Frühere Gemeinde | Sprengel Hannover, KK Nienburg | Patrozinium: Johannes | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Südlich des alten Ortskerns von Langendamm liegt ein Hügelgräberfeld mit Bestattungen aus der Eisenzeit und aus der Zeit der Völkerwanderung. Schriftlich ist der Langendam erstmals 1531 in einer Beschreibung der Grenze zwischen der Gft. Hoya und dem Fsm. Calenberg belegt.1 Als Wohnplatz ist Langen Damb erstmals 1664 in der Kopfsteuerbeschreibung des Amtes Wölpe nachgewiesen: Hier lebte der „Zollner und Holtzknecht“ Dietrich Beumann mit seiner Familie.2 Als Ort im Amt Wölpe zählte Langendamm zum welfischen Teilfsm. Calenberg (1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover). Von 1810 bis 1813/14 gehörte das kleine Dorf zum Kanton Rehburg im Distrikt Hannover des Allerdepartements im französischen Satellitenkgr. Westphalen. Danach zählte Langendamm, nun im Kgr. Hannover, zunächst wieder zum Amt Wölpe, nach dessen Auflösung 1859 zum Amt Nienburg. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel der Ort 1866 an das Kgr. Preußen. Seit Einführung der Kreisverfassung 1885 gehört das Dorf zum Kr. Nienburg (1932: Lkr. Nienburg/Weser). 1966 schlossen sich Bolsehle, Groß Varlingen, Langendamm, Linsburg und Schessinghausen zur Samtgemeinde Im Wohlde zusammen, der 1971 auch Husum beitrat, die jedoch nur bis 1974 bestand. In diesem Jahr wurde Langendamm in die Stadt Nienburg eingemeindet. 1935/36 errichtete die Wehrmacht eine Luftwaffenmunitionshauptanstalt in Langendamm, seit 1956 ist der Ort Bundeswehrstandort (Clausewitzkaserne). Um 1810 lebten knapp 50 Menschen in Langendamm, 1905 rund 105, 1946 gut 425, 1950 fast 1.400 und 2021 etwa 2.700.

