Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Göttingen-Münden, Amtsbereich Münden | Patrozinium: Michael1 | KO: Calenberger KO von 1569
Orts- und Kirchengeschichte
Schriftlich ist der Ort am rechten Ufer der Werra erstmals 1017 belegt, als Ks. Heinrich II. († 1024) dem Benediktinerinnenkloster Kaufungen den cortem Hademinni (Hof Hedemünden) schenkte.2 Ein villicus de Hedeminne ist 1246 belegt (Helmwicus), seit Ende des 13. Jh. verpachteten Äbtissin und Konvent den klösterlichen Besitz.3 Nach der Mitte des 14. Jh. kam das Dorf als Kaufunger Lehen an das welfische Hzm. Braunschweig-Lüneburg und zählte hier zum Teilfsm. Göttingen, das ab 1495 Teil des Fsm. Calenberg-Göttingen war („Kernlande Hannover“, 1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover).4 Ein Rat von Hedemünden ist erstmals 1443 belegt5, 1512 und 1527 wird der Ort noch als Dorf bezeichnet (im Gericht Sichelnstein bzw. im Amt Münden).6 Aus dem Jahr 1619 stammt eine Urkunde, ausgestellt von Bürgermeister und Rat des Fleckens Hedemünden.7 1645 bestätigte Hzg. Christian Ludwig von Braunschweig-Lüneburg († 1665) die Stadtrechte Hedemündens.8 In französischer Zeit zählte Hedemünden zunächst von 1807 bis 1810 zum Kanton Blume und war dann bis 1813/14 selbst Hauptort dieses nun Hedemünden genannten Kantons im Distrikt Göttingen des Leinedepartements im Kgr. Westphalen. Danach kam die kleine Stadt, nun im Kgr. Hannover, zum Amt Münden (amtssässige Stadt). Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel Hedemünden 1866 an das Kgr. Preußen, bei Einführung der Kreisverfassung kam der Ort 1885 zum Lkr. Münden, der 1973 im Lkr. Göttingen aufging. Gleichzeitig wurde Hedemünden nach Münden (1991: Hann. Münden) eingemeindet. Bereits 1930 hatte die Stadt Hedemünden beschlossen, „wegen der Kosten, die der alte pensionierte und der neue amtierende Bürgermeister“ verursachten, auf den Stadtstatus zu verzichten. „Hedemündens Vorgehen war ungewöhnlich und einmalig in Niedersachsen.“9 Seit 1872 besitzt Hedemünden einen Bahnhof (Strecke Halle–Hann. Münden). Zur Sozialstruktur in den beiden Kirchspielorten Hedemünden und Oberode schrieb der Ortspastor 1966: „Die Zahl der bäuerlichen Gemeindeglieder ist in beiden Orten in stetigem Sinken. Der überwiegende Teil der Gemeinde verdient als Fabrikarbeiter in der hiesigen Industrie oder in den nahe gelegenen größeren Städten oder als Angestellte[r] seinen Lebensunterhalt.“10 Um 1810 lebten knapp 890 Menschen in Hedemünden, 1905 gut 880, 1959 etwa 1.600 und 2012 gut 1.390.
