Frühere Gemeinde | Sprengel Stade, KK Osterholz-Scharmbeck | Patrozinium: Maria | KO: Keine Kirchenordnung

Orts- und Kirchengeschichte

Die KG Trupe-Lilienthal entstand zum 1. April 1929, als das Landeskirchenamt die mindestens seit Mitte des 17. Jh. pfarramtlich verbundenen Gemeinden Trupe und Lilienthal zu einer Gemeinde zusammenlegte. Die neue Kirchengemeinde erhielt zunächst den Namen Trupe-Lilienthal und änderte ihn 1959 in KG Lilienthal.1 Zur Sozialstruktur der KG heißt es in den Visitationsunterlagen 1942: „Die Zahl der Industriearbeiter ist gross (die Nähe Bremens). In den Aussenorten überwiegt das bäuerliche Element.“2 1967 schrieb Sup. Friedrich Frerichs: „Lilienthal wird immer mehr Wohn- und Schlafgemeinde der benachbarten Großstadt.“3 Die Bevölkerungszahl stieg in der Nachkriegszeit zunächst aufgrund des Zuzugs Geflüchteter an, später entstanden neue Wohnsiedlungen; 1950 lebten etwa 6.750 Menschen im Gebiet des Kirchspiels, 1967 rund 9.500.
Die 1895 begründete Schwesternstation, getragen von einem Krankenpflegeverein unter Leitung des KV, bestand auch während der NS-Zeit fort, allerdings war die Gemeindeschwester „aus den Orten Seebergen, Heidberg, auch Worphausen verdrängt worden, dort sind NSV-Schwestern tätig“.4 Das Lilienthaler Pfarramt hatten in diesen Jahren Sup. Karl Julius Gotthilf Thimme (amt. 1926–1939) und Sup. Friedrich Frerichs (amt. 1939–1969) inne. Kirchenpolitisch gehörten beide zur Hannoverschen Bekenntnisgemeinschaft, wie Sup. Frerichs im „Fragebogen zur Geschichte der Landeskirche von 1933 bis Kriegsende“ angab.5 Der KV sei im Sommer 1933 „unter dem Drucke der Partei gewählt“ worden; zwei Kirchenvorsteher traten später aus (um 1940). Sup. Frerichs war 1943 drei Wochen in Haft, da er während des Gottesdienstes in Fischerhude bei den Abkündigungen unter Sterbegeläut der wegen Hochverrats hingerichteten Cato Bontjes van Beek gedacht hatte.
Mit dem Zuzug Geflüchteter nach Ende des Zweiten Weltkriegs stieg auch die Zahl der Katholiken im Kirchspiel (1947: gut 350). Die kath. Gemeinde nutzte zunächst die FKap für den sonntäglichen Gottesdienst, bis 1961 die Kirche „Zum guten Hirten“ geweiht werden konnte.6 Innerhalb der ev. Gemeinde bildete sich in der Nachkriegszeit eine Gruppe der Landeskirchlichen Gemeinschaft, die sich in der Truper Kapelle zu Bibelstunden traf („bis auf wenige Ausnahmen Ostvertriebene, besonders auf Beßarabien, durchweg sehr kirchentreu“).7 Das Wachstum der Gemeindegliederzahl war eine wesentliche Rahmenbedingung für die Entwicklung der Kirchengemeinde: 1949 erhielt die Gemeinde eine Pfarrvikarstelle (Wilhelm Rott, amt. 1949–1955), die 1955 in eine zweite Pfarrstelle umgewandelt wurde, 1968 errichtete das Landeskirchenamt die dritte Pfarrstelle. Auch die Zahl der kirchlichen Gebäude vergrößerte sich; 1955 konnte ein Gemeindehaus in Lilienthal eingeweiht werden, 1964 das Jugendheim in Falkenberg und 1965 der Gemeindesaal an der Klosterkirche. Zudem war 1955 mit Abschluss des Loccumer Vertrag die bislang staatliche Klosterkirche in das Eigentum der KG übergegangen. Neben den sonntäglichen Gottesdiensten in der Klosterkirche fanden 1967 vierzehntägliche Gottesdienste im Jugendheim Falkenberg und monatliche in der Schule Seeberg statt (seit 1978 im Dorfgemeinschaftshaus Brüningshof).8
Das Jugendheim Falkenberg war seit seiner Gründung 1964 gleichzeitig als „Haus der offenen Tür“ konzipiert; zur Förderung dieser offenen Jugendarbeit hatten Kommune und Kirchengemeinde einen gemeinsamen Beirat eingerichtet.9 Nach der Visitation 1973 resümierte der Sup. des KK Osterholz-Scharmbeck, Lilienthal sei eine „recht lebendige Gemeinde […], deren Hauptzentrum z. Z. im Nord-Bezirk (Jugendheim) zu finden ist“.10 1976 gründete sich der „Förderer- und Freundeskreis Ev. Jugendheim Falkenberg“. Auch in Seebergen entwickelte sich in den 1970er Jahren eine „fast eigenständige Gemeindearbeit“.11
1973 feierten ev. und kath. Gemeinde den ersten ökumenischen Schulanfängergottesdienst in Lilienthal. Seit 1978 koordiniert ein ökumenischer Ausschuss die Zusammenarbeit der beiden Konfessionen (gemeinsame Gottesdienste, Kooperation bei Erwachsenenarbeit). Seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre intensivierten sich die Kontakte der KG Lilienthal zur sächsischen Partnergemeinde Baalsdorf-Mölkau bei Leipzig.12 Anfang der 1980er Jahre kam eine Partnerschaft mit Bielsko-Biała (Polen) hinzu.13 Im Jahre 1969 eröffnete die Gemeinde einen ev. Kindergarten in der Klosterstraße. Aus einem zweiten Spielkreis ging 2008 die „Ev. Kindertagesstätte am Wald“ hervor. Beide Einrichtungen befinden sich seit 2013 in Trägerschaft des Ev.-luth. Kindertagesstättenverbandes Osterholz-Scharmbeck.14 Die Schwesternstation war schon Ende der 1970er Jahre in der Sozialstation Lilienthal-Grasberg aufgegangen.15 Im Jahr 2007 gründete sich die Stiftung „Klosterkirche Lilienthal“, die sich einerseits zum Ziel gesetzt hat, die KG bei Erhaltung der Klosterkirche, der Truper Kapelle und der übrigen kirchlichen Gebäude zu unterstützen. Andererseits will die Stiftung das gemeindliche Leben fördern, insbesondere die Kinder- und Jugendarbeit sowie die Kirchenmusik.16
Nachdem in den 1970er Jahren eine Ausgliederung des dritten Pfarrbezirks der KG Lilienthal und seine Vereinigung mit der KG Sankt Jürgen diskutiert worden war, nahm die Entwicklung schließlich eine andere Richtung. Angesichts sinkender Gemeindegliederzahlen intensivierten die beiden Gemeinden seit dem ersten Jahrzehnt des 21. Jh. ihre Zusammenarbeit. Zum 1. Januar 2015 fusionierten beide Gemeinden und gründeten gemeinsam die neue „Ev.-luth. KG Lilienthal“.17

