Frühere Gemeinde | Sprengel Lüneburg, KK Lüneburg | Patrozinium: Johannes der Täufer | KO: Lüneburger KO von 1643

Orts- und Kirchengeschichte

Die an einer Altstraße von Lüneburg nach Dannenberg gelegene Grenzfestung gegen das Wendengebiet war Zentrum der gleichnamigen Go im alten Bardengau. Sie ist alter welfischer Besitz und wird 1162 in einer Urkunde Heinrichs des Löwen mit dem Ministerialen Heinricus de Dalenburch erstmals erwähnt.1 Bei der Teilung des Landes unter dessen Söhne fiel Dahlenburg 1203 an Hzg. Wilhelm von Lüneburg. Otto der Strenge verlieh dem Ort 1289 das Stadtrecht. Die Burg, die zeitweilig Sitz der Lüneburger Hzg. war, wird nach dem 13. Jh. nicht mehr genannt. Die Vogtei ging nach ihrem Untergang wohl auf das Schloss Bleckede über.2 Seit dem 16. Jh. gehörte Dahlenburg zum lüneburgischen Amt Bleckede.

Kirche, Ansicht von Nordosten

Kirche, Ansicht von Nordosten

Die Funktion als herrschaftliches Zentrum wird auch durch die Existenz von zwei mit Parochialrechten ausgestatteten Kirchen deutlich. Die St.-Johannis-Kirche war Pfarrkirche der Fleckensgemeinde, die außerhalb vor dem Lüneburger Tor gelegene Laurentiikirche die ehemalige Burg- bzw. Schlosskirche der Lüneburger Hzg.
Die Erbauungszeit der gotischen Pfarrkirche St. Johannis wird auf das 13. Jh. datiert. Am 22. Februar 1397 wurde sie von Papst Bonifatius IX. dem Michaeliskloster in Lüneburg inkorporiert.3 Als vorref. Geistliche werden genannt: dominus Hartwicus plebanus in Dalenborch (1281 als Zeuge); Johann Hoyer (1350/57)4; Heinrich Vrymann (1396); Johann von Lerte (1403); Johann Lauenrode (1457). Die Reformation wurde 1527 durch Ernst den Bekenner eingeführt. Als erster bekannter luth. P. erscheint Werner Holtmann († 1561) 1534 im Lüneburgischen Pfründenregister.5 Wohl wenig später wurden die beiden Gemeinden zu einer Predigtgemeinde vereinigt, blieben jedoch rechtlich eigenständig. Die GD fanden in der Johanniskirche statt, deren Kapazität wohl um 1540 durch den Einbau einer Prieche an der Nordseite vergrößert wurde. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Anfang des 15. Jh. im gotischen Stil erneuerte Kirche durch kaiserliche und schwedische Söldner mehrfach geplündert, der Turm nach seiner Zerstörung neu errichtet. Bauzustand und gestiegener Raumbedarf führten gegen Ende des 19. Jh. zu langwierigen Verhandlungen über einen Um- oder Neubau. 1903 wurde die alte Kirche weitgehend abgebrochen und durch einen Neubau nach Entwurf des Architekten Wilhelm Matthies (Bardowick) ersetzt (Einweihung 27. August 1905). Aufgrund einer Vorgabe des Provinzialkonservators blieben die südliche Mauer des Schiffs und der Chorraum des Vorgängerbaus erhalten.
Der Feldsteinbau der Laurentiikirche stammt wohl aus dem ersten Drittel des 13. Jh. 1274 überließ Hzg. Johann von Braunschweig der Kirche die Vogtei und den Zehnten von fünf Hufen auf dem dortigen Feld (Ersterwähnung).6 Nach der Aufgabe der Residenz diente sie als Gemeindekirche für die Ortschaften in der Peripherie des Fleckens, nach der Reformation nur noch als FKap. 1352 genehmigte Bf. Daniel von Verden den Abbruch des baufälligen Kirchturms7; die Reste wurden im 19. Jh. beseitigt.8 Unter der französischen Besatzung (um 1803) wurde die Kirche profaniert und als Wachlokal, Magazin, Pferdestall und Schlachthaus genutzt, wobei Altar, Kanzel und Orgel vor Ort verblieben. 1928 wurde die Kirche zum Heimatmuseum umgebaut.9
Die Gemeinde zeichnete sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch durch einen ausgesprochen ländlich-bäuerlichen Charakter, insbesondere in den zahlreichen Außendörfern, aus. Die Zahl der Gemeindeglieder stieg durch den Zugang von Evakuierten und Ostflüchtlingen vorübergehend rund 6.000 an und ging bis 1982 auf etwa 4.000 zurück (2005: etwa 2.900). Zum 1. Januar 2023 fusionierte Dahlenburg mit Nahrendorf zur „Ev.-luth. KG Dahlenburg-Nahrendorf“.

