 Neubau einer Fachwerkkapelle mit Dachreiter über dem Giebel; 1926 baufällig; 1930 abgerissen.16

Ausstattung

Blockaltar. – Ebenerdige Holzkanzel, farbig gefasst. – Hölzerner Taufständer mit Deckel, weiß gefasst (um 1800), achtseitiges, zylindrisches Becken, gedrechselter Schaft, vierseitiger Fuß. – Sieben geschnitzte Heiligenfiguren, farbig gefasst; u. a. Johannes der Täufer, vier Evangelisten, Dorothea vor 1966 an der Kanzel angebracht, 1966 restauriert.

Orgel

1968 Harmonium vorhanden. 1970/71 Orgelpositiv erworben, erbaut 1965 von Karl Schuke (Berlin), 5 I/aP, mechanische Traktur, Schleifladen (zuvor in der KG Dannenberg.

Geläut

Eine LG, dis’’ (Bronze, Gj. 1874, Andreas von Bergen II, Leer-Loga), Inschriften: „Kaiser Wilhelm liesz mich umgieszen zur Ehre Gottes 1874“ und „Dangers Pastor. Knorre Küster. Henke Mehlfien und Wibbese. Haar Mehlfien. V. D. Ohe Fliessau“. – Früherer Bestand: Eine LG (Bronze), 1874 im Auftrag Ks. Wilhelms II. (amt. 1888–1918) umgegossen zu jetziger LG.17

Friedhof

Kirchlicher Friedhof südlich der Kirche, Leichenhalle (Bj. 1964.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

S 09 rep Nr. 830 (Presseausschnittsammlung Breselenz); S 11a Nr. 7775 (Findbuch PfA).

Literatur & Links

A: Gemeindebuch KK Dannenberg, S. 13; Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 220, Nr. 307; Behn, Wendland, S. 170–171; Jürries/Wachter, Wendland-Lexikon II, S. 572–573; Kelletat, Kirchen und Kapellen, S. 44; Manecke, Beschreibungen II, S. 73 und S. 93; Mithoff, Kunstdenkmale IV, S. 271; Sänger, Denkmaltopographie Lkr. Lüchow-Dannenberg, S. 124; Schmitz, Siedlungsnamen, S. 195–196.

Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Ausstattung der Kirche; Denkmalatlas Niedersachsen: Kirche.


Fußnoten

  1. Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien I, S. 272.
  2. Hodenberg, Lüneburger Lehnregister, Nr. 250 [Digitalisat]. Für weitere Belege und zum Ortsnamen vgl. Schmitz, Siedlungsnamen, S. 195 f.
  3. Jürries/Wachter, Wendland-Lexikon I, S. 209 f.
  4. LkAH, L 5e, unverz., Breselenz-Wibbese, Visitation 1955.
  5. Salfeld, Pfründenregister, S. 93.
  6. Otto Puffahrt & Lars-Oliver Schulz: 650 Jahre Zernien. 1360–2010. Von der Kleinstsiedlung zum Grundzentrum, Zernien 2013, S. 321.
  7. Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 484 und 492 ff.; vgl. auch Butt, Kirchenregiment, S. 39 ff. und S. 55 ff.
  8. Kayser, Kirchenvisitation, S. 551.
  9. Michael, Kirchengeschichte, S. 212.
  10. Ahlers, Pfarrbuch 1909, S. 199.
  11. Vgl. dazu LkAH, S 09 rep, Nr. 830 (O. H.: Aus der Chronik der Kirchengemeinde. Geschichte des Kirchenbaues, 26.04.1964).
  12. LkAH. L 5e, unverz., Breselenz-Wibbese, Visitation 1936.
  13. Dies und das folgende Zitat: LkAH, S 1 H III, Nr. 613, Bl. 4. Allgemein zum Fragebogen vgl. Kück, Ausgefüllt, S. 341 ff.
  14. LkAH, L 5e, unverz., Breselenz-Wibbese, Visitation 1949.
  15. KABl. 1974, S. 27.
  16. Mithoff, Kunstdenkmale IV, S. 271; Sänger, Denkmaltopographie Lkr. Lüchow-Dannenberg, S. 271.
  17. Sänger, Denkmaltopographie Lkr. Lüchow-Dannenberg, S. 271.