Sprengel Lüneburg, KK Wolfsburg-Wittingen | Patrozinium: Liudger | KO: Lüneburger KO von 1643

Orts- und Kirchengeschichte

Ehmen (seit 1972 Stadtteil von Wolfsburg) wird vermutlich am 5. Oktober 942 in einer Urkunde Ottos I. (Schenkung von fünf Hufen Land mit Zubehör in villa Gjmin an die Kirche in Fallersleben) erstmals erwähnt.1 1269 übereignete Gf. Hermann von Wohldenberg dem Ägidienkloster in Braunschweig einen Teil seines dortigen Besitzes. Am 8. März 1270 übertrug Bf. Volrad von Halberstadt (1255–1296) dem Abt und dem Konvent desselben Kosters in Braunschweig den Zehnten zu Ehmen Mit der Gografschaft Grevenlah kam es 1337 unter welfische Hoheit und bei der Landesteilung von 1428 an das Fsm. Lüneburg (Amt Fallersleben).

Kirche, Blick zur Orgel, vor 1967

Kirche, Blick zur Orgel, vor 1967

Die am östlichen Rand des historischen Ortskerns gelegene Kirche erscheint um 1150/60 in einem Besitzregister des Klosters St. Ludgeri vor Helmstedt. Sie muss indessen schon zu Zeiten des Abtes Bernhard von Wevelinghoven (1125–1138) bestanden haben, der dem Gotteshaus Grundbesitz übereignet hatte. Am 13. Dezember 1304 wird henricus plebanus in Emen als Urkundenzeuge genannt.2 Ernst der Bekenner führte 1527 im Fsm. Lüneburg das luth. Bekenntnis ein. Als erster luth. P. in Ehmen ist 1534 Theodericus Otten nachgewiesen. Unter Hzg. Franz von Braunschweig und Lüneburg (1539–1549) wurde die Pfarre in Ehmen im Einverständnis mit dem Patronatsinhaber Rudolf von Campe mit Sülfeld vereinigt.
Um 1900 setzte eine Phase der Industrialisierung ein (Salzbergbau bis 1925) und sorgte ebenso wie später der Bau des VW-Werks (1934/38) und die Gründung der Stadt Wolfsburg für einen Entwicklungsschub. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden die Neubaugebiete Birkengehege und Malerhoop. Für die größer gewordene Gemeinde reichte die bisherige seelsorgerliche Betreuung von Sülfeld aus nicht mehr aus. Am 1. Oktober 1963 wurde deshalb eine Pfarrvikarstelle eingerichtet.3 Als Pfarrhaus diente zunächst das alte Küsterhaus. 1967 wurde ein Gemeindehaus errichtet (Architekt: Karl Garbe, Wolfsburg), ein Jahr später das neue Pfarrhaus (das Küsterhaus wurde abgerissen). Zum 1. Juli 1977 wurde die pfarramtliche Verbindung mit Sülfeld gelöst. Die zweite Pfarrstelle der KG Sülfeld ging auf die KG Ehmen über.4
Zur Unterstützung der kirchengemeindlichen Arbeit besteht die Gemeindestiftung St. Ludgeri (gegründet 2003).

Umfang

Das Dorf Ehmen.

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat Meine der Diözese Halberstadt. – 1570 zur neu gebildeten Insp. (1924: KK) Fallersleben (1. Oktober 1965 umbenannt in KK Wolfsburg; 1. Januar 2013 mit dem KK Wittingen zum KK Wolfsburg-Wittingen vereinigt).

Patronat

Das Patronatsrecht lag im Mittelalter beim Helmstedter St.-Ludgeri-Kloster und wird seit der Reformation durch den Landesherrn beansprucht, der später die von Campe auf Gut Wedesbüttel damit belehnte. Nach dem Übergang des Guts Wedesbüttel an die von Grote kam es zu einer langwierigen Auseinandersetzung um das Patronat, die erst mit der Ablösung 1842 beendet wurde.

Kirchenbau

Vierachsiger, neugotischer Backsteinbau mit einschiffigem Langhaus, dreiseitig geschlossenem, eingezogenem Chor und kapellenartiger Sakristei an der Südseite des Chors, erbaut 1896/97 (Architekt: Eduard Wendebourg, Hannover; Einweihung: 28. November 1897). Satteldächer, über Chor und Sakristei abgewalmt. Strebepfeiler an Chor und Schiff; an den Längsseiten breite, dreibahnige Spitzbogenfenster mit schlichtem Backsteinmaßwerk; am Chor zweibahnige Spitzbogenfenster mit schlichtem Backsteinmaßwerk. Im Innern trapezförmige Holzdecke im Schiff, Gewölbe im Chor. Chorgewölbe und Decke waren ursprünglich von dem Kunstmaler Zacharias (Hannover) mit einer Schablonenmalerei versehen worden, die später übermalt und bei einer Renovierung 1988–91 an den Langhauswänden und im Chor (Sternenhimmel) wieder freigelegt wurde. Südöstlich der Kirche ließ die Gemeinde 2015 eine Taufkapelle mit Kolumbarium errichten (28. November 2015 eingeweiht): freistehender, kreuzförmiger Bau mit Flachdach und rundem Oberlicht; die Nischen für die Urnen befinden sich in den Außenwänden und in einer geschwungenen Mauer südlich der Kapelle.

