Sprengel Lüneburg, KK Winsen (Luhe) | Patrozinium: Jakobus | KO: Lüneburger KO von 1643
Orts- und Kirchengeschichte
Borstel, Roydorf und das Winsener Stadtgebiet südlich der Bahnlinie gehörten ursprünglich zur St.-Marien-KG Winsen (Luhe). Angesichts der in der Nachkriegszeit gestiegenen Zahl der Gemeindeglieder nahm die St. Mariengemeinde Mitte der 1950er Jahren den Bau eines Gemeindezentrums in Winsen-Süd in den Blick und verwirklichte als ersten Schritt 1955/56 einen Pfarrhausneubau. Die weitere Planung konkretisierte sich Anfang der 1960er Jahre und sah zum einen ein Gemeindehaus, eine Kirche und einen Kindergarten vor sowie zum anderen die Gründung einer eigenständigen Kirchengemeinde in Winsen-Süd vor.1 Nicht zuletzt die Bahnlinie teile das Gemeindegebiet der KG Winsen in zwei Teile, schrieb der für den Pfarrbezirk Winsen-Süd zuständige P. Jochen Freyer (amt. 1963–1988, seit 1961 P. coll.) im Jahr 1962: Da die Kirche in der Altstadt stehe, seien die „3.500 südlich der Bahnlinie lebenden Menschen praktisch von den gottesdienstlichen Veranstaltungen der Gesamtgemeinde mehr oder weniger abgeschnitten“.2 Überdies sei seit der Fertigstellung des Pfarrhauses 1956 „die Sammlung einer Gemeinde, der Jakobigemeinde, im vollen Gange“. Am dritten Advent 1964 (13. Dezember) weihte die Gemeinde ihr neues Gemeindehaus ein. Weder die Kirche noch der auf dem Areal geplante Kindergarten konnten in der Folgezeit verwirklicht werden; vielmehr bildete der 1969 erbaute Glockenträger den baulichen Abschluss des Gemeindezentrums.
Wenige Wochen nach Einweihung des Gemeindehauses löste das LKA Hannover den Pfarrbezirk Winsen-Süd aus der St.-Marien-KG heraus und errichtete zum 1. Januar 1965 die „Ev.-luth. St. Jakobus-KG Winsen (Luhe)“.3 Von ihrer Muttergemeinde übernahm sie die zweite Pfarrstelle, die P. Jochen Freyer inne hatte. Mit dem Namen „St. Jakobus-KG“ griff die Gemeinde den Namen auf, den der Winsener Sup. Rudolf Grote (amt. 1954–1978) seinerzeit dem neuen Pfarrhaus gegeben hatte: „Jacobi-Haus“, benannt nach dem Winsener P. Carl Friedrich Jacobi (amt. 1857–1867).4
Fünf Jahre später beschrieb der Winsener Sup. die „Grundstrukturen der Gemeindearbeit“ in der neuen St. Jakobusgemeinde und benannte in seinem Bericht zur Visitation 1970 u. a. folgende Punkte: missionarischer Gemeindeaufbau, mitarbeitende Gemeinde, offene und ökumenische Gemeindearbeit (das Gemeindehaus beherbergte u. a. kurzzeitig einen provisorischen Kindergarten des Roten Kreuzes und die Landekirchliche Gemeinschaft).5 Die Gemeinde feierte den Gottesdienst nach einer Ordnung, die der Sup. als „nach dem Agendengesetz mögliche Alternative eines lutherischen Sprechgottesdienstes“ bezeichnete; angestrebt sei ein Gemeindegottesdienst, den „auch die ungeübten Außenstehenden auf Anhieb verstehen“.6 Diese „einfache Gottesdienstform ohne den liturgischen Reichtum der Agende I“, wie es nach der Visitation 1982 hieß, passe zu einer Gemeinde, die „in einem Saal Gottesdienst feiert, der ursprünglich nicht als Kirchsaal vorgesehen war“.7 Gestaltung von Gottesdienst und Abendmahl seien in der Jakobusgemeinde besonders dadurch bestimmt, dass „die Gemeinde in mehreren Kreisen um einen runden Tisch herum sitzt. Die Gemeindeglieder erleben sich nicht nur in der gemeinsamen Orientierung zum Altar, sondern sie nehmen sich gegenseitig wahr.“8 Den runden ersetzte die Gemeinde später durch einen achteckigen Tisch („Markenzeichen“ der KG9) und schon in den 1980er Jahren verwendete sie beim Abendmahl Einzelkelche.10
Das Gemeindegebiet der St. Jakobusgemeinde war Zuzugsgebiet der Stadt Winsen und als erschwerend für die Gemeindearbeit stufte der Winsener Sup. ein, dass „die Zuzügler nach Winsen, die in der St. Jakobus-Gemeinde heimisch werden, zu 50% aus der Kirche ausgetreten sind und keine eigene Initiative entwickeln, bewußt zur Kirchengemeinde gehören zu wollen“.11 1975 zählte die Gemeinde zu den Mitgründerinnen der auf Initiative der KG Handorf eingerichteten Diakoniestation Winsen/Luhe und Umgebung (gemeinsam mit den KG Drennhausen, Marschacht, Stelle, Ashausen, Pattensen und St.-Marien-KG Winsen).12 Seit 1976 unterhielt die St. Jakobusgemeinde einen ev. Kindergarten, dessen Trägerschaft sie auf Initiative der Stadt Winsen übernommen hatte (später Kindergarten „Unter dem Regenbogen“). Die Zahl der Gemeindeglieder von St. Jakobus lag 1988 bei rund 3.355.13 In seinem Bericht zur Visitation hob der Winsener Sup. 1995 die Vielfalt der Gemeindekreise und der Gottesdienstformen (Jugendgottesdienst, weitgehend von Laien gestaltete „Gottesdienste für alle“) hervor – man spüre, dass in der St. Jakobusgemeinde „eigene Wege gegangen werden“.14
Zum 1. Januar 2008 übernahm der neu errichtete „Verband Ev.-luth. Kindertagesstätten im Kirchenkreis Winsen (Luhe)“ die Trägerschaft des ev. Kindergartens der St. Jakobusgemeinde.15
Umfang
Der südliche Teil der Stadt Winsen (Luhe) mit Borstel, Habichtshorst und Roydorf.
