Sprengel Ostfriesland-Ems, KK Rhauderfehn | Patrozinium: Christus (seit 1995) | KO: Ostfriesische KO von 1716

Orts- und Kirchengeschichte

Erste Ansiedlungen im Gebiet des späteren Völlenerkönigsfehn lassen sich 1777 nachweisen.1 Die Moorkolonie wurde Anfang des 19. Jh. auch als Hondesteert und Hundemakerei bezeichnet. Als Ort in der Gemeinde Völlen gehörte Völlenerkönigsfehn zunächst zum ostfriesischen Amt Leer im Kgr. Preußen. In französischer Zeit zählte das Dorf ab 1807 zum Kgr. Holland und von 1810 bis 1813 zum Kaiserreich Frankreich (Département Ems-Oriental, Arrondissement Emden, Kanton Leer). Danach gehörte Völlenerkönigsfehn wieder zum Amt Leer, ab 1815 im Kgr. Hannover und nach der preußischen Annexion von 1866 erneut im Kgr. Preußen. Bei Einführung der Kreisverfassung kam der Ort zum Lkr. Leer. Seit 1973 bildet Völlen zusammen mit Völlenerfehn und Völlenerkönigsfehn einen Ortsteil der neuen Gemeinde Westoverledingen. Um 1900 war der größte Teil der erwerbstätigen Bevölkerung in Papenburg tätig.2 Im Jahr 1905 lebten knapp 730 Menschen in Völlenerkönigsfehn und 2011 rund 1.420.

Kirche (links) und Pfarrhaus (rechts), Ansicht von Südosten, 1907, Postkarte

Kirche (links) und Pfarrhaus (rechts), Ansicht von Südosten, 1907, Postkarte

Kirchlich gehörte die Moorsiedlung Völlenerkönigsfehn zunächst zur KG Völlen. 1853 erhielt der Ort eine eigene ev. Schule, 1866 auch eine kath.3 Der Völlener P. Jakob Garrelts (amt. 1871–1909) lud zeitweise alle vier Wochen zu Gottesdiensten in die Schule in Völlenerkönigsfehn ein. Nicht zuletzt aufgrund der großen Entfernung zur Kirche in Völlen drängten die Einwohner der Moorkolonie schon in den 1890er Jahren auf die Gründung einer eigenen KG, entweder allein oder zusammen mit Flachsmeer. Zunächst erhielten die Schulgemeinden Völlenerkönigsfehn und Flachsmeer 1901 mit P. Gerd Nanninga (amt. 1901–1910) einen Pfarrkollaborator (Hilfsgeistlichen).4 Zum 1. Oktober 1905 errichtete das Konsistorium schließlich die KG Völlenerkönigsfehn, in die auch der südliche Teil der Kolonie Flachsmeer eingepfarrt wurde, den bislang der Pastor von Steenfelde betreut hatte. Die neue KG blieb als Tochtergemeinde pfarramtlich mit der KG Völlen verbunden und erhielt eine ständige Pfarrkollaboratur (Hilfsgeistlichenstelle), die P. Nanninga übernahm.5
Der Bau der kleinen Kirche, an deren östlich Längswand sich das Pfarrhaus anschließt, folgte 1906/1907. Um die Gemeinde bei diesem Bauvorhaben zu unterstützen, organisierte der Lutherverein Stade für Januar 1907 eine Beckenkollekte in den Hzm. Bremen und Verden sowie im Land Hadeln – zu Gunsten der „armen ostfriesischen Moorgemeinde Völlenerkönigsfehn […], die, wirtschaftlich in äußerst bedrängter Lage, mitten in einer katholischen Umgebung liegt“.6 An Stelle eines Glockenturms erhob sich über dem Südgiebel ein kleiner, offener Dachreiter, in dem die einzige Glocke der Gemeinde untergebracht war. Einen Turm ließ die Gemeinde erst 1961/62 errichten.
Da eine Pfarrkollaboratur schlechter dotiert war als eine Pfarrstelle, blieben die Pastoren selten lange in Völlenerkönigsfehn: Zwischen 1905 und 1930 waren hier nacheinander sechs Pfarrer tätig. Während der NS-Zeit betreute P. Godlib Riese (amt. 1930–1943) die Gemeinde; er gehörte der Hannoverschen Bekenntnisgemeinschaft an.7 Sein Nachfolger, der Ostgeistliche P. Paul Kusche (amt. 1946–1949) schrieb 1947 in seinen Antworten zum „Fragebogen zur Geschichte der Landeskirche von 1933 bis Kriegsende“, in Völlenerkönigsfehn sei der alte KV bei den Kirchenwahlen 1933 bestätigt worden und einen Kirchenkampf habe es hier nicht gegeben.8 Bei der Visitation 1946 nannte der Sup. des KK Leer Völlenerkönigsfehn die „Perle unter den Gemeinden im Kirchenkreis“.9

