Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Harzer Land | Patrozinium: Guter Hirte | KO: Lüneburger KO von 1643
Orts- und Kirchengeschichte
Im Südosten Osterodes entstand nach Ende des Ersten Weltkriegs ein Siedlungsgebiet, das seit 1920 den Namen „Osterode-Dreilinden“ trägt.1 Westlich schließt sich der ehemalige Bundeswehrstandort GFM-Rommelkaserne Osterode an (2003 aufgegeben). Die Struktur der Gemeinde beschrieb der Sup. des KK Osterode 1978 als „Vorstadtgemeinde mit ausgesprochenem Siedlungscharakter“; bei der Bevölkerung handele es sich „weitgehend um kleinbürgerliche und Arbeiterfamilie, die in der ersten Generation am Rande der Stadt bauten und Garten und Kleintierzucht dabei hatten“.2
Kirchlich gehörte das neue Siedlungsgebiet zur Schloß-KG St. Jacobi. Einen eigenen Geistlichen erhielt Dreilinden, als das LKA Hannover in der Nachkriegszeit Pfv. Helmut Lüpke (amt. 1950–1973) mit Hilfeleistungen zur Unterstützung des Sup. im KK Osterode beauftragt.3 Gottesdienste fanden zunächst in einer Baracke des Kreisaltersheims statt, später im Atelier der Kunstmalerin Erna Krüger (1883–1973) und seit 1955 in einer neu eingerichteten Barackenkapelle im Lager Bergstraße.4 Hier waren ehemalige Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter sowie Geflüchtete und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten untergebracht. Seit 1953 unterhielt die Jacobigemeinde hier einen ev. Kindergarten.
Ebenfalls 1953 hatte der KV der Jacobigemeinde einen Bauplatz für ein Gemeindezentrum in Dreilinden erworben; 1957 begannen die Bauplanungen.5 Zunächst entstand ein Neubau für den Kindergarten, der 1959 bezogen werden konnte. Einer der Räume diente fortan auch als Gottesdienstraum. Im gleichen Jahr bezog Pfv. Lüpke ein Pfarrhaus im Gemeindegebiet. Die Arbeiten am Bau der Kirche begannen 1960. Ein eigens gegründeter Kirchenbauverein unterstützte die Finanzierung des Vorhabens.6 Da die neue Kirche auch als Standortkirche für die neue Kaserne an der Bergstraße vorgesehen war, beteiligte sich zudem die Bundeswehr bzw. die Bundesrepublik an den Kosten; im Gegenzug erhielt sie ein Mitbenutzungsrecht an der Kirche „für die Zwecke der Militärseelsorge“.7 Am 22. Oktober 1961 konnte die Gemeinde ihre neue Kirche einweihen; sie erhielt den Namen „Zum guten Hirten“.
Zum 1. Januar 1964 pfarrte das LKA Hannover den Pfarrbezirk aus der St. Jacobigemeinde aus und erhob ihn zur eigenständigen „Ev.-luth. KG Zum guten Hirten“. Die neue Gemeinde übernahm die 1961 eingerichtete Pfarrvikarstelle und die Trägerschaft des Kindergartens; pfarramtlich blieb sie mit ihrer Muttergemeinde verbunden.8 Diese Verbindung endete zum 1. Januar 1970; gleichzeitig wandelte das LKA die Pfarrvikar- in eine Pfarrstelle um, die im September 1972 der langjährige Pfv. Helmut Lüpke übernahm, der noch bis 1973 in der Gemeinde blieb.9
Nach der ersten Visitation der KG Zum guten Hirten zog der Sup. des KK Osterode ein positives Fazit: „Hier hat die geduldige und ausdauernde Hingabe eines Pastors einen beachtlichen Kreis von Menschen gesammelt, der bereit ist zur Mitarbeit und mit dem man auch künftig noch neue Akzente setzen kann. Die Kirche ist weithin dadurch wenigstens glaubwürdig geworden.“10 Im Rahmen der Partnerschaft zwischen der hannoverschen und der sächsischen Landeskirche knüpfte die KG Zum guten Hirten zusammen mit der St. Aegidien– und der St. Jacobigemeinde Ende der 1960er Jahre Kontakte zur Kirchgemeinde Crimmitschau (westlich von Dennheritz).11
Ab 1. Januar 2000 war die KG Zum guten Hirten pfarramtliche mit der KG Lerbach verbunden.12 Acht Jahre später folgte eine weitere Umstrukturierung: Die Gemeinden St. Aegidien, St. Jacobi, St. Marien, Kreuz und Zum guten Hirten sowie die Gemeinden Lasfelde, Lerbach und Riefensbeek-Kamschlacken (2012 fusioniert, seitdem neue St. Aegidiengemeinde) schlossen sich zu einem Pfarrverbund zusammen; das gemeinsame Pfarramt hatte anfangs sechs Pfarrstellen.13 Die Trägerschaft des Kindergartens Zum guten Hirten ging 2014 auf den neu gegründeten Ev.-luth. Kindertagesstättenverband Harzer Land über.14
Seit Januar 2024 ist die Gemeinde Zum guten Hirten Teil der „Ev.-luth. Gesamtkirchengemeinde Osterode am Harz“.15
Umfang
Der südliche und südöstliche Teil Osterodes (Siedlung Dreilinden, ehemalige Kaserne an der Bergstraße).