Kirche mit Gemeindesaal, Ansicht von Nordosten, um 1960

Kirche mit Gemeindesaal, Ansicht von Nordosten, um 1960

Bis hinein in die zweite Hälfte des 20. Jh. gehörte Langendamm kirchlich zum Kirchspiel Husum. Eine eigene Schule besitzt der Ort seit 1813 (vorher Schessinghausen).3 Mit dem Bau der Luftwaffenmunitionshauptanstalt 1935 und nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit dem Zuzug Geflüchteter stieg die Einwohnerzahl Langendamms stark an. 1950 richtete das LKA Hannover in der KG Husum eine Pfarrvikarstelle mit Sitz in Langendamm ein, die Wolfgang Krause (amt. 1950–1953) übernahm. Gottesdienste fanden alle zwei Wochen in der alten Schule statt, seit Ende 1956 in der Vorhalle der neuen. Dem Bau einer Kirche oder Kapelle in Langendamm begegnete das LKA zunächst zögerlich.4 In Eigeninitiative errichteten die Langendammer 1954 einen Glockenturm nahe dem Friedhof. Im gleichen Jahr gründete sich ein Kapellenbauverein und am 13. April 1958 konnte schließlich der Grundstein für den Kirchenbau gelegt werden.5 Bereits am 21. Dezember des gleichen Jahres feierte die Gemeinde die Einweihung ihrer neuen St. Johannis-Kirche. Der Name soll „die Verbundenheit mit der Mutterkirche zu Husum, der Jakobus-Kirche, zum Ausdruck bringen“.6 Zum 1. April 1959 trennte sich Langendamm von der KG Husum, das LKA errichtete die „Ev.-luth. Kirchengemeinde Langendamm“ und wandelte die Pfarrvikarstelle in eine Pfarrstelle um.7 Erster Inhaber war der Pfarrvikar Johannes Stier (amt. 1957–1972). Der Kapellenbauverein löste sich Ende Juni 1959 auf; schon 1957 hatte sich ein Posaunenchor gegründet.
Für den Bau der Kirche erhielt die Gemeinde eine Bundesfinanzhilfe (Zuschuss und Darlehn) und gewährte im Gegenzug „das Mitbenutzungsrecht der Bundeswehrangehörigen und deren Familien sowie die Bereitstellung der üblichen Sach- und Dienstleistungen bei gesonderten Militärgottesdiensten“.8 Das Ende der 1950er Jahre eingerichtete Militärpfarramt war zunächst nebenamtlich besetzt; P. Hans-Joachim Siebel (amt. 1960–1963) war der erste hauptamtliche Standortpastor in Langendamm.
Im Rahmen der Partnerschaft zwischen den Landeskirchen Sachsens und Hannovers baute die KG Langendamm, zusammen mit der KG Marklohe, seit 1961 eine Partnerschaft mit der sächsischen Kirchgemeinde Mittweida auf (nördlich von Chemnitz).9 Nach der Visitation 1971 merkte der Nienburger Sup. an, die KG Langendamm gehöre wohl zu jenen, „in denen das gottesdienstliche Leben noch nicht nachgelassen hat“ und 1975 hob er hervor, die Gemeinde sei „erstaunlich lebendig geworden“.10 In ihrer Struktur erkannte er eine gewisse Disparatheit: U. a. eine „sehr stark pietistische“ geprägte Gruppe, jüngere, „sehr weltoffene, christlich engagierte“ Gemeindeglieder sowie Soldatenfamilien, „die ‚Kirche‘ leicht als ‚moralische Anstalt‘ verstehen“.11
1970 weihte die Gemeinde den ev. Kindergarten ein, der als Kindergarten „JohannisBär“ 2010 in die Trägerschaft des KK Nienburg überging. Seit 2011 arbeitet die KG Langendamm mit der Nienburger Kreuz-KG zusammen; die halbe Pfarrstelle der Johannisgemeinde ist kombiniert mit der ebenfalls halben Pfarrstelle I der Kreuzgemeinde. Pfarrsitz ist seit 2013 in Langendamm. Die beiden Gemeinden geben seit 2016 einen gemeinsamen Gemeindebrief heraus und kooperieren in der Konfirmandenarbeit. Zum 1. Januar 2024 schlossen sie sich zusammen und gründeten gemeinsam die neue „Ev.-luth. Kreuz-und-St.-Johannis-KG Nienburg“.12

Umfang

Der Nienburger Ortsteil Langendamm

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1959 zum KK Nienburg.

Kirchenbau

Rechteckiger Ziegelbau mit eingezogenem Altarraum und Anbau nach Südwesten (Sakristei und Gruppenraum), Kirche ausgerichtet nach Südosten, erbaut 1958 (Architekt: Fritz Brandt, Bremen). Nach Nordosten schließt sich ein Gemeindehaustrakt an. Satteldach, Sakristei mit Schleppdach. Je zwei hohe, flachbogige Sprossenfenster an den Längsseiten des Schiffs und eines an der Nordostseite des Altarraums, kleine Rechteckfenster an der Sakristei; Portal an Südwestseite. Im Innern flache Balkendecke, Emporen im Nord- und Südwesten.

Fenster

Figürliches Buntglasfenster im Altarraum (1958, Hans Matschinski, Braunschweig), Agnus Dei mit Siegesfahne, darunter das Buch mit sieben Siegeln und die Symbole der vier Evangelisten, darüber das himmlische Jerusalem.

Turm

Vor der Westecke der Kirche freistehender, rechteckiger Backsteinbau mit flachem Zeltdach, bekrönt mit Kreuz, erbaut 1959. In der Glockenstube an jeder Seite ein schmales, hochrechteckiges Schallfenster, daneben Uhrziffernblatt. 1967 Turmuhr.

Ausstattung

Schlichter Blockaltar (1958). – Hängendes Kruzifix aus Holz (1958, Erich Brüggemann, Winsen an der Luhe), Inschrift: „Jesus von Nazareth, König der Juden“. – Leicht erhöhte Kanzel mit hölzerner Brüstung (1958). – Schlichte Taufe (1958), Steinzylinder mit Taufschale.

Orgel, nach 1964

Orgel, nach 1964

Orgel

1963/64 Orgelneubau, ausgeführt von Firma Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen), 17 II/P (HW, RP), mechanische Traktur, Schleifladen. 2012 Instandsetzung und Änderung der Disposition, ausgeführt von Orgelwerkstatt Christian Reinhold (Bernsdorf), 18 II/P (HW, RP), mechanische Traktur, Schleifladen.

