Frühere Gemeinde | Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hildesheimer Land-Alfeld, Amtsbereich Alfeld | Patrozinium: – | KO: Calenberger KO von 1569
Orts- und Kirchengeschichte
Im Mittelalter bestanden nebeneinander Groß Warzen und Klein Warzen. Die erste schriftliche Erwähnung des Ortes als Wardusheim im Jahr 1079 bezieht sich vermutlich auf Groß Warzen.1 Zu den Landbesitzern des Dorfes zählten u. a. das Hildesheimer Michaelskloster (1079), das Kloster Lamspringe (1183, in villa Wardessem)2 und das Kloster Gandersheim (1291, in villa Werdessen).3 1298 lässt sich erstmals Besitz der Herren von Steinberg in Wedessen nachweisen, die später das ganze Dorf besaßen.4 In der zweiten Hälfte des 14. Jh. nennt eine Urkunde des Klosters Lamspringe erstmals ausdrücklich Groß Warzen (1364, in maiori Wardessen)5, eine weitere Urkunde des Klosters unterscheidet 1415 zwischen Groß Warzen und Klein Warzen.6 Groß Warzen wurde in der Hildesheimer Stiftsfehde (1519–1523) zerstört.7 Als Junkerdorf der Herren von Steinberg auf Wispenstein gehörte Warzen zum Gericht Wispenstein, die Steinberger hatten hier zeitweise sowohl die Nieder- als auch die Kriminalgerichtsbarkeit inne (Patrimonialgericht). Das Gericht Wispenstein lag im Gebiet des Amtes Winzenburg des Hochstifts Hildesheim. Nach Ende der Hildesheimer Stiftsfehde fiel das Amt an das welfische Teilfsm. Braunschweig-Wolfenbüttel; mit der Restitution des Großen Stiftes kehrte das Amt 1643 zurück unter hildesheimische Herrschaft. Nach den Bestimmungen des Reichsdeputationshauptschlusses kam das Gebiet des Hochstifts 1803 an Preußen. In der Zeit des frz. Satellitenkgr. Westphalen zählte Warzen von 1807 bis 1813 zum Kanton Delligsen des Distrikts Einbeck im Leinedepartement. Das Patrimonialgericht Brüggen-Wispenstein wurde Anfang der 1830er Jahre aufgehoben, und Warzen kam zum Amt Bilderlahe im Kgr. Hannover. Dieses Amt ging 1836 im neuen Amt Alfeld auf. Seit der Annexion von 1866 wieder preußisch, kam Warzen 1885 zum neuen Lkr. Alfeld (1977 größtenteils in Lkr. Hildesheim eingegliedert). 1974 wurde Warzen in die Stadt Alfeld eingemeindet. Ähnlich wie das benachbarte Gerzen veränderte sich Warzen in der zweiten Hälfte des 20. Jh. Beide Orte seien nun „wesentlich Wohngemeinden der Alfelder Industrien“ heißt es im Visitationsbericht 1968.8 1810 hatte Warzen knapp 120 Einwohner, 1925 gut 280 und 2017 gut 500.
Die Belege zur mittelalterlichen Kirchengeschichte Warzens beziehen sich auf Groß Warzen; es ist davon auszugehen, dass Klein Warzen zum Kirchspiel Groß Warzen gehörte. Der erste namentlich bekannte Geistliche ist Wolterus de Wardessen plebanus, der in der Zeugenliste einer Urkunde aus dem Jahr 1258 erscheint.9 An weiteren vorref. Geistlichen sind belegt 1352 Johannes Raven10, 1394 Hermannus Permit de Lesse11 und 1427 Arnoldus Bleke, Pfarrer in maiori Wardesen.12 Kirche und Dorf Groß Warzen wurden in der Hildesheimer Stiftsfehde (1519–1523) zerstört. Kirchlich gehörten die (Klein) Warzener seitdem vermutlich zu Gerzen bzw. Föhrste.
