Frühere Gemeinde | KapG der KG Meckelfeld | Sprengel Lüneburg, KK Hittfeld | KO: Lüneburger KO von 1643

Orts- und Kirchengeschichte

Urkundlich ist Over unterhalb von Wullenborg erstmals im Jahr 1431 belegt.1 Bis hinein ins 18. Jh. war auch die Namensform Papenover gebräuchlich.2 Over zählte zur Gft. Stade, die 1236 als Lehen der Bremer Erzbischöfe teilweise an die Hzg. zu Braunschweig-Lüneburg kam.3 Bei der welfischen Besitzteilung 1267/69 kam diese Region – die späteren Ämter Moisburg und Harburg (zu dem Over gehörte) – zum Teilfsm. Lüneburg. Als teilsouveräne Herrschaft Harburg war das Amt Harburg seit 1527 im Besitz einer welfischen Nebenlinie und fiel 1642 wieder zurück an das Fsm. Lüneburg, das 1705 im Kfsm. Braunschweig-Lüneburg (Kurhannover) aufging. Von 1810 bis 1813 gehörte Over zum Kaiserreich Frankreich (Kanton Hittfeld, Arrondissement Lunebourg, Département des Bouches de l’Elbe). Danach zählte der Ort, nun im Kgr. Hannover, zunächst wieder zum Amt Harburg und war ab 1852 Teil des kurzlebigen Amtes Hittfeld, das 1859 wieder im Amt Harburg aufging. Mit der Annexion des Kgr. Hannover fiel Over 1866 an das Kgr. Preußen. Bei Einführung der Kreisverfassung 1885 kam der Ort zum Lkr. Harburg. Seit 1972 ist Over Teil der neugegründeten Gemeinde Seevetal. Um 1810 lebten gut 415 Menschen in Over und 2022 knapp 1.320.

Over, Kapelle, Außenansicht

Kapelle, Außenansicht, um 1990

Kirchlich gehörten Over und Hagolt bis Mitte des 20. Jh. zur KG Hittfeld, Bullenhausen zur Johannis-KG Harburg.4 Vermutlich um 1690 wurde in Over ein erstes Schulhaus erbaut, in Bullenhausen erst 1785.5 Ab 1892 hielt der Hittfelder P. Gottfried Ernst Hugo Brenning (amt. 1892–1915) im Winter monatliche Gottesdienste in Over.6
Angesichts der nach Ende des Zweiten Weltkriegs stark angestiegenen Zahl der Gemeindeglieder, richtete das LKA Hannover zum 1. April 1948 die KapG Over ein, die auch Bullenhausen umfasste.7 Die neue Kapellengemeinde kam zur gleichzeitig neugegründeten KG Meckelfeld. Kirchliche Gebäude bestanden in den beiden Dörfern seinerzeit nicht, Gottesdienste fanden alle zwei Wochen in den Schulen von Bullenhausen und Over statt. 1950 legte die Gemeinde einen kirchlichen Friedhof in Over an. Zur Finanzierung eines Kapellenbaus erwarben viele Gemeindeglieder eine Grabstelle und am 23. März 1952 weihte die Gemeinde zusammen mit dem Lüneburger LSup. Johann Feltrup (amt. 1936–1954) die Kapelle Over ein. Das schlichte, reetgedeckte Gebäude war angepasst „an die traditionelle Bauweise in den Dörfern“.8 Die Kapelle war das erste kirchliche Gebäude in der KG Meckelfeld. Sie diente von Anfang an nicht allein als Friedhofskapelle, sondern als ‚normales Gotteshaus‘.9
1962 fanden in Over pro Monat durchschnittlich drei Gottesdienste statt.10 Überdies existierte ein Frauenkreis. Etwa bis in die zweite Hälfte der 1960er Jahren bestand in Over eine kirchliche Gemeindeschwesternstation, besetzt mit einer Diakonisse aus dem Amalie-Sieveking-Mutterhaus in Hamburg-Volksdorf; die Station wurde vor 1973 mit der Meckelfelder zusammengelegt.11 In seinem Bericht über die Visitation 1974 formulierte der Sup. des KK Hittfeld, sicher sei ein Raum für Gemeindearbeit in Bullenhausen und Over wünschenswert, aber die finanzielle Lage lasse „solche Wünsche wohl illusorisch werden“.12
In den Unterlagen zur Visitation der KG Meckelfeld im Jahr 1981 ist vermerkt, dass es laut Aussage des KV in Over „nie einen Kapellenvorstand“ gegeben habe.13 Trotz Aufforderung durch das Landeskirchenamt kam es auch in den 1980er Jahren nicht zur Bildung eines KapV; 1987 schrieb der Hittfelder Sup.: „Daß der Gemeindeteil Over den Status einer Kapellengemeinde hat, ist vermutlich jahrzehntelang unbeachtet geblieben und teilweise vergessen worden“.14 Zum 1. Januar 1990 hob das LKA Hannover die KapG Over auf; Rechtsnachfolgerin ist die KG Meckelfeld.15

Umfang

Over sowie Bullenhausen und Hagolt.

