Frühere Gemeinde | Sprengel Stade, KK Bremerhaven | Patrozinium: Maria | KO: Keine Kirchenordnung
Orts- und Kirchengeschichte
Den historischen Kern des heutigen Stadtteils Geestemünde bildet der auf dem linken Geesteufer nahe der Mündung in die Weser gelegene Ort Geestendorf. Das 1139 zuerst in einem Schutzbrief des Paulsklosters vor Bremen erwähnte Haufendorf1 gehört zum Vieland und kam im Mittelalter unter die weltliche Herrschaft des Erzstifts Bremen. Um 1187 sind erzbischöfliche Meierhöfe bezeugt.2 1428 verpfändete der Ebf. seine Besitzungen in Geestendorf und im übrigen Vieland an die Stadt Bremen. Ab 1648 unter schwedischer Herrschaft, 1712 an Dänemark, 1715 an Kurhannover. Unweit von Geestendorf wurde 1845/47 der Ort Geestemünde als hannoverscher Freihafenplatz gegründet und erfuhr durch Hafen, Hochseefischerei und Werftindustrie einen bedeutenden Aufschwung. 1888 wurden Geestendorf und Geestemünde zur Gemeinde Geestemünde vereinigt und 1912 zur Stadt erhoben, die 1924 mit dem benachbarten Lehe in der Stadt Wesermünde (seit 1947 Bremerhaven) aufging. Seit 1947 zur Hansestadt Bremen.
Geestendorf gehörte ursprünglich zum Ksp. Wulsdorf. Die Geestendorfer Bauern errichteten wohl Anfang des 13. Jh. eine der Jungfrau Maria geweihte Kapelle, die 1420 als filia Woldesdorpe erscheint3 und 1436 in einer Ablassurkunde Papst Eugens IV. als ruinös bezeichnet wird.4 Der Ablass steht im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau bzw. Neubau. Vor 1500 wird die Kirche zur Pfarrkirche erhoben. Über die Einführung der Reformation liegen keine Nachrichten vor. Als erste nachreformatorische Geistliche werden vor 1582 der aus der Gft. Mark stammende P. Christoff Gimbach und 1577 bis 1581 Claudius Montanus geführt, letzterer als mercenarius für den mit der Pfarrstelle belehnten Laien Christian Müller.5 Unter den späteren Pfarrstelleninhabern war v. a. Martin Mushard (amt. 1729–1770) als Prähistoriker und Archäologe (mit zahlreichen Veröffentlichungen) von Bedeutung.6
Das KGb wurde im Dreißigjährigen Krieg beschädigt und 1663 wiederhergestellt. Für die prosperierende Gemeinde reichte sie jedoch dauerhaft nicht aus: Mit zunehmendem Wachstum der neuen Siedlung Geestemünde wuchs das Bedürfnis nach einem größeren oder zweiten Sakralbau. Erste Überlegungen für den Bau einer zweiten Kirche am Geestemünder Marktplatz (1859) wurden nicht umgesetzt. Erst nach einem langwierigen Streit um den Standort wurde ab 1872 unter P. Justus Ruperti (amt. 1871–1873, früher P. an der Kreuzkirche in Bremerhaven) an der heutigen Bismarckstraße die Christuskirche errichtet. Sie blieb aber vorläufig noch Teil der Parochie der Marienkirche. 1888 nahm in Anlehnung an die Umbenennung der politischen Gemeinde auch die KG die Bezeichnung „Geestemünde“ an.7 1862 und 1900 wurden für Geestendorf und Geestemünde weitere Pfarrstellen errichtet8 und nach dem Ersten Weltkrieg das Gemeindegebiet in drei Pfarrbezirke untergliedert, von denen einer (dritte Pfarrstelle) Alt-Geestemünde umfasste und die beiden anderen Geestendorf mit der Marien- und Christuskirche. 1927 trat eine vierte Pfarrstelle an der Marienkirche hinzu. Auf die Suptur.