Sprengel Osnabrück, KK Osnabrück | Patrozinium: Matthäus | KO: Osnabrücker KO von 1652

Orts- und Kirchengeschichte

Die städtische Entwicklung in Osnabrück-Sonnenhügel, dem Gebiet nördlich des Gertrudenbergs, setzte in den Jahren der Weimarer Republik ein. In der zweiten Hälfte des 20. Jh. lagen in Sonnenhügel, genauso wie im benachbarten Dodesheide, große Wohngebiete für Angehörige der britischen Osnabrück Garrison (Abzug 2009). Mitte der 1960er Jahre bestand die Bevölkerung nach Einschätzung der Ortspfarrer überwiegend aus „Facharbeitern in gesicherten Stellungen, mittleren Angestellten und Beamten, sowie einer zahlenmäßig kleineren Schicht von ungelernten Arbeitern und Angestellten“, hinzu kamen einige Akademiker und Selbständige.1 Im Jahr 1961 lebten gut 12.400 Menschen in Osnabrück-Sonnenhügel, 2016 noch etwa 8.900.
Kirchlich zählte die ev. Bevölkerung des Stadtteils zur Gemeinde St. Marien und seit 1952 teilweise zur Paul-Gerhardt-Gemeinde. Für die kath. Gemeinde war die Dompfarre zuständig, für die ref. die Bergkirche. Seit den 1950er Jahren bauten die Gemeinden eigene Kirchen und verselbständigten sich: Die kath. Heilig-Geist-Kirche wurde 1955 geweiht (eigene Pfarre 1961), die ref. Erlöserkirche 1966 (entwidmet 2008, als Kirche Mutter Gottes Maria seit 2010 von der Gemeinde der gr.-orth. Kirche von Antiochien genutzt).2

Kirche, Außenansicht

Kirche, Außenansicht

Die ev. Gemeinde feierte ihre ersten Gottesdienste um 1950 in der Gaststätte „Goldeck“, seit 1954 im ev. Kindergarten der Paul-Gerhardt-Gemeinde (Am Vogelsang).3 Seit 1955 predigten die Pfarrer der Mariengemeinde parallel dazu in der Aula des Kinderheims Renthe-Fink-Haus. Ab 1957 versammelte sich die Gemeinde dann in der neuen Albert-Schweitzer-Schule; fortan teilten sich die Pfarrer der Mariengemeinde, der Paul-Gerhardt-Gemeinde und der ref. Bergkirche den Predigtdienst. Das Baugrundstück für die neue Matthäuskirche war ein Geschenk von Caroline Ebeling, die Baupläne hatte noch der KV der Mariengemeinde beschlossen. Kurz nach der Grundsteinlegung (20. September 1959) gründete sich dann zum 1. Oktober 1959 die „Ev.-luth. Matthäus-Kirchengemeinde in Osnabrück“; sie umfasste Gebiete der Mariengemeinde (südlich der Lerchenstraße und westlich des Haster Wegs) und der Paul-Gerhardt-Gemeinde (Sonnenhügel, Dodesheide) und übernahm die gerade eingerichtete sechste Pfarrstelle von St. Marien.4 Als erster Gemeindepfarrer betreute P. Peter Rassow (amt. 1959-1964) die neue KG. Gut ein Jahr nach der Gemeindegründung weihte Lbf. Hanns Lilje am 30. Oktober 1960 die Matthäuskirche ein. Zum Gemeindegebiet gehörte auch der 1954 eröffnete Kindergarten Am Vogelsang, den nun die Matthäusgemeinde unterhielt, der jedoch noch bis Anfang der 1980er im Eigentum der Paul-Gerhardt-Gemeinde blieb.5
Nach der ersten Visitation der Matthäusgemeinde nannte der LSup. Kurt Degener sie 1965 „wohl eine der wichtigsten lutherischen Gemeinden der Stadt, insofern sie sich vorwiegend aus jungen Familien mit Kindern zusammensetzt und schnell und immer weiter wächst“.6 Die Zahl ihrer Gemeindeglieder lag seinerzeit bei etwa 6.000 und ihre Aufspaltung in zwei Gemeinden war bereits seit ihrer Gründung eingeplant. In der Festschrift zur Einweihung der Matthäuskirche heißt es über die Dodesheide, den östlichen Teil des Gemeindegebiets: „jeder, der auch nur einen flüchtigen Eindruck von diesem neuen Stadtteil Osnabrücks bekommen hat, wird die Notwendigkeit einsehen, hier so bald wie möglich ein eigenes Gemeindezentrum zu errichten“.7 Für die Dodesheide erhielt die KG 1961 eine zweite Pfarrstelle und 1965 konnte das Gemeindezentrum eingeweiht werden.8 Zum 1. Januar 1966 löste sich der zweite Pfarrbezirk von der Matthäusgemeinde und machte sich als „Ev.-luth. Thomas-Kirchengemeinde in Osnabrück“ selbständig.9

