Sprengel Ostfriesland-Ems, KK Aurich | Patrozinium: Lukas | KO: Ostfriesische KO von 1716

Orts- und Kirchengeschichte

Schriftlich ist Walle erstmals zum Jahr 1534 in der Cronica der Fresen erwähnt, die Eggerik Beninga (1490–1562) verfasst hat.1 Gut 3.000 Jahre älter ist der 1927 entdeckte ‚Pflug von Walle‘, der zu den ältesten Pflügen Europas zählt; er befindet sich heute im Landesmuseum Hannover.2 Im 20. Jh. entwickelte sich Walle zu einem Vorort von Aurich und wurde 1972 in die Stadt Aurich eingemeindet. Um 1821 lebten etwa 285 Menschen in Walle, 1925 fast 1.275, 1950 gut 1.770 und 2021 gut. 2.665.

Walle, Kirche, evangelisch-lutherisch, Außenansicht

Kirche und Turm, Ansicht von Nordosten, 2015, Foto: fentjer, CC BY-NC-ND 4.0

Kirchlich gehörte das Dorf Walle bis hinein in die zweite Hälfte des 20. Jh. zur Lamberti-KG Aurich. Seit der Nachkriegszeit fand in der Wallster Schule monatlich ein Gottesdienst statt, seit 1955 auch der Konfirmandenunterricht.3 In den 1960er Jahren gingen aus der „Mammutgemeinde Aurich“, wie LSup. Richard Siefken (amt. 1954–1966) 1962 formuliert hatte4, mehrere neue Kirchengemeinden hervor: Tannenhausen, Sandhorst, Wallinghausen, Walle und Aurich-Kirchdorf. Die Ev.-luth. Lukas-KG Walle gründete sich zum 1. Januar 1966; zunächst umfasste sie auch das Nachbardorf Extum (bis Ende 1967).5 Die Pfarrstelle der neuen Gemeinde übernahm im Herbst 1966 P. Ulf Koller (amt. 1966–1972). Als Gottesdienststätte diente zunächst die neu errichtete städtische Friedhofskapelle; Gemeindegruppen trafen sich anfangs „im Wohnzimmer der Pastorenfamilie“, später in angemieteten Räumen.6
Die ursprüngliche Bauplanung für die Lukasgemeinde sah ein Gemeindezentrum bestehend aus Pfarrhaus, Gemeindehaus und Kirche vor. Im Herbst 1966 konnte das Pfarrhaus fertiggestellt werden. Anfang 1969 änderte der KV die bisherigen Pläne und nahm ein „Haus der Gemeinde“ in den Blick, ein kombiniertes Gebäude, dass „verschiedene Arbeitsformen vom Bau her ermöglicht und die Phantasie der Gemeinde zur Gestaltung ihrer Zusammenkünfte eher anregt als verhindert“.7 Nach Entwürfen des Architekten Bernd Hillrichs (Loga) entstand ein quadratischer Kirchsaal mit angrenzenden Gemeinderäumen. Am 1. November 1970 konnte die Lukasgemeinde ihre neue Kirche einweihen. Als letzter Bauabschnitt entstand 1973/74 der freistehende Glockenträger. Die Zahl der Gemeindeglieder lag 1972 bei etwa 2.000.8
Im September 1972 gründete sich ein Kirchenchor (zunächst Frauenchor), 1975 ein Posaunenchor.9 Seit 1974 engagierte sich die KG Walle für verschiedene soziale Projekte in Lateinamerika, u. a. ermöglichte sie den Bau der Kinderkrippe Casa Walle (später Ichuac) in Santiago de Chile und unterstützte das Hospital de Niño in La Paz).10 Im Rahmen der Partnerschaft zwischen der hannoverschen und der sächsischen Landeskirche unterhielt die Lukasgemeinde Kontakte zur Kirchgemeinde Sehma im Erzgebirge.11 1978 war Walle „eine der wenigen Gemeinden, in denen ein Kirchenvorsteher den Vorsitz im Kirchenvorstand hat“.12 Schon seit den 1970er Jahren existierte ein Krabbelkreis in der KG Walle, 1998 gründete sich der Kinderspielkreis „Die kleinen Frösche“.
Um die Jahrtausendwende gestaltete die Gemeinde ihren Kirchsaal um, da viele Gemeindeglieder ein „kirchliches Ambiente“ vermissten; u. a. wurde der Altarraum in die Südecke des quadratischen Raums verlegt und erhielt mit den im Jahr 2000 eingesetzten Buntglasfenstern eine „sakrale Atmosphäre“.13 Um 2009 zählte die KG Walle rund 2.000 Gemeindeglieder, von denen rund 200 „ehrenamtlich in und außerhalb der Gemeinde“ mitarbeiteten.14

