Sprengel Lüneburg, KK Gifhorn | Patrozinium: kein mittelalterliches Patrozinium bekannt1 | KO: Lüneburger KO von 1643

Orts- und Kirchengeschichte

In einer undatierten Urkunde der Äbtissin Alberta von Wunstorf ist das Dorf als Hilteratissen erstmals schriftlich nachgewiesen; die Urkunde wurde in der Amtszeit des Hildesheimer Bf. Hezilo (amt. 1054–1079) ausgestellt und ist in einer Abschrift des 15. Jh. erhalten.2 Im 13. Jh. hatten u. a. die Edelherren von Meinersen Besitz in Hillerse (Land, Höfe, Zehnt), den sie zu Lehen ausgaben.3 Hillerse gehörte zum Papenteich (nachweislich 1489), der bei der welfischen Landesteilung von 1267/69 an das Teilfsm. Braunschweig gefallen war.4 Die Gf. von Wohldenberg verkauften 1338 ihre Grafschaftsrechte im Papenteich an die Hzg. von Braunschweig und Lüneburg; in den Lehnbüchern der Braunschweiger Fürsten von 1318 und 1344/65 sind sie nachträglich (wohl im 15. Jh.) als Lehnsinhaber des Papenteichs eingetragen worden.5 1389 gehörte Hillerse zum Burgfriedensbezirk der Burg Neubrück: vnd de Borchvrede to der Nynebrucge schal wesen vp dem flote vn schal vort ghan wente to swulber. to dem hove to herwerdesse. to wypteshvsen. to hillerdesse. vnd to adenbutle. den kring vmme van enem dorpe to dem anderen, vnd dar en bynnen.6 Die Zugehörigkeit des Papenteichs – und damit auch Hillerses – wechselte im 14./15. Jh. wiederholt zwischen den welfischen Teilfsm., bevor er 1428 endgültig an Lüneburg kam; das Gebiet bildete hier einen Teil des Amtes Gifhorn. Das welfische Teilfsm. Lüneburg fiel 1705 an das Kfsm. Braunschweig-Lüneburg (Kurhannover). In französischer Zeit gehörte Hillerse von 1810 bis 1813 zum Kanton Rötgesbüttel im Distrikt Braunschweig des Departements der Oker im Kgr. Westphalen. Danach war das Dorf wieder Teil des Amtes Gifhorn, zunächst im Kgr. Hannover und nach der Annexion von 1866 im Kgr. Preußen. Seit Einführung der Kreisverfassung 1885 gehört Hillerse zum Lkr. Gifhorn. 1974 wurde Volkse eingemeindet und im gleichen Jahr gründeten Hillerse, Leiferde, Meinersen und Müden gemeinsam die Samtgemeinde Meinersen. Im Jahre 1821 lebten knapp 560 Menschen in Hillerse, 1905 rund 715, 1950 gut 1.550 und 2009 rund 2.330 (ohne Volkse).