Geläut

Fünf LG, I: bʼ (Bronze, Gj. 1959, Firma Rincker, Sinn), Inschrift: „O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort“; II: cesʼʼ (Bronze, Gj. 1959, Firma Rincker, Sinn), Inschrift: „Betet ohne Unterlaß“; III: cʼʼ (Bronze, Gj. 1700, Joachim Hannibal Brors), Inschriften: „Soli Deo gloria“ (Allein Gott die Ehre) und „Carolvs Melchior de Reichav militae Brandenb. pedestris svmmvs vigilarvm praefectus templvm Reichowiensis patronvs campanam hanc transfundi et augeri curavit ann 1700. Opera I. H. Brorsii“ (Karl Melchior von Reichau, Brandenburgischer Fußsoldat, oberster Wachoffizier, Patron der Kirche zu Reichau, hat diese Glocke umgießen und vergrößern lassen im Jahr 1700. Ein Werk von I. H. Brors), Patenglocke aus Boguchwały in Polen (ehemals Reichau, Kr. Mohrungen, Ostpreußen), zunächst in Glockenstuhl auf Friedhof, seit 1967 im Kirchturm; IV: desʼʼ (Bronze, Gj. 1959, Firma Rincker, Sinn), Inschrift: „Sei getreu bis an den Tod“; V: esʼʼ (Bronze, Gj. 1959, Firma Rincker, Sinn), Inschrift: „Lasset die Kindlein zu mir kommen“; seit 1960 im Turm.

Weitere kirchliche Gebäude

Gemeindesaal (Bj. 1959), baulich verbunden mit Kirche, 1983 erweitert zu Gemeindehaus (gemeinsame Finanzierung von KG und Militärseelsorge). – Pfarrhaus (Bj. 1959). – Pfarrhaus II (Bj. 1961, Militärpfarramt). – Kindergarten (Bj. 1969/70).

Friedhof

Kommunaler Friedhof am südöstlichen Ortsrand (Im Grunde), erste Beerdigung 1923, Glockenturm (Bj. 1954), FKap (Bj. 1966).

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

L 5a Nr. 245–246 (LSuptur. Calenberg-Hoya mit Verden-Hoya und Celle); S 09 rep Nr. 1574 (Presseausschnittsammlung).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1959
Trauungen: ab 1959
Begräbnisse: ab 1959
Kommunikanten: ab 1959
Konfirmationen: ab 1959

Früher siehe Husum.

Literatur

A: Dienwiebel, Ortsverzeichnis Hoya/Diepholz II, S. 364; Gade, Hoya und Diepholz II, S. 415–416; Heckmann, Kirchen und Kapellen, S. 32–33; Müller, Orgeldenkmalpflege, S. 134–135.
B: Festschrift zum 20jährigen Bestehen der St. Johannis-Kirche zu Langendamm. A.D. 1978, hrsg. vom Kirchenvorstand der Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Johannis zu Langendamm, Langendamm 1978; Wilhelm Stelling: Langendamm. Aus der Geschichte eines Dorfes, Nienburg/Weser 1976.


Fußnoten

  1. Stelling, S. 15.
  2. Stelling, S. 24 ff.
  3. Gade, Hoya und Diepholz II, S. 416; Stelling, S. 65 ff.
  4. Festschrift, [S. 12].
  5. Festschrift, [S. 13 ff.]; Stelling, S. 203 ff. und 230 ff.
  6. Festschrift, [S. 16].
  7. KABl. 1959, S. 52 f.
  8. LkAH, B 2 G 9/Langendamm Bd. I, Bl. 195a ff.; vgl. auch Festschrift, [S. 41 f.].
  9. Festschrift, [S. 37], LkAH, L 5a, Nr. 270 (Visitation 1988). Allgemein: Cordes, Gemeindepartnerschaften, S. 38 ff.
  10. LkAH, L 5a, Nr. 245 (Visitationen 1971 und 1975).
  11. LkAH, L 5a, Nr. 245 (Visitation 1975).
  12. KABl. [in Vorbereitung].