Kirche, Blick zum Altar

Kirche, Blick zum Altar

In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre feierten P. Hans-Neithardt Hansch (amt. 1966–1980, bereits ab 1964 als Hilfsprediger) und die Matthäusgemeinde mitunter „Gottesdienste in moderner Form“, die besonders junge Gottesdienstbesucher ansprechen sollten („Rhythmusband“, dialogische Predigten).10 In den 1980er Jahren mündeten die ökumenischen Aktivitäten der Gemeinde in den Ökumenischen Arbeitskreis, dem die beiden kath. KG Franziskus und Heilig-Geist angehörten, die ref. Erlösergemeinde und die beiden ev.-luth. KG Thomas und Matthäus. Ein Feuer zerstörte 1989 große Teile des Archivs der Matthäusgemeinde (Brandstiftung).
Anfang der 1990er Jahre erweiterten die Matthäusgemeinde und die Gedächtniskirchengemeinde in Leipzig-Schönefeld ihre langjährige Partnerschaft (an der auch die Osnabrücker Thomasgemeinde mitwirkte) um die KG Limbazi in Lettland. In der Jugendarbeit kooperieren die Matthäus- und die Thomasgemeinde seit 2001 („MT-F: Matthäus, Thomas and Friends“). Zur ideellen und finanziellen Unterstützung der Gemeinde gründete sich im April 2002 der „Förderverein Kirchengemeinde Matthäus e. V.“. Die KG erhielt 2016 das Siegel „Faire Gemeinde“ (verliehen vom Ausschuss für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung im KK Osnabrück in Zusammenarbeit mit der Süd Nord Beratung des „Vereins zur Förderung entwicklungspolitischer Bildungsarbeit e. V.“).
Gemeinsam mit der Thomasgemeinde gründete die Matthäusgemeinde zum 1. Januar 2024 die „Ev.-luth. Gesamtkirchengemeinde An der Nette“.11

Pfarrstellen

I: 1959.12 – II: 1961–1966 (übergegangen auf Thomasgemeinde).13

Umfang

Ungefähr der Osnabrücker Stadtteil Sonnenhügel, bis 1966 auch Dodesheide (dann verselbständigt als Thomasgemeinde.14 Seit 1969 Kornstraße und nördlicher Teil Süntelstraße.15

Aufsichtsbezirk

Mit Gründung der KG 1959 zum KK Osnabrück.

Kirchenbau

Etwa rechtwinkliger, nach Südsüdwesten ausgerichteter Ziegelbau, an der Nordwestecke schließt sich in der Verlängerung das Gemeindehaus an, erbaut 1959/60 (Architekt: Werner Johannsen, Osnabrück). Satteldach, horizontale Fensterbänder unterhalb der Dachtraufe, Glasbausteinwand an Südostecke (Altarraum), bodentiefes Dickglasfenster an Westseite (Taufkapelle); Eingang an Nordostecke, darüber Tonstift-Mosaik (konzentrische Kreise als Symbol der Dreieinigkeit). Im Innern holzverschalte Decke aus zwei stumpfwinklig zusammenstoßenden Flächen; Seitenempore im Westen, Orgelempore im Norden; monumentales Wandgemälde an Altarwand (1960 Klaus Arnold, Grein bei Neckarsteinach), dargestellt ist das Gleichnis der klugen und törichten Jungfrauen (Mt 25,1–13); Wandgemälde 1998 restauriert. Saal des Gemeindehauses kann zum Kirchenraum hin geöffnet werden.

Fenster

Farbige Glasmosaikfenster (1960 Klaus Arnold, Grein bei Neckarsteinach), ebenfalls zum Gleichnis der klugen und törichten Jungfrauen (Mt 25,1–13), Öllampen in westlichen Fenstern, Jungfrauen in östlichen.

Turm

Rechteckiger Turm aus Ziegelmauerwerk vor Südostecke, erbaut 1959/60. Flaches, verkupfertes Kreuzdach, bekrönt mit Kugel, Kreuz und Hahn. Glockenstube mit vertikalen Holzlamellen. Turmsanierung 1996.

Ausstattung

Schlichter, hölzerner Altartisch. – Niedrige Holzkanzel. – Tonnenförmiger Taufstein aus Beton, Beckenrand mit Relief verziert.

