Sprengel Ostfriesland-Ems, KK Aurich | Patrozinium: Auferstehung (seit 1995)1 | KO: Ostfriesische KO von 1716

Orts- und Kirchengeschichte

Die langgestreckte Reihensiedlung entlang des Großefehnkanals ist erstmals 1806 als Ostende Großefehns erwähnt. Die Besiedlung Großefehns hatte 1633 begonnen, im Bereich des heutigen Ostgroßefehns ließen sich die ersten Siedlerfamilien in den 1780er Jahren nieder. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. lassen sich die drei Namen Westgroßefehn, Mittegroßefehn und Ostgroßefehn.2 Großefehn gehörte zum Amt Aurich in der Gft. Ostfriesland, die seit 1744 Teil des Kgr. Preußen war. In den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jh. erlebte Ostfriesland mehrere Herrschaftswechsel: Ab 1807 zählte Großefehn zum Kgr. Holland, ab 1810 zum Kaiserreich Frankreich (Département Ems-Oriental, Arrondissement Aurich, Kanton Timmel), ab 1813 wieder zum Kgr. Preußen und ab 1815 zum Kgr. Hannover. Mit der Annexion Hannovers 1866 kehrte Ostfriesland erneut zurück unter preußische Herrschaft. Bei Einführung der Kreisverfassung 1885 kam Ostgroßefehn zum Kr. Aurich. 1972 wurde Ostgroßefehn in die neue Gemeinde Großefehn eingemeindet. Von 1900 bis 1969 besaß Ostgroßefehn einen Bahnhof (Kleinbahn „Jan Klein“, Leer–Aurich–Wittmund). Zur Sozialstruktur der KG Ostgroßefehn schrieb der Ortspastor 1946, sie setze sich „hauptsächlich aus Schiffern, Arbeitern und kleinen Landwirten“ zusammen.3 Im Jahr 1821 lebten insgesamt 715 Menschen in Ostgroßefehn, 1905 fast 2.120, 1939 etwa 2.055, 1946 gut 2.505 und 2014 rund 3.645.

Kirche, Außenansicht, um 1900

Kirche, Außenansicht, um 1900

Kirchlich gehörten die Moorsiedlerfamilien im Gebiet des heutigen Ostgroßefehn zunächst zum Kirchspiel Aurich Oldendorf. Im Bereich Ostgroßefehns wurden im 19. Jh. insgesamt drei Schulen und Schulgemeinden eingerichtet: Großefehn III (um 1801, 1886 mit Großefehn II vereinigt), Großefehn IV (um 1810) und Großefehn V (1853).4 Die sonntäglichen Gottesdienste für die Schulgemeinde Großefehn V fanden in der Schule statt; dafür wurde die hölzerne Trennwand zwischen den beiden Klassenzimmern entfernt.5 Im Jahr 1867 richtete das Konsistorium Aurich eine Hilfspredigerstelle für die Schulgemeinde V ein, die dem Pfarramt Aurich-Oldendorf zugeordnet war.6 Ein Pfarrhaus wurde 1881 errichtet. Am 11. Dezember 1889 unterzeichneten Konsistorium und Regierung die Errichtungsurkunde für die neue Kirchengemeinde Ostgroßefehn; sie trat mit ihrer Veröffentlichung am 4. Januar 1890 in Kraft.7 Das Gebiet der neuen Gemeinde umfasste die Schulgemeinde Großefehn V. Gleichzeitig versorgte das Pfarramt auch die Moorsiedlung Wilhelmsfehn I, die formell jedoch erst 1919 eingepfarrt wurde.8
Erster Pfarrer der KG Großefehn war P. Siegmund Bode (amt. 1890–1892). Zum Sonntagsgottesdienst versammelte sich die Gemeinde weiterhin im Schulgebäude. Nach der Grundsteinlegung am Reformationstag 1894 (31. Oktober) konnte die Gemeinde Großefehn zusammen mit P. Bernhard Leemhuis (amt. 1892–1896) schließlich am vierten Advent 1895 (22. Dezember) ihre neue Kirche einweihen. Im Jahre 1898 zählte Ostgroßefehn etwa 950 Gemeindeglieder. In die Amtszeit von P. Paul Riechelmann (amt. 1897–1911) fiel 1907 die Gründung des Posaunen- und des Kirchenchors.9 P. Godlib Riese (amt. 1911–1931) veranstaltete 1912 erstmals ein Missionsfest in Ostgroßefehn.10 Seit 1926 besteht eine Neuapostolische Gemeinde in Ostgroßefehn, die 1929 eine eigene Kapelle einweihte.
Während der NS-Zeit hatten nacheinander P. Siegmund Schomerus (amt. 1931–1937) und P. Johannes Mindermann (amt. 1938–1969) das ev.-luth. Pfarramt Ostgroßefehn inne. Im „Fragebogen zur Geschichte der Landeskirche von 1933 bis Kriegsende“ gab P. Mindermann rückblickend an, P. Schomerus sei kirchenpolitisch „anfänglich kurz D. C.“ gewesen und habe sich dann der Hannoverschen Bekenntnisgemeinschaft angeschlossen, der auch er selbst angehört habe.11 Bei der Neuwahl des KV im Jahr 1933 stimmte die Gemeinde dem (einzigen) Wahlvorschlag der „Deutschen Christen“ zu.12 P. Mindermann schrieb über den neuen KV knapp: „Nach weltlichen Prinzipien gewählt bewährte er sich nicht so wie der frühere.“13

