Sprengel Hannover, KK Nienburg | Patrozinium: Martin | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Schriftlich ist der Ort erstmals als Holthorpe in einer undatierten Urkunde Bf. Ulrichs von Minden (amt. 1089–1097) erwähnt, die vermutlich um 1096 ausgestellt wurde.1 Das Dorf zählte seinerzeit zum altsächsischen Grindergau in der Gft. des Billungers Magnus von Sachsen und lag an der alten Straße von Nienburg nach Verden (strata sive via publica antiqua).2 Im Spätmittelalter gehörte Holtorf zum Herrschaftsgebiet der Gf. von Wölpe; in der ersten Hälfte des 13. Jh. ist ein Haupthof (curtis) in Holtorf belegt, der im Besitz der Gfn. Kunigunde von Wölpe war und um 1270 an die Gf. von Hoya kam (ebenso wie der Zehnte Holtorfs).3 Wohl 1301 veräußerte Gf. Otto von Wölpe die Grafschaft an Gf. Otto von Oldenburg-Delmenhorst, der sie 1302 weiter verkaufte an den Welfen Otto II., Hzg. zu Braunschweig-Lüneburg. Die Curiam in holtorpe erhielten die Hoyaer Gf. Gerhard und Otto 1302 vom welfischen Hzg. Otto II. zu Lehen.4 Seit 1432 gehörte Holtorf zum welfischen Teilfsm. Calenberg (1495: Fsm. Calenberg-Göttingen, 1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover) und zählte dort zum Amt Wölpe; bis hinein in die zweite Hälfte des 16. Jh. war jedoch das Gericht Gandesbergen des Hauses Hoya für die Dörfer Gadesbünden, Heemsen, Holtorf und Rohrsen zuständig.5 In französischer Zeit gehörte Holtorf 1810 zunächst kurzzeitig zum Kgr. Westphalen und dann bis 1813/14 zum Kanton Nienburg im Arrondissement Nienburg des Departements Wesermündung im Kaiserreich Frankreich. Danach gehörte das Dorf, nun im Kgr. Hannover, zunächst wieder zum Amt Wölpe, nach dessen Auflösung 1859 zum Amt Nienburg. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel Holtorf 1866 an das Kgr. Preußen. Seit Einführung der Kreisverfassung 1885 gehört das Dorf zum Kr. Nienburg (1932: Lkr. Nienburg/Weser). 1974 wurde Holtorf in die Stadt Nienburg eingemeindet. Die Gründung der Glasfabrik Wilhelmshütte im Jahr 1891 trug wesentlich zum raschen Wachstum des Ortes bei; in der südlichen Feldmark Holtorfs entstanden Wohnungen für Arbeiter der Glasfabrik. 1950 bestand die Gemeinde nach Einschätzung des Ortspastors überwiegend „aus ländlicher Fabrikarbeiterbevölkerung […] mit dauernd wechselnder Tag- und Nachtschicht (in Holtorf zu 75 %, in Erichshagen zu 50 %)“.6 1956 merkte der Nienburger Sup. an: „Holtorf selbst zerfällt in 2 Teile (alter Dorfteil mit der Bauernschaft und neuerer Dorfteil an der Stadtgrenze von Nienburg, überwiegend Fabrikarbeiter).“7 Um 1810 lebten gut 300 Menschen in Holtorf, 1895 etwa 590, 1905 rund 1.320, 1950 etwa 2. 575 und 2020 mehr als 4.000.

