Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Harzer Land | Patrozinium: Martin (1979)1 | KO: Lüneburger KO 1643
Orts- und Kirchengeschichte
Urkundlich ist der Ort erstmals 1257 als Osterhagen genannt.2 Das Dorf gehörte zur Gft. Lauterberg (Scharzfeld-Lauterberg), die als Lehen der welfischen Hzg. zu Braunschweig-Lüneburg im Besitz der Gf. von Lauterberg (ausgestorben etwa 1398) war, einer Nebenlinie der Gf. von Scharzfeld (ausgestorben 1295). Anfang des 15. Jh. kam die Gft. Lauterberg an die Gf. von Hohnstein. Nachdem die Hohnsteiner Grafen 1593 in männlicher Linie ausgestorben waren, nahm Hzg. Wolfgang zu Braunschweig-Grubenhagen die Gft. Scharzfeld-Lauterberg als erledigtes Lehen in Besitz.3 Als Amt Scharzfels zählte das Gebiet nun zum welfischen Teilfsm. Grubenhagen.4 Nach Aussterben der Grubenhagener Linie fiel das Fsm. Grubenhagen 1596 an das Fsm. Braunschweig, 1617 an das Fsm. Lüneburg und 1665 an das Fsm. Calenberg-Göttingen (1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover). In französischer Zeit zählte Osterhagen von 1807 bis 1813/14 zum Kanton Lauterberg im Distrikt Osterode des Harzdepartements im Kgr. Westphalen. Danach gehörte das Dorf, nun im Kgr. Hannover, wieder zum Amt Scharzfels, das 1859 in das Amt Herzberg eingegliedert wurde. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel Osterhagen 1866 an das Kgr. Preußen. Seit Einführung der Kreisverfassung 1885 zählte der Ort zum Kr. Osterode am Harz (seit 1939 Lkr.), der 2016 im Lkr. Göttingen aufging. 1972 wurde Osterhagen nach Bad Lauterberg eingemeindet. Zur Wirtschafts- und Sozialstruktur Osterhagens schrieb der Ortspastor 1949: „nur wenige Bauern, hauptsächlich Arbeiter und Handwerker mit Landwirtschaft nebenbei, eine Anzahl Beamter und Angestellter, einige Kaufleute, 2 Sägewerke, eine Kistenfabrik, ein Edelputzwerk, 1 Gipsverarbeitungsunternehmen, Flüchtlinge, 2 Ärzte, 1 Zahnarzt“.5 Der Sup. des KK Herzberg nannte Osterhagen, Steina und Bartolfelde 1962/64 „ausgesprochene Zonenranddörfer“.6 Anfang des dritten Jahrtausends hatte sich das Dorf „zu einem Wohnort im ländlichen Raum“ gewandelt.7 Um 1810 lebten knapp 290 Menschen in Osterhagen, 2020 etwa 800.
Die Ersterwähnung des Ortes ist gleichzeitig die erste Erwähnung der Kirche: In der Urkunde sind die ecclesie in Osterhagen und ihr Pfarrer (parrochianus eis) erwähnt, der Name des Geistlichen bleibt jedoch ungenannt.8 Einzelheiten zur vorref. Kirchengeschichte Osterhagens sind nicht bekannt.
Die Reformation setzte sich in der Gft. Hohnstein erst in der zweiten Hälfte des 16. Jh. durch.9 Gf. Ernst V. von Hohnstein († 1552) lehnte die luth. Lehre ab und abgesehen von zwei Orten waren die Gemeinden der Gft. 1542 noch altgläubig. Nachdem Ernst V. 1552 gestorben war, führten seine Söhne Ernst VI. († 1562), Volkmar († 1580) und Eberwein († 1568) die Reformation. Sie stellten einen ev. Hofprediger an und 1556 bekannte sich die in Walkenried versammelte Synode sämtlicher Prediger der Grafschaft zur Confessio Augustana von 1530. Der letzte Hohnsteiner Gf. Ernst VII. († 1593) richtete 1583 in Walkenried ein Konsistorium ein; eine KO für die Gft. Hohnstein ist nicht überliefert. Spätestens seit der Reformation hatte Osterhagen keinen eigenen Pastor mehr. Die Gemeinde war als mater combinata mit Bartolfelde verbunden, seit 1594 auch mit Steina (mit Unterbrechung 1609–1637); Sitz des Pfarramts war Bartolfelde. P. Andreas Ruperti (amt. 1665–1688) allerdings lebte wohl seit 1679 auf dem sogenannten Drostenhof in Osterhagen (Inschrift an einem Balken: „Andreas Ruperti Past[or] B[artolfelde] O[sterhagen] et St[eina] Anno MDCLXXIX“.10
P. Ruperti stellte 1670 ein Corpus bonorum seiner drei Gemeinden zusammen, in dem er zur Osterhagener Kirche anmerkte, sie sei „wegen des baufälligen Thurms sehr gefährlich“. Er predigte jeden Sonntag und an den hohen Festtagen in Osterhagen.11 1688 wurde anstelle des baufälligen Gotteshauses eine neue Holzkirche errichtet.
