Sprengel Ostfriesland-Ems, KK Aurich | Patrozinium: Christus (seit 1971) | KO: Ostfriesische KO von 1716

Orts- und Kirchengeschichte

Im Jahr 1746 gründete Johan Arent van Louvermann das königliche Fehn Spetzerfehn.1 Seit 1749 trieb die private Spetzerfehngesellschaft das Siedlungsprojekt voran. Die Fehnsiedlung gehörte zum Amt Aurich in der Gft. Ostfriesland, die seit 1744 Teil des Kgr. Preußen war. In den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jh. erlebte Ostfriesland mehrere Herrschaftswechsel: Ab 1807 zählte Spetzerfehn zum Kgr. Holland, ab 1810 zum Kaiserreich Frankreich (Département Ems-Oriental, Arrondissement Aurich, Kanton Timmel), ab 1813 wieder zum Kgr. Preußen und ab 1815 zum Kgr. Hannover. Mit der Annexion Hannovers 1866 kehrte Ostfriesland erneut zurück unter preußische Herrschaft. Bei Einführung der Kreisverfassung 1885 kam Spetzerfehn zum Kr. Aurich. 1972 wurde der Ort in die neue Gemeinde Großefehn eingemeindet. Von 1900 bis 1969 besaß Spetzerfehn einen Bahnhof (Kleinbahn „Jan Klein“, Leer–Aurich–Wittmund). Im Jahr 1821 lebten gut 370 Menschen in Spetzerfehn, 1925 knapp 1.330, 1939 etwa 1.350, 1946 fast 1.625 und 2017 rund 1.925.

Pfarrhaus mit Betsaal, Außenansicht, nach 1951

Pfarrhaus mit Betsaal, Außenansicht, nach 1951

Die ersten Siedlerfamilien in Spetzerfehn hielten sich kirchlich zur Parochie Bagband und wurden 1766 formell dorthin eingepfarrt.2 Spetzerfehn wuchs in der zweiten Hälfte des 18. Jh. kontinuierlich weiter und die neuen Siedlerfamilien wandten sich je nach Lage ihrer Häuser dem Kirchspiel Aurich-Oldendorf oder dem Kirchspiel Strackholt zu. 1789 legten die drei Kirchengemeinden ihre Grenzen im Bereich Spetzerfehn fest.3 1854 erhielt Spetzerfehn einen ersten eigenen Friedhof (Ecke Hauptwieke/Norderwiecke). Die heutigen Friedhöfe I und III folgten 1901 und 1909.
Erste Pläne zur Gründung einer eigenständigen Kirchengemeinde kamen lassen sich 1913 nachweisen. Sie kamen nicht zur Ausführung. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs knüpfte das Landeskirchenamt Hannover an die alten Überlegungen an.4 Zuvor hatten die Einwohner Wilhelmsfehns II eine Einpfarrung nach Strackholt abgelehnt. Eine Gemeindeversammlung sprach sich für die Gründung einer eigenen Kirchgemeinde aus, die einen Großteil Spetzerfehns, Wilhelmsfehn II, Auricher Wiesmoor II und Wiesmoor-Poller umfassen sollte; Spetzerfehn-Unterende verblieb bei der KG Bagband. Das LKA stimmte den Plänen zu und zum 1. April 1950 gründete sich innerhalb der KG Strackholt die KapG Spetzerfehn.5 Für die neue KapG richtete das LKA Hannover eine Pfarrhelferstelle ein, die als erster Pfv. Wilhelm Behnen (amt. 1950–1966) übernahm, ein in Hermannsburg ausgebildeter Missionar. Zum sonntäglichen Gottesdienst versammelte sich die Gemeinde in der Schule III. Ein Posaunenchor existierte in Spetzerfehn bereits seit 1947/48.6
Im Frühjahr 1951 begann nördlich des Friedhofs III, der etwa in der Mitte der neuen Gemeinde lag, der Bau von Pfarrhaus und Betsaal. Einen großen Teil der Arbeiten führten Gemeindeglieder in Eigenleistung aus. Das Weihnachtsfest 1951 feierte die Gemeinde bereits im neuen Kirchsaal. Er wurde 1953 um Altarraum und Glockenturm erweitert. Der Dachboden des Kirchsaals diente seit 1954 als Jugendraum. Im Jahr 1956 zählte die KapG Spetzerfehn rund 2.240 Gemeindeglieder.7 Zum 1. Januar 1963 wandelte das LKA die KapG in eine Kirchengemeinde um und richtete eine pfarramtliche Verbindung zwischen ihr und der bisherigen Muttergemeinde Strackholt ein.8 Diese Verbindung endete schließlich zum 1. Januar 1970: Spetzerfehn erhielt eine eigene Pfarrstelle und wurde eigenständig.9 Die neue Pfarrstelle übernahm P. Johann Wilken (amt. 1968–1988, als Pfarrverwalter).