Kirche, Ansicht von Nordwesten, um 1960

Kirche, Ansicht von Nordwesten, um 1960

Ältestes Zeugnis der Kirchengeschichte Holtorfs ist der Unterbau des Kirchturms, der möglicherweise noch aus romanischer Zeit stammt. Ursprünglich schloss sich an seiner Ostseite ein kleines, etwa gleich breites Kirchenschiff an. In der Zeugenliste einer undatierten Urkunde, ausgestellt von Gf. Konrad von Wölpe (etwa 1220–1255) und seinen Vormündern, ist vor 1232 erstmals ein Holtorfer Geistlicher belegt: Dominus Geroldus sacerdos de Holthorpe.8 In einer weiteren Urkunde Gf. Konrads erscheint 1245 Meinfridus sacerdos de Holtorpe als Zeuge.9 Möglicherweise fungierten die Holtorfer Geistlichen zu dieser Zeit auch jeweils als Burgkaplan auf der nahe gelegenen Burg Wölpe.10 Im Jahr 1311 stiftete Ritter Johann von Intschede testamentarisch in der Holtorfer Kirche einen Altar zu Ehren des allmächtigen Gottes, der heiligen, ewigen Jungfrau Maria und des heiligen Evangelisten Johannes (in honore omnipotentis dei, beate Marie semper virginis et Sancti yohannis Ewangeliste). Die Vikarie an diesem Altar erhielt zuerst der Priester (sacerdos) Gerhardus; Pfarrer des Kirchspiels war seinerzeit ein Conradus (nunc eiusdem loci Plebanus).11 Das Patronat über den Altar lag beim Kloster Loccum.12 Mit Segebandus dictus de vulle ist 1382 der Name eines weiteren Holtorfer Pfarrers (rector ecclesiae) des 14. Jh. belegt.13 Im Jahr 1439 war Johann Past Pfarrer (kerckher) in Holtorf; für sich, für seine Magd Adelheid und für seinen Sohn Daniel (Danyele syneme zonen, Alheyde syner maghet) erwarb er seinerzeit vom Kloster Loccum den Zehnten zu Tysenhusen auf Lebenszeit (to erer dryer lyve).14 Im 16. Jh. ist 1521 Rudolf Kubeck als Kirchherr in Holtorf nachweisbar.15 Die Vikarie am Johannes Altar in der Holtorfer Kirche hatte bis zum gleichen Jahr der Pfarrer von Kirchlinteln, Henning Brothenke, inne.16 Ihm folgte der Dörverdener Pfarrer Heinrich Bodeker (bis 1526), dann erhielt sie Rather Holste, Rat des Verdener Bf. und Bremer Ebf. Christoph (amt. 1502 bzw. 1511–1558).17 Bereits 1527 verlieh der Loccumer Abt die Vikarie an den Priester Albert Koch (Kock), der später auch die Pfarrstelle Holtorf übernahm: In der Liste der Holtorfer Pastoren nach der Reformation steht er an zweiter Stelle nach P. Johann Gott.18
Einzelheiten zur Entwicklung in Holtorf während der Reformationszeit sind nicht bekannt. Im Fsm. Calenberg führte Hzgn. Elisabeth von Calenberg-Göttingen die luth. Lehre als Vormund ihres minderjährigen Sohnes Erich ein: 1542 setzte sie die von Antonius Corvinus verfasste Kirchenordnung in Kraft und 1542/43 ließ sie die Gemeinden, Stifte und Klöster des Fürstentums visitieren.19 Nachdem Elisabeths nunmehr volljähriger Sohn 1545 als Erich II. die Regierungsgeschäfte im Fsm. Calenberg übernommen hatte, wechselte er 1547 zum kath. Glauben. Die Calenbergischen Stände widersetzten sich jedoch seinen Rekatholisierungsbestrebungen und konnten 1553/55 die Beibehaltung der luth. Lehre sicherstellen. Nach dem Tod Erichs II. fiel das Fsm. Calenberg 1584 an Braunschweig-Wolfenbüttel und Hzg. Julius führte seine 1569 aufgestellte KO auch hier ein.20 1588 ließ er die Gemeinden visitieren. Im Visitationsprotokoll sind drei Holtorfer Pastoren genannt: Der derzeitige P. Justus Meier (amt. 1580–1589), sein Vorgänger Albert Koch und sein Nachfolger P. Andreas Niehaus (amt. 1589–1600): Der Landesherr hatte P. Meier mitteilen lassen, dass er „ihn an denen Orten nicht länger dulden könne, da er „den Amtmann rücklings gestochen, da er sein, des Pastors, gebetener Gast gewesen“ sei.21