Sowohl in den Akten zur Generalvisitation 1617 als auch in P. Rupertis Corpus bonorum ist Osterhagen als Tochtergemeinde [filia] Bartolfeldes bezeichnet (Bartelfelde et filia Osterhagen, „Die Bartolfeldische Pfarre mit ihren […] Filialdörfern, alß Osterhagen und Steina“).12 P. Johann Dietrich Wittkugel (amt. 1762–1782) hingegen beschreibt im CB von 1781 das Verhältnis der drei Gemeinden korrekt: „Eigentliche Filiae sind bey dieser Kirche nicht, sondern 2 Matres combinatae“.13 P. Wittkugel betont, dass „in Verwaltung des Gottesdienstes und der Sacrorum in den 3 combinirten Gemeinen nicht der geringste Unterschied“ vorhanden sei, also u. a. in jeder der drei Kirchen ein sonntäglicher Gottesdienst gefeiert werde.14 „Dieses ist aber eine Arbeit, wozu besonders im Winter bey tiefen Schnee, strenger Kälte, Sturm und Regen eines Menschen Kräfte kaum hinreichen.“15 Während der Amtszeit von P. Wittkugel war die alte Kirche in Osterhagen durch das bis heute erhaltene Kirchengebäude ersetzt worden. Am 11. Oktober 1767 weihte die Gemeinde ihre neue Kirche ein.16 1841 erwarb sie eine Orgel.
Während der NS-Zeit hatten nacheinander P. Kurt Hubert August Pabst (amt. 1925–1935) und P. Walter Deutsch (amt. 1935–1946) die Pfarre der drei Gemeinden Bartolfelde, Osterhagen und Steina inne. Nach den Angaben im „Fragebogen zur Geschichte der Landeskirche von 1933 bis Kriegsende“ gehörte P. Pabst kirchenpolitisch zu den DC, P. Deutsch zur Hannoverschen Bekenntnisgemeinschaft.17 Von den sechs 1933 gewählten Mitgliedern des KV legten drei während des Zweiten Weltkriegs ihr Amt nieder, da sie auch ein politisches Amt bekleideten.18 Nachdem P. Deutsch 1939 zur Wehrmacht einberufen worden war, fanden Gottesdienste in Osterhagen nur noch alle zwei Wochen statt; sie wurden „abwechselnd von den wenigen Geistlichen des Kirchenkreises gehalten“.19
Mit dem Zuzug Geflüchteter nach Ende des Zweiten Weltkriegs wuchs die Zahl der Gemeindeglieder von rund 720 im Jahr 1936 auf gut 1.130 im Jahr 1949.20 In Osterhagen und Steina entstand jeweils ein kleiner Kreis der Landeskirchlichen Gemeinschaft.21 In den zeitgenössischen Visitationsberichten beschreiben die Sup. des KK Herzbergs die kirchliche Situation in den drei verbundenen Gemeinden wiederholt als schwierig, wobei „in Osterhagen am meisten kirchliche Substanz sein“ dürfte.22 Zudem habe die nahegelegene Grenze zur DDR „zahlreiche Bauern ihres jetzt auf ostzonalem Gebiet liegenden Grundbesitzes beraubt.“ Um die seelsorgerliche Versorgung der Kirchspielgemeinden zu verbessern, richtete das Landeskirchenamt 1962 eine Pfarrvikarstelle mit Sitz in Steina ein (pfarramtliche Verbindung blieb bestehen).23 1982 zog der Herzberger Sup. ein positives Fazit für die beiden KG Osterhagen und Bartolfelde: „Die Gemeindearbeit hat in den letzten Jahren in vielen Bereichen eine starke Belebung erfahren.“24 Seit 1979 trägt die Osterhagener Kirche den Namen St.-Martins-Kirche.25
Von 1999 bis 2013 war Steina pfarramtlich mit Bad Sachsa verbunden, dann wieder mit Bartolfelde und Osterhagen.26 Im März 2018 kam Barbis als vierte Gemeinde hinzu; Steina wechselte im Februar 2019 zurück zu Bad Sachsa. Die drei verbundenen Gemeinden Barbis, Osterhagen und Bartolfelde (BOB) gehören zur Bäderregion im KK Harzer Land.
