Frühere Gemeinde | KapG der KG Barkhausen-Rabber | Sprengel Osnabrück | Kirchenkreis Bramsche | Patrozinium: Maria | KO: Keine Kirchenordnung
Orts- und Kirchengeschichte
Schriftlich lässt sich Rabber erstmals im Jahr 1033 belegen: Ks. Konrad II. bestätigte urkundlich die Gründung des Stifts St. Martin in Minden und nahm das Stift sowie dessen Besitzungen in seinen Schutz – u. a. in Retbere dimidium mansum (eine halbe Hufe in Rabber).1 Brockhausen lässt sich erstmals 1392 belegen.2 Ursprünglich gehörten wohl beide Ortschaften zum Hochstift Minden, kamen jedoch um die Mitte des 14. Jh. in den Besitz des Hochstifts Osnabrück, wo sie zum Amt Wittlage zählten. Seit Ende des Dreißigjährigen Krieges wechselten sich kath. und luth. Bischöfe in der Regierung des Hochstifts ab, letzterer stammten jeweils aus dem Haus Braunschweig-Lüneburg.3 Nach den Bestimmungen des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 wurde das Hochstift als Fsm. Osnabrück in das Kfsm. Braunschweig-Lüneburg eingegliedert. Unter französischer Herrschaft gehörten Rabber und Brockhausen zum Kanton Essen, der 1807 Teil des Distrikts Osnabrück im Departement Weser des Kgr. Westphalen war und ab 1811 zum Arrondissement Osnabrück des Departements Obere Ems im Kaiserreich Frankreich zählte. Nach der Niederlage des napoleonischen Frankreichs gehörten beide Orte, nun im Kgr. Hannover, wieder zum Amt Wittlage (1815 Amt Wittlage-Hunteburg, 1859 Amt Wittlage). Nach der preußischen Annexion von 1866 blieb die Ämterstruktur zunächst bestehen. Bei Einführung der Kreisverfassung kamen Rabber und Brockhausen 1885 zum Lkr. Wittlage (1972 Lkr. Osnabrück). Beide Dörfer waren seit 1855 Teil der Samtgemeinde Barkhausen und wurden 1972 nach Bad Essen eingemeindet.
Kirchlich gehörten Rabber und Brockhausen zunächst zum Kirchspiel Oldendorf (heute Preußisch Oldendorf). Später kamen die Orte zum neuen Kirchspiel Lintorf. Als sich wohl im 13. Jh. Barkhausen als eigenständiges Kirchspiel von Lintorf abspaltete, wechselten auch Rabber und Brockhausen zur neuen Gemeinde: Im Jahr 1302 ist der Hof Rabbere im Kirchspiel Barchusen urkundlich belegt.4 Das Baujahr der ehemaligen Marienkapelle in Rabber ist nicht bekannt.
Zusammen mit der Muttergemeinde Barkhausen wechselte die Tochtergemeinde Rabber 1543 zur luth. Lehre. Nachdem das Domkapitel Bf. Franz von Waldeck 1548 dazu gezwungen hatte, die Reformation zurückzunehmen, gelang jedoch keine vollständige Rekatholisierung der Gemeinden des Hochstifts und die konfessionellen Verhältnisse blieben in der Schwebe.5 Als der Jesuit Albert Lucenius das Kirchspiel 1625 visitierte, betreute der luth. P. Wilhelm Hofrogge die Kirche in Barkhausen und die Kapelle in Rabber. Rabber, so notierte Lucenius, hätte mehr Einwohner als Barkhausen (plurium incolarum). Der Altar sei sehr ungepflegt (Unum altare habet valde incultum). Auch eine Schule erwähnte Lucenius: Alle Bücher wären luth. und sowohl Jungen als auch Mädchen wären anwesend gewesen (In schola libri omnes lutherani et aliquot pueri utriusque sexus praesentes).6 Als nach Ende des Dreißigjährigen Krieges Katholiken und Lutheraner die Gemeinden des Hochstifts untereinander aufteilten (1650, Capitulatio perpetua Osnabrugensis), blieben Barkhausen und seine KapG Rabber protestantisch.