Kirche, Blick zum Altar, vor 1962

Kirche, Blick zum Altar, vor 1962

Zum Kirchspiel Holtorf zählten auch Erichshagen und der Amtshof Wölpe, wo seit Anfang des 17. Jh. eine zweite Predigtstätte bestand. Die „Capelle zur Wölpe“ seit 1620 „erstlich fundiret“ und der Holtorfer Pastor müsse dort „alle Sontage Nachmittages predigen oder Kinderlehre halten.“22 Aus der zweiten Hälfte des 17. Jh. ist die erste, äußerst knappe Beschreibung der Kirche überliefert: „Das gebaw ist nicht groß ist gewolbet“ (1671).23
Nachdem P. Johann Friedrich Orsäus (amt. 1682–1689), wenige Wochen nach seiner zweiten Hochzeit gestorben war, schrieb die Gemeinde an das Konsistorium in Hannover, sie müsse „bereits zwei Priesterwitwen unterhalten“ und sei außerdem durch den noch unvollendeten Neubau des 1687 abgebrannten Pfarrhauses finanziell belastet.24 Daher solle das Konsistorium der Gemeinde „ein solch Subjektum zum Priester setzen, welches die junge Witwe wieder heiraten müsse“. Das Konsistorium beauftragte daraufhin den Neustädter Sup. Johann Georg Wagemann (amt. 1680–1696), er möge der Gemeinde nicht nur „einen scharfen Verweis geben, sondern auch daneben derselben bedeuten, daß sie uns hinfüro mit solch unbilligen Anmuthen verschonen wolle“. Noch 1696 beklagte sich P. Jakob Henning Ludowig (amt. 1694–1723) darüber, dass der Pfarrhausbau noch nicht abgeschlossen sei.25 In P. Ludowigs Amtszeit fiel etwa 1716 bis 1718 auch die Erneuerung der Kirche und die Anschaffung einer Orgel. Eine weitere Umgestaltung erfuhr die Kirche Ende des 18. Jh.: 1789 erhielt sie einen neuen Altar, kurz darauf auch eine neue Kanzel und den bis heute erhaltenen Taufständer. Die Wölper Kapelle ließ der Amtmann 1758/59 an ihren heutigen Standort in Erichshagen versetzen.
Bis hinein in die ersten Jahrzehnte des 19. Jh. betrieben die Holtorfer Pastoren auch Landwirtschaft und bewirtschafteten die Pfarrländereien selbst. 1819 verpachtete P. Conrad Nicolaus Ludwig Eggers (amt. 1807–1821) das Pfarrland.26 Seit 1825/26 war das Pfarramt Holtorf verbunden mit der Suptur der neu eingerichteten Insp. Holtorf, die 1869 wieder aufgehoben wurde. Sup. Friedrich Hermann Gottfried August Danert (amt. 1859–1883) durfte den Titel Sup. bis zu seinem Dienstende führen.27 Um den Bau des neuen Pfarrhauses finanzieren zu können, waren Pfarramt und Suptur 1843 bis 1845 vakant geblieben.
P. Erich Böttcher (amt. 1905–1934) setzte sich für die Einrichtung einer Schwesternstation in der Gemeinde ein und 1908 konnte die Diakonisse Dorothee Lange aus dem Henriettenstift Hannover ihre Arbeit in Holtorf und Erichshagen aufnehmen (Ruhestand 1928); ab 1909 war sie auch im benachbarten Drakenburg tätig.28

