Frühere Gemeinde | Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hildesheimer Land-Alfeld, Amtsbereich Alfeld | Patrozinium: Michael (nach 1957) | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Das Dorf ist urkundlich erstmals im Jahre 1261 belegt, als Ritter Heinrich von Steinberg den Katharinenaltar, den er in Lamspringe gestiftet hatte, u. a. mit drei Hufen in Herbernessen dotierte.1 Die wesentlichen Grundbesitzer waren die Herren von Steinberg und das Kloster Lamspringe. Die Steinberger (Linie Alfeld/Wispenstein) besaßen ein Gut in Harbarnsen und hatten die niedere Gerichtsbarkeit im Dorf inne (Patrimonialgericht), beides als Lehen der Bf. von Hildesheim.2 Harbarnsen gehörte zum Amt Winzenburg des Hochstifts Hildesheim. Nach Ende der Hildesheimer Stiftsfehde (1519–1523) fiel dieses Amt an das welfische Teilfsm. Braunschweig-Wolfenbüttel und Hzg. Heinrich der Jüngere wurde Landesherr. Im Winzenburger Erbregister von 1578 heißt es: „der Sitz Harbarnsen sambt dem Hoeffe oder Vorwercke dem Unter Gerichte im Dorffe und 120 Werckschue außerhalb Dorffes gehöret dem von Steinberge zu Wispensteine“.3 Mit der Restitution des Großen Stifts kehrten das Amt Winzenburg und das Junkerdorf Harbarnsen 1643 unter stifthildesheimische Landesherrschaft zurück. Bereits 1608 hatte die Familie von Steinberg-Wispenstein Gut und Dorf Harbarnsen an Jonas Burgtorff, den Verwalter des Klosters Lamspringe, verpfändet. Erst 1742 löste sie Harbarnsen wieder ein und mit dem Aussterben der Herren von Steinberg-Wispenstein in männlicher Linie kam Harbarnsen einige Jahre später an die Familie von Steinberg-Bodenburg.4 Nach den Bestimmungen des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 fiel das Gebiet des Hochstifts Hildesheim an das Kgr. Preußen. In den Jahren des französischen Satellitenkgr. Westphalen (1807–1813) gehörte Harbarnsen zum Kanton Alfeld im Distrikt Hildesheim des Departements Oker. Ab 1815 gehörte der Ort, nun im Kgr. Hannover, wieder zum Amt Winzenburg, seit den 1820er Jahren zum Amt Bilderlahe mit Sitz in Lamspringe und von 1852 bis 1859 zum Amt Lamspringe, das dann im Amt Alfeld aufging. Nach der preußischen Annexion von 1866 blieb die Ämterstruktur zunächst bestehen; bei der Einführung der Kreisverfassung kam Harbarnsen 1885 zum Lkr. Alfeld (1977 Lkr. Hildesheim). Von 1965 bis 2016 gehörte Harbarnsen zur Samtgemeinde Lamspringe, seit 2016 zur Gemeinde Lamspringe. Das Gut Harbarnsen hatte 1911 zusammen mit allen Steinbergschen Gütern die Familie von Cramm geerbt; 1988 wurde es verkauft.5 Harbarnsen ist ein ländlich geprägter Ort, dessen Bevölkerung überwiegend zur Arbeit pendelt. 1948 lebten hier hauptsächlich Landarbeiter, nur wenige Bauern und wenige Industriearbeiter.6 Das Dorf zählte um 1810 gut 200 Einwohner, 1925 gut 300 und 2015 etwa 280.

