Frühere Gemeinde | KapG der KG Egestorf | Sprengel Hannover, KK Ronnenberg | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte

Urkundlich ist der Ort erstmals im Jahr 1193 belegt, als das wohl kurz zuvor gegründete Kloster Barsinghausen Land in Nigenstide erwarb.1 Als Papst Innozenz III. (amt. 1198–1216) im Jahr 1216 das Kloster und dessen Güter in seinen Schutz nahm, ist auch der Besitz in Nienstede explizit genannt.2 1307 bestand anscheinend ein klösterlicher Wirtschaftshof in Nienstedt, den die Konversen Konrad und Wulmod verwalteten.3 1520 war Nygenstede eine woeste unde ledyge dorpstede, die Johann Hunnemann, amptman to Sturwolden, dem Kloster Barsinghausen übertrug.4 Das Dorf, ursprünglich gelegen im Grenzgebiet zwischen dem Go Gehrden und dem Go auf der Hamel, gehörte territorial wohl seit Ende des 14. Jh. zum welfischen Hzm. Braunschweig-Lüneburg.5 Seit 1432 zählte Nienstedt zum welfischen Teilfsm. Calenberg (1495: Fsm. Calenberg-Göttingen, 1692: Kfsm. Braunschweig-Lüneburg bzw. Kurhannover) und dort zur Großvogtei bzw. zum Amt Calenberg.6 Die niedere Gerichtsbarkeit lag allerdings beim Kloster Barsinghausen (geschlossenes Untergerichts des Klosters Barsinghausen im Amt Calenberg).7 In französischer Zeit gehörte Nienstedt von 1810 bis 1813/14 zum Kgr. Westphalen (Kanton Springe, Distrikt Hannover, Departement der Aller). Danach zählte das Dorf, nun im Kgr. Hannover, zunächst wieder zum Amt Calenberg (bzw. Vereinigtes Klosteramt Barsinghausen-Wennigsen) und ab 1849 zum Amt Lauenau, das 1859 im Amt Springe aufging.8 Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel Nienstedt 1866 an das Kgr. Preußen. Seit Einführung der Kreisverfassung 1885 gehörte der Ort zum Lkr. Springe. 1973 wurde Nienstedt in die Stadt Bad Münder am Deister eingemeindet, die bei Auflösung des Lkr. Springe 1974 zum Lkr. Hameln-Pyrmont kam. Um 1813 lebten etwa 170 Menschen in Nienstedt, 1961 gut 540, 2024 gut 1.000.
Kirchlich gehörte Nienstedt bis Anfang des 21. Jh. zum Kirchspiel Barsinghausen. Es ist unklar, seit wann das Dorf bzw. der Klosterhof eine Kapelle besaß; in den Protokollen der reformatorischen Kirchenvisitation 1542/43 bleibt Nienstedt unerwähnt. Erstmals erwähnt ist die Kapelle im Protokoll der Visitation von 1588: „Zu Goltorn [?] und Nienstedt sind Kapellen ohne Zubehör“.9 Im Jahr 1741/42 erhielt das Dorf ein neues Kapellen- und Schulhaus, in dem auch die Küsterwohnung untergebracht war. Die Bauunterhaltungspflicht lag beim Kloster Barsinghausen bzw. bei der Klosterkammer Hannover. In der ersten Hälfte des 20. Jh. und darüber hinaus war der Nienstedter Lehrer Ludwig Hagedorn gleichzeitig Kirchenmusiker und hielt Lektorengottesdienste in der Kapelle.10 Er war auch für Beerdigungsansprachen zuständig. An regelmäßigen Amtshandlungen hielten die Barsinghäuser Geistlichen im „Frühling u[nd] Herbst je eine Wochen- oder Sonntagnachm[ittag]-Abendmahlsfeier“ (1939).11
Aufgrund des Zuzugs Geflüchteter hatte sich die Größe der Gemeinde von rund 100 Familien im Jahr 1939 auf etwa 200 Familien im Jahr 1947 verdoppelt. Zudem besaß der Ort nun ein „großes Kinderheim mit 50 jungen, religiös aufgeschlossenen Schwestern“.12 Dem Bericht über die Visitation 1947 legte der Calenberger LSup. Theodor Laasch (amt. 1936–1956) ein Schreiben bei, in dem er dem LKA Hannover vorschlug, die KapG Nienstedt in das näher gelegene Eimbeckhausen umzupfarren. Seit Jahren würden „Klagen über die schlechte Versorgung von Nienstedt vorgetragen“ und auf „den meist schlechten Wegen“ sei das Dorf von Barsinghausen aus nur schwer zu erreichen: „So konnte es geschehen, dass im letzten Jahre weder Weihnachten noch Ostern noch Pfingsten dort ein Gottesdienst gehalten wurde“.13 Das Vorhaben wurde jedoch nicht umgesetzt und Nienstedt blieb bei Barsinghausen. Seit Einrichtung der Pfarrbezirke in der KG Barsinghausen gehörte die KapG Nienstedt zum Amtsbezirk West (erste Pfarrstelle).14
Seit Oktober 1951 feierten der Barsinghäuser Pastor alle zwei Wochen einen Predigtgottesdienst in der Kapelle Nienstedt, an den übrigen Sonntagen hielt Lehrer Hagedorn Kindergottesdienste. Überdies fanden jährlich mindestens vier Abendmahlsfeiern statt und im Winter zweiwöchentliche Bibelstunden.15 Die Zahl der Gemeindeglieder lag 1954 bei etwa 1.000, 1960 bei etwa 650.16
1970/71 löste die Klosterkammer Hannover ihre Bauunterhaltungspflicht für dien Nienstedter Kapelle durch eine Einmalzahlung ab.17 Da das Gebäude baufällig war, plante der KapV 1970 einen Neubau, in dem „sowohl Gottesdienste gehalten werden als auch Gemeindeveranstaltungen stattfinden können“.18 Im April 1973 weihte die Gemeinde das neue „Kirchenhaus Nienstedt“ ein. Der Neubau „trug wesentlich zur Intensivierung Nienstedter kirchlicher Arbeit bei“.19 Den Vorsitz im KapV Nienstedt hatte seit 1970 ein Laie inne. 1997 gründete sich der Gesprächskreis Glaube.
Nach einer Stellenkürzung im Pfarramt Barsinghausen übernahm im Jahr 1999 das Pfarramt Egestorf vertretungsweise die Versorgung der KapG Nienstedt, In einer Gemeindeversammlung entschied sich die Kapellengemeinde, zum 1. April 2001 gänzlich von der St.-Marien-KG Barsinghausen in die Christus-KG Egestorf zu wechseln.20 Die Zahl der Gemeindeglieder lag 2015 bei etwa 430. Zum 1. Januar 2024 wurde die KapG Nienstedt aufgehoben; Rechtsnachfolgerin ist die KG Egestorf.21

