Sprengel Ostfriesland-Ems, KK Aurich | Patrozinium: Johannes | KO: Ostfriesische KO von 1716

Orts- und Kirchengeschichte

Urkundlich ist der heutige Stadtteil von Aurich erstmals 1477 als Santhorste belegt.1 Gf. Ulrich II. von Ostfriesland († 1648) ließ 1647/48 ein Lustschloss errichten, dass mehrfach als Witwensitz und Sommerresidenz diente; es verfiel, nachdem das Fsm. Ostfriesland 1744 an das Kgr. Preußen gekommen war. 1972 wurde Sandhorst in die Stadt Aurich eingemeindet. Von 1900 bis 1969 besaß Sandhorst einen Bahnhof (Kleinbahn „Jan Klein“, Leer–Aurich–Wittmund). Im Jahr 1821 lebten knapp 320 Menschen in Sandhorst, 1885 etwa 790, 1925 gut 1.270, 1950 rund 1.705 und 2021 fast 4.550.

Kirche, Ansicht von Süden, Teilansicht, Foto: P. Greve, Jöllenbeck, 1988

Kirche, Ansicht von Süden, Teilansicht, Foto: P. Greve, Jöllenbeck, 1988

In vorref. Zeit lag nördlich von Sandhorst das Kloster Meerhusen.2 Es war vermutlich im späten 12. Jh. als benediktinisches Doppelkloster gegründet worden und gehörte seit 1219 als Frauenkloster zum Zisterzienserorden; der Männerkonvent war nach Ihlow umgezogen. Kloster Meerhusen wurde nach 1561 aufgegeben. Die verfallene Klosteranlage diente im 17. Jh. wohl als Steinbruch für den Bau des Schlosses Sandhorst. Das Schloss besaß eine Kapelle, in der die gräflichen bzw. fürstlichen Hofprediger amtierten. Die Dorfbevölkerung Sandhorsts gehörte kirchlich bis hinein in die zweite Hälfte des 20. Jh. zur Lambertigemeinde Aurich. In der Nachkriegszeit bestand zudem ein Lagerpfarramt in Sandhorst (bis 1959).3
In den 1960er Jahren kam es zur schrittweisen Aufteilung der „Mammutgemeinde Aurich“, wie LSup. Richard Siefken (amt. 1954–1966) im Jahr 1962 formuliert hatte.4 Es entstanden die Tochtergemeinden Tannenhausen, Sandhorst, Wallinghausen, Walle und Aurich-Kirchdorf. 1959 sahen die Planungen für Sandhorst den Bau von Kirche, Pfarrhaus mit Gemeindesaal, Kindergarten und Schwesternstation vor.5 Das Gotteshaus war gleichzeitig als Kirche für die Soldaten der Blücher-Kaserne in Aurich vorgesehen; für die Familien der Armeeangehörigen sollte südlich der geplanten Kirche ein neues Wohngebiet entstehen.6 1960 gingen die Planungen von rund 1.650 zivilen Gemeindegliedern und 1.740 Bundeswehrangehörigen aus.7 Für den Bau der Kirche wurde im Herbst 1961 ein Zuschuss von knapp 500.000 DM aus Bundesmitteln bewilligt.8
Die Ev.-luth. St.-Johannis-Kirchengemeinde Sandhorst gründete sich zum 1. Januar 1963.9 Zum Gottesdienst, den weiterhin Auricher Pastoren hielten, versammelte sich die neue Gemeinde seit Ostern in der Turnhalle der Schule am Eheweg. Nachdem das Pfarrhaus (mit Schwesternwohnung) fertiggestellt war, erhielt die Gemeinde Sandhorst mit P. Johannes Freese (amt. 1963–1988) ihren ersten eigenen Pfarrer. Seit Fertigstellung des Gemeindehauses im Mai 1964 fanden die Gottesdienste dort statt. Bis 1965 ein eigener Militärseelsorger angestellt wurde (mit Sitz und Stimme im KV Sandhorst), waren die Pfarrer von Sandhorst und Tannenhausen gemeinsam verantwortlich für die Bundeswehrangehörigen.