Pfarrstellen

I: vorref., 1875–1969 verbunden mit Suptur. der Insp. Ottersberg bzw. Trupe-Lilienthal. – II: 1955.18 III: 1968. 2003 umgewandelt in Dreiviertelstelle.19

Umfang

Butendiek, Falkenberg, Feldhausen, Heidberg, Höge, Klostermoor, Lilienthal, Lüningsee, Moorhausen, Seebergen, Trupe, Trupderdeich, Trupermoor und Worphausen.

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1929 KK Trupe-Lilienthal, 1959 umbenannt in KK Lilienthal.20 1970 KK Lilienthal vereinigt mit KK Osterholz-Scharmbeck.21 – Der KK Trupe-Lilienthal wurde 1826 als Insp. Ottersberg gegründet; Sitz der Superintendentur war zunächst Otterstedt (1826–1863), dann Wilstedt (1863–1874) und schließlich Lilienthal (ab 1875); die Insp. hieß daher seit 1890 Insp. Trupe-Lilienthal (1924: KK), seit 1959 KK Lilienthal. Die Insp. umfasste 1826 die Gemeinden Fischerhude, Grasberg, Kirchtimke, Lilienthal mit Trupe, Otterstedt, Sankt Jürgen und Wilstedt. 1966 kam die neugegründete Anstaltsgemeinde Lilienthal hinzu.