Umfang
Osterhagen. Früher auch Nüxei (vor 1936 zu Steina).27
Aufsichtsbezirk
Wohl Archidiakonat Jechaburg (sedes Bleichrode) der Erzdiözese Mainz.28 – Seit 1593 Suptur. bzw. GSuptur. des Fsm. Grubenhagen. Seit 1708 Insp. Osterode. 1735 zur Insp. Clausthal. 1795 zur neuen Insp. Herzberg (1924: KK). Seit 1. Januar 2013 KK Harzer Land.29
Patronat
Der Landesherr (bis 1871).
Kirchenbau
Kleiner, dreiachsiger Bau mit dreiseitigem Ostschluss, erbaut 1766/67. Satteldach, nach Osten abgewalmt. Steinsichtiges Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung. Rechteckige Sprossenfenster an Schiff und Chor; Rechteckportal in der Mittelachse der Südseite. Inschriftentafel an Südseite: „Repariret 1808. PW KV F S F D“. Im Innern umlaufende Emporenanlage, Emporenstützen tragen zentrales Tonnengewölbe, über den Emporen flache Decken. Kanzelaltarwand. 1808 Instandsetzung. 1932 Innenrenovierung. 1979–81 Innenrenovierung. 1992–96 Außen- und Innenrenovierung (u. a. Außenputz abgenommen).
Turm
Westturm aus steinsichtigem Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung, verschieferter Helm mit vierseitigem Ansatz und achteckig ausgezogener Spitze, bekrönt mit Kugel, Wetterfahne und Stern; an jeder Seite ein Uhrerker, nach Osten Auslegestuhl mit Uhrschlagglocke. Im Glockengeschoss rechteckige, zweigeteilte Schallfenster nach Norden, Süden und Westen; in den beiden unteren Stockwerken rechteckige Sprossenfenster nach Norden und Süden. 1860 neuer Turmhelm (Jahreszahl in Wetterfahne). 1925 Turmreparatur. 1950 Turmreparatur. 1989 Turmreparatur.
Vorgängerbauten
1670 Turm der vorhandenen Kirche baufällig. 1688 Neubau einer hölzernen Kirche, 1766 abgebrochen.
Ausstattung
Klassizistische Kanzelaltarwand (wohl Anfang 19. Jh., 1995 restauriert)30, polygonaler Kanzelkorb zwischen zwei korinthischen Säulen, unterhalb des Kanzelkorbs Abendmahlsrelief (1982, Gips, nach Leonardo da Vinci), davor hölzerner Blockaltar mit seitlichen Schranken, flankiert von seitlichen Durchgängen mit dorischen Säulen und Segmentbogengiebeln. – Achtseitige Holztaufe (um 1860).
Orgel
1841 gebrauchte Orgel vom Ursulinenkloster Duderstadt erworben, erbaut 1771 von Johann Michael Kahlert (Duderstadt) für die Servatiuskirche Duderstadt, 1840 an Ursulinenkloster abgegeben. 1841 umgesetzt nach Osterhagen von Friedrich Levi H. Nürnberger (Duderstadt). 1852 Instrument als unbrauchbar bezeichnet.31 Neubau des Orgelwerks 1854, ausgeführt von Andreas Engelhardt (Herzberg), 17 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen; Prospekt von 1771 erhalten. Zinnerne Prospektpfeifen im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben, später durch Zinkpfeifen ersetzt. 1956 Instandsetzung und eine Dispositionsänderung, Friedrich Weißenborn (Braunschweig). 1970 Orgelreparatur, Rudolf Janke (Bovenden), 1977 Orgelreparatur, Albrecht Frerichs (Göttingen). 1997/98 Restaurierung und Wiederherstellung der Disposition von 1854, Rudolf Janke (Bovenden), 17 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen. Denkmalorgel.
Geläut
Drei LG, I: b’; II: des’’; III: fes’’ (alle Stahl, Gj. 1896, Bochumer Verein). Eine SG, d’’ (Bronze, Gj. 1860, Carl Isermann, Ebergötzen), Inschrift u. a.: „Pastor R. Bückmann, Kirchenvorsteher F. Wege, H. Fischer, T. Wege, A. Bliedung“.
Weitere kirchliche Gebäude
Gemeindehaus (Bj. 1897, ehemalige Schule, seit 1965 Gemeindehaus).
Friedhof
Ursprünglich kirchlicher Friedhof rund um die Kirche, genutzt bis 1833. Neuer kirchlicher Friedhof am westlichen Ortsrand, genutzt seit 1833, FKap (Bj. 1949).