Kirche, Außenansicht, 1995

Kirche, Außenansicht, 1995

Schon 1962 hatte der KapV Spetzerfehn beschlossen, eine Kirche zu errichten. Allerdings ließen sich diese Pläne erst 1970/71 verwirklichen. Am ersten Advent 1971 weihte die nunmehrige KG Spetzerfehn ihre neue Kirche ein. Sie erhielt den Namen „Christus-Kirche“. Die Gemeinde praktizierte eine „offene Form der Gottesdienstgestaltung“, die bei Jugendlichen und jungen Familien „besonderen Zuspruch“ fand, wie P. Wilken 1984 schrieb.10
Bereits in den 1920er Jahren hatte sich in Spetzerfehn und Ostgroßefehn eine Gruppe der Landeskirchlichen Gemeinschaft gegründet, nicht zuletzt angeregt durch den Strackholter P. Remmer Janssen (amt. 1877–1921).11 Zudem war der Gemeinschaftsprediger Paulsen in Spetzerfehn aktiv. In den Unterlagen zur Visitation 1966 schrieb Pfv. Behnen, die Gemeinschaft sei „durch die jahrzehntelange Isolierung von der Kirchengemeinde Strackholt sich ihrer Selbständigkeit gegenüber der Kirchengemeinde Spetzerfehn in starkem Maße bewußt“, stehe aber loyal zur Landeskirche.12 Den gemischten Chor der Landeskirchlichen Gemeinschaft beschrieb der Auricher Sup. 1980 als „wichtiges Bindeglied zwischen Kirchengemeinde und landeskirchlicher Gemeinschaft“.13 Am Kirchweg besitzt der Gemeinschaftskreis seit 1973/74 ein eigenes Gemeinschaftshaus.
Im Rahmen der Partnerschaft zwischen der hannoverschen und der sächsischen Landeskirche baute die KG Spetzerfehn „intensive Beziehungen“ zur Kirchgemeinde Wittgensdorf (nordwestlich von Chemnitz) auf.14 Im Jahr 1995 beschrieb P. Hermann Reimer (amt. seit 1989) die ev.-luth. Christus-KG Spetzerfehn als eine „altersmäßig recht junge Gemeinde, die von vier Schwerpunkten geprägt wird: der Chorarbeit, der Kinder- und Jugendarbeit, der Bereich der (jungen) Familien und der Gottesdienst“.15 In der Gemeinde waren seinerzeit acht Chöre und Singkreise aktiv. Seit 1973 findet der jährliche „Jugendtag Ostfriesland“ in Spetzerfehn statt. Im Jahr 1997 übernahm die Kirchengemeinde die Trägerschaft des neu eingerichteten Kindergartens.
Im Sommer 2021 gründete sich der Kirchbau-Verein Christus-Kirche Spetzerfehn e. V., der die Kirchengemeinde bei Bau, Ausbau, Erhaltung und Sanierung der kirchlichen Gebäude unterstützt.

Umfang

Spetzerfehn (ohne Unterende), Wilhelmsfehn II und Auricher Wiesmoor II.

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1963 zum KK Großefehn.16 Mit Aufhebung des KK Großefehn zum 1. Januar 1974 umgegliedert in den KK Aurich.17

Kirchenbau

Schlichter Rechteckbau mit Anbau an Südwest- und Südostseite, ausgerichtet nach Nordwesten, erbaut 1970/71 (Architekt: Bernd Hillrichs, Leer). Satteldach, über Eingangsbereich nordöstlich ausgerichtetes Querdach. Ziegelmauerwerk. An der Nordostseite horizontales Fensterband unterhalb der Traufe; Südostseite mit dreigeschossiger Fenstergliederung und Kreuzrelief. Haupteingang an Südostecke, Nebeneingang an Nordostecke. Im Innern flache Decke; balkonartige Empore im Südosten. 1994/95 Kirche nach Südosten erweitert (ursprünglich flacher Eingangsbereich aufgestockt; Großteil der Arbeit in Eigenleistung erbracht).

Fenster

In Südostfassade kreisförmiges, figürliches Buntglasfenster (1999, Oskar Rosi, Wiesmoor-Zwischenbergen), Kreuz und segnender Christus.

Turm

An der Nordostecke des Betsaals am Pfarrhaus niedriger Glockenturm mit Satteldach, erbaut 1953. Im Glockengeschoss drei segmentbogige Schallfenster.

Betsaal, Blick zum Altar, nach 1951

Betsaal, Blick zum Altar, nach 1951

Ausstattung

Schlichter Altartisch (1971), Metallgestell und Mensa aus Eichenholz. – Ebenerdige Kanzel (1971), Metallgestell mit Holzverkleidung. – Taufständer (1971), flache Schale; vierseitiger, nach oben verjüngter Schaft aus Schmiedeeisen; viereckige Bodenplatte. – Schlankes Kreuz (1971), Schmiedeeisen, vor der Nordostwand.

Orgel

Zunächst Harmonium. Orgelneubau 1958, ausgeführt von Alfred Führer (Wilhelmshaven), 4 I/–, mechanische Traktur, Schleifladen, aufgestellt im Kirchsaal des Pfarrhauses. 1971 in neue Kirche versetzt, 1977 verkauft. 1977 Orgelneubau, ausgeführt von G. Christian Lobback & Co. (Wedel bei Hamburg), 7 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen; Instrument aufgestellt vor der Nordwestwand hinter dem Altar.

