Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hildesheimer Land-Alfeld, Amtsbereich Alfeld | Patrozinium: Maria ad septem montes | KO: Calenberger KO von 1569
Orts- und Kirchengeschichte
Brüggen (seit 1974 Ortsteil der Samtgemeinde Gronau) entstand als Haufensiedlung an einem alten Leineübergang. Bei dem Ort befand sich eine ottonische Pfalz, die 936 (Brugheim) in einer Urkunde Ottos I. als Ausstellungsort erstmals erwähnt wird.1 Otto III. schenkte den Königshof samt Zubehör der Äbtissin Mathilde für das Kloster Essen (997).2 Durch Tausch kam Brüggen 1043 in den Besitz des Klosters Gandersheim.3 Das Geschlecht, das sich nach dem Ort benannte (wohl Gandersheimer Ministeriale), erscheint ab 1226 und ist nach 1492 ausgestorben. Mit der Vogtei über die Dörfer Brüggen und Banteln belehnte die Äbtissin von Gandersheim 1360 die Edelherren von Homburg (ab 1409 die Welfen), die sie als Afterlehen vergaben. Die Grundherrschaft teilten sich mehrere Adelsgeschlechter. Im 15. Jh. gelangte der Besitz sukzessive an die von Steinberg, die 1409 mit der Vogtei belehnt wurden und um 1500 auch als Besitzer eines Ritterguts in Brüggen auftreten.4 Die Landeshoheit fiel nach der Hildesheimer Stiftsfehde 1523 an Braunschweig-Wolfenbüttel. 1643 kam sie mit dem Großen Stift zurück an das Fbm. Hildesheim.
Die dem heiligen Cyriakus geweihte Burgkapelle wurde um 1515 mit der Burg erneuert und nach ihrem Verfall 1704/06 über den Grabgewölben in Form der heutigen Schlosskirche neu errichtet. Neben der Burgkapelle entstand bereits im Mittelalter eine hölzerne Wallfahrtskapelle (S. Mariae ad septem montes), die sich besonders an Marientagen zu einem vielbesuchten Wallfahrtsort entwickelte. Das Dorf blieb zunächst nach der Archidiakonatskirche in Rheden eingepfarrt. Die Brüggener Bauern bemühten sich aber schon im frühen 13. Jh. um eine Lösung aus diesem Unterstellungsverhältnis. Ein Konflikt mit dem Archidiakon wurde 1220 dahingehend geschlichtet, dass Taufen, Abendmahlsfeiern, Trauungen, Krankenbesuche, Begräbnisse und regelmäßige Seelmessen der Mutterkirche in Rheden verbleiben, während die Einwohner von Brüggen ihre Kapelle für freiwilliges Gedächtnis und willkürliche Seelmessen nutzen können.5 1485 wurde die Kapelle von den Brüdern Burchard und Kurt von Steinberg mit einem Lehen ausgestattet und 1505 mit Zustimmung des Bf. Johann IV. von Hildesheim für 120 rheinische Gulden losgekauft und verselbständigt.
Als Geistlicher fungierte in Brüggen ein Burgkaplan, der möglicherweise mit dem Geistlichen an der Wallfahrtskapelle identisch war. Im Zuge der Verselbständigung wurde mit der Pfarrstelle, die auch künftig ein Lehen der von Steinberg bzw. ihrer Erben blieb, der Priester Bartram Sotmann (Soltmann) belehnt. 1512 wird der Priester Ludolf Overführer genannt. Die Stelle des Burgkaplans ging mit der Erhebung der Wallfahrtskapelle zur Pfarrkirche ein. Der Ortsgeistliche übernahm seither auch die GD in der Burgkapelle. Im Zuge der Visitation durch die Okkupationstruppen des Schmalkaldischen Bundes wurde 1542/44 die Reformation eingeführt. Der 1544 genannte Pfarrer Johannes Schunemann6 war wohl noch kath.7 Doch hat zur schnellen Durchsetzung der Reformation wohl auch beigetragen, dass die von Steinberg als Patronatsherren sich schon früh zum Luthertum bekannten. Mit der Reformation wurde eine Küsterschule in Brüggen eingerichtet, die mit Unterbrechungen bis zur Trennung von Kirchen und Schulamt 1927 bestand. Der Ort blieb auch während der Rekatholisierungsversuche Heinrichs des Jüngeren luth. Im Westfälischen Frieden wurde das Bekenntnis endgültig bestätigt. Unter den Geistlichen des 18. und 19. Jh. sind hervorzuheben: der spätere braunschweigische Hofprediger Georg Otto Ludolf Knoch (amt. 1731–1739) und Paul Althaus (amt. 1894–1897), nachher Prof. für praktische und systematische Theologie in Göttingen und Leipzig.