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 1 Nr. 618–633 (Pfarroffizialsachen); D 98 (EphA Herzberg); S 2 Witt Nr. 04 (Fotosammlung); S 11a Nr. 7395 (Findbuch PfA).
Kirchenbücher
Taufen: ab 1689
Trauungen: ab 1689
Begräbnisse: ab 1689
Kommunikanten: ab 1718 (Lücken: 1891–1918)
Konfirmationen: ab 1797 (Lücken: 1808, 1863–1875)
Literatur & Links
A: Gemeindebuch KK Herzberg, S. 22–26; Kirchen KK Herzberg, S. 36–37; Ohainski/Udolph, Ortsnamen Lkr. Osterode, S. 118–119.
B: Osterhagen. Ein Dorf am Harzrand im Wandel der Zeit, hrsg. von der Realgemeinde-Forstgenossenschaft Osterhagen, Osterhagen 1992, bes. S. 43–49; Walter Baumann: 700 Jahre beurkundetes Osterhagen, in: Heimatkalender des Kreises Osterode und des Südwestrandes des Harzes (1958), S. 77–79; Christian Baumann & Helmut Lüder: 750 Jahre Osterhagen, in: Rund um den Hausberg 79 (2007), Heft 7, [S. 1–4]; Helmut Bode: Osterhagen, Wittagerode und Krodenhagen, in: Rund um den Hausberg 80 (2008), Heft 6, [S. 1–4]; Axel Wellner: Andreas Rupert (gest. 1688), Pastor in Bartolfelde, Osterhagen und Steina, in: Der Anschläger. Mitteilungsblatt des Oberharzer Geschichts- und Museumsvereins e. V. (2015), 3, S. 7–9; Helmut Streitparth: Daten und Fakten zur älteren Geschichte der Ortsteile Osterhagen, Bartolfelde und Barbis In: Rund um den Hausberg 124 (1977), Heft 12, [S. 3–4]. – Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Innenraum Kirche.
Website der Kirchengemeinde (12.01.2022)
Fußnoten
- Kirchen KK Herzberg, S. 36.
- UB Walkenried I, Nr. 356. Insgesamt: Ohainski/Udolph, Ortsnamen Lkr. Osterode, S. 118.
- Insgesamt: Max, Grubenhagen I, S. 86 ff. (§ 12–15). Zu den Gf. von Hohnstein: Paravicini, Residenzen IV,1, S. 649 ff.
- Für Burg und Amt setzte sich die seit dem 16. Jh. nachweisbare Bezeichnung „Scharzfels“ durch, während das nahegelegene Dorf weiter Scharzfeld hieß, vgl. Ohainski/Udolph, Ortsnamen Lkr. Osterode, S. 148.
- LkAH, L 5c, unverz., Bartolfelde, Visitation 1949.
- LkAH, L 5c, unverz., Bartolfelde, Visitation 1962.
- Baumann & Lüder, [S. 4].
- UB Walkenried I, Nr. 356. Übersetzung bei Baumann und Baumann & Lüder, [S. 4].
- Vgl. dazu knapp Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 2, S. 250 ff.; Max, Grubenhagen II, S. 231.
- Zit. bei Bode, [S. 2], und Wellner, S. 8 f.
- LkAH, A 8, Nr. 36, Bl. 17v.
- Spanuth, Generalvisitation, S. 53. LkAH, A 8, Nr. 36, Bl. 17.
- LkAH, A 8, Nr. 36, S. 4.
- LkAH, A 8, Nr. 36, S. 5.
- LkAH, A 8, Nr. 36, S. 5 f.
- Kirchen KK Herzberg, S. 36.
- LkAH, S 1 H III, Nr. 416, Bl. 9.
- LkAH, S 1 H III, Nr. 416, Bl. 9; LkAH, L 5c, unverz., Bartolfelde, Visitation 1942.
- LkAH, L 5c, unverz., Bartolfelde, Visitation 1942.
- LkAH, L 5c, unverz., Bartolfelde, Visitationen 1936 und 1949.
- LkAH, L 5c, unverz., Bartolfelde, Visitationen 1956, 1962, 1968.
- LkAH, L 5c, unverz., Bartolfelde, Visitation 1956.
- KABl. 1962, S. 28
- LkAH, L 5c, unverz., Bartolfelde, Visitation 1981.
- Kirchen KK Herzberg, S. 36.
- KABl. 1999, S. 215.
- LkAH, L 5c, unverz., Bartolfelde, Visitation 1936.
- Bode, [S. 2].
- KABl. 2012, S. 344 f.
- LkAH, B 2 G 9 B, Nr. 517, Bl. 235.
- LkAH, B 2 G 9 B, Nr. 517, Bl. 4.