Pfarrstellen

I: Vorref. – II: 1. Januar 197310; 2007 aufgehoben.

Umfang

Dahlenburg sowie die Orte Ahndorf, Am Steckelberg, Bargmoor, Becklingen, Boitze, Buendorf, Dahlem, Dumstorf, Eimstorf, Ellringen, Fladen, Gienau, Groß Sommerbeck, Harmstorf, Horndorf, Klein Sommerbeck, Köstorf, Leestahl, Lemgrabe, Marienau, Neetzendorf, Quickborn, Riecklingen, Seedorf, Siecke und Vindorf. Die ev.-luth. Einwohner von Aljarn wurden zum 1. April 1900 mit den ev.-luth. Einwohner von Bohndorf (KG Altenmedingen) zu einer KapG vereinigt, blieben aber vorläufig Mitglied der Muttergemeinde.11 Mit dem 1. Juli 1909 wurde Aljarn nach Altenmedingen umgepfarrt.12 Zum 1. Januar 1973 wurden die ev.-luth. Einwohner des Ortsteils Sommerbeck der politischen Gemeinde Eimstorf aus der KG Thomasburg in die KG Dahlenburg umgegliedert.13

Aufsichtsbezirk

Archidiakonat Bevensen der Diözese Verden. – Nach der Reformation zur Insp. Lüne, 1810 zur neu errichteten Insp. (1924: KK) Bleckede. KK Bleckede und KK Lüneburg zum 1. Januar 2017 zum neuen KK Lüneburg zusammengelegt.14

Patronat

Papst Bonifatius IX. inkorporierte die Pfarrkirche St. Johannis 1397 dem Michaeliskloster in Lüneburg.15 Nach dessen Aufhebung (1850) ging die Verwaltung des Patronatsrechts auf den Allgemeinen Klosterfonds über und wurde durch das Konsistorium ausgeübt.16

Kirchenbau

Zweischiffige, gotisierende Hallenkirche (1903/05) auf den Fundamenten und mit dem polygonalen Chor des Vorgängerbaus (15. Jh.). Der Innenraum wird von drei unregelmäßigen Jochen mit Kreuzrippengewölbe überspannt. Sakristeianbau an der Südseite. An der Nordseite entstand ein Seitenschiff, dem das von zwei im Türmen flankierte Hauptportal vorgelagert ist. Bei einer grundlegenden Renovierung wurde 1967 in die Nordempore ein zum Schiff hin geschlossener Gemeindesaal eingebaut. Umgestaltung des Eingangsbereichs. 1980/81 Sanierung des Kirchturms.

Fenster

Glasfenster im Chor mit Propheten und Evangelisten von den Gebrüdern Kuball, Hamburg (1905). Pfingstdarstellung im Ostfenster des Gemeindesaals auf der Prieche (1967, gestaltet von Herbert Aulich, Hannover).

Turm

Quadratischer Westturm mit spitzbogigen Doppel-Schallluken und Pyramidenhelm.

