Seit 1942 Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig | Patrozinium: Maria | KO: Calenberger KO von 1569
Orts- und Kirchengeschichte
Dorf im Tal der Innerste, an der Grenze des Ambergaus zum Salzgau. Seit 1974 Ortsteil von Baddeckenstedt. – Der Ort wird in einem Lehnsregister des Reichsstifts Gandersheim 1153/78 (Abschrift des 17. Jh.) als Binnern erstmals erwähnt.1 1213 bestätigte Bf. Hartbert von Hildesheim dem Kloster Derneburg den Besitz von zwei Hufen zu Binder.2 Die Gf. von Wohldenberg besaßen dort ein Gut, mit dem sie die niederadelige Familie von Stasvorde belehnten. 1352 verpfändete Dietrich von Stasvorde seinem Onkel Jan von Jerze, Kanonikus in Gandersheim, und dem Stift daselbst den halben Ertrag des Guts. Schon damals war auch die niederadelige Familie von Linde in Binder begütert. Wahrscheinlich erhielt sie auch das Stasvordesche Gut durch Belehnung und vereinigte es mit dem ihrigen. Die Landesherrschaft brachten nach dem Aussterben der Gf. von Wohldenberg (1383) die Bf. von Hildesheim an sich (Amt Wohldenberg). Mit dem Großen Stift kam sie 1523 an Braunschweig-Wolfenbüttel (bis 1643). Als 1553 mit Jobst von Linde der letzte des Geschlechts in der Schlacht bei Sievershausen fiel, verlieh Hzg. Heinrich der Jüngere die heimgefallenen Güter seinem Kanzler Dr. Johann Stopler. Durch das Ableben des letzten Stopler 1816 fiel das Gut an die Klosterkammer, die es im Tauschweg an den Erblandmarschall Gf. zu Münster abtrat (1932 durch die Nachkommen verkauft; jetzt im Besitz der Familie von Alten).3
Anfang des 14. Jh. befand sich im Binder eine nach Holle eingepfarrte Kapelle, die zu Lichtmess 1346 durch Propst, Priorin und Konvent des Klosters Derneburg als Inhaber des Patronats in Holle aus dem Pfarrverband entlassen und dem Ritter Konrad sowie dem Knappen Heinrich von Linde als Pfarrkirche überlassen wurde. Die Kirche von Holle wurde dafür mit drei Morgen Landes entschädigt.4 Die Pfarrstelle wurde 1570 zur Verbesserung des Pfarreinkommens dem Sup. in Baddeckenstedt verliehen. Später war sie Pfarre mater vagans/mater ambulatoria und wurde 1589 bis 1591 von Wartjenstedt, 1591 von Grasdorf, bis 1653 von Groß Elbe, 1653 bis 1661 von Heersum, 1661 bis 1666 von Groß Elbe, 1666 bis 1692 von Baddeckenstedt, 1692 bis 1717 von Sehlde, 1717 bis 1730 von Sottrum (Holle), 1730 bis 1782 wieder von Baddeckenstedt aus versehen. Seit 1782 ist sie bei Wartjenstedt verblieben. In den 1850er Jahren gab es Bemühungen, Binder seinen ambulatorischen Charakter zu nehmen. Die Verhandlungen wurden aber nicht zu Ende geführt. 1878 beantragte der KV von Wartjenstedt erneut die Aufhebung der Verbindung, was durch das Ministerium der geistlichen und Medizinalangelegenheiten gleichfalls abgelehnt wurde.5 Als die KG Binder 1903 zu den Pfarrhausbaulasten herangezogen wurde, kam es erneut zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden KV. Bei der 1904 anstehenden Pfarrerwahl forderte das Konsistorium die Wahl durch beide Gemeinden (Wartjenstedt und Binder). Nach Verweigerung der beiden Gemeinden wurde die Pfarrstelle durch das Konsistorium besetzt. Eine Klage der KG Wartjenstedt, auf Feststellung, dass die beiden Gemeinden selbständig und nicht verbunden sind, wurde vom Landgericht abgewiesen.
Die KG wurde 1942 in die Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig umgegliedert und ist heute Teil des Pfarrverbandes Westerlinde. Mit rund 140 Gemeindegliedern (2013) gehört sie zu den kleinsten Gemeinden der Propstei Salzgitter-Lebenstedt.
Aufsichtsbezirk
Archidiakonat Holle der Diözese Hildesheim. – Ab etwa 1544 zum Bereich der Suptur./Insp. Bockenem6; 1570 Insp. Baddeckenstedt (bis 1642), danach wieder Insp. Bockenem (mit Suptur.-Sitz 1794–1817 in Nette, 1817–1832 in Sehlde). 1834 zur neu errichteten Insp. (1924: KK) Sehlde.7 1. Oktober 1942 aus der hannoverschen in die braunschweigische Landeskirche umgegliedert (Propstei Goslar, später Salzgitter-Lebenstedt).