Über den Beitrag der Ortschaft Brockhausen zum Unterhalt der Kapelle in Rabber – und damit über die Zugehörigkeit der Brockhauser zur KapG Rabber – kam es im 19. Jh. zu langwierigen Streitigkeiten.7 Das Landeskirchenamt legte die Zugehörigkeit Brockhausens zu Rabber 1930 noch einmal neu fest.8 Seit 1898 besitzt Rabber ein zweites Gotteshaus: Im Streit um die Einführung der obligatorischen Zivilehe (1874) traten auch in der Region Wittlage mehrere Familien aus der Landeskirche aus und schlossen sich zu luth. Freikirchen zusammen (Hermannsburger Separation). In Rabber errichteten sie sich eine eigene Kirche (heute Dreieinigkeitsgemeinde der SELK).9
In der zweiten Hälfte des 19. Jh. feierte die Gemeinde Rabber-Brockhausen zweimal jährlich einen Gottesdienst in der Kapelle.10 Wegen Baufälligkeit ließ die KapG das Gebäude Anfang des 20. Jh. abbrechen. 1907 beschloss der Kirchenvorstand der KG Barkhausen, einen größeren Neubau zu errichten, und entschied gleichzeitig, den Pfarrsitz aus dem kleineren und etwas abgelegenen Barkhausen nach Rabber zu verlegen. Im Hannoverschen Pfarrbuch von 1909 heißt es: „K[irche] und Pf[arre] liegen am Südende der Par[ochie], welche etwa 12 km Länge hat u[nd] an die Kraft des Geistl[ichen] große Ansprüche stellt.“11 Im März 1911 feierte die Gemeinde die Grundsteinlegung und im Februar 1912 konnte sie das neue Gotteshaus einweihen. Formal blieb es Kapelle; allerdings sollten die Kirche in Barkhausen und die Kapelle in Rabber in gottesdienstlicher Hinsicht gleichbehandelt werden.12 Das Kirchengebäude weist einige Besonderheiten auf: Zum einen steht der Turm im Osten (um sich die Möglichkeit offen zu halten, das Schiff nach Westen zu verlängern) und zum anderen kombiniert es eine neobarocke Außengestaltung mit einer Innengestaltung, die vom Jugendstil geprägt ist.13 Zum 1. Januar 1912 verlegte das Konsistorium die Pfarrstelle der Gemeinde von Barkhausen nach Rabber.14 Die KapG Rabber-Brockhausen blieb jedoch bestehen.
Während der NS-Zeit gehörten die Pfarrer der Gemeinde der BK an, wie P. Wilhelm Kasten (amt. 1936–1970) rückblickend in seinen Antworten zum „Fragebogen zur Geschichte der Landeskirche von 1933 bis Kriegsende“ angab. Bei der Kirchenwahl 1933 „gelang es den Gemeindegliedern, die zur Partei neigten und von fanatischen Lehrern aufgebracht worden waren“, die bisherigen Kapellenvorsteher in Rabber abwählen zu lassen und „durch neue genehmere zu ersetzen“.15
Das neue Gemeindehaus in Rabber errichtete die Gemeinde 1977 wegen des Baustopps in der Landeskirche überwiegend in Eigenleistung und finanzierte es größtenteils über eine Haussammlung. Zum 1. Januar 1986 löste sich die KapG Rabber-Brockhausen auf, Rechtsnachfolgerin wurde die KG Barkhausen-Rabber.16 Gleichzeitig erhielt die Marienkapelle in Rabber den Status einer Gemeindekirche.
Umfang
Rabber und die Bauerschaft Brockhausen (festgeschrieben 1930).17
Kapellenbau
Verputzter Rechteckbau in neobarocken Formen mit Jugendstil-Ausstattung, errichtet 1911-12. Satteldach mit Walm im Westen, rundbogige Sprossenfenster, Rechteckfenster; Portal mit Dreiecksgiebel und Vorhalle nach Norden. Im Innern verschaltes Tonnengewölbe, im Altarraum Kreuzgratgewölbe; Westempore, Seitenemporen im Süden und Norden (ursprünglich nicht mit Westempore verbunden); Jugendstilausmalung (ornamentale Motive, Erzengel Michael und Gabriel im Altarraum). Neugestaltung, wohl 1920er Jahre (Emporen, Kanzel und Altar weiß gestrichen, Bänke grau). Renovierung 1964 (Innenraum insgesamt in grauweißen Farbtönen ausgemalt). Außeninstandsetzung 1986. Innenrenovierung 1991/92 (weitgehende Wiederherstellung der ursprünglichen Ausmalung). „Die Mischform aus der neobarocken Architektur und der Jugendstil-Ausstattung ist, soweit bekannt, ohne Beispiel in Norddeutschland.“18
Fenster
Farbige Blumenmotive (Jugendstil) in den fünf Fenstern des Kirchenschiffs. Farbige Apostelfenster im Chorraum mit Darstellungen der Apostel Paulus und Petrus (Rudolf Linnemann, Frankfurt am Main).
