Frühere Gemeinde | KapG der KG Adenstedt | Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hildesheimer Land-Alfeld, Amtsbereich Alfeld | Patrozinium: Maria1 | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Die ältesten schriftlichen Erwähnungen des Dorfes finden sich als Grafla bzw. Graflon in zwei im 12. Jh. gefälschten und auf das Jahr 1022 datierten Urkunden, mit denen angeblich Bf. Bernward von Hildesheim bzw. Ks. Heinrich II. die Besitzungen des Hildesheimer Klosters St. Michaelis bestätigt hatte.2 Besitztümer in Grafelde bzw. Grafla sind u. a. auch in Güterverzeichnissen von 1321 und (vor) 1331 aufgeführt, inhaltlich erscheinen die gefälschten Urkunden also durchaus verlässlich.3 Neben dem Michaeliskloster hatten auch das Hildesheimer Stift St. Moritz, das Kloster Lamspringe und die Herren von Steinberg Besitz und Güter in Grafelde.4 Das Dorf gehörte zum Amt Winzenburg im Hochstift Hildesheim. Nach Ende der Hildesheimer Stiftsfehde fiel die Landesherrschaft über dieses Amt an Hzg. Heinrich den Jüngeren, Fs. von Braunschweig-Wolfenbüttel. Seit der Restitution des Großen Stifts 1643 war erneut der Bf. von Hildesheim Landesherr. Nach den Bestimmungen des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 fiel das Gebiet des Hochstifts Hildesheim an das Kgr. Preußen. Von 1807 bis 1813, in den Jahren des französischen Satellitenkgr. Westphalen, zählte Grafelde zum Kanton Bodenburg im Distrikt Hildesheim des Departements Oker. Ab 1815 gehörte das Dorf, nun im Kgr. Hannover, wieder zum Amt Winzenburg, das in den 1820er Jahren mit dem Amt Bilderlahe vereinigt wurde. Ab 1836 zählte Grafelde zum neuen Amt Alfeld. Seit der Annexion von 1866 wieder preußisch kam Grafelde 1885 zum neuen Lkr. Alfeld (1977 Lkr. Hildesheim). 1974 wurde der Ort nach Adenstedt eingemeindet, das zur Samtgemeinde Sibbesse zählte und seit 2016 Teil der Gemeinde Sibbesse ist. Grafelde zählte 1810 und 1925 jeweils gut 230 Einwohner, 2003 knapp 280.

Kapelle, Ansicht von Süden, um 1960

Kapelle, Ansicht von Süden, um 1960

Ältestes Zeugnis der örtlichen Kirchengeschichte ist die Grafelder Kapelle selbst, deren vermutlich nachträglich angebauter Chor laut Bauinschrift 1512 errichtet wurde. Urkundlich belegt ist sie 1516, als sich der Knappe Ernst Wrisberges von den „Olderluden der Kapelle zu Gravelde Marien der moder goddes vnde sunte Katerinen“ Geld aus der Kapellenkasse lieh.5 Zuständig für die KapG war der Pfarrer von Adenstedt. Zusammen mit der Muttergemeinde wechselte Grafelde 1542/68 zur luth. Lehre. In den Visitationsprotokollen von 1542 und 1568 ist die KapG jeweils als filia (Tochtergemeinde) von Adenstedt Adenstedt genannt.6 Beide Gemeinden blieben auch luth., nachdem sie seit 1643 (Restitution des Großen Stifts) mit dem Bf. von Hildesheim wieder einen kath. Landesherrn hatten. In einer Beschreibung der prot. Dörfer des Hochstifts Hildesheim aus dem Jahre 1730 ist Grafelde als filia incorporata von Adenstedt genannt.7 Die Kapellenrechnungen reichen bis 1762 zurück. Seit 1866 war die Muttergemeinde Adenstedt mit dem benachbarten Sellenstedt pfarramtlich verbunden.