Altaraufsatz, vor 1962

Altaraufsatz, vor 1962

P. Heinrich Lühmann (amt. 1935–1958) stand während der NS-Zeit kirchenpolitisch anfangs aufseiten der Hannoverschen Bekenntnisgemeinschaft, aus der er im Juli 1935 jedoch austrat.29 Er wechselte zu den DC; im Visitationsbericht 1944 merkte der Nienburger Sup. Ludwig Kayser (amt. 1936–1954) allerdings an: „Ob die früher vorhandene Neigung zur sogen[annten] Nationalkirchlichen Einigung der Thüringer DC noch besteht, wird bezweifelt. Eine Verbindung damit besteht jedenfalls nicht mehr.“30
Mit dem Zuzug Geflüchteter in der Nachkriegszeit war die KG Holtorf deutlich angewachsen: 1938 hatte die Zahl der Gemeindeglieder bei rund 2.500 gelegen, 1950 bei etwa 4.000. 1964 richtete das Landeskirchenamt zur Unterstützung des Holtorfer Pastors eine Pfarrvikarstelle mit Sitz in der KapG Erichshagen ein (1972: Pfarrstelle).31 Ein gutes Jahrzehnt später verkleinerte sich das Kirchspiel Holtorf durch die Auspfarrung der KapG, die zum 1. Juli 1975 zur eigenständigen KG Erichshagen erhoben wurde.32 Noch bis 1977 blieben beide Gemeinden pfarramtlich verbunden.33 Seit 1971 war die KG Holtorf Trägerin des ev. Kindergartens am Dobben.
Ende der 1970er Jahre war das Kirchturmprojekt beherrschendes Thema in der KG Holtorf: Der im 19. Jh. erbaute Turmhelm hatte 1968 abgebrochen werden müssen und war durch ein Flachdach ersetzt worden. Der Neubau des Turmhelms entwickelte sich zu einem Projekt, an dem hinsichtlich Finanzierung und Mittelbeschaffung „ebenso die ganze Gemeinde wie auch alle Vereine von Holtorf sehr stark mitgeholfen haben“, wie P. Klaus Piehl (amt. 1978–1989) anmerkte.34 P. Piehl, der zuvor in Südafrika gearbeitet hatte, wirkte wesentlich am Aufbau der Kirchenkreispartnerschaft zwischen dem KK Nienburg und dem KK Tshwane (Pretoria) mit.35 Im Rahmen dieser Partnerschaft kam der südafrikanische P. Boas Letswhiti (amt. 1983–1987) nach Holtorf; er habe „bei allen Gemeindegliedern eine offene Tür gefunden und ‚rechts der Verdener Landstraße‘ seinen Gemeindebezirk vollgültig betreut“.36
Nachdem der Chorraum der Holtorfer Kirche Mitte der 1960er modernisiert worden war – der Altar des späten 18. Jh. war einem marmornen Blockaltar und einem abstrakten Altarbild gewichen – planten KV und Pfarramt seit Mitte der 1990er Jahre eine zeitgemäße Neugestaltung des Altarraums. 1999 konnte die Gemeinde die neuen Stücke einweihen: Ein breitrechteckiges Altarbild von Pablo Hirndorf, ein hölzerner Tischaltar, eine hölzerne Kanzel.
Die Trägerschaft des ev. Kindergartens Holtorf ging 2010 auf den KK Nienburg über. In der Region Nord des KK Nienburg kooperiert die KG Holtorf mit ihren Nachbargemeinden Drakenburg-Heemsen, Erichshagen, Rodewald und Steimbke.

Pfarrstellen

I: vorref. – II: 1964 als Pfarrvikarstelle gegründet, 1972 Pfarrstelle, 1977 übergegangen auf KG Erichshagen.37

Umfang

Holtorf und bis 1975 auch Erichshagen (KapG) und Wölpe (dann zur eigenständigen KG Erichshagen; 2006 Grenzanpassung).38 1912 mehrerer Grundstücke der Nienburger Glasfabrik Wilhelmshütte von Holtorf nach Nienburg umgepfarrt.39

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat Lohe (Marklohe) der Diözese Minden.40 – 1588/89 zur Insp. Neustadt am Rübenberge. 1825–1869 Sitz der neu eingerichteten Insp. Holtorf. 1869 zur Insp. Nienburg (1924: KK Nienburg). – Die 1825 errichtete Insp. Holtorf umfasste die Gemeinden Hagen, Heemsen, Husum, Rehburg, Schneeren und Steimbke. Bei Auflösung der Insp. 1869 kamen Hagen und Schneeren wieder zur Insp. Neustadt, Rehburg zur Insp. Stolzenau und Heemsen, Husum, Holtorf sowie Steimbke zur Insp. Nienburg. Sup. Friedrich Hermann Gottfried August Danert (amt. 1859–1883), führte den Titel Sup. bis zu seinem Dienstende 1883.41

