Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hameln-Pyrmont | Patrozinium: Martin Luther | KO: Calenberger KO von 1569
Orts- und Kirchengeschichte
Die Siedlungsgebiete im Norden der Stadt Hameln gehörten seit 1952 zur Marktkirchengemeinde Hameln und bildeten den Pfarrbezirk St. Nicolai-Nord. Die Wohnhäuser wurden überwiegend nach Ende des Zweiten Weltkriegs errichtet. Wegen der gestiegenen Zahl der Gemeindeglieder verkleinerte die Gemeinde den Pfarrbezirk 1955 und richtete im südlichen Teil den Pfarrbezirk St. Nicolai-Mitte ein. Der neue Pfarrbezirk Nord zählte 1960 etwa 7.500 Gemeindeglieder. Zur Sozialstruktur schrieb der Hamelner Sup. 1990: „Es gibt sehr gute Wohngebiete und Villenviertel in der Gemeinde. Und es gibt auch Wohnbereiche, in denen sozial Schwache wohnen.“1
Zum Gottesdienst versammelte sich die Gemeinde des Pfarrbezirks Nord seit 1957 in der Aula der Pestalozzischule; das Pfarramt hatte P. Paul Gürtler (amt. 1955–1958) inne, gefolgt von P. Bruno Kaufmann (amt. 1959–1968). Im Dezember 1959 gründete sich ein Kirchenbauverein, der dabei half, die Innenausstattung und die Fenster der geplanten Kirche zu finanzieren. 1960 konnte der Grundstein gelegt werden. Zum 1. Januar 1961 trennte das LKA Hannover den Pfarrbezirk Nord von der Marktkirchengemeinde Hameln ab und errichtete die „Ev.-luth. Martin-Luther-KG Hameln“. Die neue Gemeinde übernahm eine Pfarrstelle der Muttergemeinde.2 Genau ein Jahr später erhielt sie eine zweite Pfarrstelle, die ab Oktober 1962 P. Detlev Block (amt. 1962–1967) versah.3 Bereits am 3. Juni 1962 hatte LSup. Johannes Schulze (amt. 1957–1969) die neue Martin-Luther-Kirche eingeweiht. Nach der Visitation der Luthergemeinde im Jahr 1972 schrieb der Hamelner Sup, dass „die hervorragend geeigneten Räumlichkeiten und die Kombination von Gotteshaus und großen und kleinen Gemeinderäumen wesentlich mit dazu beiträgt, daß sich in dieser Gemeinde zahlenmäßig viele Mitarbeiter finden, die für ein vielfältiges Gemeindeleben Verantwortung tragen“.4 Noch in den 1960er Jahren eröffnete die Gemeinde einen ev. Kindergarten (1980 Neubau) und 1965 eine Gemeindebücherei.
Schon 1966 stellte die Luthergemeinde Überlegungen zum Bau eines Gemeindezentrums im Hohen Feld an, dem nordwestlichen Teil des Gemeindegebiets, wo nach Einschätzung der KG „ein völlig neuer und eigengeprägter Stadtteil im Entstehen“ war.5 Zwischen dem Wohngebiet um die Martin-Luther-Kirche und diesem neuen Stadtteil lag u. a. das Übungsgebiet der britischen Garnison. Zudem unterschieden sich beide Gebiete soziologisch, der KV bat daher um die Einrichtung einer dritten Pfarrstelle sowie den Bau eines Gemeindezentrums im Hohen Feld mit Kirche, Pfarrhaus und Kindergarten. 1972 konnte ein ehemaliger Ladenpavillon für kirchliche Zwecke angemietet werden und 1973 erhielt die Gemeinde schließlich die dritte Pfarrstelle, die 1974 mit P. Reinhardt Garbe (amt. 1974–1979) besetzt wurde.6 Um den Bau des Gemeindezentrums verwirklichen zu können, schloss die KG 1977 einen Vertrag mit der Stadt Hameln: Die Stadt übernahm einen wesentlichen Teil der Baukosten und die KG verpflichtete sich neben der Gemeindearbeit in den neuen Räumlichkeiten „unter Mitwirkung von geeigneten Fachkräften zeitgemäße Jugendarbeit“ anzubieten, sowohl für kirchliche als auch nichtkirchliche Jugendliche.7 Die Bauarbeiten begannen 1978 und 1979 konnte die Gemeinde das Jugend- bzw. Gemeindezentrum einweihen. Allerdings zeigte sich schon Ende 1980, dass die Doppelaufgabe Jugendarbeit und Gemeindearbeit das Zentrum „räumlich und personell überfordert“.8 Die KG erwarb das Gebäude von der Stadt und 1985 zog die städtische Jugendarbeit um in ein neues Quartier. Zur kirchlichen Verselbständigung des Pfarrbezirks Hohes Feld kam es nicht: 1984 entschied der KV, bei der augenblicklichen Struktur zu bleiben: „eine Gemeinde mit drei Bezirken bei drei Pfarrstellen“.9 Mit fast 8.600 Gemeindegliedern war die Martin-Luther-Gemeinde seinerzeit die größte KG im KK Hameln-Pyrmont.
