Sprengel Ostfriesland-Ems, KK Emden-Leer | Patrozinium: Nikolaus (2004) | KO: Ostfriesische KO von 1716

Orts- und Kirchengeschichte

Leonard Fewen, Rentmeister zu Emden und seit 1665 Besitzer des Gutes Stikelkamp, ließ die Moorsiedlung Stiekelkamperfehn vermutlich in der zweiten Hälfte der 1660er Jahre anlegen.1 Schriftlich lässt sich der Ort erstmals 1734 als Stiekelcamper Vehn belegen.2 Die Siedlung lag im Gebiet des Amtes Stickhausen der Gft. Ostfriesland, die 1744 an das Kgr. Preußen fiel, nachdem die Fürstenfamilie Cirksena in männlicher Linie ausgestorben war. In französischer Zeit zählte Stiekelkamperfehn ab 1807 zum Kgr. Holland und 1810 bis 1813 zum Kaiserreich Frankreich (Département Ems-Oriental, Arrondissement Emden, Kanton Stickhausen). Im Kgr. Hannover gehörte die Ortschaft zunächst wieder zum Amt Stickhausen, ab 1852 dann zum kurzlebigen Amt Remels, das 1859 wieder im Amt Stickhausen aufging. Mit der Annexion des Kgr. Hannover kam Stiekelkamperfehn 1866 erneut unter preußiche Herrschaft. Seit Einführung der Kreisverfassung 1885 gehört der Ort zum Lkr. Leer. 1973 schloss sich Stiekelkamperfehn mit dem benachbarten Neuefehn (gegründet 1660) zur Gemeinde Neukamperfehn zusammen, die seitdem zur Samtgemeinde Hesel gehört. Zur sozialen Struktur der Gemeinde notierte der Ortspfarrer 1951: „Die Mehrzhal sind kleine Kolonisten mit 1–3 ha Landbesitz, die in jungen Jahren zur See fahren oder Binnenschiffer sind; eine andere Arbeitsmöglichkeit ist kaum zu finden“.3 Im Jahr 1821 lebten knapp 400 Menschen in Stiekelkamperfehn, 1905 gut 410, 1946 etwa 580 und 1970 rund 640. Die Bevölkerungszahl Neukamperfehns lag 2018 bei knapp 1.740.

Kirche (rechts) mit Anbau Gemeindehaus (links), Ansicht von Osten, 1974, Grafik, Entwurf Anbau Gemeindehaus

Kirche (rechts) mit Anbau Gemeindehaus (links), Ansicht von Osten, 1974, Grafik, Entwurf Anbau Gemeindehaus

Kirchlich gehörte Stiekelkamperfehn zunächst zur KG Hesel, Neuefehn zur KG Timmel. Im Kontext des Kirchturmneubaus in Hesel im Jahr 1909 kam es zu Unstimmigkeiten, da die Wünsche der Gemeindeglieder in Stiekelkamperfehn hinsichtlich Materiallieferungen und Bauleitung unberücksichtigt blieben.4 Hinzu kam ein deutlicher Anstieg der Ortskirchensteuer, um das Bauvorhaben zu finanzieren. Nach dem Vorbild der 1899 als Tochtergemeinde von Hesel gegründeten KG Firrel betrieben nun auch Stiekelkamperfehn und die 1772 gegründete Moorsiedlung Beningafehn5 die Errichtung einer eigenen Kirchengemeinde. Die Bemühungen waren erfolgreich und zum 1. April 1912 gründeten das Königliche Konsistorium Aurich und die Königliche Regierung die KG Stiekelkamperfehn, zu deren Gebiet auch Neuefehn und Beningafehn gehörten. Die neue Gemeinde blieb als Tochtergemeinde mit Hesel verbunden und erhielt eine Pfarrkollaboratur (Hilfsgeistlichenstelle).6 Erster Inhaber war P. Johann Eden Hickmann (amt. 1912–1914), der jedoch mit Beginn des Ersten Weltkriegs zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Erst mit P. Karl Lambrecht (amt. 1923) bekam Stiekelkamperfehn erneut einen eigenen Geistlichen, der die Stelle jedoch bald wieder verließ. Während der häufigen und langen Vakanzzeiten versorgten die Pfarrer der KG Hesel die Tochtergemeinde mit. Bei der ersten Visitation der KG Stiekelkamperfehn 1951 merkte der Sup. des KK Leer an: „In den 39 Jahren ihres Bestehens ist die Gemeinde 26 Jahre vakant gewesen.“7
Die Gottesdienste feierte die Gemeinde in der Schule von Stiekelkamperfehn, Hochzeiten und Trauungen fanden in der Regel zu Hause statt. Pläne zum Bau einer eigenen Kirche oder Kapelle scheiterten mehrfach, auch wenn ihre Dringlichkeit nicht bezweifelt wurde; 1936 heißt es in einem Schreiben des KKV Leer an das Landeskirchenamt in Hannover, dass in der „aufblühenden Gemeinde“ wenigstens der Bau eines „bescheidenen Gotteshauses für das religiöse und kirchliche Leben […] und somit für das Interesse von Staat und Kirche eine unbedingte Notwendigkeit“ sei.8 Ein passendes Grundstück besaß die Gemeinde bereits; verwirklicht werden konnten die Pläne nicht. Während der NS-Zeit hatte die Gemeinde mit P. Diedrich Heinrich Freese (amt. 1933–1936) kurzzeitig wieder einen eigenen Geistlichen; er stand „den Bestrebungen der Bekenntnisgemeinschaft nahe[…]“, wie der Vakanzvertreter P. Rudolf Menno aus Hesel 1948 im „Fragebogen zur Geschichte der Landeskirche von 1933 bis Kriegsende“ angab. Zum KV merkte er knapp an: 1933 „auf Vorschlag der Partei gewählt, wollte das Beste der Kirche“.9

