Frühere Gemeinde | Sprengel Osnabrück, KK Osnabrück | Patrozinium: Stephanus | KO: Osnabrücker KO von 1652

Orts- und Kirchengeschichte

Im Tafelgutregister des Bf. Engelbert von Osnabrück, niedergeschrieben um 1240, ist der heutige Osnabrücker Stadtteil erstmals als Attere erwähnt.1 Nach den Amtsregistern zählten seit dem 16. Jh. auch Leye und Hüningen zur Bauerschaft Atter; das Gut Leye war seit 1885 Teil der Landgemeinde Atter. Seit Ende des 14. Jh. gehörte Atter zum Amt Iburg des Hochstifts Osnabrück und kam 1814 zum Amt Osnabrück, zunächst im Kgr. Hannover und seit 1866 im Kgr. Preußen. Bei Einführung der Kreisverfassung 1885 wurde Atter dem Kr. Osnabrück zugeordnet. 1972 wurde das Dorf in die Stadt Osnabrück eingemeindet. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs setzte eine rege Bautätigkeit ein (Ortskern, Atterfeld, Strohte und Kemken). Laut den Angaben im Visitationsbericht 1963 setzte sich die Bevölkerung aus alteingesessen Bauern, neuen Siedlern und Arbeitern zusammen.2 Im Gemeindegebiet befand sich auch eine Kaserne der britischen Osnabrück Garrison (Quebec Barracks, aufgegeben 2008, Konversion zu Wohngebiet Landwehrviertel). Im Jahr 1885 lebten knapp 580 Menschen in Atter (gut 50 von ihnen waren kath.), 1939 gut 930, 1961 etwa 2.000 und 2016 rund 4.260.

Freistehender Glockenturm mit Kirche (rechts, angeschnitten), 1980

Freistehender Glockenturm mit Kirche (rechts, angeschnitten), 1980

Kirchlich zählte Atter zum Kirchspiel St. Marien in Osnabrück (nachgewiesen 1303).3 Nach der Reformation hielt sich die kath. Bevölkerung zur Dompfarre und gehörte seit 1917 zur neuen Kuratie Osnabrück-Eversburg. Die kath. Gemeinde ist mittlerweile wieder Teil der Domgemeinde und nutzt die Kapelle auf Gut Leye (neu erbaut 1906).4 Mit der Atterkirche erbaute sich die ref. Gemeinde 1962 ein eigenes Gotteshaus in Atter; seit 2008 dient es nicht mehr als Kirche, sondern als Bürgertreff.5
Die ev. Bevölkerung Atters gehörte seit 1940 zur neubegründeten KG Eversburg, die aus dem Ende des 19. Jh. eingerichteten Pfarrbezirk des vierten Pastors der Mariengemeinde hervorgegangen war. Wegen der schnell steigenden Bevölkerungszahl entstanden nach Ende des Zweiten Weltkriegs Pläne zum Bau einer ev. Kapelle oder Kirche für Atter. Der KKV nannte das Projekt 1956 vordringlicher als den Bau der Kirche für das Gebiet zwischen Innenstadt und Eversburg. Denn der Ort Atter sei „seit Jahrzehnten von der Michaelisgemeinde kirchlich vernachlässigt worden, keinesfalls schuldhaft, sondern infolge seiner ungünstigen Lage und der Überbürdung des Pfarramtes“.6 Dennoch kamen die Pläne für die Markuskirche schneller zur Ausführung und Atter gehörte seit 1959 zur neugegründeten Markusgemeinde. Die neue Markuskirche lag jedoch weiter entfernt als die Michaeliskirche und der mit etwa vier Kilometern ohnehin schon lange Kirchweg verlängerte sich etwa um einen weiteren Kilometer.
1961 schließlich lagen Pläne für den Bau von Kirche, Pfarr- und Gemeindehaus vor und zwei Jahre später konnte P. Waldemar Schnare (amt. 1962–1971), als Pfarrvikar für Atter angestellt, das Pfarrhaus beziehen. Der Kirchenbau jedoch verzögerte sich erneut; in seinen Lebenserinnerungen schrieb P. Schnare, die seinerzeit geplante Kirche habe „eher einer Werkhalle als einem Gotteshaus“ geähnelt.7 Der KV beendete die Zusammenarbeit mit dem Architekten und es folgte eine Neuplanung.8 Zum sonntäglichen Gottesdienst versammelte sich die Gemeinde in der Pausenhalle der Schule. Am 2. Mai 1965 konnte die Gemeinde endlich die Grundsteinlegung feiern. Zum 1. Juli des gleichen Jahres gründete sich die „Ev.-luth. Stephanus-Kirchengemeinde Atter“ und am vierten Advent besuchte LSup. Kurt Degener die neue KG, um die Stephanuskirche einzuweihen.9 Das Relief über dem Eingang, auf das die Gemeinde aus finanziellen Gründen vorerst verzichtet hatte, konnte 1968 angebracht werden.

