Frühere Gemeinde | KapG der KG Landwehrhagen | Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Göttingen-Münden (Amtsbereich Münden) | Patrozinium: Maria | KO: Calenberger KO von 1569
Orts- und Kirchengeschichte
Urkundlich ist der Name des Dorfes am rechten Ufer der Fulda an der Grenze zu Hessen erstmals im Jahr 1319 mit Reinhard von Spykersh[usen] und seiner Ehefrau Werentrudis als Personenname nachgewiesen.1 1356 ist eine Fähre bei Spiekershausen belegt.2 Seit Mitte des 13. Jh. gehörten Spiekershausen und das Gebiet um Münden zum Machtbereich der Welfen. Das Dorf zählte zum Gericht Sichelnstein im Fsm. Göttingen (1495 Fsm. Calenberg-Göttingen, „Kernlande Hannover“, 1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover). Dieses Gericht war seit 1500 an die Lgft. Hessen verpfändet und wurde seit der Wiedereinlösung um 1535 vom Amt Münden mitverwaltet (sogenanntes Oberamt).3 In französischer Zeit war Spiekershausen von 1807 bis 1813/14 Teil des Kantons Münden im Distrikt Cassel des Fuldadepartements im Kgr. Westphalen. Danach gehörte das Dorf, nun im Kgr. Hannover, wiederum zum Amt Münden. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel Spiekershausen 1866 an das Kgr. Preußen. Bei Einführung der Kreisverfassung 1885 kam es zum Lkr. Münden, der 1973 im Lkr. Göttingen aufging. Im gleichen Jahr trat Spiekershausen der neugegründeten Gemeinde Staufenberg bei. 1968 schrieb der Ortspastor zur Sozialstruktur der Gemeinde: „In Spiekershausen gibt es nur noch wenige kleine Landwirte, dagegen viele Angestellte und Handelsvertreter.“4 Um 1810 lebten gut 100 Menschen in Spiekershausen, 1895 knapp 140, 1946 fast 410 und 1994 gut 710.
Das älteste kirchengeschichtliche Zeugnis in Spiekershausen ist das Kirchengebäude selbst, dessen Chor möglicherweise im 14. Jh. errichtet wurde. Eingelassen in die Nordostwand findet sich eine Sakramentsnische. Die Marienkapelle soll vom Kloster Kaufungen gegründet worden sein und wurde angeblich um 1520 umgebaut und vergrößert (Bau des Kirchenschiffs).5 Spiekershausen gehörte vermutlich schon in vorref. Zeit zum Kirchspiel Landwehrhagen.
Zusammen mit seiner Muttergemeinde wechselte Spiekershausen nach 1542 zur luth. Lehre. Als erster luth. Prediger in Landwehrhagen und Spiekershausen gilt P. Clamor Stauffenburg (amt. bis 1571). In den Unterlagen zur Visitation 1588 sind Spiekershausen und Benterode als filiae (Tochtergemeinden) von Landwehrhagen genannt.6 Die Kinder des Dorfes besuchten die Schule in Landwehrhagen.
Nachdem der hessische Lgf. Moritz († 1632) um 1605 zum Calvinismus übergetreten war und damit auch die Lgft. Hessen-Kassel das Bekenntnis wechselte, besuchten die Lutheraner aus dem nahegelegenen Kassel die luth. Gottesdienste in Spiekershausen (bis 1731).7 Im Corpus bonorum des Kirchspiels Landwehrhagen notierte P. Johann Friedrich Berg (amt. 1714–1743), in der filia Spikardshausen (Tochtergemeinde) werde „alle Quartal ohne entgelt oder den geringsten empfang gepredigt und Communion gehalten“.8 Im Jahr 1835 erhielt Spiekershausen schließlich eine eigene Schule.9
Mit P. Theodor Fahlbusch (amt. 1901–1938) hatte während der NS-Zeit zunächst ein Anhänger der DC das Pfarramt in Landwehrhagen und der KapG Spiekershausen inne. In den Dokumenten, die nach Neudeckung des Dachreiters 1934 in den Turmknauf gelegt wurden, findet sich auch ein Schriftstück des KapV, in dem vermerkt ist, die Mitglieder des Gremiums seien „sämtlich aus Spiekershausen und Anhänger der ‚Deutschen Christen‘“.10 Ein Kapellenvorsteher legte sein Amt später „infolge politischer Belastung“ nieder (Unvereinbarkeit politischer und kirchlicher Ämter).11
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wuchs die Zahl der Gemeindeglieder stark an und stieg von 250 im Jahr 1937 auf 350 im Jahr 1947.12 Ende der 1950er Jahre fand in der Spiekershausener Kapelle pro Monat ein Gottesdienst statt. Zum 1. Januar 1974 hob das LKA Hannover die KapG Spiekershausen auf, Rechtsnachfolgerin ist die KG Landwehrhagen.13
In den folgenden Jahren erfuhr die Kapelle einen grundlegenden Umbau: Um das Gebäude gleichzeitig als Gottesdienststätte und als Gemeindehaus nutzen zu können, wurde eine Zwischendecke in den fast acht Meter hohen Innenraum eingezogen. Das Erdgeschoss dient als Kirchsaal, das Obergeschoss beherbergt Gemeinderäume.
