Frühere Gemeinde | KapG der KG Groß Hilligsfeld | Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hameln-Pyrmont | | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Urkundlich ist der Ort östlich von Hameln im 13. Jh. als Rordessen belegt (vor 1259).1 Rohrsen gehörte zum Go auf der Hamel, der im 13. Jh. vermutlich zum Herrschaftsbereich der Gf. von Hallermund zählte.2 Nach 1260 kam der Go auf der Hamel an das welfische Hzm. Braunschweig-Lüneburg und zählte seit der ersten Hälfte des 15. Jh. zum Amt Springe. In der ersten Hälfte des 16. Jh. (zwischen 1518 und 1537) kamen Rohrsen und der Go auf der Hamel zum Amt Calenberg und 1584 wieder zum Amt Springe im welfischen Teilfsm. Calenberg-Göttingen (1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover). 1618 gehörte Rohrsen zum Haus und Amt Hastenbeck, das seinerzeit die Familie von Wobersnow erworben hatte; später kam das Dorf wieder zum Amt Springe.3 In französischer Zeit zählte Rohrsen von 1810 bis 1813/14 zum Kgr. Westphalen (Kanton Münder, Distrikt Hameln bzw. Rinteln, Departement der Leine). Danach gehörte der Ort, nun im Kgr. Hannover, zunächst erneut zum Amt Springe, seit 1852 zum Amt Hameln. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel Rohrsen 1866 an das Kgr. Preußen. Bei Einführung der Kreisverfassung kam das Dorf 1885 zum Kr. Hameln, der 1922 im Lkr. Hameln-Pyrmont aufging. 1923 wurde Rohrsen in die Stadt Hameln eingemeindet. Um 1810 lebten knapp 140 Menschen in Rohrsen, 1909 gut 560 und 2019 fast 1.830.

Kapelle, Ansicht von Südosten

Kapelle, Ansicht von Südosten

Kirchlich gehörte das Dorf Rohrsen bereits in mittelalterlicher Zeit zum Kirchspiel Hilligsfeld. Eine capella Rordessen ist urkundlich erstmals 1353 belegt: Seinerzeit stiftete der Rat der Stadt Hameln einen neuen Altar in dieser Kapelle und als zuständiger Pfarrer musste auch Johannes Wulbeke plebanus in Hyllincesvelde dieser Stiftung zustimmen.4 Im Jahr 1484 verlegten Bürgermeister und Rat der Stadt Hameln diesen Altar und die dazugehörige Vikarie an die Marktkirche Hameln.5 Im Jahr 1463 hatte der Hamelner Jurist Conradus Wrangogen in der Rohrser Kapelle am Altar der glorreichen Jungfrau Maria und des Evangelisten Johannes eine Kommende gestiftet.6 Das Patronat über die Kapelle in Rohrsen hatte nachweislich noch 1473 beim Rat der Stadt Hameln gelegen; 1510 zählte die capelle tho Rorsen dann zu den geistlichen Lehen, die der Propst des Hamelner Stifts St. Bonifatius vergab.7
Zur luth. Lehre wechselte die KapG Rohrsen zusammen mit ihrer Muttergemeinde Groß Hilligsfeld um 1540/42. Im Corpus bonorum der Kapelle, das P. Rudolf Ernst Schrader (amt. 1706–1744) im Jahr 1734 zusammenstellte, heißt es, das Rohrser Kapellengebäude sei „in dem so genandten 30jährigem Kriege ruinirt“ und im Jahr 1722 „von neüen wieder erbauet“ worden.8 Das Gebäude sei 40 Fuß lang und 25 Fuß breit, besitze einen Dachreiter mit einer Glocke („kleines Obschirm, daruntert eine kleine Klocke hänget“).9 Finanziert worden sei der Neubau „mehreren Theilß aus dem bahrem Vorrahte, welcher von Anno 1708 an erspahret, und von denen nach und nach außgethan gehabten Capitalien, Theilß aus den Zuschuße gutherziger Leüte und der Gemeinde selbst“. Der Rohrser Schulmeister hielt in der Kapelle jeweils montags und freitags eine Betstunde sowie sonntags Katechismuslehre (im Winter an jedem Sonntag, im Sommer an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen, am vierten fand sie in Groß Hilligsfeld statt). Der Hilligsfelder Pastor predigte zweimal im Jahr in Rohrsen, am Gründonnerstag und am St.-Thomas-Tag; nach dem Gottesdienst feierte er mit den „alten und schwachen Leüten das h[eilige] Abendmahl“. Während der Zeit, als „die Capelle nicht gebauet gewesen“, versammelten sich die Gemeinde zu Predigt und Abendmahl in der Wohnung des Rohrser Altaristen, falls „ein solcher Althariste bestellet gewesen der Platz in seinem Hause gehabt“.
Das Kapellengebäude soll während des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) zerstört worden sein (1757, Kanonenbeschuss im Vorfeld der Schlacht von Hastenbeck). Das bis heute erhaltene Kapellengebäude erbaute die Gemeinde 1779.10 Ende des 18. Jh. fanden hier jährlich drei Kapellengottesdienste statt, Anfang des 20. Jh. vier.11