Kapellenbau

Schlichter Rechteckbau mit segmentbogiger Apsis, ausgerichtet nach Nordnordosten, erbaut 1951/52 (Architekt: Kirchenbaurat Reinhard Vogt, Hamburg). Scheunenbinderkonstruktion. Reetgedecktes Satteldach. Ziegelmauerwerk. An den Längsseiten und an der Apsis segmentbogige Sprossenfenster; an der südsüdwestlichen Giebelseite Segmentbogenportal, darüber Kreisfenster. Im Innern sichtbare Dachbinder, trapezförmige Holzdecke; Segmentbogen zwischen Apsis und Schiff. 2001/02 Renovierung. April 2003 Kapelle durch Feuer beschädigt (Brandstiftung); nach Wiederaufbau Einweihung an Erntedank 2003. September 2009 Kapelle durch Feuer beschädigt (Brandstiftung), im November bei erneutem Feuer weitgehend ausgebrannt (Brandstiftung). Nach Wiederaufbau Einweihung an Erntedank 2010.

Fenster

Zehn Fenster mit Glasmalereien (2005, Thomas Kuzio, Sommersdorf), bei Brand 2009 gerettet.

Turm

Über dem Südsüdwestgiebel vierseitiger verschieferter Dachreiter mit vierseitigem Helm, bekrönt mit Kugel, Wetterfahne und Kreuz. An jeder Seite schmale, querrechteckige Schallfenster.

Ausstattung

Schlichter Altar, Stipes aus Ziegeln, Mensa aus Holz. – Leicht erhöhte Kanzel mit halbrunder Wandung aus Ziegelmauerwerk. – Achtseitige, stelenartige Holztaufe.

Orgel

Orgelpositiv, erbaut 1958 von Alfred Führer (Wilhelmshaven), 3 I/aP, mechanische Traktur, Schleifladen; Instrument aufgestellt links vor der Apsis.

Geläut

Eine LG, a’’ (Bronze, Gj. 1981, Johannes Mark, Brockscheid), Inschrift: „Der Tod ist das Tor zum Leben“ und „Ave Maria. Eifeler Glockengießerei Mark Brockscheid 1981“, Bilder: Kruzifix, Marienbild. – Früherer Bestand: 1962 hing im Dachstuhl der Kirche eine LG, b’.16 1974 hing im Dachreiter der Kapelle eine LG, gis’’ (Bronze, Gj. 1768, Johann George Krieger, Breslau), die Eigentum von Carl-Gustav von Wittenburg (Stutensee-Spöck) war, der sie 1980/81 an Johannes Mark (Brockscheid) verkaufte.

Friedhof

Kirchlicher Friedhof, angelegt 1950.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

B 2 G 9 Nr. 3440 (Bauwesen und Baupflege).

Literatur

A: 50 Jahre Seevetal, S. 354–355; Manecke, Beschreibungen I, S. 225.

B: Hartmut Blecken et al.: Over und Bullenhausen. Dörfer am Deich (= Schriften des Freilichtmuseums am Kiekeberg 93), Ehestorf 2017, bes. S. 256–268.


Fußnoten

  1. NLA HA Cop. in Nr. 19/026; Blecken, S. 50.
  2. Blecken, S. 18.
  3. Krieg, Amtsbezirke Fsm. Lüneburg, S. 39 ff.
  4. Zur Kirchengeschichte der beiden Dörfer: Blecken, S. 257 ff.
  5. Zur Schulgeschichte der beiden Dörfer: Blecken, S. 276 ff.
  6. Blecken, S. 261.
  7. KABl. 1948, S. 7.
  8. Blecken, S. 267.
  9. Blecken, S. 268.
  10. LkAH, L 5e, unverz., Meckelfeld, Visitation 1962.
  11. LkAH, L 5e, unverz., Meckelfeld, Visitation 1962 und 1974.
  12. LkAH, L 5e, unverz., Meckelfeld, Visitation 1974.
  13. LkAH, L 5e, unverz., Meckelfeld, Visitation 1981.
  14. LkAH, L 5e, unverz., Meckelfeld, Visitation 1987.
  15. KABl. 1990, S. 100.
  16. LKA, G 9 B/Over, Bl. 24.