Seit den 1970er Jahren feierte die Martin-Luther-Gemeinde jeweils am zweiten Weihnachts-, Oster- und Pfingsttag zusammen mit der kath. St. Elisabethgemeinde einen ökumenischen Sakramentsgottesdienst (bis 1984, dann Wortgottesdienste an anderen Terminen).10 Zusammen mit der Baptistengemeinde unterstützten ev.-luth. und kath. Gemeinde seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre ein ländliches Entwicklungszentrum in Kenia (Projektpartnerschaft).11 Die drei Gemeinden gründeten gemeinsam den „Arbeitskreis Ökumene in der Hamelner Nordstadt“. Ebenfalls in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre knüpfte die Luthergemeinde im Rahmen der Partnerschaft zwischen der hannoverschen und der sächsischen Landeskirche Kontakte zur Kirchgemeinde Niederalbertsdorf (nordwestlich von Zwickau).12
Seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre gehört die Martin-Luther-Gemeinde zur Region 3 des KK Hameln-Pyrmont, zu der überdies die KG Hilligsfeld-Rohrsen, Holtensen und die Hamelner Gemeinde Paul Gerhardt zählen. Eine der drei Pfarrstellen der Gemeinde hob das LKA Hannover 1998 auf.13 Im Jahr 2004 gründete sich die Stiftung der Martin-Luther-Kirchengemeinde, deren satzungsmäßiges Ziel es ist, „die Erfüllung sozialer und diakonischer Dienste am Menschen, u. a. Jugendarbeit, Seniorenarbeit und Dienste zum Wohle notleidender und gefährdeter Mitmenschen, im Bereich der Martin-Luther-Kirchengemeinde in Hameln verwirklichen zu helfen“.14 Zum 1. Januar 2022 ging die Trägerschaft des Kindergartens der Martin-Luther-Gemeinde über auf den Verband der ev.-luth. Kindertagesstätten im KK Hameln-Pyrmont.15
Pfarrstellen
I: 1961.16 – II: 1962–1998.17 – III: 1973.18
Umfang
Der nördliche Teil der Stadt Hameln, im Südwesten begrenzt durch die Weser, im Süden durch die Fischbecker Straße, im Südosten durch Süntelstraße und Knabenburg. Gebiet nordwestlich der Süntelstraße und Am Schöt gehörte bis 1963 zur Paul-Gerhardt-Gemeinde.19 1983 ein weiterer westlicher Gemeindeteil der Paul-Gerhardt-Gemeinde umgepfarrt in die Martin-Luther-Gemeinde.20
Aufsichtsbezirk
Mit Gründung der KG 1961 zum KK Hameln-Pyrmont.
Kirchenbau
Verklinkerter Betonskelettbau, ausgerichtet nach Westen, wabenförmiger Grundriss, der durch die nach Südwesten verlängerte Nordwestwand aufgebrochen ist, erbaut 1961/62 (Architekt: Wolfgang Rauda, Hannover).21 Satteldach. An den Längsseiten horizontale Fensterbänder unterhalb der Dachtraufe, an der Südwestecke bodentiefes, hochrechteckiges Fenster (Altarraum), an der Nordseite fünf Rechteckfenster, nach Osten Fenster in Form eines Facettenkreuzes; Inschriftenstein: „Ein fest Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen“; an der Westwand Ziegelornament. An der Südseite schließt sich ein Flachbau mit Gemeinderäumen an. Im Innern offener Dachstuhl, Deckenflächen holzverschalt, sichtbare Betonbinder und freistehende Betonstützen; Empore an Nord- und Ostwand.
Fenster
Fünf farbige Betonglasfenster in der Nordwand (1963, Gerhard Hausmann, Hamburg), alttestamentarische Motive: Wurzel Isais (Jes 11,1), brennender Dornbusch (2 Mos 3,2), verworfener Stein (Ps 118,22), brennender Tempel (Jes 64,10) sowie im fünften Fenster Schlange (1 Mos 3) und Kreuz mit Wasserlinien (Jes 44,3).22 Altarfenster und Fensterbänder im Schiff farbig gestaltet.
Turm
Vor der Nordostecke der Kirche freistehender, vierseitiger Turm, Satteldach bekrönt mit Kugel und Krone. Außenwände verklinkert. Oberstes Geschoss als offene Aussichtsplattform gestaltet; darunter Glockenstube mit rechteckigen Schallfenstern; im unteren Bereich Loggia mit Rechtecköffnung nach Osten. Turm und Kirche durch eine Pergola verbunden. 2018 Bekrönung bei Sturm zerstört. 2019 neue Bekrönung.
