Frühere Gemeinde | Sprengel Hannover, KK Neustadt-Wunstorf | Patrozinium: Christus (1990)1 | KO: Calenberger KO von 1569
Orts- und Kirchengeschichte
Urkundlich ist der Ort am Steinhuder Meer erstmals 1171 im Personennamen Giselerus de Meredorpe und als Dorf im Jahr 1173 als Merctorph belegt.2 Das Dorf gehörte im Spätmittelalter zum Herrschaftsgebiet der Gf. von Wölpe. Wohl 1301 veräußerte Gf. Otto von Wölpe die Grafschaft an Gf. Otto von Oldenburg-Delmenhorst, der sie 1302 weiter verkaufte an den Welfen Otto II., Hzg. zu Braunschweig-Lüneburg. Seit 1432 gehörte Mardorf zum welfischen Teilfsm. Calenberg (1495: Fsm. Calenberg-Göttingen, 1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover) und zählte dort zum Amt Rehburg.3 Von 1810 bis 1813/14 war Mardorf Teil des Kantons Rehburgim Distrikt Hannover des Allerdepartements im französischen Satellitenkgr. Westphalen. Danach zählte das Dorf, nun im Kgr. Hannover, zunächst wieder zum Amt Rehburg und seit dessen Auflösung 1859 zum Amt Neustadt am Rübenberge. Mit der Annexion Hannovers wurde Mardorf 1866 preußisch. Bei Einführung der Kreisverfassung kam das Dorf 1885 zum Kr. Neustadt am Rübenberge (1939: Lkr., 1974 weitgehend aufgegangen im Lkr. Hannover, 2001 Region Hannover). 1974 wurde Mardorf nach Neustadt a. Rbge. eingemeindet. Seit der ersten Hälfte des 20. Jh. wandelte sich das ursprünglich bäuerlich geprägte Mardorf zum Ferienort (1923 Badehotel Weißer Berg), eine Entwicklung, die sich in der zweiten Hälfte des 20. Jh. beschleunigte. So entstand im Vergleich zum benachbarten dörflichen Schneeren ein stärker städtisch geprägtes Milieu. Im Jahr 1812 lebten etwa 290 Menschen in Mardorf, 1895 gut 470, 1950 knapp 1.170 und 2020 rund 1.940.
Kirchlich gehörte Mardorf ursprünglich zum Kirchspiel Monnekehusen (Münchhausen am Haarberg), dann zu Rehburg und wohl seit 1522 zu Schneeren.4 In der ersten Hälfte des 18. Jh. erbauten sich die Mardorfer „mit Vorwissen und Genehmhaltung des Königlich Großbritannischen und Churfürstlichen Braunschweigisch Lüneburgischen Consistorii“ eine eigene Kapelle, die der Neustädter Sup. Johann Justus Förster (amt. 1722–1738) am 3. Dezember 1722 „durch einer darin gehaltene Predigt, und darin verrichteten andächtigen Gebete“ einweihte.5 Im Anschluss regelte die Gemeinde mit dem Schneerener P. Johann Friedrich Brüggemann (amt. 1708–1723), dem Küster und dem Mardorfer Schulmeister Lüdeke Meyer die zukünftige Nutzung der Kapelle: P. Brüggemann versprach für sich und seine Nachfolger „hinführo Jährlich dreymal […] nach Mardorff sich zu begeben, und daselbst eine Predigt“ zu halten und den „alten Betagten und Unvermögsamen Einwohnern“ das Abendmahl zu reichen. Schulmeister Meyer verpflichtete sich, „alle Sonntags Nachmittags eine Bethstunde oder Catechismuslehre zu halten und des Montags gleichfalls eine Bethstunde in der Capelle zu verrichten“ und dreimal am Tag die Glocke zu läuten (morgen, mittags, abends). Den Mardorfern oblag die Bauunterhaltung der Kapelle samt Glocke und die Entlohnung von Pastor (jährlich drei Reichstaler), Küster (sechs Mariengroschen pro Gottesdienst) und Schulmeister (jährlich zehn Braunschweiger Himten Roggen).6 Darüber hinaus heißt es in der Vereinbarung: „Im übrigen sind die Mardorffer schuldig und gehalten, außer den dreyen malen, da in ihrer Capelle gepredigt wird, sich bey den Vormittags Gottesdiensten in der Kirche zu Schneeren, nach wie vor fleißig einzufinden.“ Amtmann und Superintendent bezeugten das Übereinkommen. Überdies diente die Kapelle bis 1842 auch als Schulhaus.7
