KapG der KG Escherode-Nieste | Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Göttingen-Münden (Amtsbereich Münden) | Patrozinium: Elisabeth (um 1994)1 | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Urkundlich erwähnt ist dat dorp to deme Nygen Haghen, dat ghelegen is bi Essekerode erstmals im Jahr 1351.2 Das Dorf, gegründet wohl im 13. Jh., ist vermutlich eine der jüngsten Siedlungen am Kaufunger Wald.3 Seit Mitte des 13. Jh. gehörte das Gebiet zum Machtbereich der Welfen. Nienhagen zählte zum Gericht Sichelnstein im Fsm. Göttingen (1495 Fsm. Calenberg-Göttingen, „Kernlande Hannover“, 1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover). Das Gericht war seit 1500 an die Lgft. Hessen verpfändet und wurde seit der Wiedereinlösung um 1535 vom Amt Münden mitverwaltet (sogenanntes Oberamt).4 In französischer Zeit war Nienhagen von 1807 bis 1813/14 Teil des Kantons Münden im Distrikt Cassel des Fuldadepartements im Kgr. Westphalen. Danach gehörte das Dorf, nun im Kgr. Hannover, wiederum zum Amt Münden. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel Nienhagen 1866 an das Kgr. Preußen. Bei Einführung der Kreisverfassung 1885 kam es zum Lkr. Münden, der 1973 im Lkr. Göttingen aufging. Im gleichen Jahr trat Nienhagen der neugegründeten Gemeinde Staufenberg bei. Neben Oberode hatte sich Nienhagen seit dem 17. Jh. zum „zweitwichtigsten Töpferdorf im niedersächsischen Teil des Kaufunger Waldes“ entwickelt. Darüber hinaus war die Leinenweberei ein wichtiger Erwerbszweig.5 In der ersten Hälfte des 18. Jh. begann der Kohlebergbau am kleinen Steinberg (bis 1932, ab 1800 staatlich).6 Um 1810 lebten gut 200 Menschen in Nienhagen, 1875 etwa 330 und 2013 insgesamt 325.

Kapelle, Ansicht von Südwesten, Teilansicht, um 1953

Kapelle, Ansicht von Südwesten, Teilansicht, um 1953

Die Kapelle in Nienhagen scheint eine nachref. Gründung zu sein. Belege aus vorref. Zeit fehlen, nachweisen lässt sie sich erstmals 1588. Als Vormund ihres minderjährigen Sohnes Erich hatte Hzgn. Elisabeth die luth. Lehre im Fsm. Calenberg-Göttingen eingeführt: 1542 setzte sie die von Antonius Corvinus verfasste Kirchenordnung in Kraft und 1542/43 ließ sie die Gemeinden des Fürstentums visitieren.7 Im Jahr 1545 übernahm der nunmehr volljährige Hzg. Erich II. die Regierungsgeschäfte und wechselte 1547 zum kath. Glauben. Die Calenbergischen Stände widersetzten sich jedoch seinen Rekatholisierungsbestrebungen und konnten 1553/55 die Beibehaltung der luth. Lehre in den Kirchspielen des Fürstentums sicherstellen. Nach dem Tod Erichs II. fiel das Fsm. Calenberg-Göttingen 1584 an Braunschweig-Wolfenbüttel und Hzg. Julius führte seine 1569 aufgestellte ev. KO auch hier ein.8 1588 ließ er die Gemeinden visitieren. Im Protokoll dieser Visitation ist vermerkt, dass P. Christian Rischius (amt. 1565–1597), Pastor in Uschlag, auch für die Dörfer Dahlheim, Escherode, Nienhagen und Nieste zuständig sei. Dem Hinweis „Neuenhagen ist filia“ (also Tochtergemeinde), ist zu entnehmen, dass das Dorf seinerzeit eine Kapelle besaß.9 Sie war möglicherweise in den 1570er Jahren erbaut worden.10 Das älteste erhaltene Ausstattungsstück im heutigen Kirchengebäude ist der Taufstein, der die Jahreszahl 1599 trägt.
Bei der Visitation 1675 beklagten sich die Gemeinden Escherode, Nienhagen und Nieste darüber, dass „die Predigen fast alle Sonn- und Festtage bei uns so lange verzogen werden, daß die eingepfarrten Dörfer und bevorab schwache Leute solches nicht abwarten können“.11 Zudem solle der Pastor „das Schelten und Schmähen in seinen Predigen“ unterlassen. Umgekehrt legte P. Heinrich Klötzer (amt. 1668–1676) eine gut 20seitige Zusammenstellung von Gravamina (Beschwerden) über die Kirchspielgemeinden vor, gegliedert in die Punkte „Profanation und Entheiligung des Sabbaths“, „Schmach und Beleidigung der Älteren“, „Hurerei und Unzucht“, „Frevel und Benachteiligung“ sowie „Böse Gewohnheiten“, jeweils versehen mit Beispielen.12
Bis hinein in die erste Hälfte des 18. Jh. besuchten die Kinder Nienhagens die Schule in Escherode. Im Jahr 1741 erhielt das Dorf mit Justus Johannes Koch (amt. 1741–1745) einen eigenen Lehrer. Ihm folgte Johann Heinrich Bachmann (amt. 1745–1776).13 Die pfarramtliche Versorgung der einzelnen Dörfer der Parochie bereitete auch im 18. Jh. weiter Probleme. Der Mündener Sup. Johann Georg Schwachheim (amt. 1744–1771) machte 1757 einen Vorschlag zur „beßern Versehung der weitläufigen combinirten Mutter und Filial-Pfarren Uschlag, Escherode, Nieste, Nienhagen“, der allerdings nicht überliefert ist.14 1778 beklagten sich die Gemeinden Nieste und Nienhagen über P. Johann Dietrich Hagedorn (amt. 1763–1799) „wegen Nichtabhaltung von Gottesdiensten“.15
Die anhaltenden Klagen und Diskussionen über die Neuordnung des Kirchspiels führten 1829 schließlich zur Einrichtung einer Pfarrstelle in Escherode, die als erster P. Christian Ludwig Meyer (amt. 1829–1852) übernahm. Sein Pfarrsprengel umfasste auch die Dörfer Dahlheim, Nienhagen und Nieste.16 Beim Bau des Pfarrhauses in Escherode übernahm die KapG Nienhagen 5/22 der Kosten.17