Kirche, Blick zum Altar, 1989

Kirche, Blick zum Altar, 1989

Aufgrund des Zuzugs Geflüchteter nach Ende des Zweiten Weltkriegs stieg die Zahl der Gemeindeglieder in der KG Ostgroßefehn von etwa 1.600 im Jahr 1939 auf gut 1.940 im Jahr 1946 an.14 1946 richtete die KG Großefehn eine Gemeindeschwesternstation ein, die 1979 in der Sozialstation Wiesmoor-Großefehn aufging.15 In seinem Bescheid zur Visitation 1946 charakterisierte der Auricher LSup. Carl Theodor Elster (amt. 1936–1947) die KG Ostgroßefehn als „eine seit jeher geistig und geistlich rege Kirchengemeinde“.16 Seinerzeit bildete die Landeskirchliche Gemeinschaft, der auch P. Mindermann nahestand, eine einflussreiche Gruppe innerhalb der Gemeinde.17 Nach Einschätzung des Auricher Sup. teilte sich die KG Ostgroßefehn Anfang der 1960er Jahre „in Kreise, die sich zur Gemeinschaft halten, und solche, die sich nicht dorthin halten, aber kirchlich gesonnen sind, und Kirchenentfremdete“.18 Anfang der 1980er Jahre bestanden drei Hauskreise in der Gemeinde; sie bildeten neben den kirchenmusikalischen Kreisen „die Hauptstütze der kirchengemeindlichen Arbeit“.19
Im Rahmen der Partnerschaft zwischen der hannoverschen und der sächsischen Landeskirche knüpfte die KG Ostgroßefehn Kontakte zur Kirchgemeinde Grüna (westlich von Chemnitz).20 Anlässlich der 100-Jahrfeier ihrer Einweihung erhielt die Kirche Ostgroßefehn im Dezember 1995 den Namen „Auferstehungskirche“.21 Dementsprechend heißt die Gemeinde seither „Ev.-luth. Auferstehungs-KG Ostgroßefehn“ – ein „logisches Ergebnis einer christozentrischen Predigt der letzten Jahrzehnte“, wie der Auricher Sup. formulierte.22

Umfang

Der östliche Teil von Ostgroßefehn. Seit 1919 auch Wilhelmsfehn I (vorher versorgt von Ostgroßefehn).23 1953 Grundstücke am Neuen Weg südlich der Freilichtbühnenstraße umgepfarrt in KG Wiesmoor (Parkweg).24

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1890 zur 9. luth. Insp. in Ostfriesland.25 Insp. nach 1924 umbenannt in KK Großefehn (Sitz der Suptur. in Aurich-Oldendorf). Mit Aufhebung des KK Großefehn zum 1. Januar 1974 umgegliedert in den KK Aurich.26

