Frühere Gemeinde | KapG der KG Lüchow | Sprengel Lüneburg, KK Lüchow-Dannenberg | Patrozinium: Michael1 | KO: Lüneburger KO von 1643
Orts- und Kirchengeschichte
Urkundlich ist der Ort erstmals im Lüneburger Lehnregister aus der Zeit zwischen 1330 und 1352 als Yesne erwähnt.2 Der gleichnamige Fluss wird bereits in den im frühen 13. Jh. niedergeschriebenen Taten der der Bischöfe von Halberstadt genannt (in fluvium Iesne).3 Der Ort lag im Gebiet des Amtes Lüchow (vormals Gft. Lüchow, 1320 an die Hzg. zu Braunschweig-Lüneburg gekommen), das zum welfischen Teilfsm. Lüneburg4 gehörte, seit 1591 zur Herrschaft Dannenberg (die 1636 an das Fsm. Wolfenbüttel kam)5, ab 1671 erneut zum Fsm. Lüneburg und ab 1705 zum Kfsm. Braunschweig-Lüneburg (Kurhannover). In französischer Zeit gehörte Jeetzel von 1810 bis 1813 zum Kgr. Westphalen (Kanton Lüchow im Distrikt Salzwedel des Departements Niederelbe, ab 1811 des Departements Elbe). Danach war Jeetzel, nun im Kgr. Hannover, wieder Teil des Amtes Lüchow. Nach der Annexion des Kgr. Hannover fiel das Dorf 1866 an das Kgr. Preußen. Mit Einführung der Kreisverfassung 1885 kam Jeetzel zum Kr. Lüchow, der 1932 im Lkr. Dannenberg aufging (1951: Lkr. Lüchow-Dannenberg). 1972 wurde Jeetzel nach Lüchow eingemeindet. Um 1813 lebten gut 195 Menschen in Jeetzel, 1905 etwa 180, 1946 fast 310 und 1987 knapp 165.
Ältestes Zeugnis der Kirchengeschichte Jeetzels ist die Glocke, die aus dem 13. Jh. stammt. Der östliche und ältere Teil des Kapellengebäudes geht vermutlich auf das 15. Jh. zurück. Kirchlich gehörte die Kapelle Jeetzel – zu der sich anscheinend auch die Familien aus Reetze hielten6 – auch in vorref. Zeit zum Kirchspiel Lüchow. Im Lüneburger Pfründenregister (1534) und in den Protokollen der frühen lutherischen Kirchenvisitationen (1543, 1568) bleibt die Kapelle unerwähnt.7
Im Corpus bonorum der Parochie Lüchow, angelegt 1778, ist vermerkt, der zweite Prediger (Archi-Diaconus) müsse in der Kapelle Jeetzel „an den 3. hohe Festen und am Michaelis-Tage, nachmittags predigen“.8 Im Jahr 1957 wurden zwei Predigtgottesdienste neu eingeführt.9 1960 fanden jährlich sechs Gottesdienste in der Kapelle statt – an Weihnachten, an einem Sonntag der Fastenzeit, an Ostern, Pfingsten, Erntedank und am Volkstrauertag10 – und 1973 insgesamt acht.11
Mit Gründung der GKG Lüchow-Plate zum 1. Januar 2024 wurde die KapG Jeetzel aufgehoben; Rechtsnachfolgerin ist die KG Lüchow.12
Umfang
Jeetzel. Zeitweise wohl auch Reetze.
Kapellenbau
Rechteckbau, errichtet im 15. und 17./18. Jh. Satteldach. Älterer Ostteil aus Ziegelmauerwerk mit Feldsteinsockel, Stützpfeiler an Giebelseite; jüngerer Westteil aus Fachwerk mit Ziegelausfachung. Am Ostteil je zwei Sprossenfenster nach Norden und Süden, geschlossenes Spitzbogenportal nach Süden (eingesetzter Grabstein); am Westteil zwei kleine, hochliegende Sprossenfenster nach Norden, zwei große Sprossenfenster nach Süden, zwischen den Fenstern spitzbogiges Portal. Im Innern flache Holzbalkendecke; L-förmige Empore an West- und Nordseite; vier hohe, flachbogige Nischen in der Ostwand. Im 17. oder 18. Jh. Kirche nach Westen erweitert (Fachwerkteil).