Patronat

Der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau

Schlichter, vierachsiger Rechteckbau mit kleinen Anbauten im Osten (Sakristei) und Westen (Eingang), nach Süden in einer Flucht mit dem älteren Turm, nach Norden über den Turm hinaustretend, im Kern wohl mittelalterlich, Schiff unter Verwendung älteren Mauerwerks erneuert und erweitert 1716 oder früher. Satteldach, im Osten abgewalmt. Quader- und Backsteinmauerwerk; an den Längsseiten geböschte Stützpfeiler; nach Süden vier flachbogige Sprossenfenster, nach Norden zwei kleinere und zwei größere flachbogige Sprossenfenster; an Südwestecke rundbogiges Portal mit Inschrift „1580“; an Südwand Bauinschrift „ChrIsto DVCe restaVratVM“ (Christus dem Fürsten erneuert, Chronogramm: 1716); an der Westseite nördlich des Turms Vorbau mit flachbogigem Nebenportal und bogendreieckigem Fenster darüber. Im Innern flach gewölbte, verschalte Decke; Westempore; zwei rundbogige Durchgänge zur Turmhalle (Taufkapelle). Kirche ursprünglich erbaut als romanische Saalkirche, etwa 6,5 Meter breit, massives Gewölbe.42 1580 erneuert.43 1671: „Das gebaw ist nicht groß ist gewolbet“.44 1716–18 erneuert und vielleicht nach Norden vergrößert (u. a. vermutlich Gewölbe abgebrochen, hölzernes Tonnengewölbe errichtet). Im 17. Jh. vermutlich Sakristei im Osten angebaut. 1866 Westeingang errichtet. 1892 kleine Nordprieche (Amtmann Wölpe) durch größere ersetzt. 1899 Tonnengewölbe erneuert. 1909 Kanzel versetzt (von Südostecke zwischen erstes und zweites Südfenster; gleichzeitig wohl Südpriechen entfernt).45 1912 Doppelempore im Westen entfernt (Orgel auf der oberen) und durch einfache ersetzt. 1962/63 Neugestaltung Innenraum (u. a. neuer Altar, Nordempore entfernt, neue Westempore; neues Gestühl; Taufkapelle in Turmhalle). 1990 Innenrenovierung. 1999 Neugestaltung Altarraum. 2007 Mauerwerkssanierung und Innenrenovierung.

Turm

Vierseitiger Westturm mit vermutlich romanischem Unterbau, neuzeitlichem Glockengeschoss sowie verkupfertem Turmhelm mit vierseitigem Ansatz und achteckig ausgezogener Spitze, bekrönt mit Kugel und Wetterfahne; Auslegestuhl für Uhrschlagglocke nach Westen. Glockengeschoss aus Backsteinmauerwerk, nach Norden, Osten und Süden je drei schmale, spitzbogige Schallfenster, nach Westen zwei mit Uhrziffernblatt dazwischen; Unterbau aus Quadermauerwerk, mächtige Stützpfeiler aus Backsteinmauerwerk an den Ecken und nach Westen; im Erdgeschoss halbes Rundbogenfenster nach Westen (ursprünglich Portal). 1750 Turmhelm abgenommen und wohl später ersetzt. 1840 Turmhelm wohl erneut abgenommen und durch Notdach ersetzt.46 1857 Glockengeschoss und Turmhelm neu errichtet. 1910, 1925, 1932 und 1951 Reparaturen am Turmhelm. 1968 Turmhelm abgenommen. 1980 neuer Turmhelm.

Ausstattung

Schlichter, hölzerner Tischaltar (1999). – Breitrechteckiges, abstraktes Altarbild „Holz des Lebens“ (1998/99, Pablo Holger Hirndorf, Warpe; Acryl und Öl auf Leinen). – Niedrige Kanzel mit Holzbrüstung (1999). – Spätbarocker Taufständer aus Holz (18. Jh., Werkstatt Ziesenis, Hannover), 1993 und 2008 restauriert. – Quaderförmiger Taufstein aus Marmor (um 1965). – Hochrechteckiges Gemälde „Komposition in Rot“ (1965, Heinz Nasner, Soltau), 1965–1999 Altarbild, seitdem an Nordwand (gilt als erstes abstraktes Altarbild im Gebiet der Landeskirche Hannovers).47 – Zwei Sandsteinepitaphe mit Relieffiguren, für Catharina Heidewig Zindels († 1683) und ihre Schwester Ursula Ilse Zindels († 1688), erste Ehefrau von P. Johann Friedrich Orsäus (amt. 1682–1689; Epitaphe signiert mit „JFO WZ“. – Mehrere Relieftafeln aus Keramik (1993, Adelheid Müssig, Nienburg), biblische Szenen. – In Turmkapelle: Kreuz „Lebens-Spuren“ (2008, Pablo Holger Hirndorf, Warpe), gefertigt aus alten Eichenbohlen. – In Turmhalle: Mechanische Turmuhr. – Frühere Ausstattung: Barockaltar mit architektonisch gestalteter Rückwand (1789, Entwurf: Johann Friedrich Blasius Ziesenis, Hannover) im Mittelfeld Inschrift „Heilig! Heilig! Heilig! ist Gott“ in Baldachinrahmung, links und rechts Säulenstümpfe mit Flammenvasen, auf dem verkröpften Gebälk stilisiertes Buch mit Inschrift „Biblia Sacra“, darüber dreieckiges Gottesauge im Strahlenkranz, links und rechts Flammenvasen; trotz Einspruch der Denkmalpflege 1962 abgebaut und verbrannt.48 – Schlichter Blockaltar aus Marmor (um 1965), 2007 entfernt. – Hohe Holzkanzel (um 1789/90), 1960 entfernt. – Niedrige Kanzel mit Marmorbrüstung (um 1965), 2007 entfernt.