Kirche, Ansicht von Nordwesten, um 1960

Kirche, Ansicht von Nordwesten, um 1960

Kirchlich gehörte Harbarnsen wohl auch vor der Reformation zu Woltershausen und wechselte zusammen mit der Muttergemeinde 1542/68 zur luth. Lehre. Das Gründungsjahr der Kapelle ist unbekannt, 1568 wird das Dorf zusammen mit Irmenseul als Tochtergemeinde von Woltershausen genannt („zwei filial, Armessen und Harbergessen“).7 Die Herren von Steinberg bemühten sich jedoch um die Eigenständigkeit Harbarnsens. Um 1600 wirkte P. Johannes Colerus hier und 1614 räumte das Konsistorium Wolfenbüttel Georg Burchard von Steinberg das Recht ein, für Harbarnsen eigene Pfarrer zu berufen.8 Vermutlich da die Gemeinde klein und die Pfarre wenig einträglich war, blieben die Pastoren nicht lange: P. Johann Prassius (amt. 1614–1619), P. Johann Schlick (amt. 1619–1622) und P. Bastian Hevecker (amt. 1622–1626). Ab 1627 übernahm P. Hermann Hahnen aus Woltershausen (amt. 1593–1633) wieder die Betreuung der Gemeinde.
Da die Dorfkapelle im Dreißigjährigen Krieg gelitten hatte und verfallen war, ließen Anna von Stolberg und ihr Ehemann Heinrich Burgtorff, Pfandherr von Gut und Dorf Harbarnsen, 1648 eine neue Kirche bauen.9 Als Hofkirche gehörte sie zum Gut, aber auch die übrigen Dorfbewohner besuchten die Gottesdienste. Heinrich Burgtorff wollte Besitz und Einkünfte der Dorfkapelle zur Hofkirche ziehen und beide Kirchen zu einer Pfarre zusammenlegen, scheiterte jedoch am Widerstand von P. Christoph Leo aus Woltershausen (amt. 1685–1728): 1689 entschied das Konsistorium, das Dorf Harbarnsen solle Tochtergemeinde von Woltershausen bleiben. Die Dorfbewohner konnten zwar die Gottesdienste in der Hofkirche besuchen, bei Taufen oder Trauungen mussten sie jedoch bis in die zweite Hälfte des 18. Jh. den Weg nach Woltershausen auf sich nehmen. Erst etwa 1768 ließ Ernst Georg von Steinberg in Harbarnsen eine neue Dorfkapelle errichten.10 Sechsmal im Jahr kam der Pfarrer von Wolterhausen nun zum Abendmahlsgottesdienst nach Harbarnsen.11

Kirche, Blick zum Altar, um 1960

Kirche, Blick zum Altar, um 1960

Die Pfarrer verschiedener umliegender Gemeinden versorgten die Hofgemeinde: 1684 bis 1689 Breinum, 1689 bis 1692 Woltershausen, 1692 bis 1754 Adenstedt und ab 1754 Bodenburg in Braunschweig. Nicht zuletzt wegen der schlechten Finanzlage der Hofkirchengemeinde und der anstehenden Reparaturen am Kirchengebäude verhandelte Ernst August von Steinberg seit 1816 über eine Vereinigung der beiden Gemeinden. Das Ergebnis stand 1820: Der Patron verzichtete auf sein Berufungsrecht und präsentierte zukünftig den jeweiligen Pfarrer von Woltershausen für Harbarnsen; alle drei Wochen sollte der Pfarrer in Harbarnsen einen Gottesdienst halten (alle sechs Wochen mit Abendmahl) und außerdem an Weihnachten, Ostern und Pfingsten jeweils am zweiten Feiertag; der Patron durfte die Dorfkapelle zu seinen Gunsten verkaufen und finanzierte den Neubau der Hofkirche, die nun gemeinsame Pfarrkirche der vereinigten Dorf- und Hofgemeinde sein sollte.12 Die Inschrift über dem Kirchenportal verkündet diese Einigung: „Im Jahre 1821 ist diese Kirche durch Vereinbarung zwischen dem Herrn Oberschenk Ernst August von Steinberg und der Gemeinde Harbarnsen zur gemeinschaftlichen Kirche für die ganze Gemeinde eingerichtet worden. Herr Amtmann Otto als Bauherr“.13 Zudem galt Harbarnsen nicht mehr als Tochtergemeinde von Woltershausen; vielmehr hatten beide Gemeinden den Status einer Mutterkirche. Als mater combinata teilten sie sich einen Pfarrer, der seinen Sitz in Woltershausen hatte. 1848 wählten beide Gemeinden jeweils einen eigenen Kirchenvorstand.14 Zu einem Zusammenschluss der Gemeinden kam es erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.: Im Mai 1973 beschlossen die KV der Gemeinden Woltershausen und Harbarnsen sowie der KapV Irmenseul die Fusion der drei Gemeinden. Das Landeskirchenamt hob die KapG Irmenseul auf und zum 1. Juli 1974 gründete sich die neue St. Marien-Kirchengemeinde Woltershausen.15

Umfang

Das Dorf Harbarnsen.

