Frühere Gemeinde | Sprengel Ostfriesland-Ems, KK Rhauderfehn | Patrozinium: Vincentius (und Laurentius1) | KO: Ostfriesische KO von 1716

Orts- und Kirchengeschichte

Ortschaft auf dem Geestrand südlich der Ledaniederung. Backemoor wird 1400 als Bekemor erstmals urkundlich erwähnt, war Zentrum des Overledingerlandes und gehörte als Teil der Gft. Ostfriesland später zum Amt Stickhausen. – Seit 1973 Ortsteil der Einheitsgemeinde Rhauderfehn.

Kirche, Ansicht von Südosten, um 1953

Kirche, Ansicht von Südosten, um 1953

Auf dem „Oll Hoff“, einem alten Kult- und Begräbnisplatz am Nordrand des Dorfes, verfügte Backemoor wohl schon früh über einen hölzernen Sakralbau, der Mitte des 13. Jh. durch das romanische KGb am jetzigen Standort abgelöst wurde. Die den Heiligen Vincentius und Laurentius geweihte Kirche ist eine der ältesten Steinkirchen in Ostfriesland. Anders als die meisten mittelalterlichen Kirchenbauten der Region wurde sie nicht auf einer Warft, sondern auf gewachsenem Boden errichtet. Mitte des 15. Jh., zur Zeit der Häuptlingsfehden, wurde sie zur Wehrkirche umgebaut und mit Wall und Graben umgeben. Als Geistliche werden in vorref. Zeit her Ewe cureet to Boecmora (1436)2 und her Wyart, curatus in Bokamore (1484) genannt. Die Einführung der Reformation erfolgte um 1530. Da die Berufung der Prediger in Ostfriesland durch die in kirchlichen Fragen weitgehend selbstbestimmten Gemeinden erfolgte, ist die Konfessionszugehörigkeit der ersten ev. Geistlichen unbestimmt. Das gilt auch für Martin Rothaler, der um 1565 als Pfarrer geführt wird.
Der konfessionelle Gegensatz zwischen Reformierten und Lutheranern verschärfte sich ab etwa 1580. Mit dem Erlass einer ref. KO durch Gf. Johann II. (1583) wurde in Backemoor zunächst das ref. Bekenntnis eingeführt. Nach seinem Tod (1591) fiel das Amt Stickhausen jedoch an den Gf. Edzard II. und wurde luth. Der bis dahin amtierende ref. P. Martin Welling musste die Gemeinde verlassen und wechselte auf die Pfarrstelle im ref. Oldersum.
1936 wurde die Pfarrstelle nach fünfjähriger Vakanz mit P. Johann Hillrichs wiederbesetzt. Hillrichs stand der Erweckungsbewegung nahe. Er nahm u. a. die Jugendarbeit neu auf, konnte sich aber gegen die Konkurrenz der HJ nicht durchsetzen. Kaum Anhang fand dagegen die kleine DC-Gruppe im Dorf. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg konnte P. Hillrichs den Pfarrdienst aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr aufnehmen. Ihm folgte P. Wilhelm Romann (amt. 1948–1954), ein entschiedener Lutheraner, der dem sogenannten Bagbander Kreis (eine Gruppe luth. gesinnter Pfarrer) angehörte und 1950 den Posaunenchor in Backemoor gründete. P. Hermann Aden (amt. 1969–1983) gründete 1972 einen Gitarrenchor und 1975 den Frauenkreis. In seine Amtszeit fallen auch die großen Kirchenrenovierung (1972), die Erneuerung des Geläuts (1974) und die Renovierung der Orgel (1978/82).
Mit dem 1. Januar 1974 wurden die benachbarten KG Backemoor und Breinermoor pfarramtlich verbunden3 und am 1. Juni 2012 zur Vincenz-KG Backemoor-Breinermoor in Rhauderfehn vereinigt.4

Pfarrstellen

I: Vorref. – II (Vikariat): Vorref. Wurde mit dem Tod des letzten Amtsinhabers 1741 aufgehoben und in eine Lehrerstelle umgewandelt.

Umfang

Die Dörfer Backemoor und Schatteburg, die Kolonie Idehörn und der Hof Heyfahn.

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat Friesland (Sedes Leer) der Diözese Münster. – Die Parochie unterstand 1631 bis 1643 dem luth. Coetus in Aurich und ab 1643 unmittelbar dem dortigen Konsistorium. Nach Erlass der Insp.-Ordnung von 1766 zur Insp. des Amts Stickhausen (zur 6. luth. Insp. in Ostfriesland), später 5. luth. Insp. in Ostfriesland, 1924 KK Potshausen (1. September 1974 umbenannt in KK Rhauderfehn).5

Patronat

Genossenschaftspatronat der Gemeinde (Interessentenwahlrecht).