Aufsichtsbezirk
Mit Gründung der KG 1965 zum KK Winsen (Luhe).
Kirchenbau
Gemeindezentrum aus einstöckigem Kirchsaal im Norden, zweistöckigem Gemeindehaus und einstöckigem Quertrakt, errichtet 1964 (Architektengemeinschaft Rolf Rieckmann und Alfred Ronschke, Winsen (Luhe)). Kirchsaal mit sechseckigem Grundriss (nach Osten verjüngt), überdachtem Eingang nach Westen und Flachdach. Westseite als Fensterwand gestaltet, weitere Fensterflächen nach Norden und Süden. Kreuz als Bekrönung über dem Dach des Eingangs. Im Innern bühnenartiger Altarraum und flache Decke. 1999/2000 Sanierung und Umgestaltung des Gemeindezentrums, u. a. an der Westseite neuer Haupteingang zum Kirchsaal.
Turm
Im Südwesten des Gemeindezentrums freistehender Glockenträger, erbaut 1969. Offenes Stahlgerüst.
Ausstattung
Hölzerner Altartisch. – Hölzerne, pokalförmige Taufe, achteckig (um 1999/2000). – Lesepult (um 1999/2000).
Orgel
Positiv, erbaut 1964 von Hermann Hillebrand (Altwarmbüchen), 4 I/–, mechanische Traktur, Schleifladen; Instrument Ende 1996 verkauft. 1996 elektronische Orgel angeschafft, G. Kisselbach (Baunatal), Johannus Opus 10, 25 II/P.
Geläut
Eine LG, b’ (Stahl, Gj. 1966, Bochumer Verein), keine Inschrift.
Weitere kirchliche Gebäude
Pfarrhaus (Bj. 1956; ursprünglich Pfarrhaus III der St.-Marien-KG Winsen (Luhe)).
Friedhof
Kirchlicher Friedhof im Besitz der St.-Marien-KG Winsen. Kommunaler Friedhof in Borstel (in Trägerschaft der Stadt Winsen), seit 2015 mit Bestattungswald. Kommunaler Friedhof in Roydorf (in Trägerschaft der Stadt Winsen).
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
B 2 G 9 Nr. 3189 (Bauwesen und Baupflege); S 09 rep Nr. 2268 (Presseausschnittsammlung).
Literatur
A: Gröll/Schirm, Kirchen und Gemeinden, S. 51–53.
Website der Kirchengemeinde (18.02.2024)
Fußnoten
- LkAH, B 2 G 9, Nr. 3189, Bl. 15c.
- Dies und das folgende Zitat: LkAH, B 2 G 9, Nr. 3189, Bl. 15c (Kurze Begründung der Notwendigkeit des Neubaus eines Gemeindezentrums in Winsen-Süd [Jakobigemeinde], 20.08.1962).
- KABl. 1965, S. 5 f.
- Gröll/Schirm, Kirchen und Gemeinden, S. 51 f.: P. Freyer machte „den salomonischen Vorschlag, ‚Jakobus‘ zu nehmen, da dieser Name mit ‚Jacobi‘ schon halb eingeführt sei“.
- LkAH, L 5e, unverz., Winsen (Luhe), St. Jakobus, Visitation 1970. Im Bericht zur Visitation 1982 ist ein Grundsatzbeschluss des KV erwähnt, das Gemeindehau, das Gemeindehaus Bürgerinitiativen zur Verfügung zu stellen, nicht aber politischen Parteien, ebd., Visitation 1982.
- LkAH, L 5e, unverz., Winsen (Luhe), St. Jakobus, Visitation 1970.
- LkAH, L 5e, unverz., Winsen (Luhe), St. Jakobus, Visitation 1982.
- LkAH, L 5e, unverz., Winsen (Luhe), St. Jakobus, Visitation 1982.
- Siehe https://st-jakobus-winsen.wir-e.de/unsere-kirche, 10.12.2024: „‚Markenzeichen‘ von St. Jakobus ist der achtteilige, zum Kreis geschlossene und zum Abendmahl bestimmte Achtertisch aus Holz, der sich auf die Schilderung von acht Opfertischen bei Ezechiel (Hesekiel 40.41) bezieht.“
- LkAH, L 5e, unverz., Winsen (Luhe), St. Jakobus, Visitation 1988.
- LkAH, L 5e, unverz., Winsen (Luhe), St. Jakobus, Visitation 1982.
- LkAH, L 5e, unverz., Handorf, Visitationen 1975 und 1981.
- LkAH, L 5e, unverz., Winsen (Luhe), St. Jakobus, Visitation 1988.
- LkAH, L 5e, unverz., Winsen (Luhe), St. Jakobus, Visitation 1995.
- KABl. 2008, S. 28 ff.