Da das Rittergut über eine größere Zahl von Arbeitern und Angestellten verfügte, fanden die GD bis 1939 im Wechsel in der Pfarrkirche und der Schlosskirche statt. Von 1939 bis 1945 versah der Pfarrer von Brüggen zusätzlich den pfarramtlich Dienst in der KG Rheden einschließlich ihrer KapG Heinum. Durch Zuzug von Flüchtlingen und Evakuierten hat sich die Zahl der Einwohner gegenüber dem Vorkriegsstand auf etwa 1.800 verdoppelt. Unter den zugezogenen Personen waren (1947) etwa 200 Katholiken, die von Gronau aus betreut wurden und ihre Messen zeitweilig in der Schlosskirche feierten. Die Nutzung wurde durch den Eigentümer (Frhr. von Cramm) vertraglich eingeräumt, der Status der Schlosskirche als ev.-luth. Gotteshaus aber grundsätzlich beibehalten.8
Die Pfarrstelle ist seit 1999 dauervakant und wird durch das Pfarramt in Rheden versorgt.
Umfang
Das Dorf und die Poststation Brüggen.
Aufsichtsbezirk
Archidiakonat Rheden der Diözese Hildesheim. – Kam bei der Neuorganisation der kirchlichen Aufsichtsbezirke 1542 zur Suptur. Alfeld bzw. 1569 zur Insp. Alfeld der Generaldiözese Alfeld. 1833 in die Insp. (1924: KK) Elze umgegliedert (seit 1. Januar 1975 KK Elze-Coppenbrügge). 1. Januar 2005 KK Hildesheimer Land. Seit 1. Januar 2011 KK Hildesheimer Land-Alfeld, Amtsbereich Alfeld.
Patronat
Für die Schlosskirche lag das Patronatsrecht (dingliches Patronat für Gut und Schloss Brüggen) ursprünglich beim Stift Gandersheim, dem seine Rechte 1206 durch Papst Innozenz III. bestätigt wurden. Später die von Steinberg (seit 1409 als Gandersheimisches Afterlehen, ab 1492 als Lehnsbesitz). – Das Patronat über die Pfarrkirche St. Maria ad septem montes war persönliches Patronat der von Steinberg und fiel mit deren Erlöschen (Ernst Gf. von Steinberg, † 29. Dezember 1911) im Erbgang der Familie von Cramm zu. Eine Verzichtserklärung des Freiherrn Aschwin von Cramm wurde 1958 durch den KV nicht anerkannt. Das Patronat besteht fort.
Kirchenbau
Das 1505 an der Stelle der hölzernen Kapelle auf einer kleinen Anhöhe am Ostrand des Dorfes errichtete einschiffige KGb aus Bruchstein (mit Eckquaderung) wurde um 1600 nach Westen erweitert. Nach Beschädigung im Dreißigjährigen Krieg wurde 1688 der eingezogene, rechteckig geschlossene Chor erneuert, das Schiff 1711. Schiff und Chor verfügen über zwei Fensterachsen und sind mit einer flachen Schaldecke geschlossen. Emporen an West-, Nord- und Südseite. Instandsetzungen 1846 und 1874.
Turm
Westturm von 1747/51 mit ins Achteck überführter Spitze. 2006 saniert.
Ausstattung
Überwiegend aus der zweiten Hälfte des 19. Jh. Ältere Holzschnitzwerke wurden bei einer Innenrenovierung 1886 verkauft, da sie nach Auffassung von Conrad Wilhelm Hase „keinen künstlerischen Wert besaßen“.9 Kanzelaltarwand (1874), 1961 verändert und 2008 in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt. – Viereckige hölzerne Taufe in Kelchform (um 1830). – Grabstein des Justus Anthon Remmer († 1715), außen an der Nordwand des Chores. Grabplatte des P. Gottfried Heinrich Conrad Bansen († 1770).
Orgel
Auf der Westempore. 1746 Neubau von Johann Georg Müller (Hildesheim), 14 I/P. 1857 Instandsetzung und Umdisponierung (Austausch von zwei Reg. und Beseitigung der Nebenzüge) durch P. Furtwängler (Elze). 1904 Neubau des Werks hinter dem Prospekt von Müller durch P. Furtwängler & Hammer (Hannover), 13 II/P, pneumatische Traktur, Kegelladen (Opus 504).10 1958/59 Umbau/Umdisponierung durch Lothar Wetzel (Hannover), 13 II/P, pneumatische Traktur, Kegelladen. 1996 Neubau durch F. Schmidt (Langenhagen) hinter dem Prospekt von Müller, 15 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen.