Eine erste Einführung der Reformation erlebten die Dörfer des Amtes Winzenburg 1542, nachdem die Truppen des Schmalkaldischen Bundes Hzg. Heinrich den Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel vertrieben hatten. Lgf. Philipp von Hessen und Kfs. Johann Friedrich von Sachsen setzten eine Statthalterregierung ein, die in dem besetzten Fsm. Braunschweig-Wolfenbüttel die Reformation durchsetzen sollte. Johannes Bugenhagen, Martin Görlitz und Antonius Corvinus visitierten im gleichen Jahr die Gemeinden des Fsm., um die einzelnen Pfarrer zu begutachten; 1543 erschien die Christlike kerken-ordening im lande Brunschwig, Wulffenbüttels deles, die Corvinus und Görlitz verfasst hatten; 1544 fand eine weitere Generalvisitation statt.13 Im Abschnitt des Visitationsberichts von 1542 über „Der Jungkern Pfarr und lehn im gericht Wintzenburgk“14 ist Warzen allerdings nicht erwähnt, vermutlich da das Dorf mit Gerzen von Föhrste aus versorgt wurde. Der Föhrster P. Conradus Weitram (amt. 1542–1576) war daher vermutlich auch der erste ev. Geistliche in Warzen. 1547 konnte der kath. Hzg. Heinrich der Jüngere zurückkehren und suchte sein Fsm. zu rekatholisieren. Heinrichs Sohn und Nachfolger Hzg. Julius, der 1568 die Regierung übernahm, führte im gleichen Jahr erneut die luth. Lehre im Fsm. Braunschweig-Wolfenbüttel ein, ließ die Gemeinden wiederum visitieren und erließ 1569 die später sogenannte Calenberger Kirchenordnung.15 Auch in den Visitationsprotokollen von 1568 erscheint Warzen nicht.
1783 erhielt Warzen ein eigenes Schulhaus, 1798 eine kleine Kapelle.16 Als KapG war Warzen Teil der KG Gerzen, die bis in die zweite Hälfte des 20. Jh. pfarramtlich mit Föhrste verbunden blieb. Die um 1901 ins Auge gefasste Verbindung mit der KG Limmer kam nicht zustande.17 Nachdem Gerzen 1960 ein eigenes Pfarramt erhalten hatte, erreichten KapV und KKV zum 1. April 1962 auch die Umwandlung der KapG Warzen in eine Kirchengemeinde. Die neue Gemeinde blieb pfarramtlich mit Gerzen verbunden (mater combinata).18 Das Landeskirchenamt hatte zunächst Bedenken geäußert, da die Gemeinde klein und finanzschwach sei.19 Im Vergleich mit der Pfarrsitzgemeinde Gerzen beklagten die Visitatoren gerade in den Anfangsjahrzehnten der Gemeinde das eher bescheidene kirchliche Leben in Warzen. Im Visitationsbericht 1968 heißt es, ein Gottesdienst hätte einmal „mangels Beteiligung“ abgesetzt werden müssen.20 Im Zuge der Neugestaltung der Kirche erhielt Warzen 1998 einen modernen Flügelaltar des Künstlers Hermann Buß. Zum 1. Januar 2011 fusionierte die KG Warzen mit der zwei Jahre zuvor aus den Gemeinden Gerzen und Hohenbüchen entstandenen KG Am Reuberg, die damit als „Evangelisch-lutherische Michaelis-Kirchengemeinde Am Reuberg in Alfeld (Leine)“ neu begründet wurde.21
Umfang
Das Dorf Warzen.