Aufsichtsbezirk

Wohl Archidiakonat Adenstedt der Diözese Hildesheim. – Um 1542/44 zur Insp. Alfeld, 1569 zur Insp. Lamspringe/Groß Freden.16 Ab 1651/52 Spezialinsp. des GSup. Alfeld (Insp. Alfeld). 1829 zur kurzlebigen Insp. Wrisbergholzen, ab etwa 1834 Insp. Alfeld. 1869 zur neu gebildeten Insp. Breinum, die bis 1872 von Alfeld aus verwaltet und dann nach dem neuen Sitz der Suptur. in Insp. (1924: KK) Wrisbergholzen umbenannt wurde. KK ab 1925 unter Verwaltung des Bockenemer Sup., 1927 Suptur. mit Pfarrstelle Sehlem verbunden, ab 1936 von Alfeld verwaltet, 1941 mit KK Alfeld vereinigt.17

Patronat

Der Besitzer des Gutes Harbarnsen: die Herren von Steinberg, Linie Alfeld/Wispenstein, seit 1750 Linie Bodenburg, seit 1911 die Familie von Cramm als Erben der Steinberger. Letzter Patron war Egbert Freiherr von Cramm, der das Patronat 1994 aufgab.18 Seit 1821 präsentierte der Patron den für Woltershausen ernannten oder gewählten Pfarrer.

Kirchenbau
Kirche, Grundriss, vor 1929

Kirche, Grundriss, vor 1929

Rechteckbau mit dreiseitigem Chorschluss, erbaut 1821. Satteldach, über dem Chor abgewalmt; verputztes Bruchsteinmauerwerk; Rechteckfenster; in Westfassade Rundfenster, darunter Portal mit Inschriftentafel: „Im Jahre 1821 ist diese Kirche durch Vereinbarung zwischen dem Herrn Oberschenk Ernst August von Steinberg und der Gemeinde Harbarnsen zur gemeinschaftlichen Kirche für die ganze Gemeinde eingerichtet worden. Herr Amtmann Otto als Bauherr“.19 Im Innern flache Holztonne, Chorschluss rundbogig, u-förmige Empore. Neuausmalung 1889. Renovierung 1957.

Turm

Verschieferter, dachreiterartiger Turm über Westfassade, Turmhelm mit rechteckigem Ansatz und achteckig ausgezogener Spitze, bekrönt mit Kugel und Wetterfahne; rechteckige Schallfenster.

Vorgängerbauten

Hofkirche: An gleicher Stelle 1648 errichtet, Massivbau mit Schieferdach und Holzturm; 1821 durch jetziges Kirchengebäude ersetzt, Inschriftenstein mit Darstellung der Trinität erhalten. Dorfkapelle: 1768 als Fachwerkbau neu errichtet, 1821 verkauft, Nutzung als Wohnhaus; Balken mit Inschrift erhalten: „Dieser Bau ist gemacht im Jahre anno 1768“.

Ausstattung

Kanzelaltarwand, Kanzelkorb flankiert von zwei Säulen, außen längere Säulen, die das Gebälk tragen, darüber aufgehende Sonne; Kanzelwandungen verziert mit zwei Engelsfiguren, die Kelch und Bibel in den Händen halten, sowie mit Figuren der Apostel Petrus und Paulus, Kanzel bis 1821 in Dorfkapelle, Figuren spätgotisch (vielleicht um 1500).20 – Außen: Wappen- und Inschriftenstein mit Darstellung der Trinität, eingelassen in Südwand, ursprünglich an Hofkirche: „Henricus Burchtorff, Anna v. Stollbergen. Anno 1648. Gelobet sey die heylige Dreyfaltigkeit von nun an bis in Ewigkeit“.

Orgel

1830 Neubau von Firma Euler (Gottsbüren), 10 I/P mechanische Traktur, Schleifladen. Instandsetzung 1970, ausgeführt von Schmidt & Thiemann (Hannover). Denkmalorgel.

