Frühere Gemeinde | KapG der KG Wallensen | Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hildesheimer Land-Alfeld, Amtsbereich Elze | Patrozinium: Georg1 | KO: Calenberger KO von 1569
Orts- und Kirchengeschichte
Die erste schriftliche Erwähnung des Dorfes findet sich als Tiuguste in einer angeblichen Urkunde Ks. Heinrichs II. aus dem Jahr 1022, die Anfang des 12. Jh. gefälscht wurde, inhaltlich jedoch als zuverlässig anzusehen ist.2 Um 1300 erscheint der Ort im Homburger Lehnregister als Tust3, und im Homburger Güterverzeichnis, entstanden um 1400, ist Tuste unter den Dörfern der Vogtei Lauenstein (advocacia Lowensteyne) aufgelistet.4 Lauenstein gehörte zum Herrschaftsgebiet der Gf. von Spiegelberg, die das Gebiet in der ersten Hälfte des 13. Jh. jedoch an die Herren von Homburg verloren. Als diese 1409 in männlicher Linie ausgestorben waren, fiel die Vogtei Lauenstein an die welfischen Hzg. von Braunschweig Lüneburg, denen die Homburger das Gebiet 1247 zu Lehen aufgetragen hatten. 1432 kam Lauenstein zum neuen welfischen Teilfsm. Calenberg, ein Jahr später jedoch erlangte der Hildesheimer Bf. die Vogtei bzw. das Amt als Pfandbesitz und verpfändete es seinerseits weiter (u. a. 1493 an die Herren von Saldern).5 Nach Ende der Hildesheimer Stiftsfehde (1519–1523) fiel Thüste zusammen mit den übrigen Lauensteinschen Dörfern an das Fsm. Calenberg. Ab 1630 gehörte das Amt kurzzeitig noch einmal zum Hochstift Hildesheim, ab 1633 wieder zum Fsm. Calenberg (Kernlande Hannover). Seit 1810 war Thüste Teil des französischen Satellitenkgr. Westphalen (1807–1813) und zählte zum Kanton Hemmendorf des Distrikts Rinteln (1810 Distrikt Hameln genannt) im Departement Leine. Ab 1815 war das Dorf wieder Teil des Amtes Lauenstein, zunächst im Kgr. Hannover und nach der Annexion von 1866 im Kgr. Preußen. Bei Einführung der Kreisverfassung kam der Ort 1885 zum neuen Kr. Hameln (1922 Lkr. Hameln-Pyrmont). Seit 1973 ist Thüste Ortsteil des Fleckens Salzhemmendorf. Die Brikettfabrik der Gewerkschaft Humboldt (1899–1966 in Betrieb) trug wesentlich zum Wandel des zuvor landwirtschaftlich geprägten Dorfes bei. Nach Schließung der Fabrik blieb Thüste Gewerbestandort, beheimatet jedoch auch viele Berufspendler. Die Schule schloss 1972, das letzte Geschäft im Jahr 2000. Um 1810 lebten in Thüste etwa 320 Menschen, 1995 rund 560 und 2016 knapp 500.
Das Gründungsjahr der St.-Jürgen-Kapelle in Thüste ist nicht bekannt, sie bestand vermutlich bereits in vorref. Zeit. In den Protokollen zur Kirchenvisitation der calenbergischen Dörfer von 1588 ist Tuiste unter den Filials (Tochtergemeinden) der Gemeinde Wallensen genannt, die einen eigenen Kaplan hatten.6 Es ist davon auszugehen, dass die kleine Gemeinde auch vor der Reformation zum Kirchspiel Wallensen zählte und um 1540 zusammen mit der Muttergemeinde die luth. Lehre annahm.
Im Jahr 1752 ließ die Gemeinde das alte Kapellengebäude abreißen und einen Neubau errichten. Ein Jahr später konnte der Wallenser P. Julius Friedrich Tegtmeier (amt. 1744–1761) erstmals in dem neuen Gotteshaus predigen. Bis Mitte des 20. Jh. fanden pro Jahr nur wenige Gottesdienste in der Kapelle statt. 1946 führte P. Ludwig Schwabe (amt. 1930–1973) in Thüste und in den übrigen KapG des Kirchspiels vierzehntägliche Gottesdienste ein.7 Zudem nutzte in den 1950er Jahren die Landeskirchliche Gemeinschaft, zu der überwiegend Geflüchtete aus Ostpreußen zählten, die Kapelle an den gottesdienstfreien Sonntagen.8 Auch der kath. Kirche stellte die Gemeinde ihre Kapelle zur Verfügung.9 Die Errichtung der zweiten Pfarrstelle machte Thüste zum zweiten Zentrum des Kirchspiels: 1981 ließ die Gemeinde neben der Kapelle ein Pfarrhaus und ein Gemeindehaus errichten. Dies hatte durchaus positive Folgen für das gemeindliche Leben: Im Gegensatz zu den übrigen Dörfern des Kirchspiels war der Gottesdienstbesuch in Thüste in den 1980er Jahren nicht rückläufig.10
Zusammen mit der Muttergemeinde Wallensen und den KapG Ockensen und Levedagsen schloss sich Thüste zum 1. Januar 2014 dem Gemeindeverband Saaletal an.11 Zum 1. Juni 2018 löste sich die KapG Thüste auf, Rechtsnachfolgerin ist die KG Wallensen.12
Kapellenbau
Rechteckiger, verputzter Bruchsteinbau mit Eckquaderung, errichtet 1753. Satteldach; Fachwerkgiebel im Osten; flachbogige Fenster; Portal in Nordwand, darüber Inschrift „Anno 1753“; Anbau an Westwand mit Eingang (1951 erbaut, bis 1972 Leichenhalle). Im Innern flache Decke, schmale Westempore, farbiges Ostfenster „Himmlisches Jerusalem“ als Altarbild (1959/60). Innenrenovierung 1959/60. Außenrenovierung, Dach- und Turmneubau 1963. Außensanierung 2008, Innensanierung 2017 (Sanierungen aus Verkauf des Gemeindehauses mitfinanziert).