Bei archäologischen Grabungen 1979/80 konnte eine kleine Kirche mit Apsis und Westquerbau nachgewiesen werden, die im 9. oder 10. Jh. erbaut wurde und vermutlich im Zusammenhang mit dem 1017 belegten, königlichen curtis zu sehen ist.11 Das Patronat über die Kirche lag beim Benediktinerinnenkloster Kaufungen. Um 1210 ist diese Kirche vergrößert worden. 1246 ist erstmals ein Geistlicher namentlich belegt: Bernhardus sacerdos de Hedeminne (Priester aus Hedemünden).12 Die älteste Glocke der Kirche, heute als Schlagglocke in der Laterne des Turms, stammt ebenfalls aus dem 13. Jh. Aus den Jahren 1300 und 1318 sind zwei Ablassurkunden überliefert, die all jenen einen 40-tägigen Ablass gewährten, die an bestimmten Festtagen die ecclesia sancti Michaelis in Hedeminne besuchten oder für den Bau der Kirche spendeten (ad fabricam, structuram).13 Als plebanus in Hedeminne ist 1327 und 1329 ein Helmbertus urkundlich belegt.14 Vielleicht um 1400 erfolgte wiederum eine Erweiterung der Kirche, die damit ihre heutige Größe erhielt. Im Jahr 1443 war Konrad Kampmann pherner zcu Heddemyn. In diesem Jahr stifteten „dy bescheyden fromen lute, der rad, altermanne, vormunden, fischere, steynknechte und dye gancze gemeynde zcu Heddemyn“ zwei wöchentliche Messen, die montags und dienstags „in unser pfarkirchen darselbs zcu Heddemyn“ gelesen werden sollten, wie es in der Bestätigungsurkunde der Kaufunger Äbtissin Elisabeth von Waldeck heißt.15 Nachdem Kampmann die Pfarrpfründe aufgegeben hatte, bemühte sich 1469 Degenhardus Endemann um seine Nachfolge.16 Im Jahr 1520 sind Pfarrer Johann Gunter und Vikar Mathias Meyer an der Michaeliskirche in Hedemünden belegt.17 Meyer zählte 1520 zusammen mit seinem Bruder Lamprecht und dem lange Henrick zu den drei Stiftern einer Vikarie an der Michaeliskirche, die nach der Reformation umgewandelt wurde in ein Stipendium, das einem „jungen Gesellen, so der aus der Stadt Hedemünden gebürtig“ das Theologiestudium ermöglichen sollte.18 Rat der Stadt und Pfarramt entschieden zunächst gemeinsam über die Vergabe, seit 1979 ist allein die Kirchengemeinde für das Geistliche Stipendium Hedemünden zuständig, das heute auch bei „anderen Berufen im Bereich der kirchlichen Verkündigung“ gewährt werden kann.19 In der Stiftungsurkunde ist auch ein Nebenaltar in der Par Kercken Sinte Michel erwähnt, der Sinte Cathrinen geweiht war.20
Nachdem Hzg. Erich I. zu Braunschweig-Lüneburg im Jahr 1540 gestorben war, führte Hzgn. Elisabeth als Vormund ihres minderjährigen Sohnes Erich die luth. Lehre im Fsm. Calenberg-Göttingen ein: 1542 setzte sie die von Antonius Corvinus verfasste Kirchenordnung in Kraft und 1542/43 ließ sie die Gemeinden, Stifte und Klöster des Fürstentums visitieren.21 Im Jahr 1545 übernahm Elisabeths nunmehr volljähriger Sohn als Hzg. Erich II. die Regierungsgeschäfte im Fsm. Calenberg und wechselte 1547 zum kath. Glauben. Die Calenbergischen Stände widersetzten sich jedoch seinen Rekatholisierungsbestrebungen und konnten 1553/55 die Beibehaltung der luth. Lehre in den Kirchspielen des Fürstentums sicherstellen. Nach dem Tod Erichs II. fiel das Fsm. Calenberg-Göttingen 1584 an Braunschweig-Wolfenbüttel und Hzg. Julius führte seine 1569 aufgestellte ev. KO auch hier ein.22 1588 ließ er die Gemeinden visitieren.