Geläut

Zwei LG, I: h’, Inschrift: „Gegossen von J. H. Bartels in Hildesheim 1868. Verkünde laut den Bund der Taufe, ruf uns zu Kirche und Unterricht und töne, wenn in unserm Laufe der Pilgerstab am Grabe bricht. von Steinberg Patron. Wiegand Pastor. Kirchenvorstand G. Meyer, F. Meibaum, E. Beyes, E. Siebeke, H. Brinkmann“ (Bronze, Gj. 1868, Bartels, Hildesheim); II: cis’’ (Bronze, Gj. 1929, Firma Radler, Hildesheim).

Weitere kirchliche Gebäude

Küsterhaus mit Gemeindesaal (Bj. um 1800, 1960 gekauft).

Friedhof

Kirchlicher Friedhof am Nordrand des Dorfes.

Liste der Pastoren (bis 1940)

Um 1600 Johannes Colerus. – 1614–1619 Johann Prassius. – 1619–1622 Johann Schlinck. – 1622–1626 Bastian Hevecker.

Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 460

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 11908, 11912, 11917 (Pfarroffizialsachen); A 6 Nr. 8865–8874 (Pfarrbestallungsakten, mit Woltershausen); D 43 (EphA Alfeld).

Kirchenbücher

Taufen: 1775–1821
Trauungen: 1792–1815
Begräbnisse: 1776–1821
Kommunikanten: 1825–1929 (Lücken: 1835, 1836, 1839–1875)
Konfirmationen: 1823–1875

Frühere Hofgemeinde
Kirchenbücher

Taufen: 1775–1821
Trauungen: 1792–1815
Begräbnisse: 1776–1821

Mutterkirche Woltershausen. Im Übrigen in den Kirchenbüchern der Mutterkirche, s. Bodenburg, St. Laurentii.

Literatur

A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 647; Graff, Geschichte Kr. Alfeld, S. 468–472; Kiecker/Graff, KD Kr. Alfeld, S. 157–159; Meyer, Pastoren I, S. 460; Reden-Dohna, Rittersitze, S. 169–172.

B: August Gottlieb Theodor Wedekind: Dorfkapelle und Kirche in Harbarnsen, in: Der Bote aus der Börde. Heimatblatt aus dem alten Amte Winzenburg 4 (1920), S. 29–32 und 39–41.


Fußnoten

  1. UB HS Hildesheim III, Nr. 20. Die angeblich älteste Nennung Harbarnsens im Verzeichnis der Schenkungen (Traditionen) an das Kloster Corvey aus dem 9. Jh. (villa Haribernessun in pago fleithi) ist eine willkürliche Ergänzung, die der erste Editor Johann Friedrich Falke 1752 in den lückenhaft überlieferten Text eingefügt hatte, vgl. Mönchslisten I, § 2, Anm. 1.
  2. Kiecker/Graff, KD Kr. Alfeld, S. 157.
  3. Ulrich, Winzenburger Erbregister, S. 514.
  4. Reden-Dohna, Rittersitze, S. 169 ff.
  5. Reden-Dohna, Rittersitze, S. 169 ff.
  6. LkAH, L 5h, unverz., Woltershausen, Visitation 1948.
  7. Spanuth, Quellen, S. 276.
  8. Meyer, Pastoren I, S. 460; Wedekind, S. 30.
  9. Graff, Geschichte Kr. Alfeld, S. 468; Wedekind, S. 31.
  10. Wedekind, S. 32; Kiecker/Graff, KD Kr. Alfeld, S. 159.
  11. Wedekind, S. 39.
  12. Wedekind, S. 39 f.
  13. Wedekind, S. 40.
  14. Das „Gesetz über Kirchen- und Schulvorstände“ vom 14. Oktober 1848 legte fest, dass jede KG einen KV haben solle, Cordes, Kirchengemeinden, S. 15.
  15. KABl. 1974, S. 204 f.
  16. Reller, Kirchenverfassung, S. 112, 169 f. und 226.
  17. KABl. 1927, S. 43; KABl. 1941, S. 44.
  18. Reden-Dohna, Rittersitze, S. 172.
  19. Wedekind, S. 40.
  20. Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 647.