Sprengel Ostfriesland-Ems, KK Harlingerland | Patrozinium: Martin [von Tours] | KO: Ostfriesische KO von 1716

Orts- und Kirchengeschichte

Das Geestranddorf Etzel (seit 1972 Ortschaft der Gemeinde Friedeburg) erscheint erstmals in einer Urkunde des Jahres 1134, als die capelle Ezele durch den Bremer Ebf. dem neu gegründeten Propsteibezirk Reepsholt zugewiesen wurde. 1164 wurde das Dorf durch die Rüstringer zerstört. Im April 1436 unterstellten sich Häuptling Inneke Widdeken und das karspel to Etzele der Herrschaft des Gf. Dietrich von Oldenburg.1 Nach dem Verzicht der Oldenburger (1486) fiel Etzel an das Fsm. Ostfriesland (Amt Friedeburg/Vogtei Horsten, ab 1859 Amt Wittmund). Der Einfluss der Etzeler Häuptlinge ist wohl noch im 15. Jh. erloschen. Sie werden nach dem Ende der oldenburgischen Landeshoheit nicht mehr genannt.

Kirche, Südostansicht

Kirche und Glockenhaus, Blick von Südosten, 2016, Foto: fentjer, CC BY-NC-ND 4.0

Als erster Geistlicher ist 1409 her Tante, kerkhere to Etezel nachgewiesen.2 Die Reformation setzte sich in Etzel schon früh durch. Zwischen 1530 und 1560 wird Johann Radiker als P. genannt, der als „guter Freund“ Luthers bezeichnet wird.3 In nachref. Zeit ist wohl auch der Beginn des Schulwesens in Etzel anzusetzen. Ein Lehrer ist zwischen 1650 und 1671 erstmals nachgewiesen. Aus der Zeit um 1700 ist das älteste Schulhaus im Ortsteil Pumperhörn bekannt. 1890 wurde die Pastorei in der Dorfstraße neu errichtet (seit 1956 als Gemeindehaus mit Wohnungen genutzt).
Kirchenkampf und Zweiter Weltkrieg hatten auf das kirchliche Leben kaum Einfluss. Noch Ende der 1950er Jahre wird Etzel als Bauerndorf bezeichnet, in dem allerdings auch eine Reihe von Handwerkern und Arbeitern ansässig war. Hinzu traten später Arbeiter der Erdölindustrie (1942–1959) sowie Pendler der Olympiawerke in Roffhausen und anderen Industriebetrieben in Wilhelmshaven.4
1966 umfasste die KG Etzel noch 870 Gemeindeglieder. Mit dem 1. Januar 1968 wurde sie in eine KapG umgewandelt und in den Verband der St.-Marci-KG in Marx eingegliedert.5 Seit 1. April 1990 ist sie wieder selbständige KG, blieb aber mit der KG Marx pfarramtlich verbunden.6

Umfang

Die Dörfer Etzel, Hohenjovels, Riepen und Stapelstein.

Aufsichtsbezirk

Praepositur des Klosters Reepsholt in der Erzdiözese Bremen (seit 1134). – Von 1631 bis 1643 unterstand Etzel dem luth. Coetus in Aurich und ab 1643 unmittelbar dem luth. Konsistorium. Mit dem Erlass der Insp.-Ordnung für das Fsm. Ostfriesland kam die Gemeinde 1766 zur 3., später (vor 1819) 4. luth. Insp. Von 1823 bis 1874 war Etzel Sitz der 4. Insp. Nach Überführung in die Kirchenkreisverfassung 1924 zum KK Reepsholt, der am 1. Juli 1965 im KK Wittmund, 1. Januar 1974 im KK Harlingerland aufging.

Patronat

Genossenschaftspatronat der Gemeinde (Interessentenwahlrecht).

