Frühere Gemeinde | Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hildesheimer Land-Alfeld, Amtsbereich Elze | Patrozinium: – | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Der Ort Himstedt wird erstmals 1151 als Hemstide in einer Urkunde erwähnt, in welcher der Bf. von Hildesheim den Besitzstand des Moritzstifts (Hildesheim) bestätigte, dieses besaß in Hemstide iugera IIII.1 Auch für das Kloster Lamspringe ist 1178 der Besitz von Land an diesem Ort festgehalten, etwa seit Beginn des 13. Jh. besaß das Hildesheimer Domkapitel einen Hof in Himstedt.2 Seit der zweiten Hälfte des 13. Jh. werden beide Orte getrennt genannt, beispielsweise 1274 parvo Heymstede3, 1317 in minori Hemstede undin maiori Hemstede.4 Beide Dörfer gehörten zur Go Eggelsen, die zum Amt Peine des Hochstifts Hildesheim zählte, das seit der Wende vom 13. zum 14. Jh. erkennbar ist.5 Bf. Magnus übertrug die Dörfer zusammen mit dem Großteil der Go Eggelsen 1425 der Burg Steinbrück und legte damit den Grundstein für das gleichnamige Amt.6 Nach Ende der Hildesheimer Stiftsfehde (1519–1523) kamen Groß Himstedt und Klein Himstedt mit dem Amt Steinbrück an das welfische Teilfsm. Braunschweig-Wolfenbüttel. Seit der Restitution des Großen Stifts (1643) gehörte Amt Steinbrück wieder zum Hochstift Hildesheim. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 wurde das Fürstbistum Hildesheim aufgelöst und die Gebiete kamen an Preußen. Von 1807 bis 1813 gehörten die Orte zum Kanton Hoheneggelsen im Distrikt Hildesheim des Departements Oker im Kgr. Westphalen. Danach gehörten Groß Himstedt und Klein Himstedt, nun im Kgr. Hannover, wieder zum Amt Steinbrück, das 1859 im Amt Marienburg aufging. Seit der Annexion von 1866 erneut preußisch, kamen die Dörfer 1885 zum neuen Lkr. Marienburg (1946 Lkr. Hildesheim-Marienburg, 1977 Lkr. Hildesheim). 1974 wurden Groß Himstedt und Klein Himstedt mit anderen Orten zur Gemeinde Söhlde zusammengeführt. 1664 hatte Groß Himstedt 120 Einwohner, 1816 knapp 330 und 2017 gut 500.7 Groß Himstedt ist ländlich und landwirtschaftlich geprägt. Die Veränderungen in der Landwirtschaft haben in der zweiten Hälfte des 20. Jh. zu erhöhter Arbeitslosigkeit geführt.8