In die Entwicklung in speziell in Hedemünden gewähren die Quellen nur punktuelle Einblicke. Vor 1562 hatte Wilhelm Barch das Pfarramt inne. Ihm folgte P. Konrad Rothard (amt. 1562–1572), über den sich Bürgermeister, Rat und die ganze Gemeinde um 1570 in einem ausführlichen Schreiben bei Hzg. Erich II. beklagten. P. Rothard sei ursprünglich Koch in der Zisterzienserabtei Reifenstein (Eichsfeld) gewesen und könne „vor ein qualificirten Pastor unndtt sehlsorger auch im geringstem nichtt besstehenn“.23 Zur Abendmahlspraxis berichtete die Gemeinde, dass „er die sacramenta confuse et pro lubito [verwirrt und nach Gefallen] itzo und[er] einer, denn aber under beyderley gestaltt, nach dem es ein jeder umb Ihnen erkauffen konnen, administriret unndtt communicret“. Er sei also „in seiner lehre wedder kaltt noch warm, sondern, wie mann sagtt, ein rechter wetterhan“. Die Gemeinde kritisierte zudem seinen Lebenswandel („sein böß, ergerlich unndtt straffbar lebenn“) und bat den Landesherrn schließlich um einen „andernn Predicanten, so Gottes Wortt verwirklich, unndtt den auch der Augspurgischen confession gemeß lehret unndtt lebett“. Eine Antwort ist nicht überliefert. Und während der Rat, wie gerade zitiert, um 1570 noch einen ev. Prediger erbeten hatte, schloss er 1576 seine drei ev. Ratsherren aus.24
Zweifelsfrei ev. war schließlich P. Martin Seesen (amt. 1585–1604), dessen theologische Kenntnisse die Visitatoren 1588 als gut (bene) einstuften.25 Zweimal im Jahr predigte P. Seesen in der Kapelle in Oberode. Das Visitationsprotokoll erwähnt zudem eine Schule in Hedemünden. Aus der Amtszeit von P. Johannes Rothmüller (amt. 1605–1626) hat sich der Taufstein erhalten, in den u. a. sein Name eingemeißelt ist. Ihre heutige Gestalt erhielt die Kirche im 18. Jh.: 1725 mit dem Umbau des Kirchenschiffs und 1780/81 mit dem Neubau der Turmhaube. Den gotischen Turmhelm hatte 1779 ein Sturm zerstört. Seit 1742 war mit dem Pfarramt in Hedemünden zudem das Amt des Superintendenten der Insp. Münden bzw. Hedemünden verbunden (bis 1772, dann wieder 1789 bis 1820 und 1859 bis 1911).26 Zum Zustand der Gemeinde schrieb P. August Wilhelm Christian Behne (amt. 1836–1858) im Jahr 1841: „So war die Jugend verwildert, die Erwachsenen zu weichlich; mein Wort zu hart, zu scharf, denn die Hedemündener sind dünkelhaft, klug und opponierend.“27
Auf dem Grundriss für den Neubau der Hedemündener Schule aus dem Jahr 1731 ist eine Jüdin jaße verzeichnet.28 Dies ist einer der wenigen Hinweise auf die jüd. Bevölkerung Hedemündens vor 1785. In diesem Jahr ist in den Kämmereirechnungen eine Mikwe schriftlich belegt, die bis 1847 genutzt wurde. Etwa seit Mitte des 19. Jh. besaß die kleine jüd. Gemeinde – 1861 insgesamt 14 Gemeindeglieder – eine Synagoge oder Betstube, aus der gleichen Zeit stammt die 1977 wiederentdeckte Kellermikwe. Beides nutzte die Gemeinde bis 1877, die Synagoge brannte 1905 ab. Die erhaltenen Gräber auf dem jüd. Friedhof stammen aus der Zeit zwischen 1821 und 1895.29 In Hedemünden bestand keine eigene Synagogengemeinde, die jüd. Hedemündener gehörten vielmehr seit 1844 zur Synagogengemeinde Mollenfelde (aufgelöst nach 1892, dortige Synagoge 1907 abgebrochen), hielten sich jedoch eher nach Münden. Die letzte jüd. Familie Hedemündens zog 1939 nach Münden, wurde 1942 deportiert und ermordet.
Während der NS-Zeit hatte P. Gerhard Burgstaller (amt. 1933–1947) das Pfarramt in Hedemünden inne. Zu seiner politischen und kirchenpolitischen Position gab er rückblickend im „Fragebogen zur Geschichte der Landeskirche von 1933 bis Kriegsende“ an, er sei weder Mitglied der NSDAP noch der DC noch der Hannoverschen Bekenntnisgemeinschaft gewesen.30 Der Kirchenkampf habe keine Auswirkungen auf die Gemeinde gehabt. Seit 1939 fanden in der Michaeliskirche kath. Gottesdienste für Geflüchtete statt „für die evakuierten Saarländer, ab 1943 auch für Evakuierte aus Hessen und dem Rheinland“; 1966 noch alle zwei Wochen.31 In der Nachkriegszeit stieg die Zahl der Gemeindeglieder stark an: Hatte sie 1939 noch bei 1.590 gelegen, erreichte sie 1951 rund 2.600.32