Ausstattung
Steinerner Altartisch (1962, Siegfried Zimmermann, Hannover). – Hängendes Abendmahlsrelief (1962, Siegfried Zimmermann, Hannover), Bronze. – Ebenerdige Kanzel mit hölzernen Seiten. – Steintaufe (1962, Siegfried Zimmermann, Hannover), runder Fuß, kreuzförmiger Querschnitt. – Heilige Familie (Gregor Lerchen, Höhr-Grenzhausen), Ton, 1983 von einem Gemeindeglied gestiftet; aufgestellt Heiligabend bis Epiphanias.
Orgel
Neubau 1963, ausgeführt von Alfred Führer (Wilhelmshaven), 23 II/P (HW, RP), mechanische Traktur, Schleifladen; neobarocker Stil. Instrument 1991 grundlegend überholt von Johannes Rohlf (Neubulach).
Geläut
Vier LG, I: b’, Christusglocke, Name: Eisenach, Inschrift: „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder“; II: c’’, Sterbeglocke, Name: Eisleben, Inschrift: „Fürchte dich nicht, glaube nur“; III: es’’, Betglocke, Name: Wittenberg, Inschrift: „Herr, lehre uns beten“; IV: f’’, Taufglocke, Name: Erfurt, Inschrift: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort“ (alle Bronze, Gj. 1961, Firma Rincker, Sinn).
Gemeindezentrum Hohes Feld
Mehrteiliger, eingeschossiger Flachbau mit erhöhtem Gottesdienstraum, errichtet 1978/79 (Architekt: Karl-Heinz Meßmann, Hameln).
Ausstattung
Hölzerner Altartisch. – Hölzerne, ebenerdige Kanzel. – Hölzerner Taufständer.
Orgel
Positiv, erbaut 1988 von Firma Muhleisen (Strasbourg), 4 I/–, mechanische Traktur, Schleifladen.
Weitere kirchliche Gebäude
Pfarrhaus I (Bj. 1963). – Pfarrhaus II (Bj. 1964). – Pfarrhaus III (Bj. 1981). – Gemeindehaus (Bj. 1964). – Küsterhaus (Bj. 1906). – Kindergarten (Bj. 1980).
Friedhof
Städtische Friedhöfe der Stadt Hameln (Deisterstraße, Am Wehl).
Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)
L 5a Nr. 156–157, 1676, 1798–1801 (LSuptur. Calenberg-Hoya mit Verden-Hoya und Celle); S 09, rep Nr. 1217 (Presseausschnittsammlung).
Literatur
B: Die Martin-Luther-Kirche zu Hameln, hrsg. vom Kirchenvorstand der Martin-Luther-Gemeinde, Hameln 1987.
GND
16101739-3, Martin-Luther-Kirchengemeinde (Hameln)
Website der Kirchengemeinde (22.09.2022)
Fußnoten
- LkAH, L 5a, Nr. 157 (Visitation 1990).
- KABl. 1961, S. 3 f.
- KABl. 1962, S. 5.
- LkAH, L 5a, Nr. 156 (Visitation 1972).
- LkAH, B 2 G 9, Nr. 3497, Bl. 2 (Gedanken zur künftigen kirchlichen Entwicklung auf dem „Hohen Feld“, Februar 1966).
- KABl. 1973, S. 109.
- LkAH, B 2 G 9, Nr. 3497, Bl. 64.
- LkAH, B 2 G 9, Nr. 3497, Bl. 200.
- LkAH, L 5a, Nr. 156 (Visitation 1984), Hervorhebungen im Original.
- LkAH, L 5a, Nr. 156 (Visitation 1984); LkAH, L 5a, Nr. 157 (Visitation 1990).
- LkAH, L 5a, Nr. 157 (Visitation 1990).
- LkAH, L 5a, Nr. 157 (Visitation 1990). Allgemein: Cordes, Gemeindepartnerschaften, S. 38 ff.
- KABl. 1998, S. 139.
- Siehe https://www.martin-luther-gemeinde-hameln.de/wir/mitmachen/Stiftung.
- KABl. 2022, S. 51; KABl. 2010, S. 116 ff.
- KABl. 1961, S. 3 f.
- KABl. 1962, S. 5; KABl. 1998, S. 139.
- KABl. 1973, S. 109.
- KABl. 1963, S. 137.
- KABl. 1983, S. 24 f.
- Zur Konzeption des Baus: LkAH, B 2 G 9, Nr. 1142, Bl. 31g ff.
- Zu den Fenstern vgl. Martin-Luther-Kirche, [S. 20 ff.].