Umfang

Nienstedt. Zum 15. Februar 1900 Gehöft (Dienstwohnung des Försters) im fiskalischen Gutsbezirk Nienstedter Schutzbezirk in die KapG Nienstedt eingepfarrt.22

Gemeindehausbau

Breiter Rechteckbau mit Satteldach, ausgerichtet nach Südosten, erbaut 1972/73 (Fertigbauweise, Firma Cootrakt, Celle). Giebelflächen mit vertikaler Holzverschalung. Rechteckige Fensterflächen. Im Kirchsaal Flachdecke.

Fenster

Im Kirchsaal fünf figürliche Buntglasfenster mit biblischen Szenen (1998, Entwurf: Kilian Claus, Braunschweig), Speisung der Fünftausend (Joh 6,9–14), Christus und die Samariterin am Brunnen (Joh 4,6–15), Der verlorene Sohn (Lk 15,21), Der gute Hirte (Ps 23; Joh 10,11) und Gleichnis vom Sämann (Lk 8,5–15).

Turm

Freistehender, offener Glockenträger vor der Nordecke des Kirchenhauses, erbaut 1972/73. Stahlgerüst, bekrönt mit Kreuz; Glockenstube mit horizontaler Holzverschalung.

Vorgängerbau

Kapellenraum im Küsterhaus, Rechteckbau, errichtet 1741/42. Walmdach. Bruchsteinsockel, lehmverputztes Eichenfachwerk mit ausgemauerten Gefachen. Der Südseite war ein Turm mit Pyramidendach vorgesetzt. Der Kapellenraum nahm den südlichen Teil des Gebäudes ein, zwei Südfenster, zwei Ostfenster, flache Decke. 1849 Umbau. 1869 Erweiterung der Lehrerwohnung. 1970 Gebäude als „völlig abgängig“ bezeichnet. 1973 abgebrochen. Die Bauunterhaltungspflicht lag bei der Klosterkammer, Baulastverpflichtung 1970/71 durch Einmalzahlung abgelöst.23

Ausstattung

Schlichter Altartisch. – Griechisches Kreuz an Altarwand (Holz). – Leicht erhöhte Kanzel (Holz und Stahl). – Hölzerner Taufständer mit gedrechseltem Schaft. – Gemälde mit Kruzifix (1840, F. von Dachenhausen, Osnabrück), diente in der alten Kapelle als Altarbild.