Im Jahr 1960 gründete sich in Hedemünden das Haus der Heimat, gleichzeitig ein „Altersheim für Ostvertriebene“ und ein kirchliches Tagungs- und Erholungszentrum, in erster Linie für Vertriebene, Spätaussiedler und Geflüchtete. Die KG Hedemünden und die KapG Oberode traten dem Trägerverein bei. Das Haus besaß eine eigene Kapelle, in der mittwochs und samstags Andachten stattfanden. Neben der Kirche in Hedemünden und der Kapelle in Oberode war so „ein drittes kirchliches Zentrum im Bereich der Parochie entstanden“.33 Das Haus der Heimat wurde 1990 in eine private Pflegeeinrichtung umgewandelt. Zum Gemeindeleben insgesamt resümierte der Mündener Sup. nach der Visitation 1984, Hedemünden gebe „das durchaus zufriedenstellende Bild einer volkskirchlich orientierten und wirkenden Gemeinde mit einem kleinen Kern und einem großen Rand“ ab.34
Im Vorfeld der Orgelsanierung von 1985 stritten die Stadt Münden, seit der Eingemeindung von 1973 Rechtsnachfolgerin der Gemeinde Hedemünden, und die Kirchengemeinde über die überkommenen Eigentumsrechte und Baulastverpflichtung. 1949 hatte der Hedemündener Bürgermeister festgestellt: „Turm, Uhr, Glocken und Orgel sind seit alters her auf Grund verbriefter Rechte Eigentum der Stadt Hedemünden, die auch alles in Bau und Besserung erhalten muss.“35 Die Übernahme der Orgel in kirchliches Eigentum hatte der KV 1886/88 abgelehnt.36 1960 hatten sich politische und kirchliche Gemeinde die Kosten der Orgelreparatur und der Neuanschaffung der großen Glocke die Kosten hälftig geteilt. Die Stadt Münden bestritt mit Verweis auf die seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. „geänderten staatsrechtlichen und kirchenrechtlichen Verhältnisse“ die Existenz jedweder Verpflichtung ihrerseits.37 In einem Vergleich einigten sich Stadt und KG 1986 schließlich auf die hälftige Teilung der jeweiligen Kosten.38
Zum 1. August 1998 wandelte das LKA Hannover die Pfarrstelle Hedemünden in eine Dreiviertelstelle um.39 Ein Jahr später konnte die Gemeinde mit dem Katharinenhaus ein neues Gemeindehaus einweihen. Seit 2012 versieht das Pfarramt Hedemünden auch die Gemeinde Wiershausen-Lippoldshausen.
Umfang
Hedemünden und Oberode (KapG). Bis 1942 auch Gut Ellerode (dann zur hessischen KG Gertenbach).40
Aufsichtsbezirk
Archidiakonat Nörten (sedes Sieboldshausen) der Erzdiözese Mainz.41 – 1588 GSuptur. Fsm. Göttingen bzw. Spezialsuperintendentur über Stadt und Gericht Münden.42 Seit Teilung der Insp. Münden 1742 gehörte Hedemünden zur Insp. Münden Erster Theil bzw. Hedemünden Erster Theil und war zeitweise Sitz der Suptur.: 1742 bis 1772, 1789 bis 1820 und 1859 bis 1911 (in den übrigen Jahren war Münden Sitz der Suptur.). Ab 1924 KK Münden. Seit 1. Januar 2023 KK Göttingen-Münden (Amtsbereich Münden).43
Patronat
Das Kloster Kaufungen (bis zu seiner Aufhebung 1527). Der Landesherr (bis 1871).
Kirchenbau
Gotischer Bau mit geradem Ostschluss, unter Einbeziehung von Resten des Vorgängerbaus erbaut vielleicht um 1400, umgestaltet 1725.44 Mansarddach mit Erkern. Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung. Südseite mit vier flachbogigen Sprossenfenstern und flachbogigem Eingang in der Mittelachse, im Sturz Jahreszahl „1725“, darüber Rundfenster; Nordseite mit zwei rundbogigen und einem flachbogigen Sprossenfenster, in der Mitte rundbogiger Eingang, an Ostecke vermauertes Kielbogenfenster; in der Ostwand zwei spitzbogige Fenster und ein flachbogiger Nebeneingang, zwei Nebeneingänge im Westen. Im Innern flaches, verputztes Holztonnengewölbe, u-förmige Empore, im Westen zweigeschossig. An der Ostwand gotische Ausmalungsreste (14. Jh., 1980 freigelegt): Maria mit Kind sowie vermutlich St. Michael, St. Katharina und St. Christophorus; darüber wohl Stifterfiguren; darunter Kreuzigungsszene mit Maria und Johannes.45 1725 Sanierung und Umbau (u. a. Steingewölbe sowie drei Pfeiler entfernt und den ursprünglich zweischiffigen Innenraum umgestaltet zu einschiffigem Saal mit hölzernem Tonnengewölbe; Fenster vergrößert; Mansarddach errichtet).46 1886 Seitenemporen verkürzt (reichten bis zum Altar). 1961/62 Renovierung. 1979/80 Sanierung. 1993 Dachreparatur.
Fenster
Ornamental gestaltete Buntglasfenster in Ostwand.