Kirche, Ansicht von Südwesten, vor 1957

Kirche, Ansicht von Südwesten, vor 1957

1391 bemühte sich der Hildesheimer Geistliche Cristianus de Peynis darum, in Himstedt Pfarrer zu werden.9 Seit 1458 ist nachweisbar, dass die Gemeinden Groß Himstedt und Klein Himstedt selbst das Patronat über ihre Pfarrkirchen besaßen, sie durften ihren jeweiligen Geistlichen also selbst wählen.10 Bereits in vorref. Zeit besaßen die beiden Dörfer nur einen Pfarrer, die Visitationsprotokolle vom Herbst 1542 nennen Lutken Himstede eine Tochterkirche (filia) von Grossen Himstede.11 Zur Zeit der Reformation war Hzg. Heinrich der Jüngere Fs. von Braunschweig-Wolfenbüttel. Im Jahr 1542 besetzte der Schmalkaldische Bund das Land und vertrieb Heinrich den Jüngeren. Lgf. Philipp von Hessen und Kfs. Johann Friedrich von Sachsen setzten eine provisorische Regierung ein, die die Reformation voranbringen sollte. Im Zuge dessen führten Johann Bugenhagen, Antonius Corvinus und Martin Görlitz 1542 und 1544 zwei Visitationen der Kirchengemeinden des Fsm. durch, 1543 erschien die Christlike kerken-ordening im lande Brunschwig, Wulffenbüttels deles, die Corvinus und Görlitz verfasst hatten.12 Allerdings versuchte Hzg. Heinrich der Jüngere nach seiner Rückkehr 1547 die vorangegangenen Reformationsbestrebungen zu revidieren. Dabei ist er zumindest auf Seiten der Städte auf Widerstand gestoßen.13 Als erster ev. Pastor von Groß Himstedt und Klein Himstedt gilt P. Konrad Morgen (amt. vor 1542–1553). Bei einem Verhör vor einer herzoglichen Kommission gab er 1551 an, er sei seit 42 Jahren geweihter Priester und „stets bei der alten religion gewesen“. Die vorige Regierung habe ihn gezwungen zu heiraten und er habe das Abendmahl „uf die neu weiß gehalten“. Nach der Rückkehr Hzg. Heinrichs habe er dies jedoch wieder aufgegeben und halte nun „in summa jetzo alle die ceremonien alles, wi vor alters beschehen“.14 Auf P. Morgen folgte P. Arnold Müller (amt. 1553–1615), in dessen Amtszeit mit dem Regierungsantritt von Hzg. Julius 1568 die zweite Einführung der Reformation im Fsm. Braunschweig-Wolfenbüttel fiel. Bei der Visitation 1568 antwortete er auf die theologischen Fragen der Visitatoren entweder nicht oder schlecht (Vel nihil vel male respondit),15 im folgenden Jahr führte Hzg. Julius die später sogenannte Calenberger Kirchenordnung ein.16 P. Müllers Grabstein steht heute in der Turmhalle der Groß Himstedter Kirche.

Kanzelaltar, vor 1957

Kanzelaltar, vor 1957

Der folgende Pastor war P. Melchior Müller (amt. 1615–1663), der das Pfarrhaus vergrößern ließ und den Grundstein für eine Schule legte. Diesen unterstützte sein Sohn P. Ernst Müller als Hilfspfarrer (amt. 1652–1663).17 Im Jahr 1666 erhielt die Kirche in Groß Himstedt einen Kanzelaltar, der heute der älteste erhaltene Altar dieser Art im Hildesheimer Land ist (Ende des 18. Jh. verändert).18 P. Johann Bernhard Ulrici (amt. 1694–1731) war seit 1706 Sup. der Ämter Ruthe, Steinbrück und Steuerwald. In die Amtszeit des P. Heinrich Ludolph Kellermann (amt. 1766–1816) fällt die Renovierung und Vergrößerung des Kirchengebäudes in Groß Himstedt 1794. Die ev. Schule wurde 1913 an die politische Gemeinde abgetreten.19 Während NS- und Nachkriegszeit war P. Albrecht Gerlach (amt. 1933–1969) in Groß Himstedt und Klein Himstedt tätig, bis Kriegsende auch in Bettrum. Er gehörte nach eigenen Angaben seit 1937 zur BK20 und berichtete bei der Visitation 1942, dass die DC in Groß Himstedt und Klein Himstedt trotz verschiedentlicher Bemühungen nicht hätten Fuß fassen können.21 Zum 1. Januar 1969 schlossen sich die KG Groß Himstedt und Klein Himstedt zur KG Himstedt zusammen.22

Umfang

Das Dorf Groß Himstedt.

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat Nettlingen der Diözese Hildesheim. – 1569 zur Superintendentur (Insp.) Niederfreden, ab 1651 Insp. der Ämter Ruthe, Steinbrück und Steuerwald (ohne festen Superintendentursitz).23 1812 zur neu errichteten Insp. Nettlingen, deren Sitz 1924 nach Schellerten (ab 1924: KK), 1952 nach Hoheneggelsen verlegt wurde.24