Kirche, Blick zum Altar, nach 1972, vor 1988

Kirche, Blick zum Altar, nach 1972, vor 1988

Im Frühjahr 1965 schließlich begannen die Bauarbeiten am Kirchengebäude, im Herbst am Glockenturm. Am 18. Dezember 1966 (vierter Advent) wurde die Gemeinde- und Garnisonkirche St. Johannis eingeweiht. Nach der ersten Visitation der Gemeinde schrieb der Auricher Sup. 1969, eine besondere Schwierigkeit in Sandhorst bestehe wohl darin, dass „die beiden Hauptgruppen in der Gemeinde (altes Dorf und Bundeswehrsiedlung) nur schwer zu einer Einheit zusammenfinden“.10 Die Zahl der Gemeindeglieder lag 1974 bei rund 3.300.11
Seit 1988 versah das Pastorenehepaar Pn. Helene Eißen-Daub und P. Hans-Peter Daub das Pfarramt Sandhorst und wurde später auch gemeinsam auf die Pfarrstelle berufen (amt. 1991–1995). Der Vorsitz im KV lag seit Ende der 1980er Jahre in Laienhand. Nach der Visitation 1992 beschrieb der Auricher Sup. die „Stadtrandgemeinde“ Sandhorst als „gesprächsoffen, durchaus bibelorientiert, gemeinde- wie gesellschaftsbezogen, den weiten Rahmen von Kirche und Ökumene einbeziehend“.12 Zusammen mit anderen Gemeinden beteiligte sich die KG Sandhorst seit den 1990er Jahren an einem Kirchenasylprojekt; Anfang 1997 nahm sie beispielsweise eine kurdische Familie auf, die nach drei Jahren im Kirchenasyl schließlich ein befristetes Bleiberecht erhielt.13
2013 gab die Bundeswehr den Standort Blücher-Kaserne auf, womit auch die Funktion der St. Johanniskirche als Garnisonkirche endete.

Umfang

Der Auricher Stadtteil Sandhorst.

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1963 zum KK Aurich.

Kirchenbau
Altar und Kreuzigungsrelief

Altar und Kreuzigungsrelief

Länglicher Bau mit sechseckigem Grundriss und Querarm an der Nordostseite, erbaut 1965/66 (Architekten: Peter Chr. Brüx und Dirk Schumacher, Aurich). Satteldach, Anbau mit Schleppdach. Rotes Ziegelmauerwerk. Großes Rechteckfenster im Südosten (Altarraum), kleine, hochliegende Fensteröffnungen nach Süden, schmales Oberlichtband unterhalb der Traufe. Portal im Westen der Südseite, davor Säulengang. Im Osten der Südseite ist das Gemeindehaus baulich mit der Kirche verbunden. Im Innern holzverschalte Deckenflächen, Wände mit roten Ziegeln verblendet.

Fenster

Mehrere Buntglasfenster, u. a. am Eingangsportal und im Altarraum (um 1966, Peter Spieß, Hannover).

Turm

Südlich der Kirche freistehender Turm mit sechseckigem Grundriss. Ziegelmauerwerk, kupfergedecktes Satteldach. In der Glockenstube kleine quadratische und hochrechteckige Schallöffnungen, darunter vier Uhrziffernblätter nach Norden, Osten, Süden und Westen. 2003/04 Kirchturm saniert.

Kreuzigungsrelief

Kreuzigungsrelief

Ausstattung

Schlichter Altar (um 1965), Stipes und Mensa aus Beton. – An der Altarwand fünfteiliges Betonrelief mit Kreuzigungsszene (um 1963, Siegfried Zimmermann, Hannover). – Niedrige Kanzel (um 1965), Brüstung aus Beton, Holz und Metall. – Taufstein aus Beton (um 1965), quadratisches Becken mit abgeschrägten Kanten, vierseitiger Schaft mit abgeschrägten Kanten. – Zwei figürliche Bronzereliefs am Kirchenportal (1967/68, Siegfried Zimmermann, Hannover), Hochzeit zu Kana (Joh 2,1–11) und Er predigte gewaltig (Mt 7,29).