Kirche Nienhagen, Blick zur Westempore (ehemalige Kanzelaltarwand), 1965

Kirche, Blick zur Westempore (ehemalige Kanzelaltarwand), 1965

Im Jahr 1859 sprach sich der KapV der Gemeinde Nienhagen für einen Neubau der Dorfkapelle aus. Zunächst war erneut an eine Fachwerkkirche gedacht, die Pläne wurden jedoch zu Gunsten der Entwürfe des Hannoveraner Konsistorialbaumeisters Conrad Wilhelm Hase (1818–1902) fallen gelassen.18 In den Jahren 1867 bis 1869 entstand der neugotische Sandsteinquaderbau, der als „Versuch einer Übertragung gotischer ‚Großformen‘ auf den Dorfkirchenbau“ angesehen werden kann.19 Anstatt der bisherigen kleinen Bronzeglocke erhielt die neue Kirche aus der Gießerei Bochumer Verein zwei Gussstahlglocken, eine noch recht junge Entwicklung des 19. Jh. Eine der beiden Glocken hängt heute in einem kleinen Glockenstuhl vor der Kirche. Im Jahr 1907 gründete sich der Posaunenchor Nienhagen.20
Während der NS-Zeit hatte P. Otto Heinrich Ernst Lücke (amt. 1932–1944) das Pfarramt für Dahlheim, Escherode, Nienhagen und Nieste inne. Im „Fragebogen zur Geschichte der Landeskirche von 1933 bis Kriegsende“ schrieb der mit der Verwaltung der Pfarrstelle beauftragte Ostgeistliche P. Joachim Flick (amt. 1945–1951), P. Lücke habe kirchenpolitisch den DC nahegestanden.21 Nach der Visitation der Gemeinde 1938 hielt der Mündener Sup. Johann Klaus Heinrich Köncke (amt. 1926–1950) fest, das kirchliche Leben der Parochie stehe „im Zeichen des äußeren und inneren Zerfalls“.22 Gottesdienste fanden in Nienhagen alle zwei Wochen statt.
In der zweiten Hälfte des 20. Jh. fielen die Einschätzungen der Visitatoren positiver aus, etwa 1953: „Beachtlich ist auf jeden Fall die Freude am Hause Gottes in allen drei Gemeinden und die bestehende Jugendarbeit“ und 1980: „Die Kirchengemeinde erfreut sich seit Jahren eines wachsenden Lebens in vielen Bereichen kirchlichen Lebens“.23 1991 schaffte die Gemeinde Einzelkelche für das Abendmahl an.24 In den 1990er Jahren erhielt die Kirche in Nienhagen der Namen St. Elisabeth.25