Orgel

1685 Orgelpositiv vorhanden (Kirchenrechnungen).49 1718 Orgelneubau, ausgeführt von Christian Vater (Hannover), 9 II/–; 1748 nach Regenwasserschaden repariert von Christian Wolter (Verden). 1837 Orgel repariert und erweitert von Friedrich Altendorf (Hannover), 12 II/P. 1864 Umbau, Dispositionsänderung und Umstimmung von Chor- auf Kammerton, ausgeführt von Orgelbauer Friedrich Altendorf & Bergmann (Hannover), 13 II/P. 1912 Orgelneubau, ausgeführt von P. Furtwängler& Hammer (Hannover), 15 II/P, pneumatische Traktur, Taschenladen (Opus 742), Prospekt von Christian Vater und Pfeifen des Prospektregisters Prinzipal 4’ wiederverwendet; 1962 abgebaut.50 1969/79 in zwei Bauabschnitten Orgelneubau unter Verwendung von Prospektregister und Gehäuseteilen Vaters, ausgeführt von Firma Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen), 1969: 8 I/P, 1979: 14 II/P (HW, BW), mechanische Traktur, Schleifladen. 1995 fehlendes Register im BW ergänzt (Krummhorn 8ʼ), 15 II/P, Arbeiten ausgeführt von Firma Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen).

Geläut

Zwei LG, I: fisʼ, Inschrift: „Aus des Krieges großer Not führ’ zum Frieden uns o Gott“; II: aʼ, Inschrift: „Aus der Erde Kampf und Leid ruf’ ich dich zur Herrlichkeit!“ (beide Stahl, Gj. 1923, Bochumer Verein). Eine SG, fʼʼ (Bronze, Gj. 1880, Firma Radler, Hildesheim). – Früherer Bestand: Eine große LG (Bronze), geborsten und umgegossen zu einer neuen LG (Bronze, Gj. 1831, Heinrich Albrecht Bock, Linden/Hannover), im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgeben (1917). Eine kleine, mittelalterliche Glocke (Bronze, Gj. angeblich 14. Jh.), Inschrift in gotischer Majuskel: „O rex glorie veni cum pace. ecce ancilla Do[mini]“ (O König der Ehre, komm mit Frieden. Siehe, eine Dienerin des Herrn), 1925 verkauft an „eine Bremer Firma“.51

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 2003). – Gemeindehaus (Bj. 1970, 2007 Photovoltaikanlage). – Altes Pfarrhaus (Bj. 1845, 2002 verkauft).

Friedhof

Ehemaliger kirchlicher Friedhof rund um die Kirche, 1947 eingeebnet, einige Grabsteine erhalten. 1893 neuer kirchlicher Friedhof am nördlichen Ortsrand angelegt, 1958 erweitert, FKap (Bj. 1964).

Liste der Pastoren (bis 1940)

