Sprengel Lüneburg KK Lüchow-Dannenberg | Patrozinium: vielleicht Peter und Paul1 | KO: Lüneburger KO von 1643
Orts- und Kirchengeschichte
Der ehemalige Rundling Lanze, nach einem Dorfbrand 1802 aus Sicherheitsgründen wiederaufgebaut als Straßendorf, ist urkundlich erstmals 1340 nachweisbar.2 Das Dorf lag im Gebiet des Amtes Lüchow (vormals Gft. Lüchow, 1320 an die Hzg. zu Braunschweig-Lüneburg gekommen), das zum welfischen Teilfsm. Lüneburg gehörte, seit 1591 zur Herrschaft Dannenberg (die 1636 an das Fsm. Wolfenbüttel kam)3, ab 1671 erneut zum Fsm. Lüneburg und ab 1705 zum Kfsm. Braunschweig-Lüneburg (Kurhannover). Im Ambttbuch zu Lüchow von 1548 ist Lantze unter jenen Dörfern verzeichnet, die Abgaben leisteten, jedoch nicht eigentlich zum Amt gehörten.4 Die Niedergerichtsbarkeit lag bei der Familie von Plato zu Grabow.5 In französischer Zeit gehörte Lanze von 1810 bis 1813 zum Kgr. Westphalen (Kanton Gartow im Distrikt Salzwedel des Departements Niederelbe, ab 1811 des Departements Elbe). Danach zählte das Dorf, nun im Kgr. Hannover, wieder zum Amt Lüchow und das Patrimonialgericht wurde restituiert. Es wurde 1849 aufgehoben und 1852 kam Lanze zum Amt Gartow. Nach der Annexion des Kgr. Hannover fiel Lanze 1866 an das Kgr. Preußen. Das Amt Gartow ging 1872 im Amt Lüchow auf. Mit Einführung der Kreisverfassung 1885 kam Lanze zum Kr. Lüchow, der 1932 im Lkr. Dannenberg aufging (1951: Lkr. Lüchow-Dannenberg). 1972 wurde Lanze nach Prezelle eingemeindet (Samtgemeinde Gartow). Zur sozialen Situation des Kirchspiels Prezelle-Lomitz-Lanze schrieb der Ortspastor 1966: „Die Kirchengemeinde hat vorwiegend landwirtschaftliche Struktur. Sie gehört zum Notstandsgebiet der Zonengrenzlandes. Die Abwanderung ist eigentlich zuende, jedoch nicht aus der Landwirtschaft in einen anderen Beruf.“6 Um 1813 lebten gut 205 Menschen in Lanze, 1905 ebenfalls, 1946 fast 335 und 2004 etwa 125.
Zur vorref. Kirchengeschichte Lanzes ist nichts bekannt. Das wohl mittelalterliche Kirchengebäude ließ die Gemeinde in der ersten Hälfte der 1870er Jahre abtragen. Der Mitte des 19. Jh. belegte jährliche Gottesdienst am Tag der Apostel Petrus und Paulus mag ein Indiz für ein entsprechendes Patrozinium sein.
Seit 1527 betrieb Hzg. Ernst I. († 1546), später der Bekenner genannt, die Einführung der Reformation im Fsm. Lüneburg. Das in diesem Jahr gedruckte Artikelbuch diente dabei, obwohl die Landstände es abgelehnt hatten, als Leitfaden.7 Im Lüneburger Pfründenregister von 1534 ist die Kirche in Lanze nicht erwähnt, auch nicht in den Protokollen der Visitationen 1543 und 1568.8 Wohl seit der Reformationszeit war Lanze als mater combinata mit der Parochie Prezelle unter einem Pfarramt verbunden. Sitz des Pfarramtes war in Prezelle.
Nachweislich in der zweiten Hälfte des 18. Jh. hielt der Pfarrer alle 14 Tage einen Gottesdienst in Lanze.9 An diesem Gottesdienstrhythmus hatte sich bis in die zweite Hälfte des 19. Jh. nichts geändert: In den Unterlagen zur Visitation 1855 schrieb P. Otto Münchmeyer (amt. 1851–1865) in Lanze finde alle zwei Wochen ein „vollständiger Sonntagsgottesdienst“ statt sowie eine „außerordentliche Predigt […] am Tage Petri und Pauli“.10 Nach dem Abbruch der alten Kirche ließ die Gemeinde 1876 nach Plänen des Hannoveraner Konsistorialbaumeisters Conrad Wilhelm Hase (1818–1902) eine neue Kirche im neugotischen Stil errichten.