Umfang

Nienhagen

Patronat

Der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau

Dreijochiger, neugotischer Sandsteinquaderbau mit dreiseitigem Chorschluss, ausgerichtet ostsüdöstlich, erbaut 1867–69 (Architekt: Conrad Wilhelm Hase, Hannover).26 Satteldach, über dem Chor abgewalmt. An den Längsseiten Strebepfeiler, dazwischen gekuppelte Doppelfenster mit Dreipassbögen; am Chor Strebepfeiler und kleine Rosettenfenster oberhalb des Chorumgangs. Im Innern Kreuzrippengewölbe, Westempore, Chorumgang mit flachbogigen Säulenarkaden. 1879 Westempore erweitert. 1951 neue Fenster. 1957 Renovierung. 1968 Außenrenovierung. 1988 Dacherneuerung und Mauerwerkssanierung. 1993/94 Außen- und Innenrenovierung.

Turm

Querrechteckiger Westturm mit Satteldach, Uhrerkern nach Norden und Süden sowie über Eck gestellter Turmspitze mit offener Laterne und vierseitigem Pyramidenhelm, bekrönt mit Kreuz. An Nordseite halbrunder Treppenturm mit Halbkegeldach. Nach Westen flachbogiges Hauptportal mit Freitreppe, darüber drei kleine Fenster mit Dreipassbögen, darüber drei gestaffelte Fenster mit Dreipassbögen. 1945 Schäden im Eingangsbereich durch Artilleriebeschuss. 1962 Turmreparatur (u. a. Kupferdeckung, Wetterhahn durch Kreuz ersetzt), zudem, Ziffernblätter abgebaut (Uhrwerk von 1787/89 im Jahr 1945 beschädigt und nicht mehr repariert). 1995 neue Turmuhr („Christ Uhr“), gestiftet von Christian und Erika Gollong.

Vorgängerbau

Fachwerkkapelle ohne Turm, erbaut wohl in der zweiten Hälfte des 16. Jh.27 32 Fuß lang, 24 Fuß breit, flache Decke im Innenraum. Glocke hing unter dem Kirchendach.28 1773 Reparatur. Um 1787/89 neue Uhr. 1867 Kirche wegen Baufälligkeit abgerissen (Uhr in neue Kirche übernommen).

Ausstattung

Blockaltar aus Sandstein (1868/69), geschnitzter, farbig gefasster Altaraufsatz mit Kruzifix (1868, Gustav Heinrich Eberlein, Nürnberg), an den Enden der Kreuzbalken Symbole der vier Evangelisten.29 – Hölzerne, erhöhte Kanzel (1869), polygonaler Kanzelkorb. – Taufstein (1599), rundes, kelchförmiges Becken, vierseitiger Schaft mit abgeschrägten Kanten, am Becken Inschrift „Anno 1599“.30 – Relieftafel aus Keramik (1999, Wilfried Kluess, Nienhagen), Bildnis der heiligen Elisabeth. – Außen: Barocke Grabsteine (18. Jh.).

Orgel, nach 1962

Orgel, nach 1962

Orgel

1734 keine Orgel vorhanden. Orgelneubau für die neue Kirche, ausgeführt 1868/69 von Firma Gebrüder Rohlfing (Osnabrück), 6 I/aP, mechanische Traktur (Zustand 1944), 1879 Orgelempore erweitert, Instrument repariert und umgesetzt. Zinnpfeifen im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben (1917), 1926 durch Zinkpfeifen ersetzt. 1957 Instrument abgebaut. 1959 und 1962 Orgelneubau in zwei Bauabschnitten, ausgeführt von Werner Bosch (Kassel), zunächst 6 I/P, dann 12 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen. 1968 erweitert auf 13 II/P, Geschenk des Orgelbauers Werner Bosch (Kassel) zur 100-Jahrfeier des Kirchengebäudes. 1998 Instandsetzung.