Patronat
Die von Linde und von Stopler als Eigentümer des Gutes Binder. Das Geschlecht starb 1816 aus, womit das Gut als erledigtes Lehn an den Kg. fiel. Während das Gut mit Rechten und Lasten der Klosterkammer übereignet wurde, ging das Patronatsrecht auf das Konsistorium über. 1818 wurde das Gut an den Gf. Münster zu Derneburg verkauft. Durch Rezess vom 20. März 1818 wurde betreffend des Patronats festgesetzt, „daß dasselbe, so lange die Pfarre zu Binder als mater ambulatoria mit einer anderen nahe gelegenen verbunden bleibe, wie bisher ‚Namens der allergnädigsten Landesherrschaft exercirte, auf den Fall aber, daß der Besitzer des Gutes Binder es dereinst verlangen und den Sitz der Pfarre in Binder selbst zu fixiren beabsichtigen sollte, cum commodo et onere [mit allen Vorrechten und Belastungen] demselben vorbehalten’ werde.“8 Damit wurde dem Gf. Münster als Gutsbesitzer für den das Recht zum Erwerb des Patronats eingeräumt, sofern er die Mittel für die Anstellung eines eigenen Pastors bereitstelle. Dazu ist es nicht gekommen.
Kirchenbau
In Zuständigkeit der Klosterkammer. Die Kirche wurde 1615 auf Veranlassung des Patronatsherrn Wilhelm von Stopler und seiner Frau Margareta von Zarnhausen neu errichtet. Kleiner, rechteckiger Saalbau aus steinsichtigem Bruchsteinmauerwerk mit je zwei bzw. drei gekuppelten Rundbogenfenstern an den Längsseiten. Das Innere wird von einer Balkendecke geschlossen. Die Sakristei ist durch eine hölzerne Scheidewand hinter dem Altar abgetrennt. Orgelempore.
Turm
Viereckiger verschieferter Dachreiter mit ins Achteck überführter Spitze über dem Westgiebel der Kirche. Bekrönung mit Kugel, Kreuz und Wetterfahne.
Ausstattung
Gemauerter Blockaltar. Darauf ein barockes Altarretabel mit Abendmahlsgemälde, gestiftet durch Wulff Friedrich von Stopler (dat. 1648, 1995 durch Silvia Castro restauriert). In der Predella die vier Evangelisten. – Schlichte, farbig gefasste, polygonale Kanzel mit Schalldeckel (17. Jh.) – Taufe auf einem achtseitigen, balusterartigen Schaft und neuerem, hölzernen Deckel. – Epitaph des Wilhelm Johann von Stopler († 1675), mit Porträt und Darstellung der Auferstehung Christi. – Kronleuchter (17. Jh.). – Über dem Eingang die Wappen des Patrons und Erbauers der Kirche Wilhelm von Stopler und seiner Frau Margaretha von Zarnhausen (1615). – Gelbgussleuchter.
Orgel
Um 1750 Neubau, Orgelbauer unbekannt, 6 I/–, mechanische Traktur, Schleifladen. 1854 Instandsetzung durch Heinrich Schaper (Hildesheim) unter Mitarbeit von E. Hildebrand (Lüneburg). 1867 Abbau und Umsetzung nach Feldbergen (heute in Espol) durch Heinrich Schaper (Hildesheim).9 1866 Neubau durch Heinrich Schaper, 4 I/aP, mechanische Traktur, Schleifladen. 1917 Ausbau der Prospektpfeifen durch August Schaper (Hildesheim). 1955 Umbau und Änderung der Disposition durch Hermann Hillebrand (Altwarmbüchen), 6 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen. 1975 Erweiterung zu 7 I/P.
Geläut
Eine LG (Bronze, Gj. 1925, Gebrüder Radler, Hildesheim).
Friedhof
Am Südrand des Dorfes (Oberer Weg). Eigentum der KG. FKap.
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
A 5 Nr. 810–811.
Literatur
A: Günther, Ambergau, S. 435–437; Pape, Schaper, S. 166–169.
B: Wilfried Bartels: 375 Jahre Kirche in Binder, in: Heimatbuch für den Landkreis Wolfenbüttel 37 (1991), S. 151 f.
Fußnoten
- Casemir, Ortsnamen des Lkr. Wolfenbüttel, S. 96.
- UB HS Hildesheim I, Nr. 660.
- Reden-Dohna, Rittersitze, S. 266-270.
- UB HS Hildesheim V, Nr. 197.
- LkAH, A 5, Nr. 810.
- Reller, Kirchenverfassung, S. 111.
- LkAH, A 6, Nr. 7514.
- LkAH, A 5, Nr. 811 (Bericht des Kons. über die Verteilung der Pfarrlasten in Wartjenstedt-Binder, 17.02.1905).
- Pape, Palandt, S. 240.