Kirche (links) mit Anbau Gemeindehaus (rechts), Ansicht von Westen, 1974, Grafik, Entwurf Anbau Gemeindehaus

Kirche (links) mit Anbau Gemeindehaus (rechts), Ansicht von Westen, 1974, Grafik, Entwurf Anbau Gemeindehaus

Anfang der 1950er Jahre gehörten insgesamt 1.720 Gemeindeglieder zur KG Stiekelkamperfehn, 442 in Beningafehn, 635 in Neuefehn und 643 in Stiekelkamperfehn selbst.10 Und im Jahr 1953 konnte die Gemeinde schließlich den Grundstein für ihre Kirche legen, die sie im Dezember 1954 einweihte. Ein Jahr später wandelte das Landeskirchenamt die Pfarrkollaboratur in eine Pfarrstelle um, die der bisherige Hilfsgeistliche P. Eberhard Stickan (amt. 1953–1964) übernahm.11 Der Bau eines Pfarrhauses folgte 1956 und 1974 erhielt die Kirche einen südlichen Gemeindehausanbau. Nach der Visitation im gleichen Jahr zeigte sich der Sup. des KK Leer erfreut über die „lebendige Kinder- und Jugendarbeit“ und wagte, nicht zuletzt auch wegen des neuen Gemeindehauses, einen optimistischen Ausblick: „Es sind so in der Gemeinde viele Voraussetzungen da, die nach menschlichem Ermessen sich für die Zukunft des Gemeindelebens günstig auswirken können“.12 Zwölf Jahre später heißt es im Visitationsbericht, die KG sei „von einer warmherzigen Frömmigkeit geprägt“.13
Stiekelkamperfehn zählte zu den ersten Gemeinden im Sprengel Ostfriesland, in der sich ein Pastorenehepaar die Pfarrstelle teilte: Pn. Dorle Liebermann-Garbers und P. Hans-Peter Garbers (amt. 1985–2018). Seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre bis zum Bau eines kommunalen Kindergartens in Neuefehn in den 1990er Jahren unterhielt die Gemeinde einen ev. Kinderspielkreis. Seit 1998 ist die KG Stiekelkamperfehn Trägerin der ev. öffentlichen Bücherei „Boekenboen“.

Umfang

Gemeinde Neukamperfehn mit den Ortsteilen Stiekelkamperfehn und Neuefehn sowie der Ortsteil Beningafehn der Gemeinde Hesel.

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1912 zur 6. luth. Insp. in Ostfriesland (1924: KK Leer). Seit 1. Januar 2013 KK Emden-Leer.14

Kirchenbau
Kirche (hinten) mit Anbau Gemeindehaus (vorne), Ansicht von Süden, 1974, Grafik, Entwurf Anbau Gemeindehaus

Kirche (hinten) mit Anbau Gemeindehaus (vorne), Ansicht von Süden, 1974, Grafik, Entwurf Anbau Gemeindehaus

Rechteckiger, nach Norden ausgerichteter Backsteinbau, erbaut 1954 (Architekt: Dietrich Müller-Stüler, Leer). Satteldach, Rechteckfenster an den Längsseiten, flachbogiges Portal nach Osten. Im Innern flache Decke; flacher Triumphbogen zwischen Altarraum und Schiff, seit 1999 mit gemalter Inschrift „Christus spricht: Ja, selig sind, die das Wort Gottes hören“; südlicher Teil des Gebäudes mit Eingangsbereich und Konfirmandensaal. Kirche 1974 nach Süden hin um einen Gemeindehausanbau erweitert, dieser 1992 umgestaltet und vergrößert.

Fenster

Buntglasfenster (1996, entworfen von Günter Grohs, Wernigerode).

Turm

Niedriger, querrechteckiger Turm an der Nordostecke. Backsteinmauerwerk; Satteldach bekrönt mit Kreuz; je zwei rechteckige Schallfenster nach Osten und Westen, je eines nach Norden und Süden.