Turm
Achteckiger Ostturm, der apsisähnlich dreiseitig über die Giebelseite hinaustritt. Mehrfach geschwungener, verkupferter Turmhelm mit vier Uhrziffernblättern und offener Laterne, bekrönt mit Kugel, Kreuz und Hahn. Im unteren Teil (Altarraum) steinsichtiges Mauerwerk aus unregelmäßigen Quadern und Spitzbogenfenster, (zweibahniges Ostfenster aus Vorgängerbau übernommen); übriger Teil verputzt, im Glockengeschoss rundbogige Schallfenster. Mechanische Turmuhr (1911/12, Ed. Korfhage & Söhne, Buer) in den 1960er Jahren stillgelegt, 1991 verkauft.
Vorgängerbau
Kleiner, viereckiger Bruchsteinbau mit leicht konischem Grundriss, wohl 13. Jh.19 Satteldach, spitzbogige Fenster. Im Innern flache Decke. Fachwerkdachreiter über westlichem Giebel, Turmhelm mit rechteckigem Ansatz und achteckig ausgezogener Spitze, bekrönt mit Kugel und Kreuz. Turm in 1660er Jahren repariert.20 Wegen Baufälligkeit um 1902 abgerissen.
Ausstattung
Altarretabel, architektonischer Aufbau (17. Jh., aus Vorgängerkapelle übernommen), im Hauptfeld Abendmahlsbild (1619, Maler F. Berger),21 flankiert von zwei Säulen; im kleinen Feld darüber, ebenfalls flankiert von zwei Säulen, Relief mit Himmelfahrtsdarstellung; 1911/12 neobarocke Wangen und Bekrönung angefügt. – Säulenartige Taufe, verziert mit Engelsköpfen. – Holzkanzel mit Säulenfuß, an den Wandungen des Kanzelkorbs Reliefs der Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes sowie des Apostels Paulus, gestiftet von Wilhelm und Carl Rullmann. – Zwei farbig gefasste Schnitzfiguren: Apostel Jakobus und Anna selbdritt (um 1500, in Vorgängerkapelle Teil des Altars). – Holzkruzifix (14. Jh., in Vorgängerkapelle Teil des Altars).
Orgel
1912 Neubau von Firma Furtwängler & Hammer (Hannover), 15 oder 22 II/P, pneumatische Traktur (Opus 714).22 Prospektpfeifen im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben, 1919 neue Prospektpfeifen, im Zweiten Weltkrieg wiederum abgegeben. 1985 Neubau, ausgeführt von Firma Matthias Kreienbrink (Osnabrück), 17 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen; Gehäuse von 1912 und einige Pfeifen wiederverwendet.
Geläut
Drei LG, I: d’, Christusglocke, Inschrift: „Ich bin das Licht der Welt“; II: f’, Petrusglocke, Inschrift: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“, Bild: Kreuz und Schlüssel (beide Bronze, Gj. 2000, Karlsruher Glocken- und Kunstgießerei); III: b’, Inschriften und Bilder: „Martha“ und Kreuz, Kelch, Buch sowie Anker, darunter: „Dienet dem Herrn mit Freuden. Psalm 100.2“, gegenüber: „Franz Schilling Soehne in Apolda gossen mich A. D. 1911“ (Bronze, Gj. 1911, Franz Schilling & Söhne, Apolda). – Früherer Bestand: 1822 neue LG für die ehemalige Kapelle angeschafft. Eine LG, Inschriften: „Lazarus“ und „Was du tust, so bedenke das Ende“ (Bronze, Gj. 1911, Franz Schilling & Söhne, Apolda). Eine LG, Lutherglocke, Inschrift u. a.: „Luther. Ein feste Burg ist unser Gott“, Bild: Lutherrose (Bronze, Gj. 1933), 1942 zu Rüstungszwecken abgegeben. Eine LG, Marienglocke, Inschriften: „Maria“ und „Eins ist Not. Lukas 10,24“, Bild: Kreuz (Bronze, Gj. 1911, Franz Schilling & Söhne, Apolda), 1942 zu Rüstungszwecken abgegeben. Zwei LG, I: d’, Lutherglocke, Inschriften: „Luther“ und „Selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren. Lukas 11,18“; II: f’, Marienglocke, Inschrift: „Maria“ und „Eins ist Not. Lukas 10,24“, Bild: Kreuz (beide Eisen, Gj. 1950, Firma Weule, Bockenem), im Jahr 2000 abgenommen und vor der Kirche aufgestellt.