Aufgrund des Zuzugs Geflüchteter nach Ende des Zweiten Weltkriegs stieg die Zahl der Familien in der KG Lanze (einschließlich Groß Breese) von 55 im Jahr 1938 auf 77 im Jahr 1950 an, insgesamt zählt Lanze seinerzeit gut 305 Gemeindeglieder.11 Bis 1989 war diese Zahl auf 170 gesunken.12
Seit dem Weggang von P. Ernst Müller-Andrae (amt. 1966–1973) war die Pfarrstelle von Lanze und Prezelle vakant. Mit Pn. Sabine Ritter – von Baross (amt. 1974–1983) nahm erstmals eine Frau die pfarramtlichen Aufgaben im Kirchspiel wahr (Auftrag zur pfarramtlichen Mitarbeit, halber Dienstumfang).13 Im Rahmen der Partnerschaft zwischen der hannoverschen und der sächsischen Landeskirche knüpfte die KG Lanze – gemeinsam mit den Gemeinden Prezelle, Lemgow und Woltersdorf – Kontakte zur Kirchgemeinde Fördergerstorf südwestlich von Dresden; zudem unterhielten die Gemeinden Lanze, Prezelle und Woltersdorf eine Partnerschaft mit der benachbarten Gemeinde Bombeck bei Salzwedel in der Kirchenprovinz Sachsen.14
Von 1983 bis 1989 war mit der Versehung der Pfarrstelle Prezelle-Lanze die Mitarbeit in der vakanten KG Lemgow verbunden; gleiches galt für die Pfarrstelle der KG Woltersdorf, da das LKA Hannover für die drei Kirchspiele insgesamt zwei Pfarrstellen genehmigt hatte: „Es wurde versucht, eine ‚Wandervakanz‘ einzurichten, die mittelfristig den Gemeinden das Gefühl erhalten sollte, daß sie pfarramtlich nicht verwaist seien.“15 Seit den 1990er Jahren teilte sich Lanze-Prezelle ein Pfarramt mit Woltersdorf.
Im Jahr 2007 erweiterte das LKA Hannover die pfarramtliche Verbindung von Lanze und Prezelle um die KG Lemgow; gleichzeitig wurden die KG Bösel, Rebenstorf und Woltersdorf pfarramtlich verbunden.16 Da die lokalen Pfarrämter eine andere Arbeitsaufteilung fanden, wurden diese Verbindungen im Jahr 2012 rückwirkend zum Jahr 2009 wieder aufgehoben und eine pfarramtliche Verbindung zwischen Lanze, Prezelle und Woltersdorf eingerichtet, sowie eine zwischen Bösel, Rebenstorf und Lemgow. Die Pfarrstellen gingen 2017 auf das neu eingerichtete Kirchenkreispfarramt Lüchow-Dannenberg über.17 Seit Juli 2022 arbeiten die Kirchengemeinden Woltersdorf, Lanze, Prezelle sowie die KapG Lomitz mit den Kirchengemeinden Lemgow, Rebenstorf und Bösel unter dem Namen „evangelisch SüdOst“ zusammen.
Umfang
Lanze. Zwischen 1795 und 1823 kam Groß Breese hinzu (vorher KG Woltersdorf), anscheinend in der zweiten Hälfte des 20. Jh. zur KG Trebel.
Aufsichtsbezirk
Vielleicht Propstei Lüchow der Diözese Verden. – Nach der Reformation Propstei bzw. Insp. Lüchow. Von 1809 bis 1829 Insp. für das Gericht Gartow innerhalb der Insp. Lüchow. 1868 zur neuen Insp. Gartow.18 1924 KK Gartow, bei dessen Aufhebung 1958 zum KK Lüchow.19 2006 KK Lüchow-Dannenberg.20
Patronat
Familie von Plato.21 Abgesehen vom Recht, ein Mitglied des KV zu ernennen, standen der Familie 1938 „keine patronatlichen Rechte bezüglich der Kirche Lanze mehr zu“.22 Das Patronat endete anscheinend in den 1970er Jahren.