Umfang

Der Auricher Stadtteil Walle. Bis Ende Dezember 1967 auch Extum (dann wieder umgepfarrt in die Lamberti-KG Aurich).

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1966 zum KK Aurich.

Kirchenbau
Walle, Kirche, evangelisch-lutherisch, Außenansicht

Kirche, Blick von Nordosten, 2015, Foto: fentjer, CC BY-NC-ND 4.0

Quadratischer Kirchsaal mit angrenzenden Gemeinderäumen an der Nordwest- und der Nordostseite, erbaut 1969/70 (Architekt Bernd Hillrichs, Loga). Zeltdach über dem Kirchsaal, bekrönt mit Posaunenengel, flache Pultdächer über den Gemeinderäumen, flaches Zeltdach über Eingangsbereich im Nordosten. Kirchsaal mit umlaufendem, horizontalem Fensterband unterhalb der Traufe; zwei hochrechteckige Fenster an der Südecke (Altarraum). Im Innern holzverschalte, zeltförmige Decke, verklinkerte Wände. 1990 Flachdächer über den Gemeinderäumen zu Pultdächern umgebaut. Ende der 1990er Jahre Umgestaltung Innenraum (Altar in Südecke des Kirchsaals versetzt). 2000 hochrechteckige Fenster in Südecke angelegt (Altarraum), Buntglasfenster eingesetzt. 2001 Glastür zum Kirchsaal eingebaut.

Fenster

Buntglasfenster im Altarraum (2000, Entwurf: Norbert Marten, Westerstede, Ausführung: Glasmalerei Dr. Heinrich Oidtmann, Linnich). Farbig gestaltete Glastür (2001, Entwurf: Norbert Marten, Westerstede, Ausführung: Glasmalerei Dr. Heinrich Oidtmann, Linnich), Christus am Kreuz vor stilisierter Weltkugel).

Turm

Nordöstlich der Kirche freistehender Glockenträger, erbaut 1973/74. Betonstele mit quadratischem Grundriss und quaderförmiger, allseitig auskragender Glockenstube.

Ausstattung

Schlichter Altartisch, Holz und Metall. – Schlichtes Kreuz hinter dem Altar (1970). – Eiserner Taufständer mit flacher Messingschale (1969). – Niedrige, lesepultartige Kanzel, Holz und Metall. – Zwei Holzreliefs (1985, Hermann Rübel, Walle), bis Ende der 1990er Jahre im Kirchsaal.

Orgel

1970 Truhenpositiv erworben, gebaut von Vierdag Orgelbouw (Enschede), 4 I/–, mechanische Traktur, Schleiflade; Instrument 1985 verkauft an die St.-Ludgeri-KG in Norden und 1996 weitergegeben an die Andreas-KG Norden. 1985 Orgelneubau, ausgeführt von Rudolf Janke (Bovenden), 8 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen; Instrument ebenerdig aufgestellt in der Nordostecke der Kirche.