Kapelle, Blick zum Altar, vor 1977

Kapelle, Blick zum Altar, vor 1977

In seinem Bericht über die Visitation des Kirchspiels im Jahr 1951 merkte der Hamelner Sup. Albert Pellens (amt. 1935–1961) an, in Rohrsen sei – verglichen mit Groß Hilligsfeld – „das kirchliche Leben lebendiger“.12 Ähnliche Einschätzungen finden sie auch in älteren und jüngeren Visitationsberichten. Im Jahr 1938 bestand in Rohrsen eine etwa vierzigköpfige Gruppe der Landeskirchlichen Gemeinschaft, die ein Prediger aus Hameln betreute. Sup. Pellens notierte dazu: „Nach Aussage der Kirchenvorsteher sollen aber diese Glieder der Landeskirchlichen Gemeinschaft sich vom kirchlichen Leben der Landeskirche fernhalten.“13 In den 1950er Jahren zählte die Rohrser Gemeinschaft zum Gnadauer Verband und P. Günther Wöller (amt. 1948–1955) beschrieb sie als seine „treuesten Kirchgänger und Abendmahlsgäste“.14 Seit der Nachkriegszeit fanden in der Rohrser Kapelle monatlich zwei Gottesdienste statt.15 Mit dem Zuzug Geflüchteter nach Ende des Zweiten Weltkriegs war in Rohrsen eine kleine kath. Gemeinde entstanden (1951: 200 Gemeindeglieder). Sie nutzte ebenfalls die Rohrser Kapelle.16
Nachdem Rohrsen bereits in der ersten Hälfte der 1920er Jahre in die Stadt Hameln eingemeindet worden war, sprach sich der Rohrser KapV dafür aus, die KapG Rohrsen vom Kirchspiel Groß Hilligsfeld abzutrennen und in die Paul-Gerhardt-KG Hameln einzupfarren.17 Verwirklicht wurde das Vorhaben nicht. Der bauliche Zustand des Kapellengebäudes hatte sich Anfang der 1970er Jahre derart verschlechtert, dass die Gemeinde einen Abbruch ins Auge fasste und den Neubau eines Gemeindehauses plante. Die Pläne scheiterten nicht zuletzt an Finanzierungsfragen. Daher begann die Gemeinde 1977 mit der Sanierung und Umgestaltung der Fachwerkkapelle. Sie dient seither als gemeindliches Begegnungszentrum, das sowohl für Gottesdienste als auch für Gemeindeveranstaltungen genutzt werden kann.
Zum 1. Februar 1982 hob das LKA Hannover die KapG Rohrsen auf und gliederte sie in der KG Groß Hilligsfeld ein, die einige Monate später ihren Namen in Ev.-luth. KG Hilligsfeld-Rohrsen änderte.18

Patronat

Noch 1473 Rat der Stadt Hameln.19 1510 Propst des Stifts St. Bonifatius in Hameln.20

Kapellenbau

Rechteckiger Fachwerkbau, errichtet 1779. Walmdach. Rechteckfenster, Rechteckportal nach Westen. Im Innern flache Decke, Westempore. 1938 Renovierung. 1977 Sanierung. Um 2000 Renovierung.