Kirchenbau
Neugotischer Saalbau mit eingezogenem, dreiseitig geschlossenem Chor und Sakristeianbau an der Südseite des Chors, erbaut 1876 (Architekt: Conrad Wilhelm Hase, Hannover).23 Satteldach über dem Schiff, Chordach nach Osten abgewalmt, Pultdach über der Sakristei. Backsteinmauerwerk, gegliedert mit Friesen und Lisenen; Strebepfeiler an Schiff und Chor. An Schiff und Chor spitzbogige, zweibahnige Fenster mit schlichtem Ziegelmaßwerk und geböschten Fensterbänken aus glasierten Ziegeln. Im Westen der Südseite Segmentbogenportal mit schlichtem Wimperg. Im Innern im Schiff gestufte Holzdecke, hölzerne Dachträger auf Wandkonsolen aus Ziegeln; im Chor Kreuzrippengewölbe mit Wandkonsolen aus Ziegeln; spitzer Triumphbogen zwischen Chor und Schiff; Westempore. 1913 Innenrenovierung. 1959 Innenrenovierung. 1990–98 schrittweise Sanierung, u. a. Dachstuhl erneuert, Mauerwerk neu verfugt, Innenausmalung restauriert.
Turm
Vierseitiger Westturm mit achtseitigem, schiefergedeckten Pyramidenhelm, bekrönt mit Kugel und Wetterhahn; an der Nordseite Anbau mit Pultdach. Ziegelmauerwerk, Trauffries, Gesimse. Im Glockengeschoss je zwei spitzbogige Schallfenster nach Norden, Süden und Westen, nach Süden darüber Uhrziffernblatt. Im Mittelgeschoss je ein Spitzbogenfenster nach Westen und Süden. Nach Westen Segmentbogenportal mit schlichtem Wimperg, darüber dreiteiliges Fenster. 1888 Turmuhr angeschafft. 1930 Gebälk erneuert.
Vorgängerbau
Bruchsteinbau, knapp 17 Meter lang, etwa 11,5 Meter breit, gerundeter Ostschluss. Rundbogige Fenster, Rundbogentür. Im Innern flache Balkendecke. Fachwerkdachreiter über dem Westgiebel.24 1874 abgetragen.
Ausstattung
Kastenförmiger Holzaltar mit neugotischem Retabel, verziert mit Fialen (1876), Mittelfeld mit Dreiecksgiebel und Spitzbogenfeld, darin Gemälde (Pelikan mit seinen Jungen); links Vierpass mit Gemälde (Melchisedek), rechts Vierpass mit Gemälde (Abel); über dem Mittelfeld Kruzifix. – Rechts an der Ostwand des Schiffs erhöhte Holzkanzel (1876), Wandungen des polygonalen Kanzelkorbs mit Spitzbogenfüllungen, Kanzelkorb mit Mittelstütze; Zugang zur Kanzel durch die Sakristei. – Hölzerne Taufe (1876).
Orgel
1877 Orgelneubau, ausgeführt von Folkert Becker (Hannover), 16 II/P, Cymbelstern, mechanische Traktur, Schleifladen; neugotischer Prospekt entworfen von Conrad Wilhelm Hase (Hannover). Zinnerne Prospektpfeifen im Ersten Weltkrieg zu Rüstungszwecken abgegeben (1917), 1919 durch neue Pfeifen ersetzt. Instrument seit den 1980er Jahren nicht mehr spielbar. 2013 Restaurierung, Martin ter Haseborg, Orgelbau in Ostfriesland (Uplengen). Denkmalorgel, seit Erbauung keine klanglichen oder bautechnischen Veränderungen.
Geläut
Eine LG, h’ (Bronze, Gj. 1703, angeblich Heinrich Abel Kramer, Salzwedel), Inschriften: „Soli Deo gloria“ (Allein Gott die Ehre), „Hin geht die Zeit, her kompt der Thodt, O Mensch Thue Buss und fürchte Gott. Anno 1703“ und „Lanze. Martin Redlich Pastor“, Bild: Wappen. Eine SG (Uhrschale), dis’’ (Eisenguß).
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Friedhof
Kirchlicher Friedhof bei der Kirche, FKap (Bj. 1969).
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 1 Nr. 09215–09220 (Pfarroffizialsachen); A 8 Nr. 352 (CB); A 9 Nr. 1848, 1849, 1850, 1851, 1852, 1853 (Visitationen); D 79 (EphA Lüchow); S 09 rep Nr. 1953 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 7105 (Findbuch PfA).