Ausstattung

Schlichter, gemauerter Blockaltar mit hölzerner Mensa. – An der Altarwand Bronzerelief (1983, Siegfried Zimmermann, Hannover), Kreuzigungsszene mit Maria und Johannes. – Niedrige, gemauerte Kanzel. –Taufschale ursprünglich auf runder Sandsteinstele (1967), später Holzständer. – Ehemalige Ausstattung: Schlichtes Eichenkreuz an Altarwand.

Orgel

Instrument erbaut 1958 von Firma Alfred Führer (Wilhelmshaven), 6 I/P, mechanische Traktur, Schleifladen; aufgestellt auf einem Podest rechts vor dem Altarraum.

Geläut

Drei LG, I: c’’, Friedensglocke (Bronze, Gj. 1954, Firma Rincker, Sinn), Inschrift: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten Jes 53,5“; II: es’’, Totenglocke (Bronze, Gj. 1960, Firma Rincker, Sinn), Inschrift: „Selig sind die Toten, die in dem Herren sterben“; III: g’’ (Bronze, Gj. 1833, Hero van Bergen, Stiekelkamperfehn), alte Schulglocke, Inschrift: „Anno 1833 gegossen für die Commune Stiekelkamperfehn durch H. von Bergen als H. I. Pohlmann Ortsvorsteher war. Oberförster B. S. G. Lantzius Beninga. Pastor G. C. H. Hess“.

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1956). – Gemeindehaus, südlich an die Kirche anschließend (Bj. 1974/75, Architekt: Bernd Hillrichs, Loga; 1992 umgestaltet und erweitert).

Friedhof

Kirchlicher Friedhof südlich der Kirche, 1888 angelegt, bis 1919 im Besitz der politischen Gemeinde, dann auf KG übertragen. 1954 erweitert.

Liste der Pastoren (bis 1940)

1912–1914 Johann Eden Hickmann. – 1923 Karl Heinrich Lambrecht. – 1933–1936 Diedrich Heinrich Freese.

Angaben nach: Meyer, Pastoren II, S. 414

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 5 Nr. 566, 570 (Spec. Landeskons.); A 8/Stiekelkamperfehn Nr. 410Digitalisat (CB); A 9 Nr. 7898 (Pfarrbestallungsakten); A 12d Nr. 515, 619, 624/2 (GSuptur. Aurich); D 81 (EphA Leer); L 5i Nr. 77, 276–277, 755 (LSuptur Aurich); S 11a Nr. 7720 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1912
Trauungen: ab 1912 (Lücken: Nov. 1913–Aug. 1925)
Begräbnisse: ab 1912 (Lücken: 1924–Febr. 1925)
Kommunikanten: ab 1912 (Lücken: 1918–1922, 1924, 1925, 1948)
Konfirmationen: ab 1913 (Lücken: 1924)

Früher siehe Hesel und Timmel.

Literatur

A: Meyer, Pastoren II, S. 414; Otte/Rohde, Ostfriesland II, S. 549–550.

B: Stiekelkamperfehn, in: Historische Ortsdatenbank für Ostfriesland, 14.11.2019 [Artikel unfertig]; Paul Weßels: Hesel: „wüste Fläche, dürre Wildnis und magere Heidepflanzen“. Der Weg eines Bauernortes in die Moderne, Weener 1998, bes. S. 97–106, 353–354.


Fußnoten

  1. Weßels, Hesel, S. 101.
  2. Stiekelkamperfehn, S. 1.
  3. LkAH, L 5i, Nr. 77 (Visitation 1951).
  4. Zum Folgenden: Weßels, Hesel, S. 353 f.
  5. Weßels, Hesel, S. 171.
  6. KABl. 1912, S. 22. Die Einwohner von Neuefehn protestierten teilweise gegen ihre Umpfarrung, das Konsitorium blieb jedoch bei seiner Entscheidung, vgl. Weßels, Hesel Weg, S. 354. Mit Verfügung des Landeskirchenamtes vom 11. Mai 1944 erhielt die KG anstatt „Tochtergemeinde“ die Bezeichnung „verbundene Muttergemeinde“, vgl. KABl. 1944, S. 31 f.
  7. LkAH, L 5i, Nr. 77 (Visitation 1951).
  8. LkAH, L 5i, Nr. 755, Schreiben des KKV Leer an das Landeskirchenamt, 03.06.1936.
  9. LkAH, S 1 H III Nr. 1015, Bl. 39. Allgemein zum Fragebogen: Kück, Ausgefüllt, S. 341 ff.
  10. LkAH, L 5i, Nr. 77 (Visitation 1951).
  11. KABl. 1955, S. 98.
  12. LkAH, L 5i, Nr. 276 (Visitation 1974).
  13. LkAH, L 5i, Nr. 277 (Visitation 1986).
  14. KABl. 2013, S. 31.