Turm

In der Mitte des Dachs vierseitiger Dachreiter mit Zeltdach, bekrönt mit Kugel.

Ausstattung

Tischaltar aus Eichenholz (1977). – Hölzernes Lesepult (1977). – Hölzerner Taufständer (1977). – Wandteppich als Altarbild. – Ehemalige Ausstattung: Kanzelaltar.

Orgel

Harmonium erworben 1879. Orgelneubau 1959, Firma Emil Hammer (Hemmingen), 6 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen (Opus 1461).21 1992 Renovierung, Franz Rietzsch (Hiddestorf).

Geläut

Eine LG, as’’ (Bronze, Gj. 1825, Heinrich Albrecht Bock, Hannover), Inschrift: „Gott zu Ehren, der Gemeinde Rohrsen zum Besten goss mich H. A. Bock in Hannover 1825“. – Früherer Bestand: Eine Glocke vorhanden.22

Friedhof

Kein eigener Friedhof.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 5452–5454 (Pfarroffizialsachen); D 9 (EphA Hameln-Pyrmont); L 5a Nr. 1247, 1471 (LSuptur. Calenberg-Hoya mit Verden-Hoya und Celle); S 09 rep Nr. 1401 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 7393 (Findbuch PfA).

Literatur & Links

A: Mithoff, Kunstdenkmale I, S. 160; Köhler & Gelderblom, Dorfkirchen, S. 241.

Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Kirche.


Fußnoten

  1. UB Hameln I, Nr. 22. Zur Datierung: Naß, Untersuchung, S. 188 ff. Vgl. auch ebd., S. 252.
  2. Zum Folgenden: Spieß, Calenberg, S. 116 ff. Siehe auch NLA HA Hann. 74 Springe, Bestandsbeschreibung, 23.09.2022.
  3. Günther Leymann: Untersuchung über die Entwicklung des Dorfes Hastenbeck bei Hameln, Göttingen 1942, S. 13 f.
  4. UB Hameln I, Nr. 443. Vgl. auch ebd., Nr. 444.
  5. UB Hameln II, Nr. 541, 544 und 553.
  6. UB Hameln II, Nr. 384. Konrad Wrangoge hatte vermutlich an der Universität Erfurt studiert, vgl. Konrad Hamel (RAG-ID: ngUK0X779TM50jqUoTDj9SgB, 26.09.2022.
  7. 1473: UB Hameln II, Nr. 463. 1510: UB Hameln II, Nr. 680 (S. 494). Vgl. auch Naß, Untersuchungen, S. 253.
  8. Dies und die folgenden Zitate: LkAH, A 1 Nr. 5452 [Bl. 3 ff.].
  9. Zum Neubau der Kapelle vgl. auch NLA HA Hann. 83 II Nr. 4552, 27.09.2022 (mit einem Riss des Gebäudes).
  10. Siehe NLA HA Hann. 74 Hameln Nr. 2026, 27.09.2022.
  11. Kayser, Inspektion Groß-Berkel, S. 93 und S. 86 f.
  12. LkAH, L 5a, Nr. 125 (Visitation 1951).
  13. LkAH, L 5a, Nr. 125 (Visitation 1938).
  14. LkAH, L 5a, Nr. 125 (Visitation 1951).
  15. LkAH, L 5a, Nr. 125 (Visitation 1951).
  16. LkAH, L 5a, Nr. 125 (Visitation 1951).
  17. LkAH, L 5a, Nr. 1247.
  18. KABl. 1982, S. 36; KABl. 1982, S. 168.
  19. UB Hameln II, Nr. 463.
  20. UB Hameln II, Nr. 680 (S. 494).
  21. Pape/Schloetmann, Hammer, S. 165.
  22. LkAH, A 1 Nr. 5452, [Bl. 3v].