Auch für Taufen, Trauungen und Beerdigungen mussten die Mardorfer weiterhin den Weg nach Schneeren auf sich nehmen. Einen eigenen Friedhof durften sie 1801 anlegen. Die Zahl der jährlichen Gottesdienste änderte sich erst in der ersten Hälfte des 20. Jh.: Ab 1920 fand an jedem ersten Sonntag im Monat ein Gottesdienst in der Kapelle statt, seit 1937 an jedem ersten und an jedem dritten; hinzu kamen die Festgottesdienste (Weihnachten, Ostern, Pfingsten).8
Nach der Neuwahl des KapV 1933 setzte sich das Gremium aus vier Mitgliedern der NSDAP zusammen; zwei legten ihr Amt 1938 nieder und traten später aus der Kirche aus. Insgesamt traten während der NS-Zeit knapp 30 der gut 600 Gemeindeglieder aus der Kirche aus und in den Unterlagen zur Visitation 1946 gab P. Friedrich Lunde (amt. 1933–1968) rückblickend an: „Kirchenfeindliche Bestrebungen traten in der Zeit von 1937 – 1945 vor allem in Mardorf“ hervor, wo der damalige erste Lehrer „sehr scharf gegen die Kirche und gegen das Christentum Stellung genommen“ hatte.9
Neben der ev. Kapelle besteht in Mardorf seit 1964 eine neuapostolische Kirche. Mit Blick auf die unterschiedliche Strukturentwicklung der beiden Kirchspielorte erhob das LKA Hannover die KapG Mardorf zum 1. Juli 1990 zur Kirchengemeinde; pfarramtllich blieb sie mit der KG Schneeren verbunden.10 Die Kapelle erhielt den Namen Christus-Kapelle. Das schon seit Anfang der 1980er Jahren geplante und 1994 eingeweihte Gemeindehaus dient auch der Camping- und Urlauberseelsorge.11
Zum 1. Januar 2009 gründete die KG Mardorf gemeinsam mit den KG Bordenau, Poggenhagen und Schneeren sowie Liebfrauen und Johannes in Neustadt den „Ev.-luth. Kirchengemeindeverband Neustadt a. Rbge.“. Die KG vereinbarten auf inhaltlicher, personeller und finanzieller Ebene zusammenzuarbeiten, um ihre gemeindlichen Aufgaben besser erfüllen zu können.12 Bereits seit 2007 unterstützt die gemeinsame Michaelisstiftung das kirchengemeindliche Leben in den sechs Gemeinden. Zum 1. Januar 2010 fusionierte die KG Mardorf mit ihrer Muttergemeinde Schneeren zur neuen „Ev.-luth. KG Mardorf-Schneeren“.13
Umfang
Mardorf
Aufsichtsbezirk
Mit Gründung der KG 1990 zum KK Neustadt a. Rbge. Seit dem 1. Januar 2001 KK Neustadt-Wunstorf.14
Kirchenbau
Kleine Fachwerkkapelle mit gestrecktem Achteck als Grundriss, erbaut 1721/22. Walmdach. Dunkles Fachwerk; verputze, weiß gestrichene Ausfachung (Weidengeflecht, Lehm); große Rechteckfenster an den Längsseiten; drei versetzte, querrechteckige Fenster nach Westen, Portal nach Norden, darüber Inschrift: „Da ihr meines Namens Gedechtnis stiften werdet da will ich zu euch kommen um darin zu wohnen. 1721. 1993“. Im Innern flache Balkendecke. 1952/53 erneuert und umgestaltet (Glocke bei Silvesterläuten 1951 durch Kapellendach gestürzt; Sakristei an der Südseite zu Podest für Harmonium umgebaut). 1969–71 Innen- und Außeninstandsetzung, Umgestaltung Innenraum (u. a. Kanzelaltar, Bänke, L-förmige Empore an Nord- und Westseite sowie Podest für Harmonium entfernt).15 1992/93 Außensanierung.
Turm
Offener Dachreiter mit vierseitigem Pyramidendach bekrönt mit Kugel und Wetterfahne.
Ausstattung
Altar, Taufe und Lesepult aus Buchenholz mit Glaseinsätzen (2002). – Kruzifix an der Altarwand (1978, Eginhard Scholz, Schieder-Schwalenberg). – Kleine Taube über dem Lesepult (bis 1970 im Schalldeckel des Kanzelaltars). – Engelsskulptur über der Taufe (1980er Jahre, Eginhard Scholz, Schieder-Schwalenberg). – Hölzerner Opferstock mit Eisenbeschlägen, Inschrift „Gedenke der Armen. AB. 1721“, gestiftet von Albert Braasen. – Ehemalige Ausstattung: Kanzelaltar (zweite Hälfte 18. Jh.), Schalldeckel an der Decke befestigt; Altar 1970 abgebaut. – Einfacher Tischaltar (1970), ersetzt 2002.