Kapelle, Blick zum Altar, Foto: Ernst Witt, September 1959

Kapelle, Blick zum Altar, Foto: Ernst Witt, September 1959

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs urteilte der Alfelder Sup., dass die „kirchliche Sitte und der kirchliche Zusammenhang“ im Kirchspiel Adenstedt-Grafelde-Sellenstedt „trotz aller Störungen durch die Nat[ional] Sozialisten“8 erhalten geblieben sei. Auch in den Visitationsberichten der folgenden Jahre bleiben die Urteile über das kirchliche Leben in den Gemeinden recht positiv. Prägend waren sicher nicht zuletzt die langen Dienstzeiten der Pfarrer Rudolf Vogel (amt. 1933–1955) und Hermann Henning (amt. 1955–1980): 1971 merkte der LSup. an, dass „die längere Arbeit eines Pastors in einer Gemeinde doch auch sehr ihre guten Seiten hat“.9
Das Kirchspiel vergrößerte sich zum 1. Oktober 1999, als die Martins-KG Wrisbergholzen pfarramtlich mit Adenstedt verbunden wurde.10 Zum 1. Januar 2008 löste sich die KapG Grafelde schließlich auf und ihre Gemeindeglieder wurden in die St.-Peter-und-Paul-KG Sellenstedt eingegliedert. Gleichzeitig schlossen sich die Gemeinden Wrisbergholzen, Sellenstedt und Adenstedt zur „Ev.-luth. Martin-Luther-KG Adenstedt-Wrisbergholzen in Adenstedt“ zusammen.11

Kapellenbau
Kapelle, Grundriss, vor 1929

Kapelle, Grundriss, vor 1929

Saalbau mit leicht eingezogenem Rechteckchor, im Kern vielleicht romanisch, Rechteckchor von 1512 (Bauinschrift an Südostecke: „anno xvᶜ xii“).12 Satteldach, im Westen mit Krüppelwalm; teilweise verputztes Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung; Steinkreuz über Ostgiebel; zwei Strebepfeiler im Westen, an Längsseiten Rechteckfenster, am Chor Rundbogen- und Dreipassfenster (im Osten einfach, im Süden gekuppelt), Nische in Ostwand, flachbogiges Portal im Süden, darüber eingelassener Christuskopf (wohl romanisch, vergleichbar mit dem Kopf am Turm der Kirche in Wrisbergholzen). Im Innern flache Balkendecke, im Chor verputzt; runder Triumphbogen zwischen Chor und Schiff, L-förmige Empore, Sakramentsnische in Ostwand. Schiff bei Umbauten im 18. Jh. verändert (Bauinschriften 1729, 1753). Renovierung um 1960. Renovierung 1995.

Turm

Verschieferter, viereckiger Dachreiter mit achtseitig ausgezogener Spitze, bekrönt mit Kugel und Wetterfahne. Rechteckige Schallfenster, Auslegestuhl für Uhrschlagglocke nach Süden; Uhrziffernblätter nach Norden und Süden. Neue Turmuhr 1902 (Firma Weule, Bockenem).

Kapelle, Blick in den Altarraum, Foto: Ernst Witt, September 1959

Kapelle, Blick in den Altarraum, Foto: Ernst Witt, September 1959

Ausstattung

Altarmensa mit fünf Weihekreuzen. – Spätgotischer, dreiteiliger Flügelaltar (Hildesheimer Werkstatt, um 1490, Schüler Tilman Riemenschneiders), im Schrein drei geschnitzte Figuren: Mondsichelmadonna, flankiert von der hl. Katharina (links) und der hl. Elisabeth (rechts); auf den Flügeln Tafelbilder: links Anna selbdritt, rechts hl. Barbara neben einem Turm; auf den Außenseiten Ölbild der Verkündigung: links Maria mit Buch, rechts Engel Gabriel mit Schwert (dem Meister der Braunschweiger Sippentafeln zugeschrieben)13; Kruzifix als Bekrönung; in Predella zwölf Apostel mit Attributen (vielleicht Meister der Reinhausener Apostel).14 1896 von Kunstmaler Harald Friedrich (Hannover) restauriert, erneute Restaurierungen 1926 und 1954/56. – Ehemaliger Taufstein neben dem Altar, Sandstein, datiert 1511 (m ccccc xi), früher vor der Kirche.15 – Sandsteintaufe (1662) mit achteckiger, zylindrischer Cuppa und farbig gefasstem Deckel aus Holz.16 – Niedrige Holzkanzel an der Südwestecke des Chorraums.