Aufsichtsbezirk
Mit Gründung der KG 1964 zum KK Osterode. Seit 1. Januar 2013 KK Harzer Land.16
Kirchenbau
Rechteckbau mit angedeuteter Rechteckapsis, ausgerichtet etwa südwestlich, erbaut 1961 (Architekt: Gerhard Gehrke, Osterode). Asymmetrisches Satteldach; Verputztes Mauerwerk mit Stahlbetonpfeilern zwischen den Südostfenstern, weißer Anstrich, Sockel mit Sandsteinverkleidung. Rechteckfenster und ein Kreisfenster nach Südosten; drei Kreisfenster nach Nordwesten; rechteckige Nische mit Fensterfläche nach Nordosten; im Südwestgiebel Fensternische mit vier tiefen Längsstreben. Haupteingang an Nordwestecke; Sakristeieingang an Südwestecke. Im Innern holzverkleidete Decke; segmentbogige Altarnische; Nordostempore, darunter Gemeinderaum. 1979 Innenrenovierung.
Fenster
Im Altarraum bodentiefes Buntglasfenster nach Südosten (1961, Johannes Ignaz Kohler, München), 16 Quadratfelder, u. a. mit stilisierten Fischen. Fünf Rundfenster (1961, Johannes Ignaz Kohler, München), Taube, Symbole der Evangelisten Matthäus, Johannes sowie Markus und Lukas.
Turm
Rechteckturm an der Nordwestecke der Kirche. Satteldach, bekrönt mit Kreuz. Stahlbetongerüst mit Ziegelverkleidung, verputzt und mit weißem Anstrich; im Glockengeschoss an jeder Seite breites, flachbogiges Schallfenster, jeweils dreigeteilt. An der Nordseite des Turms Sgrafitto „Der gute Hirte“ (1961, Johannes Ignaz Kohler, München).
Ausstattung
Schlichter Blockaltar (1961). – Niedrige Kanzel mit Holzbrüstung (1961). – Schlichte Betontaufe (1961), leicht konisch zulaufende Stele mit abgerundeten Ecken. – Außen: Bronzereliefs links und rechts des Portals (1961, Siegfried Zimmermann, Hannover), der gute und der schlechte Hirte.
Orgel
Orgelneubau 1961, Emil Hammer Orgelbau (Hemmingen), 5 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen (Opus 1500).17
Geläut
Drei LG, I: h’, Inschrift: „S[oli] D[ei] G[loria]“ (Allein Gott die Ehre); II: cis’’, Inschrift: „I[n] N[omine] C[hristi]“ (Im Namen Christi); III: e’’, Inschrift: „S[ola] F[ide]“ (Allein durch den Glauben), alle drei Glocken tragen zudem die Inschrift „A[nno] D[omini] 1961“ (alle Bronze, Gj. 1961, Firma Rincker, Sinn).
Weitere kirchliche Gebäude
Pfarrhaus (Bj. 1974). – Küsterhaus (Bj. 1923, ehemaliges Pfarrhaus). – Kindergarten (Bj. 1959). – Altes Küsterhaus (Bj. 1923, 1974 verkauft).
Friedhof
Kein Friedhof im Eigentum der KG.
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
S 09 rep Nr. 1869 (Presseausschnittsammlung).
Literatur
A: Schäfer, Orgelchronik, S. 40–41.
B: Ingrid Kreckmann: Einiges zu Gerhard Gehrke (1895–1977) – Architekt und Regierungsbaumeister a. D., in: HbllHarzRd 68 (2012), S. 69–81; Jörg Leuschner (Hg.): Osterode. Welfensitz und Bürgerstadt im Wandel der Jahrhunderte, Hildesheim, Zürich, New York 1993.
Website der Kirchengemeinde (22.11.2021)
Fußnoten
- Leuschner, S. 470.
- LkAH, L 5c, unverz., Osterode, Zum guten Hirten, Visitation 1978.
- Eingewiesen Januar 1952, KABl. 1952, S. 12.
- LkAH, L 5c, unverz., Osterode, St. Jacobi, Visitation 1959; ebd., Osterode, Zum guten Hirten, Visitation 1972. Zu Erna Krüger vgl. kurz: Kleines Künstlerlexikon. Maler und Bildhauer, die im 20. Jahrhundert in Osterode und Umgebung tätig waren (= HbllHarzRd Sonderheft 10), Osterode 2002, S. 38–40.
- LkAH, B 2 G 9, Nr. 2446, Bl. 45 f. (Schreiben Sup. des KK Osterode an LKA, 12.06.1957). Der 1953 erworbene Bauplatz wurde 1958 gegen einen günstiger gelegenen getauscht.
- LkAH, B 2 G 9, Nr. 2454, Bl. 3a ff. (Satzung).
- LkAH, B 2 G 9, Nr. 2453, Bl. 59 (Vertrag über Mitbenutzung der Kirche in Osterode-Dreilinden zwischen der St. Jacobi-KG und der Bundesrepublik Deutschland, 01.07.1961).
- KABl. 1964, S. 3 f.
- KABl. 1970, S. 4; KABl. 1972, S. 184.
- LkAH, L 5c, unverz., Osterode, Zum guten Hirten, Visitation 1972.
- Allgemein: Cordes, Gemeindepartnerschaften, S. 38 ff.
- KABl. 2000, S. 195.
- KABl. 2007, S. 222.
- KABl. 2014, S. 103 ff.
- KABl. [in Vorbereitung].
- KABl. 2012, S. 344 f.
- Pape/Schloetmann, Hammer, S. 166.