Kirchenbau
Kirche, Blick zum Altar, um 1980, Postkarte, Fotograf: Annäus Müller, Backemoor

Kirche, Blick zum Altar, um 1980, Postkarte, Fotograf: Annäus Müller, Backemoor

Romanische Backsteinsaalkirche auf einem Granitsteinsockel mit halbrunder Apsis (um 1250). Das Langhaus wurde in der ersten Hälfte des 15. Jh. verkürzt und die alten Seitenportale vermauert (neuer Eingang durch das Turmuntergeschoss). Je drei rundbogige, nachträglich vergrößerte Fenster an den Langseiten. Reste romanischer Wandmalerei an der Stirnseite (Palmetten, Lebensbäume, Fabelwesen; 1972 freigelegt). Sakramentsnischen und (außen verschlossenes) Hagioskop in der Apsiswand. An den Längswänden mittelalterliche Weihekreuze. Unter der Orgelempore befindet sich die Prieche des Receptors Ahlrich Weyers Ibelings (1785). Der Innenraum hatte früher eine flache Holzdecke und wurde im 18. Jh. durch eine hölzerne Muldendecke geschlossen. 1972 Gesamtrenovierung (u. a. Verlegung der Orgelempore von der Ost- an die Westseite).

Turm

Spätgotischer Westturm mit Satteldach, Treppengiebel und steigenden Spitzbogenfriesen (um 1430). Kreuz und Wetterschwan als Bekrönung.6

Ausstattung

Flügelaltar von 1701 mit Szenen aus dem NT im ostfriesischen Bauernstil (im Zentrum das Abendmahl; auf den Flügeln Verkündigung und Geburt Christi, Anbetung der Könige, Christus vor Simeon; in der Predella Apostelbilder). Der Altar ist ebenso wie die Kanzel von 1702 eine Stiftung von Johann Jürgens Meyer. – Neue, runde Sandsteintaufe (1972). – Grabplatte des Dr. Ibel Schatteborg, Amtmann in Emden (1678), im Altarraum. – Lutherbild (angeschafft 1883). – Kronleuchter von 1701, 1790 und vom Ende des 19. Jh.

Kirche, Blick zur Orgel, um 1980, Postkarte, Fotograf: Annäus Müller, Backemoor

Kirche, Blick zur Orgel, um 1980, Postkarte, Fotograf: Annäus Müller, Backemoor

Orgel

1783 Neubau durch Johann Friedrich Wenthin (Emden), 12 I/aP, mechanische Traktur, Schleifladen; Rokokoprospekt. Standort war ursprünglich eine Empore vor der Apsis an der Ostseite der Kirche. 1887 Überarbeitung und Teilerneuerung durch Johann Diepenbrock (Norden). 1934 Renovierung und weitgehende Wiederherstellung der ursprünglichen Disposition durch P. Furtwängler & Hammer (Hannover). 1972 Versetzung an die Westseite der Kirche. 1974/82 Restaurierung und Rekonstruktion durch Firma A. Führer Orgelbau (Wilhelmshaven). Weitere Restaurierung 2008 durch die Firma Mense Ruiter Orgelmakers (Zuidwolde, Niederlande). – Seit 1952 unter Denkmalschutz.7

Geläut

Drei LG, I: c’ (Bronze, Gj. 1974, Gebrüder Rincker, Sinn); II: d’ (Bronze, Gj. 1961, Gebrüder Rincker, Sinn); III: f’ (Bronze, Gj. 1974, Gebrüder Rincker, Sinn). – Eine SG (Bronze, angeschafft nach 1989). – Früherer Bestand: Die beiden ältesten bekannten Glocken (Maria und Laurentius) stammten aus der Erbauungszeit des Westturms um 1430. Die große Glocke (c’) wurde 1840 von C. Fremy und U. van Bergen (Stiekelkamperfehn) sowie 1878 umgegossen und 1943 zu Kriegszwecken abgeliefert. Die kleinere Laurentius-Glocke wurde gemeinsam mit einer dritten 1866 ebenfalls durch Fremy/van Bergen umgegossen (e’ und g’) und bereits 1917 abgegeben. 1932 erhielt die Gemeinde zwei neue LG in e’ und g’ (Bronze, Gj. 1932, Gebrüder Rincker, Sinn; die größere im Zweiten Weltkrieg abgegeben), 1961 zwei LG in d’ und a’ (Bronze, Gj. 1961, Gebrüder Rincker, Sinn). Die beiden LG in a’ (von 1961) und g’ (von 1932) wurden 1974 an die KG Ostrhauderfehn verkauft und durch die heute noch vorhandenen LG I und III ersetzt.

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1806, 1984 Ausbau eines Gemeinderaums). – Schulgebäude (Bj. 1803, 1873 um eine zweite Klasse erweitert; vor 1959 abgerissen. Jetzt Standort des Ehrenmals für die Gefallenen der beiden Weltkriege).

Friedhof

Auf dem Kirchhof; noch 1824 von Graben und Resten eines Walls umgeben. Eigentum der KG.