Fenster

Noch aus der Alten Kirche stammt eine kleine, ovale Glasmalerei mit der Darstellung der Auferstehung Christi auf der Nordseite im mittleren Fenster des Kirchenschiffs unter der Empore (Stiftung des Gografen Albert Bartels, Anfang oder Mitte 17. Jh.) Weitere farbige Glasfenster im Chorraum, in der Mitte Christus als Weltenherrscher, darunter die Apostel Petrus und Paulus; in den Rundfenstern zu beiden Seiten Moses und Johannes der Täufer (hergestellt von Firma Henning & Andres, Hannover, 1897).

Turm

Querrechteckiger Fassadenturm; kupfergedeckter Helm mit Dreiecksgiebeln, die in einen diagonal gestellten Dachreiter mit offener Laterne und lang ausgezogener Spitze überführt werden.

Vorgängerbau

Das um 1200 errichtete mittelalterliche KGb war ein romanischer Bruchsteinbau mit einschiffigem Langhaus, niedrigerem, eingezogenem Chor und querrechteckigem Turm in der Breite des Kirchenschiffs. Nach Beschädigung im Dreißigjährigen Krieg wurde es 1646 innen renoviert. 1662 wurde vor dem Südeingang ein Bahrenhaus aus Fachwerk angebaut. Wegen des schlechten Zustandes und der engen Raumverhältnisse beschloss der KV 1859 den Abriss. Zu Abbruch und Neubau kam es aber erst 1896/97.

Ausstattung

Der neugotische Altar, Kanzel, Lesepult, Taufstein und Gestühl wurden von Eduard Wendebourg entworfen. Auf dem aus Backstein gemauerten Blockaltar mit einer Mensa aus Kalkstein befindet sich jetzt ein hölzerner, neugotischer Altaraufsatz mit Agnus-Dei-Darstellung, Abraham und Isaak sowie einem hohen Kruzifix (von Wilhelm Sagebiel, Braunschweig). – In der Vorgängerkirche befand sich der Aufbau des spätmittelalterliche Marienkrönungsaltar (um 1420/50, aus einer niedersächsischen Werkstatt, vielleicht in Braunschweig); im Mittelschrein die Marienkrönung und zwei weitere Heilige, in den Flügeln links die Heiligen Katharina und Margaretha, rechts die Heiligen Andreas und Matthäus. Die Predella ist verloren. Der Altar wurde nach dem Abbruch der Kirche zunächst nach Sülfeld gebracht und 1908 von der KG an das Provinzialmuseum in Hannover verkauft. Nach seiner Restaurierung kehrte er als Dauerleihgabe des Niedersächsischen Landesmuseums nach Ehmen zurück und wurde in der Kapelle des Kolumbariums aufgestellt. – Kanzel mit polygonalem Kanzelkorb, in den Brüstungsfeldern die vier Evangelistensymbole (von Wilhelm Sagebiel). – Sechseckiger, kelchförmiger Taufstein, von Heinrich Haferkamm (Mörse) nach Entwurf von Eduard Wendebourg (1897, 2001 restauriert). – Radleuchter (gestiftet 1988).

Orgel

In der alten Kirche befand sich keine Orgel. 1901 erwarb die KG aus der Konkursmasse der Philharmonischen Gesellschaft „Tivoli“ in Hannover das Werk einer Konzertorgel der Firma P. Furtwängler & Hammer (Hannover), 8 II/P, pneumatische Traktur, Schleifladen. Der Prospekt wurde von Eduard Wendebourg entworfen und durch die Orgelbaufirma F. Becker (Hannover) ausgeführt. 1967/68 Neubau der Orgel durch Firma Weißenborn (Braunschweig), 14 II/P (HW, BW). 1997 durch Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen) überholt und in der Disposition verändert.

Geläut

Zwei LG, I: e’ (Bronze, Gj. 1961, Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg); II: g’ (Bronze, Gj. 1655, Carsten Hustede, Lüneburg; Umguss aus einer älteren Glocke). – Eine SG in a’’ (Bronze, Gj. 1897, J. F. Weule, Bockenem; in der Laterne). – Früherer Bestand: Zwei ältere Glocken (Gj. 1897 und 1918, beide von J. F. Weule, Bockenem) waren in den Weltkriegen zu Rüstungszwecken abgegeben worden.

Turmuhr

1897 von J. F. Weule (Bockenem).

Friedhof

Der Südfriedhof am westlichen Ortsrand (Brunsroder Straße) in Ehmen ist einer der drei Zentralfriedhöfe der Stadt Wolfsburg und befindet sich im Eigentum der Stadt. Ein älterer, ebenfalls kommunaler Friedhof befindet sich weiter nördlich an der Brunsroder Straße/Ecke Dammstraße.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 10903–10906 (Pfarroffizialsachen); A 5 (Spec. Landeskons.); D 64 (EphA Fallersleben-Wolfsburg).

Quelle

Mitteilung der KG Ehmen vom 9./13. April 2015.

Kirchenbücher

Kommunikanten: ab 1876

Ältere Eintragungen und übrige Register siehe Sülfeld

Literatur

A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 424; Kiecker/Lütgens, KD Kr. Gifhorn, S. 48–49; Mithoff, Kirchen und Kapellen Lüneburg, S. 372.
B: Dietrich Gerhardt und Walter Zimdahl: 1897–1997. 100 Jahre St. Ludgeri Kirche Ehmen, [Ehmen 1997]; Hans-Georg Schulze: Ehmen. Eine Chronik, Wolfsburg 1981; [Peter Steckhan]: Ev.-luth. Kirche St. Ludgeri, [Passau 2003].


Fußnoten

  1. MGH DD O I 50 [Digitalisat].
  2. Lüneburger UB V, Isenhagen, Nr. 75 und 76.
  3. KABl. 1963, S. 138.
  4. KABl. 1977, S. 109.