Kirche

Kirche und Turm, Blick von Süden, 2012, Foto: fentjer, CC BY-NC-ND 4.0

Im Jahr 1950 erwirkte der KV die Umwandlung der Hilfsgeistlichenstelle in eine Pfarrhelferstelle, damit Pfarrvikar Hans Hundrieser (amt. 1949–1956) weiter in Völlenerkönigsfehn bleiben konnte.10 Zum 1. April 1957 erhielt die Gemeinde schließlich eine eigene Pfarrstelle; die pfarramtliche Verbindung mit der KG Völlen wurde aufgehoben.11 Eine weitere Umstrukturierung folgte 1966: Das Landeskirchenamt errichtete die KG Flachsmeer (der südliche Teil der Ortschaft hatte bislang zur KG Völlenerkönigsfehn gehört, der nördliche zur KG Steenfelde) und verband die neue KG pfarramtlich mit Völlenerkönigsfehn (Sitz des Pfarramtes).12 Das Wachstum der Gemeinde Flachsmeer führte 1992 zur Aufhebung der dieser Verbindung.13
Im Jahr 1969 beschrieb der Sup. des KK Leer Völlenerkönigsfehn als „ausgesprochene Fehngemeinde“, in deren Frömmigkeit die Gemeinschaftsbewegung noch spürbar sei und die nicht zuletzt durch die Nachbarschaft zum kath. Emsland geprägt sei. Im Gebiet der KG selbst setzte sich die Bevölkerung 1976 jeweils zur Hälfte aus Lutheranern und Katholiken zusammen. Die Gemeinde zeichne sich durch ein reges kirchliches Leben mit recht vielen Gemeindekreisen aus.14 Seit 1995 trägt die KG den Namen Christusgemeinde.15 Völlenerkönigsfehn ist die kleinste Gemeinde im KK Rhauderfehn; 2007 wandelte das LKA die Pfarrstelle in eine halbe Stelle um.

Umfang

Die Ortschaft Völlenerkönigsfehn, der ehemalige Gutsbezirk Oberledinger Domanialmoor (seit 1914)16 und der südliche Teil Flachsmeers (bis 1966, dann zur KG Flachsmeer).17

Aufsichtsbezirk

Bei Gründung der KG 1905 zur 6. luth. Insp. in Ostfriesland 1924: KK Leer). Ab 1. September 1974 KK Rhauderfehn.18

Kirchenbau
Kirche, Südostansicht

Kirche, Blick von Südosten, 2012, Foto: fentjer, CC BY-NC-ND 4.0

Nordnordöstlich ausgerichteter, rechteckiger Backsteinbau mit querrechteckiger Apsis, errichtet 1906/07. Satteldach mit Walm im Norden, Apsis mit Satteldach; unterhalb der Dachtraufe Kleeblattfries (nicht nach Süden); Westseite mit Strebepfeilern, dazwischen je zwei hochliegende, gekuppelte Spitzbogenfenster, flankiert von weiß ausgemalten, spitzbogigen Blendnischen, darunter Rundfenster; östliches Giebeldreieck mit elf weiß ausgemalten, spitzbogigen Blendnischen gefüllt; an Südseite Eingangshalle als Verbindung zum Kirchturm; an Ostseite schließt sich als Querbau das Pfarrhaus an. Im Innern flache Balkendecke, verziert mit Rankenmustern und Schriftfeldern; spitzer Triumphbogen zwischen Schiff und Apsis; Südempore. Neugestaltung Innenraum 1951/52 (u. a. Ausmalung der Decke, Hermann Oetken, Delmenhorst, und Neugestaltung Altarraum).19

Fenster

In der Apsis farbig gestaltetes Rundfenster, „Triumphierender Christus“ (1952, Entwurf: Hermann Oetken, Delmenhorst).

Turm

Südlich vor der Kirche freistehender Turm, über Eingangshalle mit Kirche verbunden, erbaut 1961/62 (Architekt: Bernd Hillrichs, Leer-Loga). Vierseitiges Zeltdach, bekrönt mit Kugel und Wetterfahne; Ziegelverblendung, im Erdgeschoss Sichtbeton; unterhalb der Dachtraufe rechteckige, dreigeteilte Schallfenster. Bis zum Bau des Kirchturms besaß die Kirche über dem Südgiebel einen offenen Dachreiter mit hoch ausgezogenem, vierseitigem Zeltdach.

Ausstattung

Hölzerner Blockaltar mit seitlichen Schranken (1907). – Holzkanzel (1907). – Holztaufe (1907).

Kirche, Blick zur Orgel

Kirche, Blick zur Orgel

Orgel

Erste Orgel erbaut 1907 von Firma Furtwängler & Hammer (Hannover), 4 I/aP, pneumatische Traktur, Taschenladen (Opus 598).20 Instandsetzung und Dispositionsänderung 1952, ausgeführt Firma Furtwängler & Hammer (Hannover). Neubau des Orgelwerks 1987–89, ausgeführt von Alfred Führer (Wilhelmshaven), 6 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen; historischer Prospekt erhalten.