Weitere kirchliche Gebäude
Pfarrhaus (Bj. 1912), Jugendstilbau. – Gemeindehaus (Bj. 1976/77). – Altes Gemeindehaus (u. a. Gemeindebücherei).
Friedhof
Kommunaler Friedhof am westlichen Ortsrand.
Liste der Pastoren (bis 1940)
Rabber
1550–1608 Johannes Dankmeyer. – 1609–1627 Wilhelm Hofrogge. – 1634–1649 Clamor Knippenberg. – 1650–1663 Magister Bernhard Pötker. – 1663–1670 Magister Johann Gerhard Helmann. – 1670–1682 Johann Heinrich Pötker. – 1683–1698 Johann Heinrich Schloymann. – 1698–1720 Johann Bernhard Pötker. – 1720–1758 Johann Friedrich Vockerod. – 1758–1776 Johann Heinrich Olsenius. – 1776–1830 Johann Menke Buck. – 1830–1841 Friedrich Wilhelm Bernhard Karl Pagenstecher. – 1841–1873 Friedrich Heinrich Rudolf Gottfried Sergel. – 1873–1886 Friedrich Wilhelm Bettinghaus. – 1886–1888 Dr. phil. Theodor Ernst Heinrich Hoppe. – 1889–1900 Clemens Adalbert Diedrich Ludwig Ernst Bartels. – 1900–1911 Peter Wilhelm Theodor Bartels. – 1912–1935 Hermann Heinrich Hempe. – 1936 Wilhelm Kasten.
Angaben nach: Meyer, Pastoren II, S. 286, ebd. III, S. 36
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 5 Nr. 121 (Spec. Landeskons.); D 41 (EphA Melle); S 11a Nr. 7130 (Findbuch PfA).
Literatur
A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 1104; Nöldeke, KD Kr. Wittlage und Bersenbrück, S. 39–40; Weichsler, Hdb. Sprengel Osnabrück, S. 192–193.
B: Von der Kapelle zur Kirche. 100 Jahre Marienkirche in Rabber, hrsg. von der Ev.-luth. Kirchengemeinde Barkhausen-Rabber, Bad Essen 2012; Willi vom Hofe (Hg.): Reformation in Bad Essen Barkhausen-Rabber Lintorf. 1625–1650, Osnabrück 1975; Hans-Ulrich Otto: Die Dreieinigkeitsgemeinde Rabber, in: Die Gemeinde Bad Essen in Vergangenheit und Gegenwart, hrsg. von der Gemeinde Bad Essen, Osnabrück 1975, S. 189–190; Fritz-Wilhelm Renzelberg: Die ev.-luth. Kirchengemeinde Barkhausen-Rabber, in: Die Gemeinde Bad Essen in Vergangenheit und Gegenwart, hrsg. von der Gemeinde Bad Essen, Osnabrück 1975, S. 186–188; Rudolf Schuster: Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Barkhausen-Rabber. Geschichte der Glocken, [1992].
Weitere Bilder
Fußnoten
- MGH DD Ko II 192 [Digitalisat].
- Wrede, Ortsverzeichnis Fürstbistum Osnabrück I, S. 93.
- Feldkamp, Bedeutung, S. 79 ff.
- Westfälisches UB X, Nr. 41.
- Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 7,1, S. 215 f. und 222 ff.
- Bär, Protokoll Albert Lucenius, S. 266 f. Zur Visitation des Albert Lucenius vgl. Steinwascher, Wildwuchs, S. 215 ff.
- Von der Kapelle, S. 7 f. Konkreter Anlass war der Kauf einer neuen Glocke.
- KABl. 1930, S. 48.
- Otto, S. 189 f.
- Dühne, Osnabrück, S. 124.
- Ahlers, Pfarrbuch 1909, S. 110.
- Von der Kapelle, S. 15.
- Renzelberg, S. 186; LkAH, B2 G 9/Barkhausen-Rabber Bd. II, Bl. 144.
- KABl. 1911, S. 104 f.
- LkAH, S 1 H III Nr. 912, Bl. 6 f. Allgemein zum Fragebogen: Kück, Ausgefüllt, S. 341 ff.
- KABl. 1986, S. 3.
- KABl. 1930, S. 48.
- LkAH, B2 G 9/Barkhausen-Rabber Bd. II, Bl. 144d.
- Weichsler, Hdb. Sprengel Osnabrück, S. 192.
- Abb.: Von der Kapelle, S. 6 ff.
- Von der Kapelle, S. 15.
- Pape/Schloetmann, Hammer, S. 123: 22 Register; Von der Kapelle, S. 40: 15 Register.