Kapelle, Blick zur Orgel, Foto: Ernst Witt, September 1959

Kapelle, Blick zur Orgel, Foto: Ernst Witt, September 1959

Orgel

1894 Neubau von P. Furtwängler & Hammer (Hannover), 7 I/P, mechanische Traktur, Kegelladen (Opus 319).17

Geläut

Eine LG, e’’, Inschrift: „Anno 1650 hatt die Gemeine zv Graffel diese Glocken zv […] Ehre Gottes giessen lassen, ihr Pastor ist gewesen Bartholomaevs Bargman Hild[esiensis] Alterlevte Hans Stoffregen, Christoffel Ossenkopf. Die Eltesten menner Hans Brinckman, Hans Clages, Hans Meier, Harmen Volmer, Henni Scaper, Hans Haman. Gos mich Meister Henni Lampe in Hildesheim“ (Bronze, Gj. 1650, Henni Lampe, Hildesheim).18 – Eine SG, d’’’ (Bronze).

Friedhof

An Nordostecke des Dorfes 1860 angelegt, in Trägerschaft der KG. Ein Teil des Grundstücks ist Eigentum der politischen Gemeinde. FKap.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

D 43 (EphA Alfeld)

Kirchenbücher

Taufen: ab 1799
Trauungen: ab 1799
Begräbnisse: ab 1799
Kommunikanten: ab 1803 (Lücken: 1838–1855)
Konfirmationen: ab 1817

Mutterkirche Adenstedt. Früher in den Kirchenbüchern der Mutterkirche sowie Taufen, Trauungen, Begräbnisse seit 1853, Kommunikanten seit 1876 und Konfirmanden seit 1836.

Literatur

A: Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 120, Nr. 123; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 552; Gmelin, Tafelmalerei, Kat.-Nr. 132 und 180; Graff, Geschichte Kr. Alfeld, S. 487–491; Kiecker/Graff, KD Kr. Alfeld, S. 145–150.
B: Sabine Hartmann: Die Samtgemeinde Sibbesse. Geschichten und Bilder von damals und heute, Harsum 2005, bes. S. 71–86.


Fußnoten

  1. Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien I, S. 106.
  2. UB HS Hildesheim I, Nr. 67 und 69. Vgl. dazu insgesamt: Casemir, Krueger, Ohainski & Peters, 1022, S. 54. Siehe auch Graff, Geschichte Kr. Alfeld, S. 487.
  3. UB HS Hildesheim IV, Nr. 638 (S. 351) und 1155 (S. 622); Graff, Geschichte Kr. Alfeld, S. 487.
  4. Graff, Geschichte Kr. Alfeld, S. 487.
  5. Hartmann, Regesten I, Nr. 21.
  6. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 220; Spanuth, Quellen, S. 277.
  7. Evangelischer Kirchenstaat, S. 57.
  8. LkAH, L 5h unverz., Adenstedt, Visitation 1946.
  9. LkAH, L 5h unverz., Adenstedt, Visitation 1971.
  10. KABl. 1999, S. 216.
  11. KABl. 2008, S. 11.
  12. DI 88, Landkreis Hildesheim, A1, Nr. 13 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016a1001308.
  13. DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 63 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0006306; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 552.
  14. Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 552.
  15. DI 88, Landkreis Hildesheim, A1, Nr. 12 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016a1001201.
  16. Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 120, Nr. 123.
  17. Pape/Schloetmann, Hammer, S. 104.
  18. DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 439 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0043907; Drömann, Glocken Lkr. Hildesheim, S. 71.