Kirche, Ansicht von Südwesten, nach 1962

Kirche, Ansicht von Südwesten, nach 1962

Die Kapelle in Hillerse ist vermutlich um 1500 errichtet worden. Das geschnitzte Altarretabel und die kleinere Glocke stammen aus dem 14./15. Jh. Im nachref. Lüneburger Pfründenregister aus dem Jahr 1534 ist die Kapelle in Hillerse erstmals schriftlich erwähnt; sie war ins Kirchspiel Leiferde eingepfarrt und hatte keinen eigenen Pastor.7 Im Corpus bonorum von 1734 ist angegeben: „Öffentl[icher] Gottesdienst wird jetzo 4 mahl, wie wohl die Stifftung nur 1 oder 2 mahl erfordert, so auch vordem nur gehalten, jährl[ich] und zwar quartaliter darinn gehalten.“8 In der zweiten Hälfte des 18. Jh. lässt sich eine Erneuerung der Kapelle belegen. Im Jahre 1875 wählte die Gemeinde einen eigenen Kapellenvorstand.9
In den 1820er Jahren entstand in Hillerse ein von den Herrnhutern inspirierter Kreis, der sich sonntäglich zu abendlichen Versammlungen zusammenfand. Im Jahr 1833 erhielt der „Herrnhutische Lehrer“ Johann Christoph Schreiber aus Braunschweig die Erlaubnis, die „Anhänger und Freunde der Herrnhutschen Brüdergemeinde in der Ortschaft Hillerse“ zu besuchen.10
In der Zeit nach Ende des Zweiten Weltkriegs stieg die Zahl der Gemeindeglieder im Kirchspiel Leiferde stark an: Sie lag 1947 bei etwa 5.000, davon rund 2.300 Geflüchtete. Zur Entlastung von P. Gerhard Ohlendorf (amt. 1946–1954) übernahm Kreisflüchtlingspastor P. Gustaf von Girard die Versorgung der KapG Hillerse (bis 1948).11 Zum 1. Februar 1958 erhielt die Gemeinde mit Pfarrdiakon Erich Weitemeier (amt. 1958–1971) einen eigenen Geistlichen. In seiner Amtszeit bekam die Kapelle ihr heutiges Aussehen: Der alte Westturm wurde abgebrochen, an der Nordostecke entstand ein neuer Glockenturm und an der westlichen Giebelseite der Gemeindehausanbau. Die Gemeinde übernahm zudem die Trägerschaft des Kindergartens in Hillerse.12 Zum 1. Januar 1968 schließlich wandelte das Landeskirchenamt die KapG Hillerse in eine eigenständige KG um; die neue Gemeinde wurde pfarramtlich mit der KG Didderse verbunden, die zudem die braunschweigische Ortschaft Neubrück versorgte (1988 als neugegründete KG Neubrück mit in den Pfarrverband aufgenommen).13
P. Christoph von Abendroth (amt. 1971–1986) war in der Geistlichen Gemeindeerneuerung in der Evangelischen Kirche aktiv und führte in den 1980er Jahren Lobgottesdienste mit Abendmahl ein (einmal im Monat sonntags abends in Didderse, für beide Gemeinden).14 In den Visitationsberichten der 1970er und 1980er Jahre hob der Sup. des KK Gifhorn die gute Zusammenarbeit der beiden pfarramtlich verbundenen Gemeinden hervor, merkte jedoch 1984 auch an, dass „die Sehnsucht in Hillerse da ist, einmal einen eigenen Pastoren zu haben“.15 Neben der landeskirchlichen KG etablierte sich etwa in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre eine freikirchliche ev. Gemeinde in Hillerse.16
2009 entwickelten die drei pfarramtlich verbundenen Gemeinden Didderse, Hillerse und Neubrück ein Leitbild mit dem Motto „gemeinsam glauben leben“. Der Kindergarten St. Viti in Hillerse erhielt 2015 ein neues Gebäude und befindet sich seit Januar 2017 in Trägerschaft des „Ev.-luth. Kindertagesstättenverbandes Gifhorn“.17 Gemeinsam mit den KG Adenbüttel, Didderse-Neubrück, Groß Schwülper und Rethen gründete die KG Hillerse zum 1. Januar 2022 den KGV Okeraue; die fünf Gemeinden kooperieren seit 2010 in einer Arbeitsgemeinschaft und errichteten den Kirchengemeindeverband, um „die bestehende Zusammenarbeit zu sichern und neue Perspektive[n] für eine noch intensivere Kooperation zu eröffnen“.18

Umfang

Das Dorf Hillerse.

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1968 zum KK Gifhorn.

Kirchenbau
Kirche, Blick zum Altar, vor 1957

Kirche, Blick zum Altar, vor 1957

Rechteckbau, errichtet vermutlich um 1500. Sakristeianbau an Nordseite, Gemeindehausanbau an Westseite. Satteldach; Mauerwerk aus Bruch- und Werksteinen; an den Längsseiten große, spitzbogige Sprossenfenster; flachbogige Tür nach Süden. Im Innern flache Decke; Nordempore auf gedrehten Säulen (dat. 1583)19; Ostwand mit gemalten Weihkreuzen und Sakramentsnischen (links mit Tür); Schiff kann durch Falttür mit Saal im westlichen Gemeindehausanbau verbunden werden. Um 1759/61 Renovierung (korbbogige Fenster gebrochen, Inschrift an hölzerner Chorstufe: „M St. Müller Anno 1761“20). 1925 Sanierung (neue Spitzbogenfenster). 1957/58 Sanierung (u. a. Dach erneuert, östliche Verlängerung der Empore entfernt). 1962–64 Erweiterung der Kapelle (Sakristei an Nordseite, Gemeindehaus im Westen, Architekt: Rudolf Pramann, Braunschweig).21

Turm

Vor der Nordostecke der Kapelle freistehender Turm mit Zeltdach, bekrönt mit Kugel, Kreuz und Wetterhahn, erbaut 1962. Über Betonsockel holzverkleidetes Stahlgerüst; rechteckige Schallfenster; am Turmhelm vier Uhrgauben. Turm stand ursprünglich vor der westlichen Giebelseite; im Corpus bonorum von 1734 heißt es: „Die Capelle hat einen Höltzernen Thurm mit bretdern umher zu geschlagen“.22 1912 Turmsanierung (Bretterverkleidung entfernt, Fachwerk ausgemauert). 1947 Fachwerk teilweise ausgetauscht. 1962 Turm abgebrochen und an Nordostecke neu errichtet („Bei dem Abbau des Fachwerkturmes erwies sich dieser als so baufällig, daß sein Material nicht mehr verwendet werden konnte“).23 Zwischen Turm und Kapelle befindet sich die Sakristei.

