Sprengel Hannover, KK Neustadt-Wunstorf | Patrozinium: Johannes | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Mitte des 20. Jh. bestand das Neustädter Landwehrviertel westlich der Bahnlinie Hannover–Bremen lediglich aus einigen Wohnhäusern an der Landwehr und am Liebfrauenkamp.1 Angesichts der rasch steigenden Einwohnerzahlen nach Ende des Zweiten Weltkriegs – 1945 lebten gut 4.760 Menschen in Neustadt am Rübenberge, 1966 rund 11.780 – entstanden hier neue Wohngebiete, errichtet u. a. vom Gemeinnützigen Bauverein Neustadt e. V.
Schon Mitte der 1960er Jahre sah die Liebfrauengemeinde es als notwendig an, im Gebiet westlich der Bahnlinie ein Gemeindezentrum zu errichten. „Die Kinder werden jeden Sonntag in einem gecharterten Sonder-Postbus (Kosten 30,– DM) zum Kindergottesdienst gefahren [… Die Mütterarbeit geschieht bisher in einer Gastwirtschaft“ heißt es 1966 in einem Aktenvermerk.2 Anfang der 1970er Jahre lebten etwa 4.500 ev. Gemeindeglieder im Landwehrgebiet und die Liebfrauengemeinde beantragte eine vierte Pfarrstelle. 1971 begannen die Arbeiten am Gemeindezentrum im Wacholderweg und ein Jahr später konnte die Gemeinde den Neubau einweihen (11. Juni 1962). Kurz zuvor hatte Pn. Heike Mahlke (amt. 1972–1974) die neue Pfarrstelle übernommen. Im gleichen Jahr eröffnete auch der ev. Kindergarten neben dem Gemeindezentrum.
Zum 1. Oktober 1974 trennte sich der westliche Pfarrbezirk von der Liebfrauengemeinde, machte sich als Johannesgemeinde selbständig und übernahm eine Pfarrstelle der Muttergemeinde.3 P. Peter Wesche (amt. 1974–1983) war der erste Pastor der neuen Gemeinde; der Sup. des KK Neustadt a. Rbge. war anfangs für einen Teil des Gemeindegebiets zuständig. Bis September 1981 fanden die Gottesdienste im neuen Gemeindezentrum nur alle zwei Wochen statt, um „den Gemeindegliedern die Möglichkeit zu geben, den Sakralbau der Muttergemeinde – die Liebfrauenkirche – zu besuchen“.4 Nach der ersten Visitation der Gemeinde im jahre 1982 beschrieb der Sup. das Gemeindeleben als „vielfältig und lebendig“.5 Die neue Johannesgemeinde hätte mittlerweile eine eigene Identität entwickelt. Seit Mitte der 1980er Jahren trate, angeregt durch P. Wilhelm Schröder (amt. 1984–1994), neben die „volkskirchlichen Angeboten auch solche, die durch die geistliche Gemeindeerneuerung geprägt sind“ (Glaubenskurse, Hauskreise charismatische Abendgottesdienste).6
Von 1983 bis 1989 war die Johannesgemeinde pfarramtlich mit der KG Eilvese verbunden; die 1983 errichtete zweite Pfarrstelle hatte ihren Sitz daher zunächst in Eilvese.7 Mit Ende der pfarramtlichen Verbindung kam die Pfarrstelle vollständig zur Johannesgemeinde. Nachdem das Gemeindezentrum 1983 um einen Glockenturm ergänzt worden war, folgte 1991 schließlich die Grundsteinlegung für einen Kirchenbau. Zum Reformationsfest 1992 feierte die Gemeinde die Einweihung der neuen Johanneskirche. 1994 übernahm die Johannesgemeinde die Trägerschaft eines weiteren Kindergartens (Pusteblume).
Zum 1. Januar 2009 gründete die Johannesgemeinde gemeinsam mit den KG Liebfrauen, Bordenau, Mardorf, Poggenhagen und Schneeren den „Ev.-luth. Kirchengemeindeverband Neustadt a. Rbge.“. Die KG vereinbarten auf inhaltlicher, personeller und finanzieller Ebene zusammenzuarbeiten, um ihre gemeindlichen Aufgaben besser erfüllen zu können.8 Bereits seit 2007 unterstützt die gemeinsame Michaelisstiftung das kirchengemeindliche Leben in den sechs Gemeinden.
Nach Abriss des alten Gemeindehauses im Jahr 2018 begannen 2020 die Neubauarbeiten.

Pfarrstellen

I: (1972) 1974 (übernommen von der Liebfrauengemeinde).9 – II: 1983, 1997 in eine halbe Stelle umgewandelt.10

Umfang

Kernstadt Neustadt a. Rbge. westlich der Bahnlinie Hannover–Bremen.

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1974 zum KK Neustadt a. Rbge., seit 1. Januar 2011 KK Neustadt-Wunstorf.

Kirchenbau

Moderner Kirchenbau mit konkav-polygonalem Grundriss, an der Westseite dreiseitig hervortretender Altarraum, errichtet 1991/92 (Entwurf: K. H. Muth, Hannover). Dachlandschaft aus mehreren Pultdächern, nach Nordosten und Osten mit Dachgauben, auf der Westseite Dachflächen zum Altarraum hin abfallend, Altarraum mit kleinem Turm betont; Außenwände verklinkert; bodentiefe Fenster, Fensterbänder unterhalb der Traufe, vertikale Fensterbänder. Im Innern offener Dachstuhl, verschalte Deckenflächen, die zum Altar hin abfallen, zentrale Stütze hinter dem Altar11; Wände verklinkert und weiß gestrichen bzw. holzverschalt; Empore nach Nordosten und Osten; halbkreisförmige Bestuhlung in drei Blöcken. 2007/08 Empore eingebaut.12

Turm

Nördlich der Kirche, zwischen Turm und Kirche liegt das Gemeindezentrum. Offene Betonkonstruktion mit zweiseitig auskragender, holzverschalter Glockenstube, bekrönt mit Kugel und Kreuz, errichtet 1983.