Turm
Im Westen freistehender, hölzerner Glockenturm mit vierseitigem Pyramidenhelm (ziegelgedeckt), bekrönt mit Kreuz, erbaut im frühen 15. Jh. (dendrochronologische Datierung); ältester Holzturm (und einziger hölzerner Kirchturm) im Landkreis.13 Vertikale Verschalung, im Glockengeschoss kleine Schallfenster mit Dreieckssturz. Rechteckeingang nach Süden.
Vorgängerbau
Wübbenhorst vermutet einen Feldsteinbau des 14. Jh. im Bereich des heutigen Fachwerkteils.14
Ausstattung
Vorref. Blockaltar mit gemauertem Stipes und Sandsteinmensa (eingeritzte Kreuze). – Hölzernes Retabel mit Säulen, verkröpftem Gebälk und Sprenggiebel, farbig gefasst (zweite Hälfte 18. Jh.), im Hauptfeld geschnitzte Kreuzigungsgruppe mit Engeln; als Bekrönung Figur des auferstandenen Christus mit Siegesfahne, auf den Giebelschrägen je ein Engel; in der Predella Abendmahlsbild („eine Bauernmalerei aus dem 18. Jh.“15, Christus sitzt nicht zentral, sondern links am Tisch); seitliches Schnitzwerk mit Engelsköpfen; auf der Rückseite eingeritzte Jahreszahlen (1768, 1797); Altar 1904 erneuert, 1961 renoviert (Ferdy Horrmeyer, Hannover), 1976 renoviert („in freier Neubemalung“16). – Leicht erhöhte Kanzel (um 1961), hölzerne Brüstung. – Außen: Grabstein für Anna Margaretha Glimannen († 1741), Inschrift u. a.: „Alhier Ruhet in gott Die Ehr und wollgeachtete Frau Frau Anna Margaretha Glimannen Ist gebohren d 19ten Jannury Anno 1676 In den dorffe Zähtlingen in der alte Marck gestorben in wustrau Anno 1741 d 13ten Juny seeligen Herrn Julius Ernst Schultzen Nachgelaßene Witweh gewäsenen bürgers und brauers in wustrau Haben in der ehe gelebt 35 jahr Und gezeiget 4 Kinder“, eingesetzt in den ehemaligen Südeingang. – Außen: Grabstein für Sophie Louise Pott geb. Brauns († 1828), Inschrift: „Hier ruhet meine geliebte Frau Sophie Louise, geb. Brauns aus Wilhelmsburg. Gott nahm ihre fromme Seele am 12ten April 1828 im 66ten Jahre ihres verdienstvollen Lebens im 49ten Jahre unserer glücklichen Ehe in seinen Himmel auf. Ihren Tod beweinen mit mir 1 Sohn 2 Töchter, 9 Grosskinder. Ihr Andenken bleibe im Seegen. Gern werde ich hier an ihrer Seite ruhen, wenn Gott mich ruft. Ernst August Pott Superintendent und Archidiakonus in Lüchow Pastor in Jetzel, Reeze und Colborn“; aufgestellt an der Nordwand. – Außen: Grabstein für Sup. Ernst August Pott († 1828), Inschrift: „Ernst August Pott geboren in Hanover im Jahre 1747 d 15 März Er ward An[n]o 1773 Prediger in Wilhelmsburg An[n]o 1776 ging er als Pastor Diaconus nach Winsen an der Luhe An[n]o 1786 wurde er als Archidiaconus zu Lüchow, auch zum Pastor in Jetzel, Reetze und Colborn berufen An[n]o 1809 wurde er Superintendent des Inspection Gartow. Er starb den 20ten Januar 1828 im 82t. Jahre seines Lebens und führte sein Lehramt 56 Jahre treu bis zum letzten Athemzuge. Sein Körper ruhet in Jeetzel wo er im Leben so gern lehrte und gutes stiftete. Sein Andenken wird bey der Gemeine in Seegen bleiben. 1. Thessalonich. 2, V. 11. 12.“, aufgestellt an der Nordwand.