Kirchenbau
Kirche, Südostansicht

Kirche, Blick von Südosten, 2016, Foto: fentjer, CC BY-NC-ND 4.0

Zwei hölzerne KGb sind archäologisch nachgewiesen, das ältere wohl vom Anfang des 11. Jh. (Schwellbalkenkirche mit rechteckigem Saal und quadratischem Chor). Beide wurden durch Brand zerstört. Nach Erhöhung der Kirchenwarft wurde in der ersten Hälfte des 13. Jh. eine rechteckige Saalkirche (Backsteinbau über Granitquadern) errichtet. Um 1595 soll sie samt Glockenhaus einem Blitzschlag zum Opfer gefallen sein. Rechteckige romanische, wohl von Anfang an flachgedeckte Backstein-Saalkirche über einem Sockel aus Granitquadern (um 1240, RoGGe: Ende 13. Jh.). Der ursprüngliche Bau verfügte über eine nicht eingezogene Ostapsis, die im ausgehenden 16. Jh. durch Blitzschlag beschädigt und bei der Wiederherstellung der Kirche (1612) nicht wieder aufgebaut wurde. Die früheren Zugänge an der Nord- und Südseite wurden später vermauert und dafür 1829 ein neues Portal an der Westseite geschaffen. Auch die Fenster wurden 1829 verändert. 1968–71 (Neugestaltung im Innern) und 2005/06 wurde die Kirche grundlegend saniert. Seit 2005 ist auch der Nordeingang wieder zugänglich.

Turm

Glockenturm in Form eines Torturms mit Pyramidendach und bekrönendem Dachreiter mit ins Achteck überführter Spitze, errichtet bis 1667 (Datierung auf der Wetterfahne). 1998 saniert. Vorher soll die Kirche an der Ostseite einen hohen Turm gehabt haben, der auch als Seezeichen diente.7 Sicher ist jedenfalls, dass für die Kirche 1596/97 zwei Glocken gegossen wurden, ein Turm demnach vorhanden gewesen sein muss.

Kirche, Blick zum Altar, um 1964

Kirche, Blick zum Altar, um 1964

Ausstattung

Dreigeschossiges, barockes Altarretabel mit Darstellung der Geburt Christi (Anbetung des Kindes), Abendmahl, Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt. Das Werk wird wegen seiner Ähnlichkeit mit dem in Engerhafe Hinrich Jakob Cröpelin zugeschrieben (vielleicht um 1680/90)8; nach anderen Angaben soll es von dem Tischlermeister Andreas Schnörwangen (Aurich) stammen (1711/14)9. Vermutlich hat Schnörwangen ein älteres Retabel von Cröpelin (vielleicht für die Kirche in Esens) umgearbeitet und in Etzel aufgestellt. Eine Inschrift verweist auf den Stifter Johann Hinrich Wilcken und seine Frau Gretcke, geb. Folkers (1714). – Ehemaliges Retabel eines Schriftaltars mit den fünf Hauptstücken von Luthers Katechismus (1617), gestiftet von Fencke Rippen, jetzt an der Nordseite der Kirche angebracht.10 – Kanzel mit Darstellung der vier Evangelisten, auf dem Schalldeckel der Salvator (um 1680/90, ebenfalls Hinrich Cröpelin zugeschrieben).11 – Achteckiger Taufständer mit Deckel aus Holz und Messing, farbig gefasst. Auf den Seitenflächen Darstellung von Evangelisten und Aposteln (1713), gestiftet durch den aus Etzel stammenden Apotheker und Naturforscher Albertus Seba in Amsterdam. – Epitaph (1713). – Gedenktafeln für die Gefallenen der beiden Weltkriege. – Drei Gelbguss-Kronleuchter (1660, 1675, 1726)

Orgel

Auf der Westempore. Bis in die 1860er Jahren hatte die Kirche in Etzel keine Orgel. 1862–64 Neubau durch Gert Sieben Janssen (Aurich). Hinter dem alten Prospekt baute die Firma P. Furtwängler & Hammer (Hannover) 1928 nach Vorgaben von Christhard Mahrenholz ein neues Werk mit 12 II/P, pneumatische Traktur, Taschenladen. 1990 Instandsetzung durch Firma Alfred Führer (Wilhelmshaven). 2007 durch Bartelt Immer (Norden) restauriert.