Geläut

Zwei LG, I: e’’ (Bronze, Gj. 1974, Petit & Gebrüder Edelbrock, Gescher), Inschrift: „O, Land, Land, Land, höre des Herren Wort“ und „Nienhagen 1974“; II: fis’’ (Bronze, Gj. 1953, Wilhelmshütte, Bockenem), Inschrift: „O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort“, in Nienhagen aufgehängt 1962. – Früherer Bestand: 1734 eine Glocke (Bronze) vorhanden, diente als LG und SG, 1867/68 bei Kauf des neuen Stahlgeläuts in Zahlung gegeben. Nach Neubau der Kirche neues Zweiergeläut angeschafft, I: g’’; II: h’’ (beide Gussstahl, Gj. 1868, Bochumer Verein), LG II 1962 durch jetzige LG II ersetzt und verschrottet. LG I 1974 durch jetzige LG I ersetzt, im Vorraum der Kirche aufgestellt, ab 1985 in der FKap Dahlheim genutzt, ab 1989 wieder in Nienhagen und in kleinem Glockenstuhl neben der Kirche aufgehängt.

Friedhof

Ehemaliger Friedhof bei der Kirche. Neuer Friedhof am nördlichen Dorfrand, angelegt Mitte des 19. Jh., Eigentum der politischen Gemeinde, FKap (Bj. 1968/69).31

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 3259, 11089, 11091 (Pfarroffizialsachen); E 5 Nr. 790 (Konsistorialbaumeister); S 11a Nr. 7429 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Kommunikanten: 1879–1910

Im Übrigen siehe Mutterkirche Escherode.

Literatur

A: Gemeindebuch KKV Münden, S. 40–41; Casemir/Ohainski/Udolph, Ortsnamen Lkr. Göttingen, S. 298; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 985; Lufen, Denkmaltopographie Altkr. Münden, S. 263–264.

B: Günther Kaerger & Adolf Kraft: Die Flurnamen der Gemarkung Nienhagen sowie der Genossenschaftsforsten Nienhagen, Landwehrhagen und Lutterberg (tlw) in der Gemeinde Staufenberg, Staufenberg 1986; Adolf Kraft: Aus der Geschichte der Kirche Nienhagens und der Mutterkirche Escherode, Nienhagen 2004; Adolf Kraft & Erich Haldorn: Nienhagen. 1351–2001. Ein Dorf erzählt aus seinem Leben. Geschichte und Geschichten des Dorfes Nienhagen mit Bildern, Nienhagen 2001, bes. S. 59–71.

GND

7580057-3, Sankt Elisabeth (Nienhagen, Staufenberg, Göttingen)


Fußnoten

  1. Kraft, S. 73 f.
  2. Sudendorf, UB II, Nr. 394. Zum Ortsnamen: Casemir/Ohainski/Udolph, Ortsnamen Lkr. Göttingen, S. 298.
  3. Kaerger & Kraft, S. 28.
  4. NLA HA Hann. 74 Münden, Beschreibung; Eisenträger & Krug, Territorialgeschichte, Nr. 1 (S. 248 ff.).
  5. Kaerger & Kraft, S. 29 und S. 44 ff.
  6. Kraft & Haldorn, S. 103 ff.
  7. Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 708 ff.; Butt, Herrschaft, S. 47 ff.
  8. Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 83 ff.
  9. Zum Folgenden: Kayser, General-Kirchenvisitation I, S. 155.
  10. Kraft, S. 4.
  11. Althaus, Generalvisitation I, S. 138.
  12. Althaus, Generalvisitation I, S. 139. Zu P. Klötzer vgl. auch Kraft, S. 88 f.
  13. Kraft & Haldorn, S. 78.
  14. Kraft, S. 15.
  15. LkAH, A 1, Nr. 11091.
  16. Kraft, S. 18.
  17. Kraft, S. 21.
  18. Kraft, S. 25 ff.
  19. Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 985.
  20. Kraft & Haldorn, S. 245 ff.
  21. LkAH, S 1 H III, Nr. 419, Bl. 13. Allgemein zum Fragebogen: Kück, Ausgefüllt, S. 341 ff.
  22. LkAH, L 5c, unverz., Escherode, Visitation 1938.
  23. LkAH, L 5c, unverz., Escherode, Visitationen 1953 und 1980.
  24. Kraft, S. 73.
  25. Kraft, S. 73 f.
  26. Siehe: http://glass-portal.privat.t-online.de/cwhase/m-r/nienhagen_kirche.htm, 14.06.2022.
  27. Kraft, S. 4.
  28. Kraft, S. 75 ff. (CB von 1734).
  29. Kraft, S. 39 ff.
  30. DI 66, Lkr. Göttingen, A1, Nr. 44 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di066g012a1004405.
  31. Kaerger & Kraft, S. 13.