Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hildesheim-Sarstedt | Patrozinium: – | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Das Dorf Wehmingen, heute Ortsteil der Stadt Sehnde, ist schriftlich erstmals im Jahr 1240 fassbar: In der Zeugenliste einer Urkunde Bf. Konrads von Hildesheim erscheinen Conradus et Henricus de Weminge1 und in einer Urkunde des Propstes Hugo vom Hildesheimer Heiligkreuzstift, vermutlich ebenfalls von 1240, wird ein Albert de Weminge genannt.2 Das Kreuzstift besaß Güter in Wehmingen und setzte dort 1251 einen neuen Verwalter (villicus) ein.3 Wehmingen gehörte zum Amt Ruthe des Hochstifts Hildesheim, das in der Hildesheimer Stiftsfehde (1519–1523) an die Welfen fiel. Vereinigt mit dem Amt Koldingen bildete Ruthe das Amt Lauenburg (mitunter auch Koldingen genannt) des welfischen Teilfsm. Calenberg. Seit der Restitution des Großen Stifts 1643 gehörte das Amt Ruthe mit Wehmingen wieder zum Hochstift Hildesheim. Aufgrund der Bestimmungen des Reichsdeputationshauptschlusses kam das Stiftsgebiet 1803 an Preußen. Von 1807 bis 1810 gehörte Wehmingen zum Kanton Groß-Algermissen des Distrikts Hildesheim im Departement Oker des Kgr. Westphalen und zählte dann bis 1813 zum Kanton Sarstedt des Distrikts Hannover im Departement Aller. Danach kam der Ort wieder zum Amt Ruthe, nun im Kgr. Hannover. Ruthe wurde 1859 in das Amt Hildesheim eingegliedert. Mit der Annexion des Kgr. Hannover im Jahr 1866 wurde Wehmingen wieder preußisch und kam 1885 zum Lkr. Hildesheim. Am 1. März 1974 wurde Wehmingen in die Gemeinde Sehnde (1997: Stadt) eingegliedert. Lange Zeit landwirtschaftlich geprägt entwickelte sich das Dorf seit Ende der 1960er Jahre zu einer „Pendler- und Wohngemeinde“.4 Die Haufensiedlung zählte 1813 gut 200 Einwohner, 1938 gut 330 und 1959 gut 700. Nachdem die Bevölkerungszahl 1987 bei etwa 460 lag, stieg sie bis 2015 wieder auf etwa 700 an.

Kirche, Ansicht von Nordwesten, um 1955

Kirche, Ansicht von Nordwesten, um 1955

Kirchlich gehörte Wehmingen bis in die zweite Hälfte des 17. Jh. zum Kirchspiel Lühnde und hatte 1542 als seinerzeit calenbergisches Dorf zusammen mit seiner Muttergemeinde zur luth. Lehre gewechselt, als Elisabeth von Calenberg-Göttingen die Reformation in ihrem Fsm. einführte. Eine eigene Kapelle besaß das Dorf bereits in vorref. Zeit; sie wird in den Protokollen der Kirchenvisitation von 1543 genannt (zu Wemingen in der Capell).5 Wegen der Größe des Kirchspiels Lühnde sprachen sich die Visitatoren 1543 dafür aus, dem Pfarrer einen Kaplan zur Seite zu stellen.6 Als erster Inhaber dieser Kaplanei lässt sich Nikolaus Oporinus (amt. 1563–1588) nachweisen. Im Bericht zur Visitation 1588 heißt es, er predige „zu Wehming und Wirring eine Woche um die ander, in der Woche gar nicht, weil er nicht bei den Leuten wohnt.“7 Seine theologischen Kenntnisse bewerteten die Visitatoren als mediocriter, also als mäßig. Die Einrichtung einer eigenen Kaplanei für Wehmingen und Wirringen führte langfristig zur Loslösung beider Gemeinden aus dem Kirchspiel Lühnde. Der Kaplan Hermann Hollmann (amt. 1590, 1594) richtetet eine eigene Küsterei ein und P. Henning Röper (amt. 1677–?) wurde nicht mehr in Lühnde, sondern in Wirringen eingeführt.8 Als verbundene Muttergemeinden (mater combinata) teilten sich die beiden Gemeinden weiterhin einen Pfarrer. Das Patronat über die Pfarrstelle besaß, wie auch in Lühnde, das Hildesheimer Sültekloster (St. Bartholomäus). 1730 wird Wehmingen in einer Beschreibung der luth. Dörfer des Hochstifts Hildesheim als Filial von Wirringen bezeichnet. Darüber hinaus heißt es dort: „Die Pfarr- und Kirchen Einkünffte sind hier schlecht“.9 Ein knappes Jahrhundert später bat P. Johann Gottfried Weigel (amt. 1823–1837) darum, Grundstücke zu erwerben, um die Pfarre einträglicher zu machen.10 Ende des 18. Jh. hatten beide Gemeinden ihre Kapellen erneuern lassen, zunächst Wirringen (1785), dann Wehmingen (1798/99). Der Wehminger Tischlermeister Daniel Schleth baute 1855 eine Orgel für die Kirche seiner Heimatgemeinde.