Liste der Pastoren (bis 1940)

Erste Pfarrstelle: 1565 Martin Rothaler. – 1570–1591 Martin Welling. – 1596–1604 (1616?) Uldericus Friderici. – 1615–1628 Bernhard Möring.8 – 1628–1648 Friedrich Lubinus. – 1649–1659 (?) Berthold Kule. – 1662–1697 Anton Grünfeld. – 1697–1710 Christian Grünfeld. – 1711–1745 Johann Gustav Molter. – 1745–1747 Franziscus Henricus Conerus. – 1748–1749 Levin Eberhard Kettwich. – 1749–1778 Georg Friedrich Schaaf. – 1779–1785 Uwe Edden Ihmels. – 1785–1808 Bernhard Kramer. – 1809–1850 Johann Gottfried Oepke. – 1850–1875 Eggo Ulricus Hafermann. – 1877–1899 Kryno Johann Heinrich Eilers. – 1900–1930 Weert Focken Ruhmkorf. – 1936–1948 Johann Erhard Heinrich Hillrichs.
Zweite Pfarrstelle (Vikariat): 15..–15.. Hieronymus … – 15..–15.. Johann Elling. – 1584–1596 Tammo Leranus. – 1597–1600 Burghard Theodoricus. – 1601–1603 Conrad Tammei. – 1608–1609 Lambertus Henrici. – 1613 Detmarus Schröder. – 1616 Johann Hoier. – 1628–1635 Peter Bernhardt. – 1635–1636 Caspar Hessens. – 1636–1642 Dietrich Jütting. – 1642–1651 Berthold Kule. – Nach 1651 Stephan Eissing. – 1665–1666 Johann Schatteburg. – 1666 Gerhard Aper. – 1667–1670 Ulrich Brand. – 1670–(1675) Henricus Eberus. – 1685–1692 Clamerus Meier. – 1692–1693 Theodorus Eilhardi. – 1694–1697 Johann Sigesmundi – 1697–1699 Johann Brechlan. – 1699–1708 Conrad Potinius. – 1708–1713 Meinhard Grünfeld. – 1713–1718 Johann Hermann Meier. – 1718–1720 Johann Reinhard Scipio. – 1721–1730 Johann Wilhelm Kettwich. – 1731–1736 Uco Hinrich Damm. – 1736–1741 Ajold Hatto Olthoff. Nach seinem Tode ist das Vikariat in eine Lehrerstelle umgewandelt.
Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 43–44 (mit Ergänzungen)

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 6 Nr. 360–362 (Pfarrbestallungsakten); A 8 Nr. 24Digitalisat, A 8/Schatteburg Nr. 382Digitalisat(CB); A 12 d Nr. 407Digitalisat(GSuptur. Aurich); B 18 Nr. 134 (Orgelsachverständiger).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1712 (Lücken: 1741–1749)
Trauungen: ab 1712 (Lücken: 1741–1749)
Begräbnisse: ab 1732 (Lücken: 1741–1749)
Kommunikanten: ab 1748
Konfirmationen: ab 1851

Literatur

A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 147; Grote/van der Ploeg/Kellner, Wandmalerei, Katalogband, Nr. 231; Kaufmann, Orgeln Ostfrieslands, S. 68; Meinz, Sakralbau Ostfriesland, S. 121; Mithoff, Kunstdenkmale VII, S. 33; Müller-Jürgens, Vasa sacra, S. 42; Rogge, Kirchen, S. 56; Schild, Denkmal-Orgeln I, S. 13–22; Vogel u. a., Orgeln Niedersachsen, S. 266 f.
B: Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde (Hg.): 750 Jahre Kirche Backemoor. 1250–2000. Festschrift zum 750-jährigen Jubiläum der Kirche Backemoor, [Backemoor] 2000; Hermann Aden: Die Kirche von Backemoor im neuen Glanz, in: Ostfriesland. Zeitschrift für Kultur, Wirtschaft und Verkehr 3/1973, S. 24–26; Hermann Aden: Aus der Kirchengeschichte der ev.-luth. Gemeinden Backemoor und Breinermoor, in: Erhard Schulte: Die Familien der KG Backemoor (= Ostfrieslands Ortssippenbücher 11), Aurich 1978, S. 8–29; Michael Köhler (Hg.): Kirchenführer der Ev.-luth. St. Vincentius-St. Laurentius Kirche Backemoor 1250–2000, Leer, 2000.


Fußnoten

  1. St. Vincentius, wird auf einem Kirchensiegel von 1400 zusammen mit Laurentius geführt. Laurentius war auch eine der beiden Glocken aus der ersten Hälfte des 15. Jh. geweiht (Aden, S. 25). 1522 sunte Vinsencius als Landeigentümer in Nettelburger Hammrich (Meyer, Pastoren I, 44).
  2. Ostfriesisches UB I, Nr. 460.
  3. KABl. 1974, S. 35.
  4. KABl. 2012, S. 184–186.
  5. Smid, Ostfriesische Kirchengeschichte, S. 411 und 684; KABl. 1974, S. 253.
  6. Lübben, Wetterschwäne, S. 26.
  7. KABl. 1952, S. 159; LkAH, B 1 A, Nr. 4587 (Verzeichnis der Denkmalsorgeln der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, Stand 01.10.1958).
  8. Diepenbrock, Geschichte, S. 342 (mit Anm. 18).