Turm
Teilweise umbauter Westturm, errichtet wohl um 1400 unter Einbeziehung älteren Mauerwerks.47 Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung. Verschieferte, geschwungene Haube mit offener, achtseitiger Laterne, bekrönt mit Kugel und Wetterfahne. Uhrerker nach Osten. Im Glockengeschoss jeweils ein gekuppeltes Schallfenster (Biforien) mit Teilungssäulchen und Dreipassbögen. 1743 Turmuhr belegt. 1779 gotische Turmhaube bei Sturm zerstört. 1780/81 Laternenhaube errichtet (Klosterbaumeister Borheck, Göttingen). 1868 neue Turmuhr. 1949/50 Turmreparatur. 1989 Neueindeckung. 1997 Instandsetzung.
Vorgängerbauten
Bei archäologischen Untersuchungen 1979/80 ergraben: Kleiner Saalbau mit eingezogener Halbrundapsis und abgetrenntem Westbereich (Empore?), etwa 9./10. Jh.; rund 17 Meter lang, 8,7 Meter breit.48 Ersetzt durch einen zweischiffigen Bau (Hauptschiff, nördliches Seitenschiff) mit (vermutlich) zwei Apsiden, errichtet um 1210; etwa 24 Meter lang, 14 Meter breit; Mauerwerksreste in Nordwand und Westturm erhalten, um 1400 nach Süden verbreitert und umgebaut zu gotischer Hallenkirche mit geradem Ostschluss.
Ausstattung
Kanzelaltarwand (18. Jh.) mit seitlichen Türen sowie älterer Renaissancekanzel mit Schalldeckel und bekrönendem Kreuz, davor schlichter Blockaltar mit seitlichen Schranken; Kanzelkorb mit kannelierten, korinthischen Säulchen vor den Ecken sowie Gemälden an den Wandungen (Petrus, Paulus, Johannes der Täufer), links und rechts der Kanzel jeweils zwei Evangelistengemälde, darüber Gemälde mit Moses (links) und Aaron (rechts); unterhalb des Kanzelkorbs Himmelfahrtsgemälde. – Achtseitige Sandsteintaufe (1622), Inschriften: „Hians Relner, Friderich Cords“ und „Her Iohan Rothmvller. Heinrich Sichirades 1622“; Fuß wohl aus ehemaligem Säulenkapitell.49 – Reste eines Taufengels (vielleicht um 1650), möglicherweise 1725 angeschafft, lag lange Zeit auf dem Dachboden, seit 1980 wieder in der Kirche.50 – Reste eines frühgotischen Kruzifixes (Anfang 13. Jh.), seit 1980 wieder in der Kirche. – Farbig gefasster Grabstein für Katharina Maria Mengershausen († 1710), Tochter von P. Johann Heinrich Mengershausen (amt. 1713–1744), über der Inschrift zwei Engel mit Wappen. – Kreuzigungsgemälde (1631 oder 1634), Öl auf Holz, signiert: „H I 1631“ oder „H D 1634“.51 – Porträtgemälde P. Christoph Heinrich Gesenius (amt. 1689–1707), Öl auf Leinwand. – Außen: Mehrere Grabsteine (17./18. Jh.).
Orgel
1643 alte Orgel (oder Teile davon) aus der Kirche St. Blasien in Münden erworben.52 1717 Instrument schadhaft, später repariert. 1769 Orgelneubau, Zustand 1862: 17 II/P.53 1870 Neubau des Orgelwerks, ausgeführt von Ph. Furtwängler & Söhne (Elze), 18 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen (Opus 106), vier Register der Vorgängerorgel übernommen, vorhandenen Prospekt übernommen und seitlich vergrößert.54 Zinnerne Prospektpfeifen im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben, später durch Zinkpfeifen ersetzt. 1960 Instandsetzung, Rudolf Janke (Bovenden). 1985 Instandsetzung, Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen).