Ausstattung

Schlichter, hölzerner Altartisch mit trapezförmiger Mensa. – Lesepultartige Kanzel. – Taufe aus unbehauenem Stein mit Taufschale, dahinter hohes Holzkreuz („Eine ungewöhnliche Verbindung von Kreuz und Taufschale durch einen Golgatha andeutenden Felsen lädt zur Meditation ein und will hinführen zur Aussage des Paulus im Römerbrief: ‚Oder wisst ihr nicht, dass wir alle, die wir auf Christus getauft sind, in seinen Tod hineingetauft sind?‘ (Römer 6,3)“).13 – Im alten Gemeindezentrum: Wandteppich im Altarbereich (1973, Entwurf: Herbert Aulich, Offenbach am Main), Thema: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“ (Joh 1,14). – Drei Keramiktafeln Johannes der Täufer, Johannes der Evangelist und Johannes der Prophet (1982, entworfen u. a. von Ekka Lühring, Fritz Sackewitz, Hans und Jochen Tiemann, Martha Wesche).

Orgel

Kleinorgel, erbaut 1974 von Firma Emil Hammer Orgelbau (Arnum), 5 I/aP, mechanische Traktur, Schleifladen (Opus 1690).14 1978 um ein Register erweitert. 1991 in der neuen Kirche aufgestellt. 2008 Orgel aus der entwidmeten Messiaskirche in Hannover-Buchholz erworben, erbaut 1980 von Rudolf Janke (Bovenden) 14 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen (Opus 87). 2009 Umbau und Erweiterung, ausgeführt von Firma Ekkehart Groß (Waditz), 16 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen.15

Geläut

Drei LG, I: dʼ, Inschrift: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn“; II: fʼ, Inschrift: „O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort“; III: gʼ, Inschrift: „Lasst die Kindlein zu mir kommen“ (alle Bronze, Gj. 1983, Karlsruher Glockengießerei), alle Glocken tragen überdies die Inschrift „Johannesgemeinde Neustadt“

Weitere kirchliche Gebäude

Gemeindehaus (Bj. 2020/21, Architekt Gerd Lauterbach, Hannover). – Pfarrhaus I (Bj. 1974). – Pfarrhaus II (Bj. 1994). – Kindergarten (Bj. 1972). – Altes Gemeindehaus mit Kirchsaal (Bj. 1971/72, 2018 abgerissen).

Friedhof

Kirchlicher Friedhof der Liebfrauengemeinde an der Lindenstraße.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

S 09 rep Nr. 1766 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 8126 (Findbuch PfA).

Literatur

A: 400 Jahre KK Neustadt, S. 77–78; Kirchenkreis Neustadt-Wunstorf, S. 22.
B: Die Janke-Orgel in der ev.-luth. Johanneskirche zu Neustadt am Rübenberge. Festschrift zur Wiedereinweihung am 16. August 2009, hrsg. vom Kirchenvorstand der Ev.-Luth. Johannes-Kirchengemeinde, Ilmenau 2009; Festschrift 25 Jahr Johannesgemeinde 1974–1999, hrsg. von der Ev.-luth. Johannesgemeinde, [Neustadt a. Rbge 1999].

GND

1155541774, Evangelisch-Lutherische Johannes-Kirchengemeinde (Neustadt am Rübenberge)


Fußnoten

  1. Winkel, S. 381 ff.
  2. LkAH, B 2 G 9/Johannes, Neustadt, Bd. I, Bl. 8.
  3. KABl. 1974, S. 251 f.
  4. LkAH, L 5d, unverz., Johannes, Neustadt a. Rbge, Visitation 1982.
  5. LkAH, L 5d, unverz., Johannes, Neustadt a. Rbge, Visitation 1982.
  6. 400 Jahre KK Neustadt, S. 78; vgl. auch LkAH, L 5d, unverz., Johannes, Neustadt a. Rbge, Visitation 1988.
  7. KABl. 1983, S. 43 f.; KABl. 1989, S. 57.
  8. KABl. 2009, S. 40 ff.
  9. KABl. 1972, S. 6; KABl. 1974, S. 251 f.
  10. KABl. 1983, S. 43 f.; KABl. 1997, S. 205.
  11. Architekt Muth spricht in seiner Baubeschreibung vom „Bild einer Versammlungsstätte unter einem Baum […] Die Dächer des Kirchenraums fallen von allen Seiten zum Altar. Der Kräfteverlauf in den Konstruktionen folgt ebenfalls diesen Linien und konzentriert sich im Altarbereich. Dort werden die Kräfte durch eine zentrale Stütze aufgenommen und in den Baugrund geführt – wie bei einem Baum“, Festschrift, [S. 14 f.].
  12. Janke-Orgel, [S. 4].
  13. Kirchenkreis Neustadt-Wunstorf, S. 22.
  14. Pape/Schloetmann, Hammer, S. 184.
  15. Disposition vor und nach dem Umbau: Janke-Orgel, [S. 16] und [20 f.].