1526–15.. Johann Gott. – 15..–15.. Albert Koch. – 1539–1579 Meinecke Meiger. – 1580–1589 Justus Meyer. – 1589–1600 Andreas Niehaus (Neuhusius). – 1600–1639 Paulus Drebbenstedt. – 1639–1675 Christian Wedemeyer. – 1676–1682 Nicolaus Suhr (Surius, Sury). – 1682–1689 Johann Friedrich Orsaeus. – 1690–1694 Anthon Johann Lange. – 1694–1723 Jacob Henning Ludowig. – 1723–1735 Johann Jacob Steinike. – 1736–1742 Johann Bernhard La Dalette. – 1742 (1748)–1788 Johann Friedrich Froboese. – 1788–1807 Johann August Christoph Heinze. – 1807–1821 Karl Nikolaus Ludwig Eggers. – 1821–1835 Johann Dietrich Christian Lauenstein. – 1835–1842 Karl Friedrich Christian Parisius. – 1843–1845 August Lubrecht. – 1845–1849 Karl Christian Theodor Rudolf Steinmetz. – 1849–1859 Albert Lührs. – 1859–1883 Friedrich Hermann Gottfried August Danert. – 1883–1888 Karl August Ludwig Parisius. – 1889–1905 Dr. phil. Karl Heinrich August Wiedenroth. – 1905–1934 Erich Christian Friedrich Viktor Böttcher. – 1935–1958 Franz Heinrich Karl Wilhelm Lühmann.

Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 538

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 5919–5933 (Pfarroffizialsachen); A 6 Nr. 3901–3913 (Pfarrbestallungsakten); A 8 Nr. 313, Bl. 134–146 (CB); A 9 Nr. 1131Digitalisat, 1132Digitalisat, 1133Digitalisat, 1134Digitalisat (Visitationen); A 12e Nr. 4Digitalisat(GSuptur. Hannover); D 60 (EphA Holtorf); L 5a Nr. 202–204, 287, 1285–1286 (LSuptur. Calenberg-Hoya mit Verden-Hoya und Celle); S 09 rep Nr. 1430 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 7672 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1639 (Lücken: April 1682–1689)
Trauungen: ab 1639 (Lücken: 1651, Feb.1682–1690, 1812)
Begräbnisse: ab 1640 (Lücken: April 1682–1689; unvollständig: 1723, 1736)
Kommunikanten: ab 1717 (Lücken: 1756–1822)
Konfirmationen: ab 1787

Literatur & Links

A: Amt, Dorfkirchen, S. 40–41; Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 140, Nr. 159; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 752; Dienwiebel, Ortsverzeichnis Hoya/Diepholz I, S. 279–280; Gade, Hoya und Diepholz II, S. 406–411; Heckmann, Kirchen und Kapellen, S. 28–29; Meyer, Pastoren I, S. 538; Müller, Orgeldenkmalpflege, S. 77 und 120–121.

B: Heinrich Ihsen: Aus der Geschichte Holtorfs, aufgezeichnet bis 1964, Eystrup [1989]; Angelika Kroker: Holtorf gestern und heute, Nienburg 2013, bes. S. 80–85; Werner Pielhop: Höfegeschichte von Holtorf, Nienburg 1998; Karl-Heinz Speckmann: Holtorf im Schatten der Wilhelmshütte, Nienburg 1989.

Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Kirche, Glocke.

GND

2112188-6, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Sankt Martin (Holtorf, Nienburg)