Aufsichtsbezirk
Mit Gründung der KG 1962 zum KK Alfeld. Seit 1. Januar 2011 KK Hildesheimer Land-Alfeld, Amtsbereich Alfeld.22
Patronat
Als die Erben der Steinberger, die Freiherren von Cramm, 1958 u. a. auf die Patronate in „Garzen, Wehrzen“ [sic] verzichten wollten, teilte das Landeskirchenamt mit, dass die Kirchen „Gehrzen [sic] und Warzen nicht unter Patronat“ stünden.23
Kirchenbau
Kleiner, rechteckiger Fachwerkbau auf Bruchsteinsockel, erbaut 1798. Satteldach, verputzte Gefache, Ziegelbehang an Nordseite, Eingang im Westen, Rechteckfenster. Im Innern flache Decke, Westempore. Innen- und Außensanierung 1969. Innenrenovierung 1998.
Turm
Viereckiger, verschieferter Dachreiter mit Zeltdach über Westfassade. Wetterfahne mit Jahreszahl 1798.
Ausstattung
Flügelaltar (1998, Hermann Buß, Norden), Waldweg im Mittelfeld, Menschengruppen auf Flügelbildern, gefällte Bäume und verrottender Baumstumpf in Predella. – Kanzel (1998).
Orgel
1905/05 Harmonium angeschafft.24 Orgelrevisor empfahl 1968 Kauf eines Positivs mit drei Reg.25 Später Harmonium.
Geläut
Eine LG, dʼʼ, Inschrift: „Zur Ehre Gottes hat mich die Gemeinde Wartzen giessen lassen 1798“, verziert mit Ornamentfriesen (Bronze, Gj. 1798, Heinrich Bock, Einbeck). – Früherer Bestand: Eine LG (Bronze), im Ersten Weltkrieg zu Kriegszwecken abgegeben.26
Friedhof
Eigentum der politischen Gemeinde.
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
D 43 (EphA Alfeld); S 11a Nr. 7690 (Findbuch PfA).
Literatur
A: Graff, Geschichte Kr. Alfeld, S. 329–334; Kiecker/Graff, KD Kr. Alfeld, S. 271–273.
Fußnoten
- UB HS Hildesheim I, Nr. 140.
- UB HS Hildesheim I, Nr. 421.
- UB HS Hildesheim II, Nr. 914.
- Graff, Geschichte Kr. Alfeld, S. 330; UB HS Hildesheim VI, Nr. 1004.
- UB HS Hildesheim V, Nr. 1068.
- NLA HA Hild. Or. 2 Lamspringe Nr. 148, http://www.arcinsys.niedersachsen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1609517.
- Graff, Geschichte Kr. Alfeld, S. 331.
- LkAH, L 5h, unverz., Gerzen, Visitation 1968.
- UB HS Hildesheim II, Nr. 1090.
- UB HS Hildesheim V, Nr. 477.
- RG Online, RG II 03324, http://rg-online.dhi-roma.it/RG/2/3324 (12.01.2018).
- RG Online, RG IV 00588, http://rg-online.dhi-roma.it/RG/4/588 (12.01.2018).
- Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 4 und 22 ff.; Butt, Herrschaft, S. 42 ff.
- Kayser, Kirchenvisitationen, S. 224.
- Sehling, Kirchenordnungen 16. Jh. Bd. 6,1, S. 5 und 83 ff.
- Graff, Geschichte Kr. Alfeld, S. 333.
- LkAH, D 43 Spec.War.100.
- KABl. 1962, S. 27.
- LkAH, B 2 K 1/Alfeld I, Bl. 96 (LKA an KKV Alfeld, 9.10.1961).
- LkAH, L 5h, unverz., Gerzen, Visitation 1968.
- KABl. 2010, S. 185.
- KABl. 2011, S. 70 ff.
- LkAH, B 1 A Nr. 11161, Bl. 59 und 60.
- Graff, Geschichte Kr. Alfeld, S. 333.
- LkAH, L 5h, unverz., Gerzen, Visitation 1968.
- LkAH, L 5h, unverz., Gerzen, Visitation 1968; Graff, Geschichte Kr. Alfeld, S. 333.