Geläut
Drei LG, I: e’ (Bronze, Gj. 1963, Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg), Inschrift: „Verleih uns Frieden gnädiglich“, Bild: Maria, Elisabeth und die sieben Berge; II: fis’ (Bronze, Gj. 1887, Johann Jacob Radler, Hildesheim); III: h’ (Bronze, Gj. 1963, Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg), Inschrift: „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet“, Bild: Taube und Wasser. – Eine SG in fis’’ (Bronze). – Früherer Bestand: Bis 1887 hingen im Turm nur zwei kleinere Glocken, von denen eine aus dem Jahr 1615 stammte. 1887 wurde aus diesen sowie einer gesprungenen Glocke aus dem Eigentum des Guts (dat. 1592) bei J. J. Radler (Hildesheim) zwei neue Glocken gegossen11, von denen eine im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgeliefert wurde. Die 1926 oder 1927 bei Radler & Söhne (Hildesheim) gegossene Ersatzglocke wurde im Zweiten Weltkrieg gleichfalls abgeliefert.
Weitere kirchliche Gebäude
Das Pfarrhaus (zweigeschossiges Fachwerkwohnhaus mit Krüppelwalmdach) wurde 1846 erbaut. An Stelle der 1966 abgebrannten Pfarrscheune entstand 1967 ein Jugendheim. Ein Pfarrwitwenhaus wurde wohl 1714 angekauft und 1838 an das Gut veräußert, das Schul- und Küsterhaus (Bj. 1765) 1922 zu Lehrerwohnungen umgebaut.
Friedhof
In Eigentum der KG. Ursprünglich auf dem Kirchhof. 1840 an den weiter südlichen gelegenen neuen Standort am Wasserkamp verlegt. FKap (Bj. 1965/66).
Liste der Pastoren (bis 1940)
1542 Johann Schunemann, wohl noch kath. – 1542–1599 Konrad (Kurt) Meyerhoff. – 1600–1607 Werner Oporinus. – 1607–1627 Johann Moldenhauer (Mollenhauer, Mölnhawer). – 1627–1643 Heinrich Bobertus. – 1645–1652(3) Johann Wittvogel. – 1653–1662 Magister Georg Jessäus (Jessanus). – 1662–1680 Magister Heinrich Mavors. – 1680–1693 Johann Richter. – 1693–1710 Magister Johann Christoph Lorbeer. – 1710–1714 Johann Anton Remmer. – 1715–1730 Albert Sylvester Oppermann. – 1731–1739 Georg Ludolf Otto Knoch. – 1740–1770 Gottfried Hinrich Konrad Bansen. – 1771–1812 Karl Friedrich Ludwig Samuel. – 1813–1838 Ludwig Johann Samuel. – 1838–1884 Karl Heinrich Christoph Samuel. – 1884–1894 Heinrich Ludwig Johannes Haase. – 1894–1897 Adolf Paul Johannes Althaus. – 1898–1932 Karl Heinrich Ludwig Greiffenhagen. – 1933–1957 Walter Lewis Hermann Dunbar.
Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 135–136
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 1 Nr. 1506–1508 (Pfarroffizialsachen); A 6 Nr. 1235–1239 (Pfarrbestallungsakten); A 9 Nr. 335, 336, 337, 338 (Visitationen); D 22b (EphA Elze); D 115 (PfA Brüggen).
Kirchenbücher
Taufen: ab 1644 (Lücken: 1651–1680; unvollständig: 1714, 1715, 1770)
Trauungen: ab 1644 (Lücken: 1653–1679, 1720–1730; unvollständig: 1770–1772, 1777, 1778)
Begräbnisse: ab 1693 (Lücken: April 1719–März 1731, Mai 1743–April 1771; unvollständig: 1715, 1750, 1751, 1765–1767)
Kommunikanten: ab 1834
Konfirmationen: ab 1733 (Lücken: 1736, 1738, 1740–1771, 1779, 1796, 1798, 1803–1812)
Literatur
A: Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 87, Nr. 67; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 299; Jürgens u. a., KD Kr. Alfeld II, S. 17–21; Mahr, Orgelbauer Müller, S. 228–234.
B: Heinrich Springmann (Hg.): 1050 Jahre Brüggen, [Brüggen 1987]; Karl Greiffenhagen: Die Geschichte des Schlosses und Dorfes Brüggen a. d. L. in Verbindung mit der kurz skizzierten jeweiligen Landesgeschichte, Osterode am Harz 1927.
Fußnoten
- MGH DD O I 6 [Digitalisat]. Vgl. auch Casemir/Ohainski, Niedersächsische Orte, S. 69.
- MGH DD O III 242 [Digitalisat].
- MGH DD H III 390 [Digitalisat].
- Reden-Dohna, Rittersitze, S. 59–70.
- UB HS Hildesheim I, Nr. 745.
- Kayser, Kirchenvisitationen, S. 227.
- Meyer, Pastoren I, S. 134.
- LkAH, L 5h, unverz., Brüggen, Visitation 1965 (Visitationsfragen V.2).
- Greiffenhagen, S. 150.
- Pape/Schloetmann, Hammer, S. 123.
- Jürgens u. a., KD Kr. Alfeld II, S. 21.