Kirchenbau

Klosterkirche in Lilienthal, seit 1955 Eigentum der KG (vorher staatlich). – Truper Kapelle in Trupe.

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus Trupe (Bj. 1814, Superintendentur). – Pfarrhaus Lilienthal (Bj. 1960). – Gemeindehaus HIB (Bj. 1814, Haus Im Bruch)). – Jugendheim (Bj. 1962).

Friedhof

Kirchlicher Friedhof in Falkenberg, eröffnet 1860, erweitert 1875, 1885 und 1910, FKap (Bj. 1912, erweitert 1961), mit einer LG fʼʼ (Bronze, Gj. 1928, Danziger Werft), aus dem St. Marienkrankenhaus Danzig. – Kommunaler Friedhof in der Klosterweide, eröffnet 1968.

Liste der Pastoren (bis 1940)

Für die Zeit vor 1929 siehe den Artikel Lilienthal, Marien. – 1925–1937 Lic. Karl Julius Gotthilf Thimme. – 1939–1969 Friedrich Georg Godlib Frerichs.

Angaben nach: Meyer, Pastoren II, S. 79

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

L 5g Nr. 222–223, 415, 453, 1000–1003 (LSuptur Stade); S 09 rep Nr. 1586 (Presseausschnittsammlung); S 11a, Nr. 7900 (Findbuch PfA). – Siehe auch KG Lilienthal, Marien.

Literatur

A: Meyer-Korte, Gemeinden, S. 71–84.
B: Wilhelm Dehlwes, Edda Buchwald (Hg.): Die Geschichte Lilienthals, 2 Bde. und 3 Sonderdrucke (I: Lilienthal gestern und heute, II: Lilienthal und seine Bewohner, Sonderdruck 3: Kloster, Kirchen und kirchliches Gemeindeleben), Lilienthal 1977–1981; Martin Walsdorff: Begegnungen mit Polen. Eine Partnerschaft und ihre Wirkungen. Chronik – Datensammlung – Erinnerungen. Evangelisch-lutherische St. Marien-Kirchengemeinde in Lilienthal. Parafia Ewangelicko-Augsburska w Białej Bielsko-Biała, Lilienthal 2009.


Fußnoten

  1. KABl. 1929, S. 40 f.; KABl. 1959, S. 52.
  2. LkAH, L 5g, Nr. 415 (Visitation 1942).
  3. LkAH, L 5g, Nr. 416 (Visitation 1967).
  4. LkAH, L 5g, Nr. 415 (Visitation 1936). 1942 auch Lüninghausen genannt.
  5. LkAH, S 1 H III Nr. 819, Bl. 19. Vgl. ebd. zum Folgenden. Allgemein zum Fragebogen: Kück, Ausgefüllt, S. 341 ff.
  6. Dehlwes & Buchwald 3. Sonderdruck, S. 104 f.
  7. LkAH, L 5g, Nr. 415 (Visitation 1949).
  8. LkAH, L 5g, Nr. 416 (Visitation 1967); Meyer-Korte, Gemeinden, S. 79.
  9. Vgl. Jahresberichte 1964 und 1966 in: LkAH, L 5g, Nr. 416 (Visitation 1967).
  10. LkAH, L 5g, Nr. 222 (Visitation 1973). Vgl. auch Dehlwes & Buchwald 3. Sonderdruck, S. 72 ff.
  11. LkAH, L 5g, Nr. 222 (Visitation 1979).
  12. Kontakte. Gemeindebrief der St.-Marien-Gemeinde Lilienthal 7/Heft 7 (1979), S. 13; allgemein: Cordes, Gemeindepartnerschaften, S. 38 ff.
  13. Ausführlich zu Entstehung und Entwicklung dieser Partnerschaft: Walsdorff, S. 7 ff.
  14. KABl. 2013, S. 55 ff.
  15. Dehlwes & Buchwald 3. Sonderdruck, S. 71.
  16. KABl. 2008, S. 47.
  17. KABl. 2015, S. 22 f.
  18. KABl. 1959, S. 52.
  19. KABl. 1968, S. 13; KABl. 2003, S. 15.
  20. KABl. 1890, S. 46; KABl. 1959, S. 52.
  21. KABl. 1970, S. 8 f.