Kirchenbau
Kirche, Blick zum Altar, um 1900

Kirche, Blick zum Altar, um 1900

Neugotischer Rechteckbau mit polygonalem Chor im Nordosten, Vorbau im Südwesten und Sakristeianbau an Nordwestseite des Chors, erbaut 1894/95 (Architekt: Friedrich Wilhelm Karl Jacob, Hannover).27 Satteldächer über Schiff und Vorbau, Chordach nach Nordosten abgewalmt. Ziegelmauerwerk, getreppte Strebepfeiler, Trauffries; Südwestgiebel verziert mit Blendnischen. An den Längsseiten je fünf Spitzbogenfenster; am Chor drei Spitzbogenfenster. Am Vorbau Nische mit Dreipassbogen und zwei segmentbogigen Türen; Nebeneingang im Südosten. Im Innern flache, holzverschalte Decke im Schiff, Kreuzrippengewölbe im Chor; spitzer Triumphbogen zwischen Chor und Schiff, daran Inschrift: „Herr, ich habe lieb die Stätte Deines Hauses und den Ort, da Deine Ehre wohnet. Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege“; hölzerne Westempore. 1959 Westfenster vermauert. 1967 Reparatur Kirchendach. 1976 Renovierung. 1988 Mauerwerk ausgebessert.

Fenster

Im Chor ein figürliches und zwei ornamental gestaltete Buntglasfenster (um 1895, Henning & Andres, Hannover), das figürliche Fenster zeigt die Auferstehung Christi.

Turm

Über dem Südwestgiebel verschieferter, vierseitiger Dachreiter mit vierseitigem Pyramidenhelm, bekrönt mit Kugel und Schwan. An jeder Seite ein hochrechteckiges Schallfenster mit horizontalen Lamellen.

Ausstattung

Holzverkleideter Blockaltar mit neugotisch gestaltetem Holzretabel (1895, Friedrich Wilhelm Karl Jacob, Hannover), hohes Kruzifix, Kreuzarme abgestützt und mit Fialen bekrönt; unterhalb des Kreuzes vier Nischen, in den Bildfeldern Symbole der vier Evangelisten; seitlich je ein Türmchen mit Fiale. – Hohe Holzkanzel mit Schalldeckel (1895, Friedrich Wilhelm Karl Jacob, Hannover), an den Wandungen des polygonalen Kanzelkorbs Nischen mit Dreipassbögen und Vorhangmalerei; Kanzelkorb auf einer Säule. – Dreibeiniger, hölzerner Taufständer (erste Hälfte 19. Jh.), farbig gefasst; Becken eiförmig und kanneliert; postamentartige Beine mit Löwentatzen; geschwungener Deckel bekrönt mit Flamme; Taufschale gestiftet 1876 von der Familie Fisser.28

Kirche, Blick in den Chorraum, 1989

Kirche, Blick in den Chorraum, 1989

Orgel

1895 Orgelneubau, ausgeführt von P. Furtwängler & Hammer (Hannover), 13 II/P, mechanische und pneumatische Traktur, Kegelladen (Opus 334); Pedal teilweise pneumatisch.29 1954 Instandsetzung, Rudolf Haupt (Osnabrück). 1976 Reparatur, Alfred Führer (Wilhelmshaven). 1980 Restaurierung, Martin Haspelmath (Walsrode), 13 II/P, mechanische und pneumatische Traktur, Kegelladen. 1997 Instandsetzung, Martin Haspelmath (Walsrode).

Geläut

Eine LG, h’ (Bronze, Gj. 1903, Andreas Hamm Sohn, Frankenthal), Inschriften: „Andreas Hamm Sohn in Frankenthal Rheinpfalz goss mich“, „Ehre sei Gott in der Hoehe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“ und „Eine Liebesgabe der Gemeinde 1903“. – Eine LG (Bronze), 1903 durch jetzige LG ersetzt und wohl an Schule Wilhelmsfehn I abgegeben.30

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1881). – Gemeindehaus (Bj. 1967).

Friedhof

Kirchlicher Friedhof gut 350 Meter westsüdwestlich der Kirche, angelegt 1865, FKap (Bj. 1984); Friedhof ist Eigentum der Kirchengemeinde. Kommunaler Friedhof Hauptwieke in Wilhelmsfehn I (Stadt Wiesmoor), angelegt 1920, bis 1975 kirchlich, dann in kommunale Verwaltung übergeben, FKap.31

Liste der Pastoren (bis 1940)

1890–1892 Siegmund Eckhard Bode. – 1892–1896 Bernhard Okko Leemhuis. – 1897–1911 Paul Georg Franz Riechelmann. – 1911–1931 Godlib Raginhard Friedrich Liudger Riese. – 1931–1937 Siegmund Alwin Christian Schomerus. – 1938–1969 Johannes Heinrich Mindermann.

