Frühere Gemeinde | Sprengel Lüneburg, KK Lüchow-Dannenberg | Patrozinium: vielleicht Thomas und Matthias1 | KO: Lüneburger KO von 1643

Orts- und Kirchengeschichte

Urkundlich ist das Dorf erstmals 1360 im Lüneburger Lehnregister als Goldin belegt.2 Die Grundherrschaft über Gülden lag bei der Familie von Bülow auf Haus Gartow, die ihre Besitzungen 1694 an die Familie von Bernstorff verkaufte. Ein Jahr später erwarb Hzg. Georg Wilhelm zu Braunschweig-Lüneburg († 1705) das Dorf: Er überließ der Familie von Bernstorff Lomitz, Nemitz, Tobringen, Groß Breese sowie Gedelitz und erhielt dafür Gülden, Kacherien sowie Höfe in Gusborn und Splietau.3 Gülden kam zum Amt Hitzacker im welfischen Teilfsm. Lüneburg (1705: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover). In französischer Zeit war Gülden von 1810 bis 1813 Teil des Kgr. Westphalen (Kanton Dannenberg im Distrikt Lüneburg des Departements Niederelbe, ab 1811 im Distrikt Uelzen des Departements Aller). Danach zählte das Dorf, nun im Kgr. Hannover, zunächst wieder zum Amt Hitzacker, das 1859 im Amt Dannenberg aufging. Nach der Annexion des Kgr. Hannover fiel Gülden 1866 an das Kgr. Preußen. Mit Einführung der Kreisverfassung 1885 kam der Ort zum Kr. Dannenberg (1951: Lkr. Lüchow-Dannenberg). 1972 wurde Gülden nach Zernien eingemeindet (Samtgemeinde Dannenberg, 2006 Samtgemeinde Elbtalaue). Zur Sozialstruktur des Kirchspiels Riebrau-Gülden schrieb der Ortsgeistliche 1961: „Das ländlich-landwirtschaftliche Element überwiegt. Wir haben in der Gemeinde Bauern, Arbeiter, Handwerker, Rentner, Geschäftsleute, 1 Arzt, 1 Zahnarzt, Apotheker“.4 Um 1813 lebten etwa 60 Menschen in Gülden, 1905 knapp 55, 1946 gut 130 und 1987 etwa 120.
Kirchlich gehörte Gülden in vorref. Zeit zum großen Kirchspiel Hitzacker. Seit wann das Dorf eine eigene Kapelle besaß, ist nicht bekannt. Erstmals erwähnt ist sie 1534 im Lüneburger Pfründenregister: „1 Capelle tho Gulden“.5 Das Dorf war noch Teil des Kirchspiels Hitzacker, hatte mit P. Clemens Wendel (amt. seit 1533, zuvor predicant in Hitzacker6) jedoch bereits einen eigenen Geistlichen (der auch für die Kapelle in Wibbese zuständig war). P. Wendel war vermutlich der erste luth. Prediger in Gülden: Ab 1527 hatte Hzg. Ernst I. († 1546), später der Bekenner genannt, die Einführung der Reformation im Fsm. Lüneburg vorangetrieben.7
Zwischen 1534 und 1543 erhielt Gülden anscheinend den Status einer eigenständigen Parochie: Im Protokoll der Visitation von 1543 ist die Gemeinde unter der Überschrift „Wibbesen capella vnd tor Gulden“ aufgeführt.8 Das Pfarramt hatte P. Jakob Ale (amt. 1540, 1543) inne, gleichzeitig auch Pfarrer in Riebrau. Auf Empfehlung der Visitatoren kam die Kapelle Wibbese später zur Parochie Breselenz; die pfarramtliche Verbindung von Gülden und Riebrau blieb bestehen (mater combinata). Der Pfarrer wohnte in Riebrau. Im Protokoll von 1543 ist überdies festgehalten: „De van der gulden hebben eine clocke in der erde vorgrauen vnde den kelck sampth einen sulueren erutze verbracht, willen dem Pastor pro suo labore ock nichtes geuen, sint der van bülowen lüde“ (Die [Leute] aus Gülden haben eine Glocke in der Erde vergraben, den Kelch zusammen mit einem silbernen Kreuz fortgeschafft, wollen dem Pastor für seine Arbeit auch nichts geben, sind der Familie von Bülow untertan).9 1568 hatte P. Adam Schencke (amt. 1568) das Pfarramt Riebrau-Gülden inne; er sei mittelmäßig gelehrt aber nicht schlecht geartet (Mediocriter doctus, nec male moratus) – über sein Kirchspiel habe er nichts zu klagen gehabt.10
Nachweislich noch in der zweiten Hälfte des 17. Jh. fand jeden Sonntag sowohl ein Gottesdienst in Gülden als auch in Riebrau statt (1671); knapp einhundert Jahre später hatte sich der wöchentliche Wechsel zwischen den beiden Kirchen eingebürgert (1760).11 1785 war die Güldener Kirche so baufällig, dass „man nicht ohne Lebensgefahr sich hineintrauen konnte“, wie P. Georg Leopold Küchenthal (amt. 1785–1790) schrieb.12 P. Küchenthal veranlasste einen Neubau; am 7. Januar 1787 weihte die Gemeinde ihre neue Kirche ein.13 Für den Bau musste das Kirchspiel Gülden insgesamt 490 Reichstaler aufbringen: 149 aus Gemeindekollekten, 140 aus einer Umlage auf die Hauswirte der Gemeinde, 116 von der Kirchenverwaltung und den Rest hatte eine Sammlung von P. Küchenthal eingebracht.
Laut der Dannenbergischen Schulordnung von 1687 war Gülden Schulort für insgesamt zwölf Dörfer.14 Um 1770 wurde in Gülden ein Schulgebäude errichtet, zu deren Einzugsgebiet auch die Parochie Riebrau gehörte.15 Der erste namentlich bekannte Lehrer, Gabriel Friedrich Schenk, war seit 1760 Küster in Gülden und Riebrau. P. Karl Ludwig Johannes Heidemann (amt. 1893–1909) gründete 1906 einen Posaunenchor im Kirchspiel Riebrau-Gülden (Sitz in Riebrau).16 Gottesdienst hielt der Pastor in den beiden Kirchen auch Anfang des 20. Jh. im wöchentlichen Wechsel.17
Während der NS-Zeit hatte P. Otto Heyken (amt. 1909–1939, als P. i. R. bis 1944) das verbundene Pfarramt Riebrau-Gülden inne. Nach den Angaben im „Fragebogen zur Geschichte der Landeskirche von 1933 bis Kriegsende“ gehörte P. Heyken nicht zur NSDAP und hatte sich kirchenpolitisch weder den DC noch der Hannoverschen Bekenntnisgemeinschaft angeschlossen.18 Unter den insgesamt acht 1933 gewählten Kirchenvorstehern von Riebrau und Gülden waren sechs Mitglieder der NSDAP.
Aufgrund des Zuzugs Geflüchteter nach Ende des Zweiten Weltkriegs stieg die Zahl der Gemeindeglieder in den beiden KG von knapp 590 im Jahr 1939 auf rund 1.100 im Jahr 1948 an.19 Zudem vergrößerte sich die KG Gülden 1950 um die beiden Ortschaften Reddien und Glieneitz.20 In der Nachkriegszeit war im Gebiet der beiden ev.-luth. Gemeinden auch eine kleine kath. Gemeinde entstanden, die in den 1960er Jahren alle vier Wochen eine Messe in der Güldener Kirche feierte.21
Zum 1. Januar 1974 schlossen sich die pfarramtlich verbundenen Gemeinden Gülden und Riebrau zusammen und gründeten gemeinsam die „Ev.-luth. KG Zernien“.22