Geläut

Eine LG in b’ (Bronze, Gj. 1596, Gert Powels, Emden). – Früherer Bestand: Nach einem Visitationsbericht von F. Hardege hingen im Turm in früherer Zeit wohl vier Glocken.12 Mithoff nennt als Bestand zwei Glocken von 1796 und 1798, die zwei ältere Glocken von 1596 (Powels, die Größere) und 1597 (von Hans Siop, Hamburg; die kleinere) ersetzt hätten. Eine Glocke wurde im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgeliefert. Eine 1934 beschaffte Ersatzglocke musste im Zweiten Weltkrieg ebenfalls abgegeben werden.

Friedhof

Bei der Kirche. Eigentum der KG.

Liste der Pastoren (bis 1940)

1530, 1546, 1560 Johann Radiker. – 1583 Sieben Menken. – 1595 Albartus Popken. – 1595–1630 Albartus Popken. – 1630–1652 Jakob Cramer. – 1652–1677 Albert Cramer. – 1677–1720 Helmerikus Ortgiesen. – 1720–1732 Helmerikus Bernhard Anton Ortgiese. – 1732–1762 Peter Friedrich Lubinus. – 1763–1767 Georg Heinrich Steinmetz. – 1767–1781 Johann Jakob Gerdes. – 1781–1819 Ferdinand Rudolf Philipp Steinmetz. – 1819–1879 Berend Folkerts Willms. – 1880–1904 Johann Friederich Meinhard Gossel. – 1907–1922 Gerhard Johann Benno Behnen. – 1923–1934 Dietrich Theodor Ufkes Cremer.
Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 279

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 6 Nr. 2363–2365 (Pfarrbestallungsakten); A 8 Nr. 128Digitalisat(CB); A 12 d Nr. 350Digitalisat(GSuptur. Aurich); D 53 (EphA Reepsholt); S 1 H III Nr. 1018 (Kirchenkampfdokumentation).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1652 (Lücken: September 1812 – Januar 1815)
Trauungen: ab 1659 (Lücken: Juli 1812 – April 1815)
Begräbnisse: ab 1652 (Lücken: September 1812 – Januar 1815)
Kommunikanten: ab 1722, Erstkommunikanten: 1722–1844 (Lücken: 1724, 1740–1743, 1756, 1757, 1762, 1763, 1794, 1818)
Konfirmationen: ab 1845 (Lücken: 1841–1871)

Literatur

A: Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 109 f., Nr. 103; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 460 f.; Haiduck, Kirchenarchäologie, S. 155–163; Kaufmann, Orgeln Ostfrieslands, S. 119; Kiesow, Architekturführer Ostfriesland, S. 354; Meinz, Sakralbau Ostfriesland, S. 128; Mithoff, Kunstdenkmale VII, S. 89; Müller-Jürgens, Vasa sacra, S. 63 f.; Rogge, Kirchen, S. 58 f.
B: Hermann Haiduck: Kirchengrabung Etzel (Kreis Wittmund), in: Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden 55 (1975), S. 133–136.

Weitere Bilder

Fußnoten

  1. Ostfriesisches UB I, Nr. 452.
  2. Ostfriesisches UB I, Nr. 216.
  3. Reershemius, Predigerdenkmal, S. 416.
  4. LkAH, L 5i, Nr. 315 (Visitation 1958, Beantwortung der Visitationsfragen V.14).
  5. KABl. 1968, S. 9.
  6. KABl. 1990, S. 42 f.
  7. Rogge, Kirchen, S. 58.
  8. Kiesow, Architekturführer Ostfriesland, S. 354.
  9. Müller-Jürgens, Vasa sacra, S. 64.
  10. Diederichs-Gottschalk, Schriftaltäre, S. 176–183.
  11. Kiesow, Architekturführer Ostfriesland, S. 354.
  12. LKA, G 9 B/Etzel I, Bl. 6 (Hardege, Bericht über die amtliche Glockenvisitation in der Kirche zu Etzel, 29.05.1958).