Orgel
Orgelneubau 1994, Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen), 3 I/–, mechanische Traktur, Schleifladen.
Geläut
Eine LG, a’’ (Bronze, Gj. etwa 13. Jh.), Zuckerhutform, keine Inschrift, Bilder: vier Medaillons (vielleicht Evangelisten).
Friedhof
Ehemaliger Friedhof für Jeetzel und Reetze17 bei der Kapelle Jeetzel, genutzt bis 1892. Neuer Friedhof am nordöstlichen Ortsrand (Zum Streichfeld), erste Beisetzung 1894, Friedhof 1966 noch Eigentum der KapG; FKap (Bj. etwa 19. Jh.).18
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
N 079, Nr. 44 (Nachlass Ferdy Horrmeyer); S 09 rep Nr. 150 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 7839 (Findbuch PfA).
Literatur & Links
A: Gemeindebuch KK Lüchow, S. 24–25; Behn, Wendland, S. 74–75; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 781; Jürries/Wachter, Wendland-Lexikon I, S. 330–331; Kelletat, Kirchen und Kapellen, S. 21; Manecke, Beschreibungen II, S. 119; Mithoff, Kunstdenkmale IV, S. 102; Sänger, Denkmaltopographie Lkr. Lüchow-Dannenberg, S. 159–160; Schmitz, Siedlungsnamen, S. 88–89; Wübbenhorst, Datierung, bes. S. 95–96.
Internet: Denkmalatlas Niedersachsen: Kapelle, Kirchhof.
Fußnoten
- Hennecke/Krumwiede, Kirchen- und Altarpatrozinien II, S. 126.
- Hodenberg, Lüneburger Lehnregister, Nr. 309 [Digitalisat]. Für weitere Belege und zum Ortsnamen vgl. Schmitz, Siedlungsnamen, S. 88 f. Vgl. auch Jürries/Wachter, Wendland-Lexikon I, S. 331: „Die These, wonach Jeetzel mit dem fränkischen Handelsplatz Schezla zusammenhängt, ist wenig wahrscheinlich.“
- MGH SS 23, S. 92 [Digitalisat]. Vgl. auch Schmitz, Siedlungsnamen, S. 226, und https://www.geschichtsquellen.de/werk/2487, 26.06.2024.
- Im Jahr 1424 bekannte Hzg. Wilhelm I. zu Braunschweig-Lüneburg († 1482) allerdings, dass ihm im Dorf Jetzene „keinerlei Gericht zustehe und seine Vögte und Amtleute dort auch kein Gericht zu halten pflegten“, Brosius, Regesten, Nr. 119.
- Jürries/Wachter, Wendland-Lexikon I, S. 209 f.
- Manecke, Beschreibungen II, S. 119.
- Salfeld, Pfründenregister; Kayser, Kirchenvisitation; Lange, General-Kirchenvisitation.
- LkAH, A 8 Nr. 267 [Digitalisat, Aufnahme 6].
- LkAH, L 5e, unverz., Lüchow, Visitation 1959.
- Gemeindebuch KK Lüchow, S. 22.
- LkAH, L 5e, unverz., Lüchow, Visitation 1973.
- KABl. 2024 [in Vorbereitung].
- Wübbenhorst, Datierung, S. 95. Die Datierungsversuche vor der dendrochronologischen Untersuchung schätzten den Turm jünger ein: Sänger, Denkmaltopographie Lkr. Lüchow-Dannenberg, S. 160: 17. Jh.; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 781: 16. Jh.
- Wübbenhorst, Datierung, S. 95 f.
- Behn, Wendland, S. 75.
- Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 781.
- Manecke, Beschreibungen II, S. 119.
- LkAH, L 5e, unverz., Lüchow, Visitationen 1959 und 1966.