-Pfarre an der Marienkirche wurde 1935 P. Wilhelm Wendebourg (amt. 1935–1958) berufen, der zugleich Sup. des neu geschaffenen KK Wesermünde-Stadt (ab 1948 KK Bremerhaven) wurde und bis 1955 zugleich die Suptur.-Geschäfte des KK Wesermünde-Süd versah. Mit dem 1. Oktober 1936 wurde die Marien-KG dem Ev.-luth. Gesamtverband Wesermünde angeschlossen.9 Dem Namenswechsel auf kommunaler Ebene (Umbenennung von Wesermünde in Bremerhaven 1947) folgte im Juni 1948 die Umbenennung der KG in Bremerhaven-Geestemünde.10 P. Wendebourg widmete sich nach dem Krieg dem kirchlichen Wiederaufbau, besonders im diakonischen Bereich (1947 Gründung des Stadtverbands der Inneren Mission, 1950 Einrichtung eines Altersheims, 1957 des Männerwohnheims „Herberge zur Heimat“). Ein vom Gesamtverband getragenes kirchliches Wohnungsbauprogramm linderte in den 1950er Jahren die Wohnungsnot in der Stadt.11
Zum 1. Juni 2017 löste sich die Mariengemeinde auf und schloss sich mit der Christusgemeinde zur neuen „Ev.-luth. Marien- und Christusgemeinde Bremerhaven-Geestemünde“ zusammen.12
Pfarrstellen
I: Vorref. – II: Mai 1862, 1. April 1970 auf die neu gebildete Christus-KG übergegangen, zugleich Neuerrichtung einer Pfarrstelle. 1. Dezember 2001 aufgehoben.13 – III: 1. Oktober 1900.14 1. April 1970 auf die Christus-KG übergegangen und unter dem gleichen Datum neu errichtet.15 Seit 1. Dezember 2001 II.16 – IV: 1. Oktober 1927.17 – V: 1. Mai 195518; 1. April 1960 auf KG Bremerhaven-Grünhöfeübergegangen.19 – VI: 1. Februar 195920; seit 1. April 1960 V; 1. April 1970 auf die Christus-KG übergegangen.21
Umfang
Die Dörfer Geestendorf und Vierhöfen sowie das Zollhaus Leherbrücke; nach 1845/47 auch (Alt-)Geestemünde. Mit dem 1. April 1960 wurde die Petrus-KG in Bremerhaven-Grünhöfe verselbständigt, mit dem 1. Januar 1962 die Matthäus-KG, mit dem 1. April 1970 die Christus-KG. 1. Januar 1963 Grenzänderung zwischen den KG Bremerhaven-Geestemünde und Petrus.22
Aufsichtsbezirk
Archidiakonat Hadeln und Wursten der Erzdiözese Bremen (laut Stader Copiar, 1420); nach den Visitationsprotokollen von 1581/83 dagegen zum Archidiakonat des bremischen Dompropstes. – Unter schwedischer Herrschaft zur Osterstadischen Präpositur bzw. Präpositur Osterstade-Vieland. Ab 1. Januar 1827 Insp. Stotel, 1839 umbenannt in Insp. Lehe (mit wechselndem Sitz, zunächst in Stotel, ab 1853 in Debstedt, 1859 in Flögeln, 1868 wieder in Debstedt). 1. Mai 1867 in die neu errichtete Insp. Geestendorf umgegliedert.23 1874 wurde die Suptur. nach Wulsdorf verlegt und der Aufsichtsbezirk damit in Insp. (1924: KK) Wulsdorf umbenannt. Ab 1. Oktober 1934 war die KG Sitz der Suptur. des Kirchenkreises Wesermünde-Geestemünde.24 Zum 1. September 1936 wurden die KK Sandstedt (mit Ausnahme der KG Bruch) und Wesermünde-Geestemünde zu einem Kreiskirchenverband und Aufsichtsbezirk zusammengelegt. Der KK führte die Bezeichnung „Wesermünde-Geestemünde“. Sitz des Kreiskirchenvorstandes war Wesermünde-Geestemünde.25 Ab 1. April 1940 KK Wesermünde-Stadt, 1948 umbenannt in KK Bremerhaven.
Patronat
Dompropst in Bremen, dann der Landesherr (bis 1871).