Fußnoten

  1. Hoyer UB VIII, Nr. 17.
  2. Hoyer UB I, Nr. 39 und 40.
  3. Hoyer UB I, Heft V, S. 55; Dienwiebel, Ortsverzeichnis Hoya/Diepholz I, S. 280.
  4. Hoyer UB I, Nr. 40. Neben dem Hof erhielten die Hoyaer Gf. zudem zwei Hufen und vier Hufen in Holtorf zu Lehen, vgl. ebd.
  5. Dienwiebel, Ortsverzeichnis Hoya/Diepholz I, S. 279.
  6. LkAH, L 5a, Nr. 202 (Visitation 1950).
  7. LkAH, L 5a, Nr. 202 (Visitation 1956).
  8. Würdtwein, Subsidia VI, Nr. 176, S. 437 f. Der um 1220 geborene Conrad stand bis etwa 1232 unter der Vormundschaft seiner Mutter und seines Onkel Gebhard von Wernigerode (bis 1231 auch seines Onkels Iso von Wölpe, Bf. von Verden), vgl. Duensing, Chronik, S. 85 ff.
  9. Westfälisches UB VI, Nr. 450.
  10. Gade, Hoya und Diepholz II, S. 406.
  11. UB Loccum I, Nr. 699; Cal. UB III, Loccum, Nr. 624.
  12. UB Loccum I, Nr. 959; Cal. UB III, Loccum, Nr. 752.
  13. Hoyer UB VII, Nr. 105.
  14. UB Loccum II, Nr. 1124.
  15. Hoyer UB I, Nr. 1274.
  16. UB Loccum II, Nr. 1434.
  17. UB Loccum II, Nr. 1434, 1435, 1498 und 1499; Bösche, Holste, S. 77.
  18. UB Loccum II, Nr. 1529; Meyer, Pastoren I, S. 538, gibt als Amtszeit für P. Gott 1526 an. Die Angabe scheint jedoch unsicher: P. Gott ist erwähnt im Visitationsprotokoll 1588 im Zusammenhang mit dem Küster in Heemsen: „Johann Gott, Pastor zu Holtorf, habe ihn bei Zeiten Jost v. Alten inmittirt“ (Kayser, General-Kirchenvisitation II, S. 56). Jobst von Alten († 1568) war 1558 „Pfandherr u[nd] Drost der Burg Wölpe“ (Wätjen, Geschichte, S. 52).
  19. Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 708 ff.; Butt, Herrschaft, S. 47 ff.
  20. Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 83 ff.
  21. Kayser, General-Kirchenvisitation II, S. 56; siehe dazu auch Pielhop, S. 261; der Amtmann überlebte. Meyer, Pastoren I, S. 538, nennt zwischen Koch und Meyer noch P. Meinecke Meiger (amt. 1539–1580).
  22. LkAH, A 8, Nr. 313, Bl. 134.
  23. LkAH, A 8 Nr. 313, Bl. 140.
  24. Dies und das folgende zit. bei Ihsen, S. 143 f.
  25. Ihsen, S. 148; siehe auch Pielhop, S. 259 f. 1746 war wiederum ein Neubau des Pfarrhauses nötig.
  26. Ihsen, S. 149.
  27. Ihsen, S. 146.
  28. Ihsen, S. 150; Pielhop, S. 277.
  29. LkAH, S 1 H III Nr. 712, Bl. 12.
  30. LkAH, L 5a, Nr. 287 (Visitation 1944 [am Ende der Visitation 1943 der KG Nienburg]). Vgl. auch ebd., Nr. 288 (Visitation 1949): „Gehörte den DC an“.
  31. KABl. 1964, S. 115; KABl. 1972, S. 85 f. (§ 2).
  32. KABl. 1975, S. 142.
  33. KABl. 1977, S. 108.
  34. LkAH, L 5a, Nr. 203 (Visitation 1981).
  35. Kroker, S. 85.
  36. LkAH, L 5a, Nr. 204 (Visitation 1987).
  37. KABl. 1964, S. 115; KABl. 1972, S. 85 f. (§ 2); KABl. 1977, S. 108.
  38. KABl. 1975, S. 142; KABl. 2006, S. 107.
  39. KABl. 1912, S. 91.
  40. Holscher, Bisthum Minden, S. 283.
  41. Ihsen, S. 146; Gade, Hoya und Diepholz II, S. 408.
  42. Amt, Dorfkirchen, S. 40; Verlauf der ehemaligen Nordwand 1962/63 ergraben.
  43. Amt, Dorfkirchen, S. 41: „Das Südportal ist inschriftlich auf 1580 datiert. Die Deutung dieser Jahreszahl als Baudatum ist jedoch unkorrekt, da der Bau im Kern wahrscheinlich älter ist.“
  44. LkAH, A 8 Nr. 313, Bl. 140.
  45. Abb. Zustand um 1900: Pielhop, S. 276.
  46. Ihsen, S. 137.
  47. Kroker, S. 81.
  48. Niedersächsische Denkmalpflege 5 (1960–64), S. 114. Laut Ihsen, S. 137, war der Altar „von dem Bildhauer [Johann David] Matern in Hannover nach einem Entwurf des Hofbildhauers [Johann Friedrich Blasius] Ziesenis für 175 Reichstaler angefertigt“ worden.
  49. Zur Orgelgeschichte: LKA, G 9 B/Holtorf (KK Nienburg) Bd. I, Bl. 26 ff.; Ihsen, S. 139 f.
  50. Pape/Schloetmann, Hammer, S. 124.
  51. Mithoff, Kunstdenkmale I, S. 104; Ihsen, S. 139 (gemeint ist vielleicht die Glockengießerei Otto in Bremen-Hemelingen). Abb.: Bildindex der Kunst & Architektur.