Geläut

Drei LG, I: h’, Sterbeglocke, Inschrift: „Siehe ich bin bei euch alle Tage“; II: cis’’, Abendglocke, Inschrift: „Meine Zeit steht in deinen Händen“; III: e’’, Taufglocke, Inschrift: „Dein Wort ist die Wahrheit“ (alle Bronze, Gj. 1974, Karlsruher Glocken- und Kunstgießerei Carl Metz). – Früherer Bestand: Eine LG (Friedhofsglocke), d’’ (Eisen, Gj. 1949, Firma J. F. Weule, Bockenem), Glocke diente ursprünglich als SG in Aurich.

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1965/66). – Jugendhaus (Blockhaus, Bj. 2004).

Friedhof

Nordwestlich der Kirche kommunaler Friedhof in Trägerschaft der Stadt Aurich, angelegt 1964, FKap.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

D 80 (EphA Aurich); L 5i Nr. 234, 651 (LSuptur. Aurich); S 09 rep Nr. 2184 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 8103 (Findbuch PfA).

Literatur & Links

A: Orgelstadt Aurich, S. 70; Otte/Rohde, Ostfriesland II, S. 576; Schoolmann, Kirchen, S. 162–163.

B: 25 Jahre Lukaskirche Walle (= Gemeindebrief November 1995), Aurich 1995; Walle. Geschichte und Geschichten, hrsg. vom Förderverein Walle e. V., Walle 2009, bes. S. 131–141; Irene Engeln (Hg.): Festschrift 450-Jahr-Feier in Walle/Ostfriesland am 25., 26. und 27. Mai 1984. 1534–1984, Aurich-Walle 1984.

Internet: Historische Ortsdatenbank für Ostfriesland (https://bibliothek.ostfriesischelandschaft.de/hoo/): Ortsartikel (.pdf); Nomine (Norddeutsche Orgelmusikkultur in Niedersachsen und Europa): Orgel.


Fußnoten

  1. Geschichte und Geschichten, S. 17. Zu Eggerik Beninga vgl. u. a. BLO I, S. 45 ff. (.pdf online).
  2. Zur Datierung des Pflugs (zwischen 1940 und 1510 vor Christus) vgl. Dirk Hecht: Das schnurkeramische Siedlungswesen im südlichen Mitteleuropa Eine Studie zu einer vernachlässigten Fundgattung im Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit, Heidelberg 2007, S. 197 (online).
  3. 25 Jahre, S. 3.
  4. LkAH, G 9, Nr. 3073, Bl. 14.
  5. KABl. 1966, S. 8; KABl. 1968, S. 8 f. In den beiden Urkunde ist der Name jeweils mit „Lucas-Kirchengemeinde“ angegeben, in der Umschrift des Gemeindesiegels steht „Evangl-luth Lukas-Kirche“. Zur Geschichte der KG vgl. Geschichte und Geschichten, S. 131 ff. Nach 25 Jahre, S. 4, gehörte Extum „nur auf dem Papier“ zur KG Walle, um „für das geplante Gemeindezentrum die Baugenehmigung dringlicher erscheinen zu lassen“.
  6. Geschichte und Geschichten, S. 135.
  7. LkAH, G 9, Nr. 3068, Bl. 100 (Erläuterungsbericht des KV zum Schreiben an das LKA Hannover, 14.05.1969).
  8. LkAH, L 5i, Nr. 234 (Visitation 1972).
  9. Vgl. 25 Jahre, S. 7: Der Chor entstand „als Frauenchor in der Hoffnung, es würden sich auch Männer einfinden. Die Frauen warten noch immer.“
  10. Geschichte und Geschichten, S. 137; 25 Jahre, S. 20 ff.
  11. LkAH, L 5i, Nr. 234 (Visitation 1990). Allgemein: Cordes, Gemeindepartnerschaften, S. 38 ff.
  12. LkAH, L 5i, Nr. 234 (Visitation 1978).
  13. Geschichte und Geschichten, S. 138; LkAH, L 5i, Nr. 651 (Visitation 2002): der Gottesdienstraum sei „stärker in der geistlichen Ausstrahlung geworden“.
  14. Geschichte und Geschichten, S. 139.