Kirchenbau
Einschiffiger Backsteinbau mit eingezogenem Rechteckchor. Die ältesten Mauerreste finden sich am Sockel des Turms. Das Schiff wurde im 14./15. Jh. in Backstein zu drei Jochen erweitert und mit einem Kreuzrippengewölbe geschlossen. Eine Empore wurde um 1786 entfernt. 1872/75 umfassende Erneuerung durch Conrad Wilhelm Hase (u. a. Einbau der heutigen Spitzbogenfenster in den Langhauswänden).26 1907 östlich Sakristei- und Heizungsanbau. Ausmalung 1908 nach Vorgaben des Kirchenmalers Reinhold Ebeling (Hannover). Die Kirche wurde 1944 bis auf die Außenmauern zerstört und 1951/54 wieder aufgebaut (mit neuer Innenraumgestaltung).
Fenster
Glasfenster im Chor, hergestellt von Henning & Andres, Hannover (1908).
Turm
Gedrungener quadratischer Westturm, im 14./15. Jh. erhöht und 1663 renoviert.
Ausstattung
Die gesamte Innenausstattung wurde im Zuge der Neugestaltung unter Hase neu angeschafft, ging jedoch größtenteils im Krieg verloren. Blockaltar mit Verkleidung aus Kalksteinplatten. Altaraufsatz aus Bronze von Karl-Henning Seemann, Stuttgart (1979). – Hölzerne Kanzel mit massivem Sockel. – Kalksteintaufe in Form eines konischen Zylinders; mit Taufschale und Deckel aus Messing. – Bronzerelief (Arche Noah und Friedenstaube) von Karl-Henning Seemann im Tympanon des Westportals. – Drei historische Grabsteine im Eingangsbereich der Kirche.
Orgel
1909 Neubau des Werks durch P. Furtwängler & Hammer (Hannover) hinter einem Prospekt aus der ersten Hälfte des 19. Jh.; 14 II/P, pneumatische Traktur. Die Orgel wurde im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört. 1957 Neubau durch Firma Paul Ott (Göttingen), 16 II/P (HW, RP), mechanische Traktur, Schleifladen.
Geläut
Drei LG, I: e’ (Bronze, Gj. 1964, Gebrüder Rincker, Sinn); II: g’ (Bronze, Gj. 1964, Gebrüder Rincker, Sinn); III: a’ (Bronze, Gj. 1994, Gebrüder Rincker, Sinn). – Zwei SG in f’’ und as’’ (beide Bronze, Gj. Anfang 20. Jh.). – Früherer Bestand: Zwei Glocken gingen im Zweiten Weltkrieg (durch Glockenabgabe bzw. beim Brand der Kirche) verloren. 1953 erhielt die Gemeinde eine Patenglocke aus Bladiau, Kreis Heiligenbeil. Vom Hamburger Glockenfriedhof (Schlagton f’, Bronze, Gj. 1818, Ludwig Copinus, Königsberg i. Pr.). Sie wurde wegen einer Beschädigung 1994 ausgetauscht und leihweise dem Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg überlassen.
Weitere kirchliche Gebäude
KiGa (Bj. 1966/68). – Gemeindehaus (Bj. 1968, Architekt: Wolfgang Westphal).
Friedhof
Ursprünglich bei der Kirche. Neuanlage 1859 an der Feldstraße für Geestemünde und den Fischereihafen; später mehrfach erweitert. In Trägerschaft des Ev.-luth. Friedhofsverbandes Geestemünde-Wulsdorf-Schiffdorf. Denkmalgeschützte FKap (Bj. 1930/31, Architekt: Wilhelm Allers).
Liste der Pastoren (bis 1940)
Erste Pfarrstelle (Marienkirche): Vor 1582 Christoff Gimbach, verwaltete den Dienst nicht selber, sondern durch: 1577–1581 Claudius Montanus. – 1581–1601 Conrad Bartels. – 1602 Simon Frese. – 1615–16.. Nikolaus Helmers. – 16.. –1662 Simon Drosemann. – 1663–1679 Johann Büscher. – Um 1680 4 Jahre Christian Büscher. – 1682–1683 Hermann Lement. – 16.. –1689 Christoff Enkelmann. – 1690–1707 Daniel Hoffmann. – 1708–1722 Johann Heinrich Pfannkuche. – 1722–1728 Johann Heerdehorst. – 1729–1770 Martin Mushard. – 1771–1780 Johann Friedrich Wesselhöft. – 1780–1785 Franz Daniel Rohlfs. – 1785 Georg Heinrich Hastaedt. – 1811–1814 Dr. Ernst Heinrich Dreffein. – 1814–1823 Johann Heinrich Ringe. – 1824–1859 Caspar Georg Hinrich Plaß. – 1860–1862 Heinrich Otto von Hanffstengel. – 1862–1868 Georg Johann Wilhelm Behn. – 1868–1871 Konrad Bernhard Vogelfang. – 1871–1873 Justus Ruperti. – 1874–1885 Theodor Ruge. – 1885–1914 Gustav Tovote. – 1914–1934 Ludwig Holtermann. – 1935– Hermann Wilhelm Wendebourg.