Turm
In der Mitte des Daches achteckiger, verkupferter Dachreiter mit hoch ausgezogener Spitze, bekrönt mit Kugel und Kreuz, neu errichtet 1963. Rechteckige Schallfenster, Uhrziffernblätter. 1913 neue Turmuhr, erneuert 1963. Bis 1963 besaß die Kapelle einen kleineren, verschieferten Dachreiter, die Glocke hing im Dachstuhl der Kapelle.
Ausstattung
Kalksteinmensa auf Stipes aus Sandsteinquadern (möglicherweise aus Vorgängerkapelle). – Holzkanzel (1792), ursprünglich über dem Altar angebracht, seit 1959/60 links des Altars auf einem Podest mit Orgel aufgestellt. – Taufstein aus Thüster Kalkstein mit flachem, achteckigem Becken (gestiftet von der Firma Alfred Stichweh).
Orgel
1882 Harmonium erworben.13 Neubau einer Orgel 1908/09, ausgeführt von Faber & Greve (Salzhemmendorf), 6 (davon 2 Transmissionen) I/aP, pneumatische Traktur, Fabersche Transmissionslade; Pedal wohl später „mechanisch angehängt, Liebhaberarbeit!!“ (Orgelrevisor Sörensen).14 Instrument in Nordostecke der Kapelle aufgestellt. 1983 war die Orgel schadhaft, eine Reparatur, merkte der Orgelrevisor an, sei „aus Kostengründen nicht empfohlen“.15 1987 Neubau von Emil Hammer Orgelbau (Hemmingen-Arnum), 5 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen (Opus 1899a), historischer Prospekt der Orgel wieder verwendet.16
Geläut
Eine LG c’’, Inschriften: „Christus ist unser Friede. 1963“ und „Schwabe P[astor]. Hienzsch, Marhenke, Müller, Schmedt K[apellen] V[orstand]“ (Bronze, Gj. 1963, Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg). Eine SG h’’ (Bronze, Gj. wohl um 1913). – Früherer Bestand: Eine LG (Bronze), geborsten und daher Anschaffung einer neuen LG (Bronze, Gj. 1913, Firma Radler, Hildesheim). Diese 1963 mit heutiger LG ersetzt (eingeschmolzen).
Friedhof
Im Eigentum der politischen Gemeinde. FKap. (Bj. 1972).
Weitere kirchliche Gebäude
Pfarrhaus (Bj. 1981, Fertighaus mit Satteldach). – Gemeindehaus (Bj. 1981, Fertighaus mit Satteldach, Anfang 2000er verkauft).
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 1 Nr. 11332–11336 (Pfarroffizialsachen); D 22a (EphA Coppenbrügge); S 11a Nr. 7236 (Findbuch PfA).
Literatur
A: Bühring, KD Lkr. Hameln-Pyrmont I, S. 466–467 und II, Abb. 540; Köhler & Gelderblom, Dorfkirchen, S. 174–175.
Fußnoten
- Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien I, S. 135.
- UB HS Hildesheim I, Nr. 69. Vgl. auch die ebenfalls gefälschte Urkunde Nr. 67, wo der Ort als Thiuguste erscheint; vgl. dazu insgesamt: Casemir, Krueger, Ohainski & Peters, 1022, S. 54. Das in den Corveyer Traditionen (9. Jh.) genannte Tuistai ist auf Twiste bei Korbach zu beziehen, Mönchslisten I, § 161; Mönchslisten II, S. 169.
- Ohainski, Lehnregister, S. 73, Nr. 14 und S. 80, Nr. 91 ff.
- Ohainski, Lehnregister, S. 25.
- Schwabe, Hausbuch Lauenstein, S. 1 f.; Graff, Geschichte Kr. Alfeld, S. 49 und 118 f.
- Kayser, General-Kirchenvisitation I, S. 220: „Pfarre hat vier Filials: Ockensen, Levedagsen, Tuiste und Wentzen, und zwei Dörfer: Capelnhagen und Völtzinghausen, die keinen sonderlichen Kaplan haben.“
- LkAH, L 5h unverz., Wallensen, Visitation 1952.
- LkAH, L 5h unverz., Wallensen, Visitation 1958.
- LkAH, B2 G 9/Thüste Bd. I, Bl. 70.
- LkAH, L 5h unverz., Wallensen, Visitation 1989.
- KABl. 2014, S. 66 ff.
- KABl. 2018, S. 35.
- LkAH, A 1 Nr. 11336.
- LkAH, L 5h unverz., Wallensen, Visitation 1971.
- LkAH, L 5h unverz., Wallensen, Visitation 1983.
- Pape/Schloetmann, Hammer, S. 193.