Kirche, Blick zum Altar

Kirche, Blick zum Altar

Ausstattung

Altar mit aus Ziegeln gemauertem Stipes und Mensa aus Sandstein. Darauf ein spätgotischer, dreiflügeliger Schnitzaltar aus Eichenholz, Lüneburger Werkstatt (um 1480).17 Dargestellt sind in der Mitte die Kreuzigung (Christus zwischen den Schächern), seitlich in je zwei übereinander angeordneten Nischen vier Heilige (Katharina, Magdalena, Georg und wohl der heilige Laurentius); auf den Flügeln die zwölf Apostel. Der Altar wurde erst in den 1870er Jahren wiederentdeckt, aber zunächst nicht restauriert, sondern abnehmbare Ölbilder mit der Kreuzabnahme, dem Abendmahl und Petrus auf dem Meer davor befestigt. 1905 Restaurierung durch F. Koch. Aus dem gleichen Jahr stammt die Predella mit den vier Kirchenvätern Gregor, Augustinus, Ambrosius und Hieronymus, dazwischen Christus mit der Dornenkrone. Bruchstücke aus der historischen Predella (um 1490) wurden 1880 dem Lüneburger Museumverein übergeben (Inv.-Nr. 2088, im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört).18 Bei Renovierungsarbeiten am Altar wurde 1967/68 eine Reliquienkapsel gefunden und gleichfalls als Leihgabe dem Museum in Lüneburg übergeben.19 – Altarschranke (1616). – Farbige Renaissancekanzel mit Schalldeckel (1604, um 1905 neu gefasst), getragen von einer fast lebensgroßen weiblichen Figur. Am Treppenaufgang Bilder der vier Evangelisten mit ihren Symbolen; an der Kanzelbrüstung fünf Felder mit Szenen aus dem Leben Jesu. – Die weitere Ausstattung stammt überwiegend von 1905, u. a. die Sandsteintaufe.

Orgel

Orgel

Orgel

1567 erwähnt. 1763/64 Neubau durch den Orgelbauer Stein (Lüneburg). 1868 Reparatur durch Morbs (Lüneburg). 1905 Neubau des Werks durch P. Furtwängler & Hammer (Hannover). 1917 Ausbau der Prospektpfeifen. 1923 Einbau neuer Prospektpfeifen aus Aluminium. 1974 Neubau hinter dem barocken Prospekt von 1764 durch Firma Emil Hammer (Arnum), 16 II/P (HW, BW), mechanische Traktur, Schleifladen. 1990 auf 18 Reg. erweitert. Der Prospekt steht unter Denkmalschutz.

Geläut

Drei LG, I: e’ (Gussstahl, Gj. 1952, Bochumer Verein); II: g’ (Gussstahl, Gj. 1952, Bochumer Verein); III: a’ (Bronze, Gj. 1924, Firma Stoermer, Erfurt). – Früherer Bestand: Die Kirche verfügte in früherer Zeit zwei Glocken, eine kleine (um 1200, Gießer unbekannt), in a’, die bis 1905 als SG diente und dann bis zum Ersten Weltkrieg unbenutzt blieb) und eine größere in f’, früher in der St.-Laurentius-Kirche, umgegossen 1820 von Anton Keller (Tostedt). Für den Kirchenneubau goss die Firma J. J. Radler & Söhne (Hildesheim) 1905 zwei weitere Glocken in d’ und a’, die 1917 zu Rüstungszwecken abgeliefert wurden. 1924 wurden bei der Glockengießerei Stoermer (Erfurt) zwei neue Glocken in d’ und a’ in Auftrag gegeben. Die beiden alten Glocken und die große Stoermer-Glocke wurden 1940 für die Altmetallabgabe zerschlagen. Die beiden 1952 gegossenen Gussstahlglocken des Bochumer Vereins wurden am 31. Dezember 1952 eingeweiht.

Weitere kirchliche Gebäude

Ein Pfarrhaus wurde 1771/72 neu errichtet, 1867 verkauft; an seiner Stelle erwarb die KG das 1856 erbaute Haus des Landwirts Röber. Das alte Küsterhaus am Kirchplatz wurde 1906 abgetragen und nach Verkauf in Neetzendorf wieder aufgebaut. Ein neues Küsterhaus in der Johannisstraße wurde 1964 abgebrochen und durch ein Amtsträgerwohnhaus ersetzt (Bj. 1965). Der geplante Bau eines separaten Gemeindehauses wurde zugunsten des Gemeindesaals auf der Nordempore der Kirche aufgegeben (1967).