Geläut

Drei LG, erworben 1971, I: b’ (Bronze, Gj. 1892, Firma Otto, Bremen-Hemelingen), Inschrift: „S. Laurenti o[ra] p[ro] n[nobis]. Igne me examinasti et non est inventa in me iniquitas 1892“ (St. Laurentius, bitte für uns. Im Feuer hast du mich geprüft und keinen Makel an mir gefunden); II: ces’’ (Bronze, Gj. 1954, Firma Otto, Bremen-Hemelingen); III: des’’ (Bronze, Gj. 1971, Firma Otto, Bremen-Hemelingen), Inschrift: „Soli Deo Gloria“ (Allein Gott die Ehre). – Früherer Bestand: Eine LG, dis’’ (Gußstahl. Gj. 1907, Bochumer Verein), 1971 abgegeben an KG Papenburg für dortige FKap.

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1906/07, baulich mit der Kirche verbunden, 2007/08 von der KG zum großen Teil in Eigenleistung saniert). – Gemeindehaus (Bj. um 1870, ehemaliges Lehrerhaus, 1967 erworben).

Friedhof

Kirchlicher Friedhof westlich der Kirche, angelegt 1900.

Liste der Pastoren (bis 1940)

1905–1910 Gerd Nanninga. – 1910–1914 Johannes Gerhard Mammen. – 1918–1923 Walter Gerhard Theodor Wolff. – 1924–1926 Karl Otto Eduard Wilhelm Dorsch. – 1926–1929 Friedrich Ohlmer. – 1929–1930 Rudolf Dietrich Johann Janssen. – 1930 Godlib Raginhard Friedrich Liudger Riese.
Angaben nach: Meyer, Pastoren II, S. 468, ebd. III, S. 44

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 6 Nr. 8308 (Pfarrbestallungsakten); A 8/Völlenerkönigsfehn (CB); A 12d Nr. 428Digitalisat, 483, 594, 632 (GSuptur. Aurich); D 81 (EphA Leer); L 5i Nr. 79, 142, 363–365 (LSuptur. Aurich); S 9 Nr. 2190 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 8127 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1905
Trauungen: ab 1906
Begräbnisse: ab 1905
Kommunikanten: ab 1905
Konfirmationen: ab 1906

Mutterkirche Völlen. Früher siehe Steenfelde und Völlen

Literatur

A: Meyer, Pastoren II, S. 468; Otte/Rohde, Ostfriesland II, S. 574–575.
B: Völlen, in: Historische Ortsdatenbank für Ostfriesland, 09.01.2020 [Artikel unfertig]; Hans Joachim Albers: Im Zeitenstrom. Ostfriesische Geschichte. Völlen | Völlenerfehn | Völlenerkönigsfehn. Gemeinde Westoverledingen, Kreis Leer, Ostfriesland, Bunde-Wymeer 2006; Edo Meinen: Aus der Chronik der ev. luth. Schule Völlenerkönigsfehn, Westoverledingen 2000.

Weitere Bilder

Fußnoten

  1. Albers, S. 456 ff.
  2. Meinen, S. 10: „In jetziger Zeit geht die Mehrzahl der Bewohner nach dem großen Holzgeschäft von Brüggemann und Sohn und der Werft von Joseph Meyer (Eiserner Schiffsbau).“
  3. Albers, S. 460. Zur Schulgeschichte vgl. Meinen, zu den kirchlichen Verhältnissen ebd., S. 17 ff.
  4. KABl. 1901, S. 24.
  5. KABl. 1905, S. 71. Mit Verfügung des Landeskirchenamtes vom 11. Mai 1944 erhielt die KG anstatt „Tochtergemeinde“ die Bezeichnung „verbundene Muttergemeinde“, vgl. KABl. 1944, S. 31 f.
  6. KABl. 1907, S. 4.
  7. LkAH, L 5i, Nr. 79 (Visitation 1938) und S 1 H III Nr. 1015, Bl. 42. P. Riese wurde 1940 zum Kriegsdienst eingezogen, vgl. ebd.
  8. LkAH, S 1 H III Nr. 1015, Bl. 42. Allgemein zum Fragebogen: Kück, Ausgefüllt, S. 341 ff.
  9. LkAH, L 5i, Nr. 79 (Visitation 1946).
  10. KABl. 1950, S. 110; LkAH, L 5i, Nr. 79 (Visitation 1952).
  11. KABl. 1957, S. 86.
  12. KABl. 1966, S. 8.
  13. KABl. 1992, S. 63.
  14. LkAH, L 5i, Nr. 365 (Visitation 1969) und ebd., Nr. 364 (Visitation 1976 und Visitation 1981).
  15. LKA, G 8/Völlenerkönigsfehn Bd. I, Bl. 82.
  16. KABl. 1914, S. 32.
  17. KABl. 1966, S. 8.
  18. KABl. 1974, S. 253.
  19. LkAH, L 5i, Nr. 79 (Visitation 1952): Die Kirche wurde „durch die Meisterhand eines begnadeten Kirchenmalers ‚entsäkularisiert‘“; der KV teilte dem LKA 1951 mit, die Kirche solle „nicht irgendein Gewand, sondern ein lutherisches Kleid tragen“, Hervorhebungen im Original, LkAH, B 2 G 9/Völlenerkönigsfehn, Bl. 7.
  20. Pape/Schloetmann, Hammer, S. 118.