Geläut
Drei LG, I: dis’ (Bronze, Gj. 1960, Heinrich Kurtz, Stuttgart), Inschrift: „Verleih uns Frieden gnaediglich, Herr Gott zu unsern Zeiten. Mit diesem Wunsch ist die Glocke im Jahr 1960 anlässlich des 750 jährigen Jubiläums der St. Michaeliskirche gegossen worden, nachdem die bisherige 1853 gegossene Glocke durch Ablieferung ein Opfer des 2. Weltkrieges geworden war. Ev. luth. Kirchengemeinde Zellmann, Gemeinde Hedemünden Möhlhenrich. Gegossen von der Glockengiesserei Heinrich Kurtz Stuttgart für die Michaeliskirche in Hedemünden 1960“, Bild: Christusmonogramm; II: fis’ (Bronze, Gj. 1853, H. Olsen, Berlin), Inschriften: „Nur ewigen und ernsten Dingen sei ihr metallner Mund geweiht“, „Der zeitige Pastor und Magistrat 1853. A. W. C. Behne Pastor. I. F. C. Flecke Bürgerm[ei]st[e]r, L. A. C. Stichtenoth und I. F. Schrader, Bürgerdeputirte“ und „Gegossen im Jahre 1853 für die St. Michaeliskirche in Hedemünden von H. Olsen, Glockengiesser aus Berlin. In Commission des C. Isermann Ebergötzen“; III: h’ (Bronze, Gj. 1781, Christoph See, Kreuzburg), Inschriften: „Neu gegossen aus den Stücken der am 4ten Dez[em]b[e]r 1779 durch Windsturm mit dem Thurm ohne einen Menschen zu beschädigen heruntergefallenen Schlageglocke zur Zeit des Oberhauptmannes V. Hanstein Amt[man]n Daniel. Consul I. I. Hoffmeister. Camerer I. C. Schrader. Senat H. A. Flecke I F L“ und „I. Christoph See gos mich in Hedemünden Anno 1781“, Bild: Erzengel Michael, im Zweiten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben, nicht eingeschmolzen und seit 1948 wieder in Hedemünden.55 Eine SG, I: g’’ (Bronze, Gj. 13. Jh.), Bienenkorbform, Inschrift: „Pa+er Nos+er“ (Vater Unser), im Zweiten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben, nicht eingeschmolzen und seit 1948 wieder in Hedemünden, ursprünglich LG.56 – Früherer Bestand: Eine große und eine kleine LG (Bronze, Gj. wohl 1521), eine mit Inschrift: „o rex gloriae veni cum salute et pace“ (Oh, König der Ehre, komm mit Heil und Frieden), eine Glocke wohl 1604 und 1738 umgegossen, beide Glocken 1853 beim Guss der beiden neuen Glocken eingeschmolzen.57 Eine LG, wohl dis’, Ø 128 Zentimeter, 1.309 Kilogramm (Bronze, Gj. 1853, H. Olsen, Berlin), Inschrift u. a.: „Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine versammle sie die liebe Gemeine“, im Zweiten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgeben. Eine SG (Bronze), 1779 bei Einsturz des Turmdachs zerstört, aus den Bruchstücken 1784 Guss der jetzigen LG III.
Weitere kirchliche Gebäude
Pfarrhaus (Bj. 1753, seit 1962 Eigentum der KG).58 – Gemeindehaus „Katharinenhaus“ (Bj. 1998/99).
Friedhof
Ehemaliger kirchlicher Friedhof rund um die Kirche. Neuer Friedhof nordwestlich des historischen Ortskerns, angelegt 1843, erweitert 1866 und 1885, seit 1972 in kommunaler Verwaltung, FKap (Bj. 1972).
Liste der Pastoren (bis 1940)
Vor 1562 Wilhelm Barch. – 1562–1572 Konrad Rothard. – 1585–1604 Martin Seesen. – 1605–1626 Johannes Rothmüller. – 1627–1665 Georg Ströver. – 1665–1689 Johannes Ströver. – 1689–1707 Christoph Heinrich Gesenius. – 1707–1713 Johannes Justus Berkelmann. – 1713–1744 Johann Heinrich Mengershausen. – 1744–1771 Johann Georg Schwachheim. – 1773–1798 Johann Schultesius. – 1798–1805 Johann Christian Friedrich Bornträger. – 1805–1820 Johann Christian Dille. – 1820–1830 Johann Georg Daniel Richter. – 1832–1835 Christian Heinrich August Germar. – 1836–1858 August Wilhelm Christian Behne. – 1859–1884 Heinrich Robert Meißner. – 1886–1909 Ludwig Wilhelm August Schumann. – 1909–1910 Karl August Hermann Mirow. – 1911–1933 Eduard Viktor Hagenberg. – 1933–1947 Gerhard Karl Albert Burgstaller.
Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 476 und III, S. 25
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 1 Nr. 4951–4984 (Pfarroffizialsachen); A 5 Nr. 480, 484 (Spec. Landeskons.); A 6 3418–3430 (Pfarrbestallungsakten); A 9 Nr. 973, 974, 975, 976 (Visitationen); S 09 rep Nr. 1321 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 7432 (Findbuch PfA).