Umfang
Spiekershausen.
Kirchenbau
Hoher, zweigeschossiger Rechteckbau mit eingezogenem Rechteckchor, ausgerichtet nach Nordosten, im Kern gotisch (Chor 14. Jh.), verändert und vergrößert in der ersten Hälfte des 16. Jh. Mansarddächer, nach Nordosten abgewalmt. Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung, Chor mit Fachwerkaufsatz, Südwestgiebel des Schiffs ebenfalls Fachwerk. Südostseite des Schiffs mit zweigeschossiger Fenstergliederung: unten zwei rechteckige Sprossenfenster, oben zwei zweibahnige, spitzbogige Maßwerkfenster; Nordwestseite ohne Fenster; am Chor Sprossenfenster nach Südosten. Spitzbogiger Haupteingang nach Westen, darüber rechteckiges Sprossenfenster; an der Nordwestseite des Chors moderne Wendeltreppe zum Fachwerkobergeschoss, an der Südostseite vermauerte Spitzbogentür. Im Innern flache Balkendecke über Chor und Kirchsaal, spitzbogiger Triumphbogen zwischen Chor und Schiff. Im Obergeschoss Gemeinderäume. Wohl um 1520 Fachwerkobergeschoss über dem Chor errichtet, Kirchenschiff erbaut. 1945 Kirche beschädigt und repariert. 1967/68 Instandsetzung. 1975–79 Umbau (u-förmige Empore entfernt und Zwischendecke eingezogen, Gemeinderäume im Obergeschoss eingerichtet). 1990 Dacherneuerung und Neuausmalung.
Turm
Über dem Westgiebel vierseitiger, verschieferter Dachreiter mit geschwungener Haube, bekrönt mit Kugel und Wetterhahn. Flachbogige Schallfenster nach Norden, Süden und Westen, westliches mit Uhrziffernblatt davor. 1771 Sturmschäden, 1773 Dachreiter erneuert. 1860 Reparatur. 1907 Reparatur. 1934 Neudeckung. 1979 neue Turmuhr.
Ausstattung
Blockaltar mit hohem Kruzifix (1898, Gustav Eberlein, Münden; Geschenk des Künstlers), Kreuz aus Eichenholz, Korpus aus gebranntem Ton. – Schlichter Taufstein aus hellem Sandstein (1593), achtseitiges Becken, vierseitiger Balusterschaft; Inschrift am Becken: „1593 DS V E Henrich Seddich I H S R C G“.14 – Hölzerne Kanzel (1630), farbig gefasst, verziert mit Blendnischen, Inschrift: „Ich Hans Fettmilch habe disen sivl z[v] Godes Ehren gegeb[en]. 1630“; seit 1975 ebenerdig aufgestellt.15 – In Ostwand Sakramentsnische mit krabbenbesetztem Giebel und Gittertür. – Sechs Ölgemälde (Frau von Wolff, Spiekershausen), „Beweinung“, „Madonna“, „Das Kreuz am Berge“, „Gethsemane“, „Der sinkende Petrus“ und „Die Bekehrung des Saulus“. – Ehemalige Ausstattung: Figurengruppe „Lasset die Kindlein zu mir kommen“ (1899, Gustav Eberlein, Münden), Hartgips, Anfang der 1960er Jahre aus St. Blasien Münden nach Spiekershausen gebracht, 1968 entfernt und zerstört.16
Orgel
Um 1750 Orgelneubau, wohl 8 I/–, mechanische Traktur, vielleicht erbaut von Stephan Heeren (Gottsbüren), Prospektpfeifen im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben. 1930 Neubau des Orgelwerks, unter Verwendung des vorhandenen Prospekts und eines Teils des Pfeifenmaterials, ausgeführt von Conrad Euler (Hofgeismar), 11 II/P, pneumatische Traktur. Orgel vor Umbau der Kirche 1975/76 abgebaut. Orgelpositiv, erbaut von Firma Bosch (Kassel).17
Geläut