Orgel

1892 erhielt die Kapelle ein Harmonium.24 1958/59 Orgelneubau, ausgeführt von Emil Hammer (Arnum), 4 I/aP, mechanische Traktur, Schleifladen (Opus 1460).25 1985 Orgel erweitert um Subbass 16’ auf 5 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen, Firma Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen).

Geläut

Eine LG, a’’ (Bronze, Gj. 1688), Inschrift: „Die Dorfschaft Nienstet mich gisen l[iess] A[nn]o 1688“.

Weitere kirchliche Gebäude

Wohnhaus (Bj. 1972/73, ehemals Mitarbeitendenhaus).

Friedhof

Kommunaler Friedhof beim Kirchhaus, seit 1810 Eigentum der politischen Gemeinde26 (mittlerweile in Trägerschaft der Stadt Bad Münder), FKap (Bj. 1978).

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 2653 (Pfarroffizialsachen); E 12 Nr. 378–382 (Kirchenkommissariat Springe); S 11a Nr. 7144 (Findbuch PfA).

Literatur

A: Gemeindebuch KK Ronnenberg, S. 17–18; Jürgens u. a., KD Kr. Springe, S. 158–159; Piper, Glocken und Orgeln, S. 75.

B: Wolfgang W. Ewig: Familienbuch Barsinghausen, Egestorf/Deister und Nienstedt/Deister von 1647–1876, 4 Bde., Barsinghausen 2020; Adolf Wittkop: Nienstedt im Deister. Dörfliches Leben um die Jahrhundertwende und später, Nienstedt 1980, bes. S. 81.


Fußnoten

  1. UB HS Hildesheim I, Nr. 497; UB Barsinghausen, Nr. 1; Cal. UB I, Barsinghausen, Nr. 2. Zum Kloster vgl. Dolle, Klosterbuch I, S. 46 ff. Spieß, Calenberg, S. 68, sieht Nienstedt als eine vom Kloster Barsinghausen „im ausgedehnten Klosterforst“ angelegte Rodungssiedlung.
  2. UB Barsinghausen, Nr. 14; Cal. UB I, Barsinghausen, Nr. 12.
  3. UB Barsinghausen, Nr. 122; Cal. UB I, Barsinghausen, Nr. 105; Dolle, Klosterbuch I, S. 50.
  4. UB Barsinghausen, Nr. 536.
  5. Spieß, Calenberg, S. 68, sowie ebd. Karte um 1300.
  6. Zur Teilung von 1432 vgl. Pischke, Landesteilungen, S. 137 ff.; das 1432 entstandene Fürstentum hatte zunächst keinen Namen und hieß erst später Calenberg.
  7. Spieß, Calenberg, S. 68.
  8. NLA HA Hann. 74 Springe, Bestandsbeschreibung, 08.02.2024.
  9. Kayser, General-Kirchenvisitation II, S. 40.
  10. Wittkop, S. 29; LkAH, L 5a, Nr. 82 (Visitationen 1939, 1947 und 1954).
  11. LkAH, L 5a, Nr. 82 (Visitation 1939).
  12. LkAH, L 5a, Nr. 82 (Visitation 1947).
  13. LkAH, L 5a, Nr. 82 (Visitation 1947).
  14. LkAH, L 5d, unverz, Barsinghausen, Visitation 1960.
  15. LkAH, L 5a, Nr. 82 (Visitation 1954).
  16. LkAH, L 5a, Nr. 82 (Visitation 1954); LkAH, L 5d, unverz, Barsinghausen, Visitation 1960.
  17. Wittkop, S. 81.
  18. LkAH, B 2 G 9, Nr. 2245, Bl. 19 (Schreiben des KapV Nienstedt an das LKA Hannover, 06.03.1970).
  19. Wittkop, S. 81.
  20. KABl. 2001, S. 41; LkAH, L 5d, unverz., Egestorf, Visitation 2002.
  21. KABl. 2024 [in Vorbereitung].
  22. KABl. 1900, S. 7.
  23. Wittkop. S. 81; Jürgens u. a., KD Kr. Springe, S. 158 f.; LkAH, B 2 G 9, Nr. 2245, Bl. 18 (Schreiben des KapV Nienstedt an das LKA Hannover, 06.03.1970).
  24. LKA, G 9 B/Nienstedt Bd. I, Bl 1.
  25. Pape/Schloetmann, Hammer, S. 163.
  26. LkAH, L 5a, Nr. 82 (Visitation 1954).