Kirchenbücher
Taufen: ab 1588 (Lücken: 1625–1627)
Trauungen: ab 1627
Begräbnisse: ab 1636 (Lücken: 1761–1764; unvollständig: 1759, 1760)
Kommunikanten: ab 1733 (Lücken: 1745–1804; Zahlenregister: 1947–1950)
Konfirmationen: ab 1666 (Lücken: 1668, 1669, 1694, 1706, 1724, 1735, 1738, 1758–1772)
Literatur & Links
A: Gemeindebuch KKV Münden, S. 44–46; Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 248 f., Nr. 29; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 661–662; Grote/van der Ploeg/Kellner, Wandmalerei, Katalogband, Nr. 125; Casemir/Ohainski/Udolph, Ortsnamen Lkr. Göttingen, S. 184–189; Lufen, Denkmaltopographie Altkr. Münden, S. 191–196.
B: Klaus Grote: Hedemünden, in: Stadt und Landkreis Göttingen (= Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland 17), Stuttgart 1988, S. 195–198; Heinrich Hampe: Hedemünden. Aus der Geschichte einer kleinen Ackerbürgerstadt bis zu ihrem Verzicht auf die Stadtrechte 1930, Hann. Münden-Oberode 1992; Ulrich Harbort: Die Kirchengemeinde St. Michaelis Hedemünden, in: Hampe, S. 126–148; Heinrich Kühnhold: Die Einführung der Lehre Luthers in Hedemünden. Ein Beitrag zur Geschichte der Reformation und Gegenreformation in Südhannover, Hannover 1905; Heinrich Kühnhold: Beschwerdeschrift des Rats und der Gemeinde zu Hedemünden an Herzog Erich II. wegen des Pastors Conrad Rothart (ca. 1570), in: ZGNKG 11 (1906), S. 230–235; Heinrich Kühnhold: Vorreformatorische Kirchenurkunden von Hedemünden, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen 65 (1900), S. 319–324 [online]; Heinrich Lütkemann: Aus der Geschichte eines Stipendiums von 1520 (nach den Akten des Königl. Landratsamts in Münden), in: ZGNKG 18 (1913), S. 206–221; Gudrun Pischke: Hedemünden, Werden und Ende einer kleinen Stadt, in: Südniedersachsen 19 (1991), S. 10–14 (wieder in: Hampe, S. 67–70).
Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Kirche.
Website der Kirchengemeinde (27.04.2022)
Fußnoten
- Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien I, S. 156
- MGH DD H II 375 [Digitalisat]; UB Kaufungen I, Nr. 5. Vgl. zum Ortsnamen Casemir/Ohainski/Udolph, Ortsnamen Lkr. Göttingen, S. 184 ff. Zum Kloster siehe „Benediktinerinnenkloster Kaufungen, Gemeinde Kaufungen“, in: Klöster https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/kl/id/7758 (Stand: 29.11.2021).
- UB Hilwartshausen, Nr. 49; UB Kaufungen I, Nr. 83, 136.
- UB Kaufungen I, Nr. 211. Knapp zur Stadtentwicklung: Pischke, S. 10 ff.
- NLA HA Dep. 27 A Nr. 3.
- NLA HA Dep. 27 A Nr. 8; UB Kaufungen II, Nachträge, Nr. 766b (S. 522); Pischke, S. 12. Zum Amt Münden: NLA HA Hann. 74 Münden, Beschreibung.
- NLA HA Dep. 27 A Nr. 13; Pischke, S. 13.
- NLA HA Dep. 27 A Nr. 14.
- Beide Zitate: Pischke, S. 14.
- LkAH, L 5c, unverz., Hedemünden, Visitation 1966.
- Lufen, Denkmaltopographie Altkr. Münden, S. 195; siehe auch http://www.grote-archaeologie.de/kirchenkloester.html, 27.04.2022.
- UB Hilwartshausen, Nr. 49.
- 1300: Kühnhold, Kirchenurkunden, S. 319 f. (NLA HA Dep. 27 A Nr. 1), die Urkunde wurde in Rom ausgestellt von Basilius, Ebf. der Armenier in Jerusalem (Eubel, Hierarchia I, S. 110 mit Anm. 1), Ebf. Ranucius von Cagliari († 1322) und Bf. Nikolaus von Tortiboli († 1317?). 1318: Kühnhold, Kirchenurkunden, S. 320 f. (NLA HA Dep. 27 A Nr. 2), die Urkunde wurde ausgestellt in Fritzlar von Ebf. Peter von Mainz († 1320). Harbort, S. 128, bezieht die Ablässe auf Wallfahrten zu einem Katharinenaltar in der Michaeliskirche, der sich ursprünglich „in der Kapelle auf dem Haaghügel“ befunden habe.