Patronat

Die Gemeinden zu Groß Himstedt und Klein Himstedt.25

Kirchenbau
Kirche, Blick zum Altar, Foto: Ernst Witt, Hannover, August 1966

Kirche, Blick zum Altar, Foto: Ernst Witt, Hannover, August 1966

Einschiffiger, verputzter Rechteckbau, im Kern gotisch, 1794 verändert und verbreitert. Kirchenschiff fluchtet an Nordseite mit Turm, tritt an Südseite vor; Satteldach mit Walm im Osten, Ostwand mit vermauertem Spitzbogenfenster und diagonal angeordneten Strebepfeilern (einer mit gotischer, unleserlicher Inschrift)26, große, flachgewölbte Fenster an Längsseiten, flachbogiger Eingang im Süden (1794). Innenraum mit stuckverzierter Voutendecke geschlossen, u-förmige Empore, mittelalterliche Sakramentsnische in Ostwand.27 1967 Instandsetzung, 2008/09 umfangreiche Sanierungsarbeiten an Dach und Mauerwerk.

Turm

Etwa quadratischer, romanischer Westturm, verputztes Bruchsteinmauerwerk, gekuppelte, rundbogige Schallöffnungen mit unterschiedlichen Teilungssäulchen und Kapitellen28, Uhrziffernblätter nach Norden und Süden. Verschieferter Turmhelm mit quadratischem Ansatz und achteckig ausgezogener Spitze, Auslegestuhl für Uhrschlagglocke nach Osten. Turmhalle mit Doppelarkade zum Schiff.

Ausstattung

Barocker Kanzelaltar (1666, ältester Kanzelaltar im Hildesheimer Land, gefertigt vermutlich von Lessen, Goslar, 1798 umgebaut), von der ursprünglichen Figurenausstattung sind nur noch Moses und Johannes der Täufer erhalten (flankieren Kanzelkorb) sowie Petrus, Paulus und Christus mit Siegesfahne (im Giebel), Schnitzbild mit Abendmahlsszene, ursprünglich Predella, jetzt an Südwand des Altarraums.29 – Sakramentshäuschen in Ostwand (14. Jh.). – Farbiger Grabstein von P. Arnold Müller (amt. 1553–1615), seit 1966 in der Turmhalle.30

Kirche, Blick zur Orgel, Foto: Ernst Witt, Hannover, August 1966

Kirche, Blick zur Orgel, Foto: Ernst Witt, Hannover, August 1966

Orgel

Um 1826 Neubau durch Ernst Lindrum (Goslar), vermutlich 15 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen, 1859, 1868 und 1875 repariert von Heinrich Schaper (Hildesheim), 1900 von August Schaper (Hildesheim).31 1937 Neubau, ausgeführt von Emil Hammer (Hannover), 15 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen (Opus 1195), Prospekt und alte Windladen wiederverwendet.32

Geläut

Drei LG, I: aʼ (Bronze, Gj. 1963, Gebrüder Rincker, Sinn); II: h’, Inschrift: „Oh Land Land Land höre des Herren Wort“ (Bronze, Gj. 1938, Gebrüder Rincker, Sinn); III: d’’ (Bronze, Gj. 1963, Gebrüder Rincker, sinn). Eine SG fisʼʼ (Bronze). – Früherer Bestand: Eine LG (Bronze), im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben, 1938 heutige LG II als Ersatz. Eine LG (Bronze), im Zweiten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben.33

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. um 1800, 1848 verändert, 1974/75 renoviert). – Gemeindehaus (Bj. 1954, 1974/75 renoviert).

Friedhof

Eigentum der KG, bei der Kirche.

Liste der Pastoren (bis 1940)

1542, 1551 Konrad Morgen. – 1553(55?)–1615 Arnold (Arendt) Müller. – 1615–1663 Melchior Müller. – 1652–1663 Ernst Müller. – 1664–1690 Johann Christian Bühring. – 1690–1693 Justus Leo. – 1694–1731 Johann Bernhard Ulrici. – 1731–1766 Johann Bernhard Satler. – 1766–1816 Heinrich Ludolph Kellermann. – 1817–1822 Karl Friedrich Christian Ludwig Wendebourg. – 1822–1835 Friedrich August Röbbelen. – 1835–1877 Johann Karl Heinrich Burgtorf. – 1879–1913 Georg Wilhelm Schaer. – 1914–1928 Karl Friedrich Ludwig Oldenburg. – 1933– Albrecht Anton Wilhelm Hermann Gerlach.

Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 366

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 5470–5486 (Pfarroffizialsachen); A 5 Nr. 653 (Spec. Landeskons.); A 6 Nr. 3003–3010 (Pfarrbestallungsakten); A 9 Nr. 1066Digitalisat, 1067Digitalisat, 1068Digitalisat (Visitationen); D 28 (EphA Hoheneggelsen); S 11a Nr. 7285 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1652 (Lücken: 1663, 1706)
Trauungen: ab 1652 (Lücken: 1663, 1686–1692)
Begräbnisse: ab 1652 (Lücken: 1683, 1688, 1689, 1706, 1787)
Kommunikanten: ab 1803 (Lücken: 1823–1834; Zahlenregister: 1823–1834)
Konfirmationen: ab 1823

Literatur

A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 569; Meyer, Pastoren I, S. 366; Mithoff, Kunstdenkmale III, S. 84; Pape, Schaper S. 119, 197, 244 und 433 f.; Pape/Schloetmann, Hammer S. 146; Siebern/Kayser, KD Kr. Marienburg, S. 60–63.

B: Friedrich Nehrenberg: 800 Jahre Groß Himstedt, Groß Himstedt 1984.


Fußnoten

  1. UB HS Hildesheim I, Nr. 275.
  2. Mithoff, Kunstdenkmale III, S. 84; Siebern/Kayser, KD Kr. Marienburg, S. 60 ff.
  3. UB HS Hildesheim III, Nr. 369.
  4. UB HS Hildesheim IV, Nr. 408.
  5. Boetticher, Ortsverzeichnis Lkr. Peine, S. 175.
  6. Sudendorf, UB IX, Nr. 54,4; Meyer-Roscher, 400 Jahre, S. 143; Bertram, Bistum Hildesheim I, S. 393.
  7. Nehrenberg, S. 18 und 34.
  8. LkAH, L 5h, unverz., Himstedt, Visitation 1993.
  9. RG Online, RG II 01359, http://rg-online.dhi-roma.it/RG/2/1359 (14.11.2017).
  10. Siebern/Kayser, KD Kr. Marienburg, S. 60.
  11. Kayser, Kirchenvisitationen, S. 143.
  12. Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 4 und 22 ff.; Butt, Herrschaft, S. 42 ff.
  13. Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 5.
  14. Alle Zitate: Spanuth, Quellen, S. 250.
  15. Spanuth, Quellen, S. 286.
  16. Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 5 und 83 ff.
  17. LkAH, L 5h, unverz., Himstedt, Visitation 1961; Meyer, Pastoren I, S. 366.
  18. Meyer-Roscher, Kanzelaltäre, S. 26 f.
  19. LkAH, L 5h, unverz., Himstedt, Visitation 1968.
  20. LkAH, S 1 H III Nr. 318, Bl. 9.
  21. LkAH, L 5h, unverz., Himstedt, Visitation 1942.
  22. KABl. 1969, S. 4.
  23. Meyer-Roscher, Streiflichter, S. 123.
  24. KABl. 1952, S. 153.
  25. Lüntzel, Ältere Diöcese Hildesheim, S. 243.
  26. Mithoff, Kunstdenkmale III, S. 62.
  27. Mithoff, Kunstdenkmale III, S. 63.
  28. Siebern/Kayser, KD Kr. Marienburg, S. 61 f. (mit Abb.).
  29. Meyer-Roscher, Kanzelaltäre, S. 26 f.; Nehrenberg, S. 15.
  30. DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 331 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0033109.
  31. Nehrenberg, S. 69; Pape, Schaper S. 119, 197, 244 und 433 f.
  32. Pape/Schloetmann, Hammer S. 146.
  33. Nehrenberg, S. 105.