Eine LG, cis’’ (Bronze, Gj. 1928, Gebrüder Ulrich, Kempten), Inschrift: „In gloriam sui cordis Jesu. Pio XI PP. Maximilian Kaller Administratore Aposte, Prof. Kliche Curato, Curatia Lug. Thomas Suchy, Bernardus Franke, Sofia et Josephus Bonk, Felix et Martha Misiak, Josephus Krause, Bruno Kliche, aliique me fundaverunt anno 1928“ (Zu Ehren des Herzens Jesu. Unter Papst Pius XI, dem apostolischen Administrator Maximilian Kaller, dem Prof. Kliche als Kurat. Aus der Kuratie Lugetal Thomas Suchy, Bernhard Franke, Sofia und Joseph Bonk, Felix und Martha Misiak, Joseph Krause, Bruno Kliche und andere haben mich gestiftet im Jahr 1928) und „Geb[rüder] Ulrich Glockengießerei AG Kempten Allgäu A P Q“, Patenglocke aus der kath. Kirche St. Anna in Stara Wiśniewka (Polen; ehemals Lugetal bzw. Polnisch Wisniewke, Kr. Flatow, Pommern), zunächst in einer Hannoveraner KG, 1968 in Spiekershausen aufgehängt. – Eine SG, a’ (Eisen, Gj. 1949, Firma Weule, Bockenem), als LG angeschafft, seit 1968 SG. – Früherer Bestand: Eine LG, Ø 55 Zentimeter, Gewicht 103 Kilogramm (Bronze, Gj. zwischen 1807 und 1813), Kg. Jérôme Napoleon von Westphalen († 1860) spendete 70 Taler für die Glocke, 1948 oder früher gerissen.18
Friedhof
Alter kirchlicher Friedhof bei der Kapelle. Nördlich des historischen Ortskerns neuer kirchlicher Friedhof, angelegt wohl 1803, zwischen 1974 und 1980 auf die politische Gemeinde übertragen.19
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 1 Nr. 6791, 6810–6814 (Pfarroffizialsachen); S 11a Nr. 7687 (Findbuch PfA).
Kirchenbücher
Taufen: 1768–1838
Trauungen: 1768–1838
Begräbnisse: 1768–1838
Im Übrigen in den Kirchenbüchern der Mutterkirche Landwehrhagen.
Literatur & Links
A: Gemeindebuch KKV Münden, S. 60–61; Casemir/Ohainski/Udolph, Ortsnamen Lkr. Göttingen, S. 379–380; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 1215; Lufen, Denkmaltopographie Altkr. Münden, S. 266.
B: 675 Jahre Spiekershausen. 1319–1994, hrsg. von der Stadtverwaltung, Spiekershausen 1994; Günther Kaerger & Helga Haeberlin: Die Flurnamen der Gemarkung Spiekershausen in der Gemeinde Staufenberg, Staufenberg 1987.
Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Ortsansicht.
Fußnoten
- Schultze, Klöster, Nr. 92 (S. 36). Vgl. zum Ortsnamen: Casemir/Ohainski/Udolph, Ortsnamen Lkr. Göttingen, S. 379 f.
- Sudendorf, UB II, Nr. 537.
- NLA HA Hann. 74 Münden, Beschreibung; Eisenträger & Krug, Territorialgeschichte, Nr. 1 (S. 248 ff.).
- LkAH, L 5c, unverz., Landwehrhagen, Visitation 1969.
- Gemeindebuch KKV Münden, S. 60 (ohne Beleg); 675 Jahre, S. 76.
- Kayser, General-Kirchenvisitation I, S. 158 mit Anm. 3.
- 675 Jahre, S. 76.
- LkAH, A 8, Nr. 240, Bl. 8v.
- 675 Jahre, S. 64 ff.
- Zit. in: Gustav Süssmann: Die Kirchen des Obergerichts, Staufenberg 1984, S. 151.
- LkAH, S 1 H III, Nr. 419, Bl. 24b.
- LkAH, L 5c, unverz., Landwehrhagen, Visitationen 1937 und 1947.
- KABl. 1974, S. 26.
- DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 222 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di066g012k0022207.
- Das „v“ von „zv“ ist auf älteren Fotos noch erkennbar, in der restaurierten Fassung fehlt es. DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 347 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di066g012k0034709; 675 Jahre, S. 80.
- 675 Jahre, S. 79.
- 675 Jahre, S. 82.
- 675 Jahre, S. 83 f.; LkAH, B 2 G 9 B, Nr. 581, Bl. 6.
- Kaerger & Haeberlin, S. 19; LkAH, L 5c, unverz., Landwehrhagen, Visitationen 1974 und 1980.