Kirche, Blick zum Altar

Kirche, Blick zum Altar

Von 1880 bis 1896 war die Pfarrstelle Wirringen-Wehmingen vakant und seit 1931 blieb sie erneut unbesetzt. Nachdem zeitweise der Ruheständler Propst i. R. Johannes Jakobsen (amt. 1937–1939), Mitglied der NSDAP, die Dörfer betreut hatte, übernahm nach zwölfjähriger Vakanz P. Rudolf Grote (amt. 1943–1946) das Pfarramt. Er war Mitglied der BK und berichtete rückblickend, weder die DC noch die NSDAP hätten in der NS-Zeit Einfluss auf das Gemeindeleben nehmen können.11 Seit 1953 betreute ein Ostpfarrer die beiden verbundenen Gemeinden. Der gemeinsame KV, halb gewählt und halb berufen, setzte sich jeweils zur Hälfte aus Wirringern und Wehmingern zusammen; die beiden Dörfer wählten getrennt voneinander.12 Im Bericht zur Visitation 1971 hielt der Sup. fest, dass „im Bereich Wirringen – Wehmingen – Müllingen und Bolzum eine pfarramtliche Neuordnung um der Gemeindeglieder willen dringend notwendig“13 sei. Diese begann 1976 mit der pfarramtlichen Verbindung der Gemeinden Bolzum, Müllingen, Wehmingen und Wirringen.14 Da einer der beiden Pfarrer des gemeinsamen Pfarramtes für Müllingen und Wirringen zuständig war, der andere für Bolzum und Wehmingen, endete damit die seit der Reformation bestehende Verbindung der Gemeinden Wehmingen und Wirringen.
1988 löste das Landeskirchenamt die pfarramtliche Verbindung der fünf Gemeinden auf und bildete mit Wirringen, Müllingen und Wassel einerseits sowie Wehmingen und Bolzum andererseits zwei neue Verbünde.15 Gut anderthalb Jahrzehnte später bildeten die fünf Gemeinden 2004 erneut einen Pfarrverbund.16 Während Wirringen, Müllingen und Wassel 2006 zu einer KG fusionierten und 2012 zu den Mitgründern der KG Sarstedt-Land zählten, blieben Wehmingen und Bolzum eigenständig, sind jedoch weiterhin pfarramtlich verbunden. Im Jahr 2005 erhielt die Wehminger Kirche das „Signet für verlässlich geöffnete Kirchen“ und lädt seitdem täglich zu Gebet und Besichtigung ein. Das kirchliche Leben in den Gemeinden Bolzum und Wehmingen unterstützt seit 2008 die Nicomi-Stiftung („Nicht ohne mich-Stiftung“). Der Wechsel in den KK Burgdorf, den Teile der Gemeinden Wehmingen und Bolzum in den Jahren 2008 bis 2011 anstrebten, kam nicht zustande.

Umfang

Das Dorf Wehmingen.

Aufsichtsbezirk

Seit Loslösung vom Kirchspiel Lühnde bei der Insp. der Ämter Ruthe, Steinbrück und Steuerwald (ohne festen Suptur.-Sitz).17 1812 Insp. (1924: KK) Sarstedt, 1941 mit KK Hildesheim vereinigt. Ab Mai 1957 zum wiedererrichteten KK Sarstedt.18 Dieser zum 1. Januar 1999 mit dem KK Hildesheim zum KK Hildesheim-Sarstedt vereinigt.19

Patronat

Das Sültekloster (St. Bartholomäus) in Hildesheim. Nach dessen Aufhebung 1803 der Landesherr (bis 1871).