Orgel
Harmonium der Firma Mannborg, erbaut um 1900, 1970 nicht mehr spielbar; 1971 ersetzt durch eine elektronische Orgel (Philicorda von Philips).16 Kleinorgel 4 I/–, mechanische Traktur, Schleifladen, erbaut um 1965 von Klaus Becker (Kupfermühle), angeschafft 1975.
Geläut
Eine LG (Bronze, Gj. 1721, Johann Statz Altenburg, Sachsenhagen), Inschrift: „Goss mich M Johann Staz Altenburg Anno 1721“.
Weitere kirchliche Gebäude
Gemeindehaus (Bj. 1994).
Friedhof
Ehemaliger kirchlicher Friedhof bei der Kapelle, angelegt Januar 1801. Neuer kirchlicher Friedhof am westlichen Ortsrand, angelegt 1846; FKap (Bj. 1983), alte FKap (Bj. 1958), Glockenträger (Bj. 1989) mit einer LG, f’’ (Bronze, Gj. 1988, Karlsruher Glocken- und Kunstgießerei Carl Metz), Inschrift: „Christus ist unser Friede. Mardorf 1988“; Bild: Kreuz mit Strahlen; Untermollsext-Rippe.
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
S 11a Nr. 7896 (Findbuch PfA).
Literatur & Links
A: 400 Jahre KK Neustadt, S. 93–95; Gemeindebuch KK Neustadt a. Rbge., S. 61–63; Kirchenkreis Neustadt-Wunstorf, S. 20; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 918; Krumm, Denkmaltopographie Region Hannover, S. 381–383; Nöldeke/Karpa, KD Kr. Neustadt I, S. 111–112, II. Abb. 233.
B: Friedrich Dankenbring: Mardorf am Steinhuder Meer. Geschichte eines Dorfes und seiner, Mardorf [1997] [online Version, 27.09.2021]; Friedrich Dannenberg: Mardorf 1173–1973. Streiflichter aus acht Jahrhunderten, Neustadt a. Rbge. 1973; Friedrich Kanjahn: Die Christus-Kapelle in Mardorf und Die Kirche zum guten Hirten in Schneeren, Groß Oesingen 2018; Manfred Müller: Kleine Geschichtskunde über die Mardorfer Christus-Kapelle und die Ev.-luth. Christus-Kirchengemeinde, Stolzenau [um 1994].
Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Kirche
GND
4786172-1, Christus-Kapelle Mardorf (Neustadt, Rübenberg)
Fußnoten
- Müller, [S. 13].
- 1171: Fesche/Boetticher, Urkunden Neustädter Land I, Nr. 14. 1173: Cal. UB III, Loccum, Nr. 3; UB Loccum I, Nr. 1; Fesche/Boetticher, Urkunden Neustädter Land I, Nr. 15.
- Bühler u. a., Heimatchronik Neustadt, S. 74.
- Müller, [S. 3]. Nachdem Monnekehusen wüst gefallen war wurde Rehburg Kirchdorf des Kirchspiels, Bühler u. a., Heimatchronik, S. 74.
- Zit. bei Müller, [S. 6], dort auch die folgenden Zitate; siehe auch Dannenberg, S. 16 ff.
- Ein Braunschweiger Himten entsprach gut 31 Litern.
- Müller, [S. 9]; Krumm, Denkmaltopographie Region Hannover, S. 382.
- Gemeindebuch KK Neustadt a. Rbge., S. 63; LkAH, L 5a Nr. 337 (Visitationen 1937 und 1946).
- LkAH, S 1 H III Nr. 115, Bl. 32.
- KABl. 1990, S. 101. vgl. auch LkAH, L 5d, unverz., Schneeren, Visitation 1990: „Damit wurde nun auch kirchlicherseits dem Umstand Rechnung getragen, daß das Dorf Mardorf soziologisch und strukturell im Vergleich zu Schneeren mit seinen dörflichen Strukturen eine eigene Größe darstellt.“
- LkAH, L 5d, unverz., Schneeren, Visitationen 1984 und 1990.
- KABl. 2009, S. 40 ff.
- KABl. 2010, S. 160 f.
- KABl. 2001, S. 140 f.
- LkAH, B 2 G 9/Mardorf Bd. I, u. a. Bl. 70, 81 und 116. In der Literatur häufig die irrtümliche Angabe 1978.
- LKA, G 9 B/Mardorf Bd. I, Bl. 5 und 13 f.