Geläut

Eine LG, es’’ (Bronze, Gj. 1763, Johann Heinrich Scheel, Stettin), Inschrift: „Anno 1763 als zu der Zeit Herr Joh. Gottfr. Titel Pastor, Hans Mollenhauer, Hans Frede, Christian Brackhan Kirchenvorsteher waren goss mich Joh. Heinr. Scheel in Stettin“; Patenglocke aus der Marienkirche in Elbląg (früher Elbing, Westpreußen), seit 1951 in Spetzerfehn.18

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarr- und Gemeindehaus (Bj. 1951, 1953 erweitert, 1974 Kirchsaal zu Gemeindehaus umgebaut).

Friedhof

Friedhof Ecke Im Unterende Nord/Münkeweg, angelegt 1901, in Trägerschaft der Friedhofsgemeinschaft I (Gebiet der KG Bagband).19 Friedhof Ecke Hauptwieke N/Norderwieke N, angelegt 1854 in Trägerschaft der Friedhofsgemeinschaft II. Friedhof bei der Kirche, angelegt 1909, in Trägerschaft der Friedhofsgemeinschaft III. Kommunaler Friedhof Pollerstraße, in Trägerschaft der Stadt Wiesmoor.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 8 Nr. 400Digitalisat (CB); D 80 (EphA Aurich); L 5i Nr. 248–249, 652, 786, 830 (LSuptur. Aurich); S 09 rep Nr. 2056 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 8078 (Findbuch PfA).

Literatur & Links

A: Otte/Rohde, Ostfriesland II, S. 534–535; Schoolmann, Kirchen, S. 132–136.
B: Vierzig Jahre Kirchengemeinde Spetzerfehn (= Gemeindebrief Spetzerfehn Sondernummer), 1990; Spetzerfehn. Geschichte(n) und Bilder eines Fehns, hrsg. von der Arbeitsgruppe „Spetzerfehngeschichte(n)“, Jever 1995, bes. S. 128–145; Gerd Kroon: Die Familien des Spetzer Fehns. Von den Ursprüngen bis etwa 1910, Spetzerfehn 2001; Hinrich Trauernicht: Das königliche Spetzerfehn. Ein Rückblick auf Spetzerfehns Geschichte (= Schriftenreihe des Arbeitskreises Fehnmuseum Eiland, Westgroßefehn, im Kultur- und Heimatverein Großefehn e. V. 2), Spetzerfehn 1995.
Internet: Historische Ortsdatenbank für Ostfriesland (https://bibliothek.ostfriesischelandschaft.de/hoo/): Ortsartikel Spetzerfehn (.pdf).


Fußnoten

  1. Trauernicht, in: Spetzerfehn. Geschichte(n) und Bilder, S. 11 ff. HOO, Artikel Spetzerfehn.
  2. Zum Folgenden: Reimer, in: Spetzerfehn. Geschichte(n) und Bilder, S. 128 ff.
  3. „Demnach gehörten die Häuser ‚nördlich der Tille in der Nähe von Peter Hinzens‘ zur Kirchengemeinde Aurich-Oldendorf; das Gebiet westlich des Postweges sollte zu Bagband gehören, während ‚die ganze Gegend nach Osten hin zu Strackholt geschlagen‘ wurde. Von den etwa fünfzig Häusern, die 1796 in Spetzerfehn standen, gehörten zehn zu Strackholter, acht zur Aurich-Oldendorfer und die übrigen 32 zur Bagbander Kirchengemeinde.“, Reimer, in: Spetzerfehn. Geschichte(n) und Bilder, S. 131.
  4. Schoolmann, S. 132; Vierzig Jahre, S. 12 ff. Reimer, in: Spetzerfehn. Geschichte(n) und Bilder, S. 134 f.
  5. KABl. 1950, S. 36.
  6. Schoolmann, S. 136.
  7. LkAH, L 5i, Nr. 249 (Visitation 1956).
  8. KABl. 1963, S. 10.
  9. KABl. 1970, S. 10.
  10. LkAH, L 5i, Nr. 249 (Visitation 1984). Die Agende I hatte die Gemeinde bis Ende der 1980er Jahre noch nicht eingeführt.
  11. Zum Folgenden: Reimer, in: Spetzerfehn. Geschichte(n) und Bilder, S. 139 ff.
  12. LkAH, L 5i, Nr. 249 (Visitation 1966).
  13. LkAH, L 5i, Nr. 249 (Visitation 1978).
  14. LkAH, L 5i, Nr. 248 (Visitation 1990); Vierzig Jahre, S. 57 f. Allgemein: Cordes, Gemeindepartnerschaften, S. 38 ff.
  15. Reimer, in: Spetzerfehn. Geschichte(n) und Bilder, S. 142.
  16. KABl. 1963, S. 10.
  17. KABl. 1974, S. 34.
  18. Poettgen, Glockengießer, S. 53.
  19. Reimer, in: Spetzerfehn. Geschichte(n) und Bilder, S. 133.