Umfang

Gülden sowie Keddien, Middefeitz, Prepow und Spranze.23 Seit Oktober 1950 auch Reddien und die 1937 angelegte Siedlung Glieneitz (vorher KG Himbergen).24

Aufsichtsbezirk

Nach Gründung des eigenständigen Kirchspiels wohl in den 1540er Jahren zunächst vermutlich Propstei Lüchow, seit 1569 Insp. Dannenberg. 1924 KK Dannenberg.

Patronat

Der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau

Rechteckiger Saalbau, errichtet 1786/87 (Zimmermeister Schmid, Lüben), vergrößert 1951/52. Satteldach, nach Osten abgewalmt. Bruchsteinsockel, Fachwerk mit weiß gestrichener Backsteinausfachung, im Westen Ziegelmauerwerk, weiß gestrichen. An den Längsseiten je fünf große, hochrechteckige Sprossenfenster, eines nach Osten. Nebenportal nach Süden, Hauptportal nach Westen, darüber vier kleinere Rechteckfenster, im Giebel drei gestaffelte Schlitzfenster mit Kragstürzen. Im Innern auf hölzernen Pfeilern flache Decke mit Vouten an den Längsseiten; Westempore; geschlossene Ostempore hinter dem Altar. 1928 Renovierung. 1951/52 Umbau, u. a. Ziegelanbau im Westen errichtet und Kirche um vier Meter verlängert, Backsteinausfachung und Anbau weiß gestrichen. 1964 Sanierung, u. a. Emporen an den Längsseiten entfernt.

Turm

Über dem Westgiebel verschieferter, vierseitiger Dachreiter mit vierseitigem Pyramidenhelm, bekrönt mit Kugel, Kreuz und Hahn. Nach Norden und Süden je ein zweiteiliges, rechteckiges Schallfenster. 1951/52 Dachreiter neu errichtet.

Vorgängerbau

1534 belegt, 1785 baufällig und abgetragen.

Ausstattung

Schlichter, hölzerner Kanzelaltar, farbig gefasst (1786/87), polygonaler Kanzelkorb zwischen zwei Pilastern, darüber Gebälk mit Schalldeckel; Blockaltar. aus der Erbauungszeit. – Achtseitige Holztaufe, farbig gefasst.