Orgel

Zunächst Leihpositiv. Orgelneubau 1966–72, ausgeführt von Karl Schuke (Berlin), 16 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen, darüber hinaus ein vakantes Register; Instrument aufgestellt vor der Ostseite des Querarms links neben dem Altarraum. 1992/93 Vervollständigung der Orgel auf 17 II/P, Regina Stegemann (Norden). 2018 Instandsetzung, Ostfriesischer Orgelservice (Wiesmoor).

Geläut

Drei LG, I: e’, Inschrift: „Merke auf Land, und alles, was darinnen ist! Denn Gott der Herr hat mit euch zu reden“; II: fis’, Inschrift: „Wandelt in der Liebe, gleichwie Christus uns geliebt hat“, Bild: Christusmonogramm mit A und Ω; III: a’, Inschrift: „Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“, Bild: Taube (alle Bronze, Gj. 1965, Firma Rincker, Sinn), Glockenweihe am 7. August 1966.

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1963). – Gemeindehaus (Bj. 1964). – Pfarrhaus Militärpfarramt (Bj. 1977, 1979 erworben).

Friedhof

Am Nordostrand Sandhorsts kommunaler Friedhof in Trägerschaft der Stadt Aurich, FKap.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

D 80 (EphA Aurich); E 27b (Lagerpfarramt Aurich-Sandhorst); L 5i Nr. 235, 514, 654, 779 (LSuptur. Aurich); S 09 rep Nr. 2027 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 8047 (Findbuch PfA).

Literatur & Links

A: Orgelstadt Aurich, S. 66–67; Otte/Rohde, Ostfriesland II, S. 525–531; Schoolmann, Kirchen, S. 123–126.
B: Peter Weers (Red.): 1963–2013. 50 Jahre. Festschrift St. Johannis Kirchengemeinde Sandhorst, Aurich 2013.
Internet: Historische Ortsdatenbank für Ostfriesland (https://bibliothek.ostfriesischelandschaft.de/hoo/): Ortsartikel Sandhorst (.pdf).


Fußnoten

  1. Ostfriesisches UB II, Nr. 996. Vgl. auch HOO, Artikel Sandhorst. Die Erwähnung von Sandhurst in den Traditionen des Klosters Corvey ist vermutlich nicht auf das ostfriesische Sandhorst zu beziehen.
  2. Zum Folgenden vgl. Dolle, Klosterbuch III, S. 1050 ff. Siehe auch Niedersächsische Klosterkarte, 25.05.2023.
  3. LkAH, E 27b, Bestandsbeschreibung.
  4. LkAH, G 9, Nr. 3073, Bl. 14.
  5. LkAH, B 2 G 9, Nr. 2663, Bl. 11.
  6. LkAH, B 2 G 9, Nr. 2663, Bl. 33h (Karte).
  7. LkAH, B 2 G 9, Nr. 2663, Bl. 27.
  8. LkAH, B 2 G 9, Nr. 2663, Bl. 64.
  9. KABl. 1963, S. 10. Die Urkunde im Amtsblatt nennt „Ev.-luth. Johannes-Kirchengemeinde“ als Namen der neuen Gemeinde. Die Umschrift des später angefertigten Siegels lautet „Ev luth St Johannis-Kirche Sandhorst“. Zur Geschichte der KG vgl. Weers, S. 22 ff.; zum Namen der Gemeinde siehe ebd., S. 25.
  10. LkAH, L 5i, Nr. 235 (Visitation 1969).
  11. LkAH, L 5i, Nr. 235 (Visitation 1974).
  12. LkAH, L 5i, Nr. 235 (Visitation 1992).
  13. LkAH, L 5i, Nr. 235 (Visitation 1992); LkAH, S 09 rep Nr. 2027. Weers, S. 34.