Kirchenbücher
Kommunikanten: 1837–1852
Siehe Mutterkirche Prezelle
Literatur & Links
A: Gemeindebuch KK Lüchow, S. 29–31; Behn, Wendland, S.88–89; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 828; Jürries/Wachter, Wendland-Lexikon II, S. 30–31; Kelletat, Kirchen und Kapellen, S. 24; Manecke, Beschreibungen II, S. 115; Meyer, Pastoren II, S. 280–281 (Prezelle); Mithoff, Kunstdenkmale IV, S. 114; Sänger, Denkmaltopographie Lkr. Lüchow-Dannenberg, S. 169; Schmitz, Siedlungsnamen, S. 112–113.
B: 100 Jahre Kirche zu Lanze, Lanze 1976.
Internet: Bildindex der Kunst & Architektur: Kirche und Ausstattung; Denkmalatlas Niedersachsen: Kirche, Kirchhof; Nomine (Norddeutsche Orgelmusikkultur in Niedersachsen und Europa): Orgel.
GND
1051040817, Evangelische Kirche Lanze (Prezelle).
Website der Kirchengemeinde (18.02.2024)
Fußnoten
- Nach Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien I, S. 271, ist kein mittelalterliches Patrozinium bekannt. In den Unterlagen zur Visitation 1855 ist ein jährlicher Gottesdienst am „Tage Petri und Pauli“ erwähnt, der ein entsprechendes Patrozinium vermuten lässt, LkAH, A 9, Nr. 1848 [Digitalisat, Aufnahme 37].
- Brosius, Regesten, Nr. 26. Für weitere Belege und zum Ortsnamen vgl. Schmitz, Siedlungsnamen, S. 112 f. Vgl. auch Sänger, Denkmaltopographie Lkr. Lüchow-Dannenberg, S 169: „Im frühen 19. Jh. wurden im Wendland wiederholt abgebrannte Rundlinge aus Sicherheitsgründen als Straßendörfer wiedererrichtet. Das 5 km westlich von Prezelle gelegene Dorf Lanze ist das früheste bekannte Beispiel einer solchen Neuordnung.“
- Jürries/Wachter, Wendland-Lexikon I, S. 209 f.
- Nippert, Register, S. 92 f. („Nachfolgende dorper gehoren nicht den herren und gevenn dennoch jahrlichs upthuß Luchow tho register an bede“).
- Manecke, Beschreibungen II, S. 115.
- LkAH, L 5e, unverz., Prezelle, Visitation 1966.
- Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 484 und 492 ff.; vgl. auch Butt, Kirchenregiment, S. 39 ff. und S. 55 ff.
- Salfeld, Pfründenregister; Kayser, Kirchenvisitation; Lange, General-Kirchenvisitation.
- Manecke, Beschreibungen II, S. 115.
- LkAH, A 9, Nr. 1848 [Digitalisat, Aufnahme 37].
- LkAH, L 5e, unverz., Prezelle, Visitationen 1938 und 1950.
- LkAH, L 5e, unverz., Prezelle, Visitation 1989.
- KABl. 1974, S. 224; KABl. 1976, S. 44.
- LkAH, L 5e, unverz., Lanze, Visitation 1989; LkAH, L 5e, unverz., Prezelle, Visitation 1989; LkAH, L 5e, unverz., Woltersdorf, Visitation 1990; LkAH, L 5e, unverz., Predöhl (Lemgow), Visitation 1991. Allgemein: Cordes, Gemeindepartnerschaften, S. 38 ff.
- LkAH, L 5e, unverz., Prezelle, Visitation 1978 (Bescheid des LSup., 22.01.1987). Vgl. auch LkAH, L 5e, unverz., Prezelle, Visitation 1989.
- KABl. 2007, S. 158.
- KABl. 2016, S. 140 ff.
- Staatskalender 1870, S. 276.
- KABl. 1958, S. 96.
- KABl. 2006, S. 21 f.
- Manecke, Beschreibungen II, S. 115.
- LkAH, L 5e, unverz., Prezelle, Visitation 1938.
- Siehe: https://glass-portal.hier-im-netz.de/cwhase/g-l/lanze_kirche.htm, 02.08.2024.
- Mithoff, Kunstdenkmale IV, S. 114.