Orgel

Zunächst Harmonium. 1920 Orgelneubau, ausgeführt von Gustav Steinmann (Vlotho), 6 I/P, pneumatische Traktur, Kegelladen.25 1968 Reparatur und Änderung der Disposition, Emil Hammer (Arnum).

Geläut

Eine LG, h’ (Bronze, Gj. 1891, Firma Radler, Hildesheim), Inschrift: „Ehre sei Gott in der Höhe. Die vorige Glocke zersprang 1890 beim Trauergeläute für I[hre] M[ajestät] Kaiserin Augusta. Mich schenkte der Gemeinde Gülden S[eine] M[ajestät] Kaiser Wilhelm II 1891. Gegossen von J[ohann] J[akob] Radler u[nd] Soehne in Hildesheim“, außerdem Namen der Kirchenvorsteher. – Früherer Bestand: Eine LG (Bronze), 1890 geborsten.

Friedhof

Ehemaliger kirchlicher Friedhof bei der Kirche. Neuer kirchlicher Friedhof im Nordwesten von Gülden, angelegt 1877, FKap (Bj. 1963/64, 1999 erweitert).

Liste der Pastoren (bis 1940)

Ab 1533 Clemens Wendel.26
Ansonsten siehe Riebrau.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

E 5 Nr. 0412 (Konsistorialbaumeister); S 09 rep Nr. 2324 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 7821 (Findbuch PfA).

Literatur & Links

A: Gemeindebuch KK Dannenberg, S. 44–45; Behn, Wendland, S. 66–67; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 575; Jürries/Wachter, Wendland-Lexikon I, S. 283–284; Kelletat, Kirchen und Kapellen, S. 19–20; Manecke, Beschreibungen II, S. 74; Mithoff, Kunstdenkmale IV, S. 85; Sänger, Denkmaltopographie Lkr. Lüchow-Dannenberg, S. 197; Schmitz, Siedlungsnamen, S. 76.

B: Bruno zu Jeddeloh: Riebrau und Gülden an der Göhrde. Nachrichten aus Alter Zeit, Riebrau an der Göhrde 1976; Otto Puffahrt & Lars-Oliver Schulz: 650 Jahre Zernien. 1360–2010. Von der Kleinstsiedlung zum Grundzentrum, Zernien 2013, bes. S. 304–322.

Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Kirche; Denkmalatlas Niedersachsen: Kirche.


Fußnoten

  1. Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien II, S. 126: „in Gülden mußte jeder Hauswirt jährlich das ‚Sc. Thomas und Sc. Matthias-Blaffert‘ bezahlen, wofür der Pfarrer an den entspr. Namenstagen in der Kp. zu predigen hatte“.
  2. Hodenberg, Lüneburger Lehnregister, Nr. 564 [Digitalisat]. Für weitere Belege und zum Ortsnamen vgl. Schmitz, Siedlungsnamen, S. 76.
  3. Puffahrt, Beiträge, S. 21.
  4. LkAH, L 5e, unverz., Riebrau-Gülden (Zernien), Visitation 1961.
  5. Salfeld, Pfründenregister, S. 93.
  6. Puffahrt & Schulz, S. 321.
  7. Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 484 und 492 ff.; vgl. auch Butt, Kirchenregiment, S. 39 ff. und S. 55 ff.
  8. Kayser, Kirchenvisitation, S. 551.
  9. Kayser, Kirchenvisitation, S. 552.
  10. Lange, General-Kirchenvisitation, S. 78.
  11. Jeddeloh, S. 14 und S. 20.
  12. Zit. bei Jeddeloh, S. 24.
  13. Zum Einweihungsgottesdienst vgl. Jeddeloh, S. 24 f.
  14. Jürries/Wachter, Wendland-Lexikon I, S. 284.
  15. Zur Schule in Gülden: Jeddeloh, S. 33 ff.
  16. Tielker & Gierow, S. 30 ff.
  17. Ahlers, Pfarrbuch 1909, S. 201.
  18. LkAH, S 1 H III, Nr. 613, Bl. 15. Allgemein zum Fragebogen vgl. Kück, Ausgefüllt, S. 341 ff.
  19. LkAH, S 1 H III, Nr. 613, Bl. 15; LkAH, L 5e, unverz., Riebrau-Gülden (Zernien), Visitation 1948.
  20. KABl. 1950, S. 90.
  21. LkAH, L 5e, unverz., Riebrau-Gülden (Zernien), Visitation 1961.
  22. KABl. 1974, S. 27.
  23. Manecke, Beschreibungen II, S. 74 und S. 158.
  24. KABl. 1950, S. 90.
  25. Im „Meldebogen für Orgeln“ von 1944 ist 1928 als Erbauungsjahr angegeben, LkAH, B 2 G 9 B, Nr. 676, Bl. 1. Im Gemeindebuch KK Dannenberg, S. 45, heißt es, die Kirche in Gülden habe 1933 eine Orgel bekommen.
  26. Puffahrt & Schulz, S. 321.