Orgel

Neubau 1962, ausgeführt von der Firma Gebrüder Hillebrand (Altwarmbüchen), 21 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen. Renovierung und Umbau 1975, Firma Matthias Kreienbrink (Osnabrück).

Geläut

Fünf LG, I: g’, Herrenglocke, Inschrift: „Der Du allein der Ewige heißt und Anfang, Ziel und Mitte weißt im Fluge unserer Zeiten: Bleib Du uns gnädig zugewandt und führe uns an Deiner Hand, damit wir sicher schreiten“; II: a’, Sterbeglocke, Inschrift: „Ich weiß, wohin Dein Wort mich ruft: ins Leben durch den Tod. So führe mich durch Nacht und Gruft hin, wo Dein Leben loht“; III: c’’, Betglocke, Inschrift: „Vater unser, der Du bist in dem Himmel droben: Gib, daß wir zu aller Frist lieben dich und loben“; IV: d’’, Trauglocke, Inschrift: „Gelobt sei Deine Treu, die jeden Morgen neu uns Deine abgrundtiefe Liebe zeigt! Wir preisen Dich und bringen Dir unser Lob mit Singen, bis unser Mund im Tode schweigt“; V: f’’, Taufglocke, Inschrift: „Ich bin geborgen, o sel’ger Stand, so heut wie morgen in Gottes Hand“ (alle Bronze, Gj. 1961, Firma Rincker, Sinn).

Weitere kirchliche Gebäude

Pfarrhaus (Bj. 1959/60). – Kindertagesstätte, nordwestlich an Gemeindehaus anschließend (Bj. 1991/92). – Kindergarten Am Vogelsang (Bj. 1954, bis etwa 1981 Eigentum der Paul-Gerhardt-KG, 1992 verkauft).

Friedhof

Kein kirchlicher Friedhof.

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

E 9 Nr. 705–709 (Amt für Bau- und Kunstpflege); L 5f Nr. 27, 310, 933 (LSuptur. Osnabrück).

Kirchenbücher

Taufen: ab 1959
Trauungen: ab 1959
Begräbnisse: ab 1959
Konfirmationen: ab 1959

Früher siehe Osnabrück, St. Marien und Osnabrück, Paul Gerhardt.

Literatur

A: Poppe-Marquard, Kirchenchronik, S. 216–219; Weichsler, Hdb. Sprengel Osnabrück, S. 26; Wrede, Ortsverzeichnis Fürstbistum Osnabrück II, S. 118.
B: 10 Jahre Matthäuskirche. Eine Chronik in Zeitungsausschnitten, 1970; 25 Jahre Evangelisch-lutherische Matthäuskirche an der Moorlandstraße in Osnabrück. Kirchweihjubiläum, hrsg. vom Kirchenvorstand der Ev.-luth. Matthäus-Kirchengemeinde Osnabrück, Osnabrück 1985; Matthäuskirche Osnabrück. Festschrift zur Einweihung der evangelisch-lutherischen Matthäuskirche Osnabrück, hrsg. vom Kirchenvorstand der Ev.-luth. Matthäus-Kirchengemeinde Osnabrück, Osnabrück 1960.

GND

1027978185, Evangelisch-Lutherische Matthäusgemeinde Osnabrück


Fußnoten

  1. LkAH, L 5f, Nr. 27 (Visitation 1964).
  2. Poppe-Marquard, Kirchenchronik, S. 184 ff. und ebd. S. 169 ff.
  3. Zur Gründungsgeschichte vgl. Matthäuskirche, S. 3 ff.; 25 Jahre [S. 11 ff.].
  4. KABl. 1959, S. 141 f. Karte mit Gemeindegebiet in: LkAH, B 2 G 9/Osnabrück, Matthäus Bd. I (Tasche); Urkunde zur Grundsteinlegung in: 10 Jahre, [S. 4].
  5. LkAH, L 5f, Nr. 310 (Visitation 1982); Koch, Heimat, S. 83 f.
  6. LkAH, L 5f, Nr. 27 (Visitation 1964).
  7. Matthäuskirche, S. 17.
  8. KABl. 1961, S. 11. Eine knappe Übersicht zur Planungs- und Bauphase 1960–64, die manche Meinungsverschiedenheit zwischen Gemeinde und Landeskirchenamt andeutet, in: LkAH, L 5f, Nr. 27 (Visitation 1964).
  9. KABl. 1966, S. 7.
  10. 10 Jahre, [S. 14, 18, 21, 29, 33].
  11. KABl. [in Vorbereitung].
  12. KABl. 1959, S. 57, 141 f.
  13. KABl. 1961, S. 11; KABl. 1966, S. 7.
  14. KABl. 1966, S. 7.
  15. 10 Jahre, S. 24.