- UB Kaufungen I, Nr. 178 (Heylberto presbitero in Hedeminne); UB Mariengarten, Nr. 174.
- UB Kaufungen II, Nachträge, Nr. 427 a, 427b; Kühnhold, Kirchenurkunden, S. 321 f. (NLA HA Dep. 27 A Nr. 3; NLA HA Dep. 27 A Nr. 4).
- RG Online, RG IX 01005, http://rg-online.dhi-roma.it/RG/9/1005, 27.04.2022.
- Kühnhold, Kirchenurkunden, S. 323 (NLA HA Dep. 27 A Nr. 9).
- Harbort, S. 130. Urkunden und Statuten der Stiftung (1520–1910) bei Lütkemann, S. 206 ff. Siehe auch LkAH, L 5c, unverz., Hedemünden, Visitation 1991; LkAH, B 1 A, Nr. 9275; LkAH, B 1, Nr. 15146–15148.
- Harbort, S. 130. Siehe auch https://kirche-hedemuenden.wir-e.de/stiftung, 27.04.2022.
- Lütkemann, S. 206.
- Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 708 ff.; Butt, Herrschaft, S. 47 ff.
- Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 83 ff.
- Dies und die folgenden Zitate: Kühnhold, Beschwerdeschrift, S. 231 ff.
- Harbort, S. 131.
- Kayser, General-Kirchenvisitation I, S. 154. P. Seesen hatte die Pfarrstelle bereits seit 1585 inne, erhielt seine Belehnung jedoch anscheinend erst nach der Visitation von 1588.
- KABl. 1911, S. 29.
- Zit. bei Harbort, S. 132.
- Zum Folgenden: Obenaus, Handbuch II, S. 1050 ff.; Hampe, S. 256 ff.
- Verzeichnis der Gräber bei Hampe, S. 260 ff.
- LkAH, S 1 H III Nr. 419, Bl. 17. Zum Fragebogen allgemein: Kück, Ausgefüllt, S. 341 ff.
- LkAH, S 1 H III Nr. 419, Bl. 18; LkAH, L 5c, unverz., Hedemünden, Visitation 1966.
- LkAH, S 1 H III Nr. 419, Bl. 17; Harbort, S. 133.
- LkAH, L 5c, unverz., Hedemünden, Visitation 1966.
- LkAH, L 5c, unverz., Hedemünden, Visitation 1984.
- LkAH, B 2 G 9 B, Nr. 299, Bl. 9 und 118 ff.
- LkAH, B 2 G 9 B, Nr. 299, S. 97 ff.
- LkAH, B 2 G 9 B, Nr. 299, S. 96.
- Harbort 144.
- KABl. 1998, S. 126.
- LkAH, L 5c, unverz., Hedemünden, Visitation 1951.
- Kayser, Registrum II, S. 277.
- Steinmetz, GSup. Göttingen I, S. 109.
- KABl. 2022, S. 189 ff.
- Harbort, S. 127 ff.
- DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 29 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di066g012k0002903.
- Harbort, S. 142.
- Zum Turm: Hampe, S. 202 f.
- Grote, S. 195 ff. (mit Grundrissen und Rekonstruktionen).
- DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 329 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di066g012k0032908; Harbort, S. 138.
- Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 248 f., Nr. 29.
- DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 348 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di066g012k0034806; nach Harbort, S. 138: „H. L. 1632“.
- LkAH, B 2 G 9 B, Nr. 299, Bl. 59. Zur Orgel vgl. Harbort, S. 135 f.
- LkAH, B 2 G 9 B, Nr. 299, Bl. 195.
- Pape/Schloetmann, Hammer, S. 92; LkAH, B 2 G 9 B, Nr. 299, Bl. 59.
- LkAH, B 2 G 9 B, Nr. 299, Bl. 3 und 5.
- DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 7 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di066g012k0000700; LkAH, B 2 G 9 B, Nr. 299, Bl. 4 und 6.
- DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 129† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di066g012k0012908; LkAH, B 2 G 9 B, Nr. 299, Bl. 124; Harbort, S. 135.
- Harbort, S. 144.