Kirche, Blick zum Altar, vor 1983

Kirche, Blick zum Altar, vor 1983

Die Stephanusgemeinde blieb zunächst pfarramtlich mit der Markusgemeinde verbunden (mater combinata) – nicht wegen enger Kontakte zwischen den Gemeinden oder den Kirchenvorständen, sondern „ausschließlich aus kirchenrechtlichen Gründen“, wie der Sup. bei der Visitation 1969 anmerkte.10 Zum 1. Januar 1970 hob das Landeskirchenamt die pfarramtliche Verbindung auf und errichtete eine eigene Pfarrstelle für die KG Atter, die damit nun gänzlich eigenständig war.11 Sie war die kleinste Gemeinde des KK Osnabrück (1975 knapp 1.450 Gemeindeglieder, 1987 knapp 1.800). In den 1980er Jahren baute sie eine Partnerschaft mit der Emmausgemeinde in Leipzig-Sellerhausen auf.
Die Baupläne für die Stephanuskirche sahen im zweiten Bauabschnitt auch ein Gemeindehaus vor. Aus finanziellen Gründen konnte die Gemeinde das Vorhaben jedoch nicht verwirklichen. Auch eine Neuplanung 1980 kam nicht zur Ausführung. In den Visitationsberichten der 1980er Jahre beklagte P. Horst Bielawa (amt. 1981–2001), dass wegen der fehlenden Räumlichkeiten eine „sinnvolle Gemeindearbeit in Gruppen und in offener Form“ nicht möglich sei.12 Der Bau des Gemeindehauses gelang schließlich 1991. Im Jahr 2009 übernahm der Pfarrer der Stephanusgemeinde auch die mittlerweile halbierte Pfarrstelle der Markusgemeinde. Zum 1. Januar 2015 fusionierten beide Gemeinden und gründeten gemeinsam die neue „Ev.-luth. Nordwest-Kirchengemeinde in Osnabrück“.13

Umfang

Die politische Gemeinde bzw. der Osnabrücker Stadtteil Atter.

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der Gemeinde 1965 zum KK Osnabrück.

Kirchenbau
Stephanuskirche, Ansicht von Südosten, 2021, Foto: Wolfgang Kannenberg

Stephanuskirche, Ansicht von Südosten, 2021, Foto: Wolfgang Kannenberg

Nach Süden ausgerichteter Bau mit einem Satteldach aus zwei dreieckigen, fast bis zum Boden herabgezogenen Dachflächen, wodurch der Baukörper wie ein halber, auf der Seite liegender Oktaeder wirkt, erbaut 1965, entworfen von Klaus und Gudrun Vogel (Hannover). Sechseckiges Kirchenschiff; verklinkerte Wandflächen; Lichtbänder unterhalb der Dachtraufe; vertikale Fensterbänder an Südseite (Altarraum); Eingangsbereich an Nordostseite durch vertikales Betonband betont. Im Innern offener, holzverschalter Dachstuhl, Betonempore im Norden, verklinkerte Wände. 1970 Stabilisierungsarbeiten am Dach.

Fenster

Farbige Chorraumfenster (1983, Dominikus Witte, Osnabrück).

Turm

Freistehender Turm vor Nordostwand der Kirche, bestehend aus einer schmalen Betonwand und einem Betonpfeiler davor, dazwischen hölzerne, nach Norden auskragende Glockenstube. Betonwand mit Kreuz bekrönt. Turmsanierung 1993.