Friedhof

Beide Kirchen hatten eigene Begräbnisplätze. Auf dem alten Friedhof der Laurentiuskirche fanden in Ausnahmefällen (Erbbegräbnis) noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg Beisetzungen statt. Die Schließung erfolgte zum 31. Dezember 1975. 1881 Neuer Friedhof außerhalb des Fleckens an der Lüneburger Landstraße.20 Eigentum der KG. FKap auf dem neuen Friedhof (Bj. 1880, 1954 Neubau nach Entwurf von Hans Rack, Lüneburg).

Liste der Pastoren (bis 1940)

1534–1561 Werner Holthmann (Holtzmann). – 1562–1573 Magister Theoricus Wemaringius. – 1573–1596 Georg Schilling. – 1596–1612 Gregorius Rudolphi. – 1612–1620 Johann Saling. – 1620–1652 Jacobus Friderici. – 1652–1670 Magister Anton Bauermeister. – 1670–1695 Hermann Steinhof. – 1695–1712 Hieronymus Hinrich Wissing. – 1713–1756 Christian Dietrich Stats Bergmann. – 1757–1762 Just Friedrich Buhmann. – 1762–1803 Carl Gottlieb Francke. – 1803–1830 Johann Dietrich Becker. – 1830–1836 Johann Christian Buckendahl. – 1837–1360 Carl Friedrich Eduard Schmidt. – 1861–1885 Dr. phil. Matthias Hermann Franck. – 1885–1907 Franz August Lucas. – 1907–1937 Georg Wilhelm Theodor Hofmeister. – 1938– Gerhard Friedrich Heinrich Runge.

Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 178

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 1 Nr. 1935–1944 (Pfarroffizialsachen); A 6 Nr. 1569–1577 (Pfarrbestallungsakten); A 9 Nr.  408Digitalisat, 409Digitalisat, 410Digitalisat (Visitationen).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1713
Trauungen: ab 1723
Begräbnisse: ab 1713
Kommunikanten: ab 1855
Konfirmationen: ab 1757 (Lücken: 1763–1830)

Literatur

A: Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 372; Gmelin, Tafelmalerei, Kat.-Nr. 16.

B: Dahlenburg – Geschichte und Geschichten, [Dahlenburg 2001]; Die St. Johanneskirche Dahlenburg 1905–2005. o. O. [2005].


Fußnoten

  1. MGH DD HdL 52 [Digitalisat].
  2. Krieg, Amtsbezirke Fsm. Lüneburg, S. 46 f.
  3. Schwarz, Papsturkunden, Nr. 1205; vgl. auch Lüneburger UB VII, St. Michaelis, Nr. 179 (Papst Bonifatius VIII. zugewiesen und daher mit Datum 1302).
  4. Lüneburger UB VII, St. Michaelis, Nr. 560.
  5. Salfeld, Pfründenregister, S. 99.
  6. Lüneburger UB VII, St. Michaelis, Nr. 107.
  7. UB Verden II, Nr. 698.
  8. Manecke, Beschreibungen I, S. 361.
  9. Jungclaus, Archidiakonat Bevensen, S. 19.
  10. KABl. 1973, S. 12.
  11. KABl. 1900, S. 8.
  12. KABl. 1909, S. 101.
  13. KABl. 1973, S. 6.
  14. KABl. 2016, S. 168 f.
  15. Schwarz, Papsturkunden, Nr. 1205; vgl. auch Lüneburger UB VII, St. Michaelis, Nr. 179 (Papst Bonifatius VIII. zugewiesen und daher mit Datum 1302).
  16. Vierteljährliche Nachrichten 1852, S. 50 f.
  17. Vgl. dazu Meyne, Passionsrelief, S. 25–27.
  18. LkAH, B 2 G 9/Dahlenburg II, Bl. 165 (KV Dahlenburg an LKA, 05.02.1974).
  19. LkAH, B 2 G 9/Dahlenburg II, Bl. 140 (KV Dahlenburg an LKA, 9. Dezember 1971).
  20. LkAH. D 78 Spec. Dahlenburg 591.