Zweite Pfarrstelle (Christuskirche): 1862–1865 Johann Georg Ludwig Holtermann. – 1865–1871 Heinrich Peter Wilhelm Peters. – 1871–1883 Friedrich Mast. – 1884–1907 Heinrich Karl Adolf Sorger. – 1908–1914 Ludwig Holtermann. – 1914–1939 Karl Schöber.
Dritte Pfarrstelle (Altgeestemünde): 1901–1917 Karl Otto Diedrich Langelotz. – 1918– Wilhelm Konrad Otto Friedhold Koch.
Vierte Pfarrstelle (Marienkirche): 1928– Friedrich Adolf August Spreckelsen.
Angaben nach: Meyer, Pastoren II, S. 491–492
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 2 Nr. 529–547 (Pfarroffizialsachen); A 5 Nr. 947, 949–953 (Spec. Landeskons.); A 6 Nr. 221 (Pfarrbestallungsakten, Alt-Geestemünde); A 6 Nr. 2596–2599 (Pfarrbestallungsakten, Geestendorf).
Kirchenbücher
Taufen: ab 1688 (Lücken: 1689, 1703)
Trauungen: ab 1688 (Lücken: 1689, 1703, 1718, 1727, 1729)
Begräbnisse: ab 1688 (Lücken: 1689, 1703)
Kommunikanten: ab 1723 (Lücken: 1728–1785, 1932–1942; Zahlenregister: 1771–1825, Lücken: 1791–1813)
Konfirmationen: ab 1772 (Lücken: 1774, 1776, 1778, 1783, 1789, 1791, 1793, 1795, 1797, 1799, 1801, 1805, 1808, 1810, 1816, 1818, 1820, 1822, 1826 1831, 1835, 1855–1858)
Literatur
A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 67; Kiecker/Cappelle, KD Kr. Geestemünde, S. 59–63; Schomburg, Ortsverzeichnis des Landes Bremen, S. 19; Weiberg, Niederkirchenwesen, S. 106 f.
B: Georg Behrens: Geschichte der Stadt Geestemünde, Wesermünde 1928.
Fußnoten
- UB Bremerhaven I, Nr. 5.
- UB Bremerhaven I, Nr. 8.
- Hodenberg, Stader Copiar, S. 74.
- Weiberg, Niederkirchenwesen, S. 107.
- Meyer, Pastoren II, S. 491.
- Bei der Wieden/Lokers, Lebensläufe I, S. 243–245; Bickelmann, Bremerhavener Persönlichkeiten, S. 225 f.
- KABl. 1888, S. 93; LkAH, A 5, Nr. 947
- Dazu auch LkAH, A 5, Nr. 949.
- KABl. 1936, S. 124 f.
- KABl. 1948, S. 58.
- Bickelmann, Bremerhavener Persönlichkeiten, S. 370 f.
- KABl. 2017, S. 108 f.
- KABl. 2001, S. 264.
- KABl. 1900, S. 144 f.
- KABl. 1970, S. 5–8.
- KABl. 2001, S. 264.
- KABl. 1927, S. 63.
- KABl. 1955, S. 48.
- KABl. 1960, S. 61.
- KABl. 1959, S. 26.
- KABl. 1970, S. 5–8.
- KABl. 1963, S. 9.
- LkAH, D 63, Gen. Lehe, Rep. A 140.
- KABl. 1934, S. 148.
- KABl. 1936, S. 93 f.
- Siehe: https://glass-portal.homepage.t-online.de/cwhase/g-l/geestemuende_marien.htm, 15.08.2022.