Kirche, Blick zum Altar, nach 1958, vor 1964

Kirche, Blick zum Altar, nach 1958, vor 1964

Ausstattung

Schlichter Blockaltar, gemauerter Stipes, Mensa aus Sandstein. – Dreiflügeliges Altarretabel mit Schnitzfiguren (zweite Hälfte 15. Jh.), im Mittelschrein sechs Figuren (St. Johannes und St. Jakobus, thronend Maria und Jesus, St. Petrus und St. Paulus), in den Seitenflügeln je drei Figuren (links: St. Bartholomäus, St. Matthias, St. Andreas; rechts: St. Philippus, St. Jakobus, St. Matthäus); Figuren am Sockel beschriftet, oberhalb der Figuren geschnitztes Maßwerk; hohe, bemalte Predella (Engel; Maria am Betpult), in der Mitte Nische; Altar 1884 mit Ölfarbe übermalt, 1958 restauriert (Christian Buhmann, Hannover). – Zierliche Holztaufe (nach 1955 angeschafft). – Pieta. – Mehrere Grabplatten (17./18. Jh.) waren noch 1931 im Fußboden eingelassen.24

Orgel, nach 1964

Orgel, nach 1964

Orgel

1884 Orgel vorhanden, 3 I/–.25 1928 Orgelneubau, ausgeführt von Firma P. Furtwängler & Hammer (Hannover), 6 II/P, pneumatische Traktur, Taschenlade (Opus 1055).26 1964 Orgelneubau, ausgeführt von Firma Schmidt & Thiemann (Langenhagen), 6 ½ I/P, mechanische Traktur, Schleiflade; Pfeifen der Vorgängerorgel teilweise wiederverwendet. Die Orgel ist als Brüstungsorgel gestaltet und befindet sich am Ostende der Nordempore.

Geläut

Zwei LG, I: a’ (Bronze, Gj. 1958, Firma Rincker, Sinn), Inschrift: „Gott allein die Ehre. Die Glocke wurde gestiftet von Therese Knust, geb. Posseyer im Jahre 1958 zu Gedenken an Heinrich und Heinz Knust, an Stelle der im Jahr 1920 von Heinrich Knust geschenkten Glocke.“; II: c’’ (Bronze, Gj. wohl 1495, Heinrich von Kampen, Braunschweig), Inschrift: „Osanna is mi name. to goedes denst byn ik gekomen. hinrick van campen anno mxvciiiii yn brvnsvyk“, verziert mit Kugelkreuz, Rosetten und Spitzbogenfries.27 Eine SG, b’’ (Bronze, Gj. um 1900, vielleicht Firma Weule, Bockenem). – Früherer Bestand: 1734: „zwo hellklingende Glocken“ vorhanden.28 Eine LG im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben. Eine LG (Eisen, Gj. 1920), gestiftet von Heinrich Knust, 1958 durch heutige LG I ersetzt.

Friedhof

Kirchlicher Friedhof 1977/78 in kommunale Verwaltung übergeben, FKap (Bj. 1984/85) und Glockenträger (Bj. 2000) mit einer Lg, hʼʼ, St. Paulus-Glocke (Bronze, Gj. 1998).29

Liste der Pastoren (bis 1940)

1562–1607 Justus a Campen (alias Mordebotter, Campensis, Campenius). – 1607–1620 Johannes Gernholz (Gernholt). – 1620–1623 Johannes Arendes. – 1623–1628 Justus Deppe. – 1628–1673 Johann Daniel Bütemeister. – 1673–1688 Magister Johann Andreas Bütemeister. – 1688–1708 Ernst Julius Bütemeister. – 1708–1745 Johann Christian Trautmann. – 1745–1797 Christoph Friedrich Trautmann. – 1797–1848 Georg Ludwig Christian Niemann. – 1848–1866 Georg Friedrich Wolter. – 1867–1879 Konrad Friedrich Gerhard Tuwe. – 1879–1905 Gustav Friedrich Sebastian Duft. – 1906–1924 Heinrich Friedrich Ludwig Gustav Adolf Hahn. – 1924–1933 Johann Henning Hahn. – 1934–1958 Otto Friedrich Adolf Fischer.

Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 513–514

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 7821, 7826 (Pfarroffizialsachen); A 9 Nr. 1058Digitalisat, 1059Digitalisat, 1060Digitalisat (Visitationen); D 40 (EphA Gifhorn); S 11a Nr. 7450 (Findbuch PfA, Leiferde mit Hillerse).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1636 (Lücken: 1637, 1640–1645, 1647–1656, 1664–1671, 1673, 1679–1701; unvollständig: 1636, 1638, 1639, 1646, 1672)
Trauungen: ab 1657 (Lücken: 1664–1669, 1671, 1673, 1687–1700; unvollständig: 1760, 1672)
Begräbnisse: ab 1657 (Lücken: 1664–1673, L1682–1706)
Kommunikanten: ab 1657 (Lücken: 1664–1673, 1679–1709)
Konfirmationen: ab 1798

Literatur

A: Gemeindebuch KK Gifhorn, S. 34–35; Kiecker/Lütgens, KD Kr. Gifhorn, S. 177–181; Mithoff, Kunstdenkmale IV, S. 93; Piper, Orgeln, S. 14–15; Rund, Ortsverzeichnis Lkr. Gifhorn, S. 108–110.
B: Felix Glados: Dorfbuch Hillerse. Eine kleine Reise durch die jüngere Geschichte des Okerortes, Hillerse 2004; Hans Lompe: Leiferde. Beiträge zur Geschichte unseres Dorfes, Gifhorn 1990.

GND

2109750-1, Kirchengemeinden (Didderse; Hillerse, Gifhorn)

Weitere Bilder

Fußnoten

  1. Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien I, S. 141.
  2. UB HS Hildesheim I, Nr. 92.
  3. Przybilla, Edelherren von Meinersen, S. 499 und 585, 590, 592.
  4. UB Braunschweig III, Nr. 565. Zum Papenteich vgl. knapp: Rund, Ortsverzeichnis Lkr. Gifhorn, S. 172 ff.; zu den welfischen Landesteilung 1267/69 Pischke, Landesteilungen, S. 35 ff.
  5. Flentje/Henrichvark, Lehnbücher, S. 98 f. und 165.
  6. Sudendorf, UB VI, Nr. 250.
  7. Salfeld, Pfründenregister, S. 98.
  8. LkAH, A 8, Nr. 256, Bl. 13r.
  9. Lompe, S. 153.
  10. LkAH, D 40 Spec. Hillerse, Rep. A 171 (Schreiben vom 27. Juni 1833), vgl. auch ebd. den „Bericht, die Anhänger und Freunde der Herrnhutschen Brüdergemeinde zu Hillerse betreffend“ von P. Johann Daniel Homburg (amt. 1826–1844), 12. September 1833.
  11. LkAH, L 5b, unverz., Spez. KG Leiferde, Visitationen 1947 und 1953.
  12. LkAH, L 5a, Nr. 1684 (Visitation 1972).
  13. KABl. 1968, S. 5.
  14. LkAH, L 5h, unverz., Didderse, Visitation 1984.
  15. LkAH, L 5h, unverz., Didderse, Visitation 1984.
  16. LkAH, L 5h, unverz., Didderse, Visitation 1990.
  17. KABl. 2017, S. 102 ff.
  18. KABl. 2022, S. 160.
  19. Nach Kiecker/Lütgens, KD Kr. Gifhorn, S. 179, stammt die Empore aus der Kirche in Rethen; nach Gemeindebuch KK Gifhorn, S. 34, aus der Kirche in Leiferde.
  20. Kiecker/Lütgens, KD Kr. Gifhorn, S. 178.
  21. Abb. der Kirche vor dem Umbau bei Glados, S. 14.
  22. LkAH, A 8, Nr. 256, Bl. 13r.
  23. LkAH, B2 G 9/Hillerse Bd. I, Bl. 129.
  24. Kiecker/Lütgens, KD Kr. Gifhorn, S. 181.
  25. Piper, Orgeln, S. 15.
  26. Pape/Schloetmann, Hammer, S.140.
  27. Die Lesung der Jahreszahl „mxvciiiii“ ist nicht gänzlich klar. Heinrich von Kampen war 1502 Gehilfe von Gerhart Wou und ist als eigenständiger Glocken- und Geschützgießer bislang zwischen 1506 und 1517 nachgewiesen, vgl. Lohkamp, Brigitte, „Kampen, Heinrich von“ in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 89 f. [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd137712111.html#ndbcontent.
  28. LkAH, A 8, Nr. 256, Bl. 13r.
  29. Glados, S. 15 f und 25.