Ausstattung

Schlichter Altar aus drei Muschelkalkblöcken (Mensa und zwei Sockelsteinen). – Bronzenes Altarkreuz (1965, Siegfried Zimmermann, Hannover). – Niedrige Kanzel, Wandungen aus Muschelkalkstein. – Schlichter Taufstein aus Muschelkalkstein. – Gemälde „Steinigung des Stephanus“ (Fritz Schwartz, Meinerzhagen). – Betonrelief „Steinigung des Stephanus“ (Apg 7,55–60), außen über Eingangsportal (1968, Siegfried Zimmermann, Hannover). – Kleinere Reliefs im Eingangsbereich.

Orgel

Erbaut 1968 von Firma Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen), 13 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen; drei weitere Reg. zunächst vakant. Fehlende Reg. ergänzt 1979 von Firma Gustav Steinmann (Vlotho), 16 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen.

Geläut

Vier LG, I: a’, Sterbeglocke, Inschrift: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“; II: b’, Inschrift: „Tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“; III: c’’, Inschrift: „Darum gehet hin und macht zu Jüngern alle Völker“ (alle Bronze, Gj. 1965, Firma Rincker, Sinn); IV: d’’, Inschrift: „Glaubet ihr nicht, so bleibet ihr nicht“ und „Jesus Christus spricht, mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ (Bronze, Gj. 1959, Firma Rincker, Sinn), Geschenk der Markusgemeinde.

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus mit kleinem Gemeindesaal (Bj. 1962/63, Architekt: Horst Warnecke). – Gemeindehaus (Bj. 1991), 2003 Blockhaus als Erweiterung.

Friedhof

Kommunaler Friedhof am Nordrand des Ortes, angelegt 1913, FKap (Bj. etwa 1969).

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

E 9 Nr. 733–737 (Amt für Bau- und Kunstpflege); L 5f Nr. 312–313, 938 (LSuptur. Osnabrück).

Literatur

A: Poppe-Marquard, Kirchenchronik, S. 240–243; Weichsler, Hdb. Sprengel Osnabrück, S. 30; Wrede, Ortsverzeichnis Fürstbistum Osnabrück I, S. 31–32.
B: Waldemar Schnare: Blickpunkt Stephanuskirche Atter, [Osnabrück, um 2005] (in: LkAH, S 9/Osnabrück-Atter, Stephanus); Eckhard Wagner: 50 Jahre Stephanus-Kirche in Atter, in: Gemeindebrief der ev.-luth. Kirchengemeinden Nordwest und St. Michaelis im Kirchenkreis Osnabrück 3/2015, S. 4–9.


Fußnoten

  1. Möser, Werke VIII, Nr. CCCXXIII (S. 406, 409).
  2. LkAH, L 5f, Nr. 25 (Visitation 1963).
  3. Wrede, Ortsverzeichnis Fürstbistum Osnabrück I, S. 31 (1347 ist Atter auch als Teil des Kirchspiels Wersen belegt).
  4. Poppe-Marquard, Kirchenchronik, S. 116 ff.; Wrede, Ortsverzeichnis Fürstbistum Osnabrück I, S. 32.
  5. Poppe-Marquard, Kirchenchronik, S. 148 ff.
  6. LkAH, B 2 G 9/Osnabrück Markus Bd. I, Bl. 14 (Schreiben des KKV an LKA, 14. Juli 1956). Ebenso urteilte der Sup. des KK Osnabrück 1963: „Der Pfarrbezirk Atter ist von alters her vernachlässigt worden“, LkAH, L 5f, Nr. 25 (Visitation 1963).
  7. LkAH, S 9/Osnabrück-Atter, Stephanus (Waldemar Schnare: Auszug aus meiner Lebensgeschichte, 2006).
  8. Wagner, S. 7.
  9. KABl. 1965, S. 204 f.
  10. LkAH, L 5f, Nr. 312 (Visitation 1981), ebd. Nr. 313 (Visitation 1987).
  11. KABl. 1970, S. 10.
  12. LkAH, L 5f, Nr. 312 (Visitation 1969).
  13. KABl. 2014, S. 181 f.; zum 1. Januar 2014 hatte die KG den Gesamtverband Osnabrück verlassen, KABl. 2013, S. 210 f.