Kirchenbau
Kirche, Grundriss, 1938

Kirche, Grundriss, 1938

Kleine, rechteckige Saalkirche mit dreiseitig geschlossenem Chor, erbaut 1798/99. Quadermäßiges Bruchsteinmauerwerk, verputzt, mit Eckquaderung; im Osten abgewalmtes Satteldach, an den Längsseiten je drei flachbogige Fenster, an nördlicher und südlicher Chorschräge je eines; flachbogiges Portal im Westen, darüber Inschrift „Mein Haus ist ein Bethaus. Anno 1798“. Im Innern Spiegelgewölbe, über der tiefen Westempore flache Decke, leicht u-förmige Empore. 1946 Instandsetzung, 1961 Renovierung.

Turm

Westlicher quadratischer Dachreiter, verschiefert, Turmhelm mit quadratischem Ansatz und achteckig ausgezogener Spitze, erbaut zweite Hälfte 19. Jh. Uhrziffernblätter nach Norden und Süden.

Ausstattung

Schlichter Kanzelaltar (Anfang 19. Jh.), Kanzelkorb zwischen zwei Pilastern, darüber Schaldeckel und geschwungenes Giebelbrett, darunter Altarbild mit Abendmahlsszene; seitliche, geschwungene Wangen, breit ausladende Scherwände mit Durchgängen. – Holztaufe (1800). – Vier Glasfenster mit Brustbildern von Martin Luther, Paul Gerhardt, Antonius Corvinus und Philipp Melanchthon. – Im Chor zwei Glasfenster mit Weihnachts- und Auferstehungsszene.

Kirche, Blick zur Orgel

Kirche, Blick zur Orgel

Orgel

Neubau 1855, ausgeführt von Tischlermeister Daniel Schleth (Wehmingen), 9 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen. Nach Urteil des Orgelrevisors von 1951 ein „für die Heimatgeschichte der Gemeinde Wehmingen bedeutsame[s] Werk“.20 Restaurierung 1988 durch Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen). Denkmalorgel.

Geläut

Zwei LG, I: b’ (Bronze, Gj. 1926, Firma Radler, Hildesheim); II: c’’ (Bronze, Gj. 1656, Helmholdt), Patenglocke. – Früherer Bestand: Eine LG (Bronze, Gj. 1926, Firma Radler, Hildesheim) 1942 zu Kriegszwecken abgegeben.21

Friedhof

Im Eigentum der KG, FKap (Bj. 1988, Vorgängerbau Bj. um 1900).

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 11862–11867 (Pfarroffizialsachen); A 5 Nr. 804 (Spec. Landeskons.); A 6 Nr. 8792–8799 (Pfarrbestallungsakten); A 9 Nr. 2470Digitalisat, 2471Digitalisat, 2472Digitalisat, 2473Digitalisat (Visitationen); D 46 (EphA Sarstedt); S 11a Nr. 7282 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Kommunikanten: 1866–1881, Kladde für Kommunikanten der Mutterkirche

Im Übrigen siehe Mutterkirche Wirringen.

Literatur

A: Goedeke, Erbregister Ruthe/Koldingen, bes. S. 85–89; Jürgens u. a., KD Lkr. Hildesheim, S. 199–201; Meyer, Pastoren II, S. 520–521.

GND

2110587-X, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinden (Bolzum-Wehmingen)


Fußnoten

  1. UB HS Hildesheim II, Nr. 564.
  2. UB HS Hildesheim II, Nr. 604.
  3. UB HS Hildesheim II, Nr. 884.
  4. LkAH, L 5h, unverz., Wirringen-Wehmingen, Visitation 1971.
  5. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 433.
  6. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 351.
  7. Kayser, General-Kirchenvisitation II, S. 23.
  8. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 433, Anm. 892.
  9. Evangelischer Kirchenstaat, S. 83
  10. LkAH, A 01 Nr. 11864.
  11. LkAH, S 1 H III Nr. 316, Bl. 87 ff.
  12. LkAH, L 5h, unverz., Wirringen-Wehmingen, Visitation 1951.
  13. LkAH, L 5h, unverz., Wirringen-Wehmingen, Visitation 1971.
  14. KABl. 1975, S. 7.
  15. KABl. 1988, S. 15 f.
  16. KABl. 2004, S. 193.
  17. Meyer-Roscher, Streiflichter, S. 123.
  18. KABl. 1957, S. 61.
  19. KABl. 1998, S. 211 f.
  20. LkAH, L 5h, unverz., Wirringen-Wehmingen, Visitation 1951. Gj. der Radler-Glocken nach Jürgens u. a., KD Lkr. Hildesheim, S. 201.
  21. LkAH, B 2 G 9 B/Wirringen Bd. I, Bl. 3.