Angaben nach: Meyer, Pastoren II, S. 256

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 5 Nr. 300 (Spec. Landeskons.); A 6 Nr. 6519–6520 (Pfarrbestallungsakten); A 12d Nr. 89/2, 175, 458Digitalisat (GSuptur. Aurich); D 80 (EphA Aurich); L 5i Nr. 107, 135, 256 (LSuptur. Aurich); S 09 rep Nr. 1898 (Presseausschnittsammlung); S 11a Nr. 7829 (Findbuch PfA).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1890
Trauungen: ab 1890
Begräbnisse: ab 1890
Kommunikanten: ab 1890
Konfirmationen: ab 1890
Früher siehe Aurich-Oldendorf.

Literatur & Links

A: Meyer, Pastoren II, S. 246; Otte/Rohde, Ostfriesland II, S. 487–488; Pape, Haspelmath, S. 156; Rauchheld, Glockenkunde, S. 72; Schoolmann, Kirchen, S. 110–112.
B: Chronik der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Ostgrossefehn. Jubiläumsschrift, hrsg. vom Kirchenvorstand der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Ostgrossefehn, Wiesmoor 1989; Heinrich Tebbenhoff: Großefehn. Seine Geschichte, Ostgroßefehn 1963.
Internet: Historische Ortsdatenbank für Ostfriesland (https://bibliothek.ostfriesischelandschaft.de/hoo/): Ortsartikel Ostgroßefehn (.pdf).

GND

2117890-2, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde (Ostgroßefehn)


Fußnoten

  1. LKA, G 8/Ostgroßefehn Bd. I, Bl. 69.
  2. Tebbenhoff, S. 8 ff. HOO, Artikel Mittegroßefehn, Ostgroßefehn und Westgroßefehn.
  3. LkAH, L 5i, Nr. 107 (Visitation 1946).
  4. Tebbenhoff, S. 104 f.
  5. Tebbenhoff, S. 112; Schoolmann, Kirchen, S. 110.
  6. Chronik, S. 12; LkAH, A 6, Nr. 350b. Die Namen der Hilfsprediger waren: Warns, J. Fischer, Oepke, Wellner, Janßen, Hibben, Happach und Börner, vgl. Chronik, S. 12.
  7. KABl. 1890, S. 7.
  8. KABl. 1919, S. 35.
  9. Chronik, S. 54 f.
  10. Chronik, S. 70.
  11. LkAH, S 1 H III, Nr. 1014, Bl. 3. Allgemein zum Fragebogen vgl. Kück, ausgefüllt, S. 341 ff.
  12. Chronik, S. 34.
  13. LkAH, S 1 H III, Nr. 1014, Bl. 3.
  14. LkAH, S 1 H III, Nr. 1014, Bl. 3; LkAH, L 5i, Nr. 107 (Visitation 1946).
  15. Chronik, S. 52 und S. 75.
  16. LkAH, L 5i, Nr. 107 (Visitation 1946).
  17. LkAH, L 5i, Nr. 107 (Visitationen 1946 und 1953). P. Mindermann notierte 1953: „Die landeskirchliche Gemeinschaft hat etwa 4/5 ihrer Mitglieder in Spetzerfehn und 1/5 in Ostgrossefehn.“ (ebd.). Unweit der Auferstehungskirche Ostgroßefehn liegt das Gemeindezentrum der Evangelischen Gemeinschaft Spetzerfehn e. V. (Bj. 1973/74).
  18. LkAH, L 5i, Nr. 256 (Visitation 1961).
  19. LkAH, L 5i, Nr. 256 (Visitation 1980). Vgl. auch ebd. Visitationen 1974 und 1986.
  20. LkAH, L 5i, Nr. 256 (Visitation 1992). Allgemein: Cordes, Gemeindepartnerschaften, S. 38 ff.
  21. LKA, G 8/Ostgroßefehn Bd. I, Bl. 69.
  22. LkAH, L 5i, Nr. 256 (Visitation 1992).
  23. KABl. 1919, S. 35.
  24. KABl. 1953, S. 9; Chronik, S. 73.
  25. KABl. 1890, S. 7.
  26. KABl. 1974, S. 34.
  27. Friedrich Wilhelm Karl Jacob entwarf auch die Innenausstattung (Altar, Kanzel, Gestühl, Radleuchter, Orgelprospekt), vgl. Chronik, S. 45 und S. 69.
  28. Chronik, S. 47.
  29. Pape/Schloetmann, Hammer, S. 104.
  30. Chronik, S. 70.
  31. Chronik, S. 50.